VfGH vom 12.12.2018, A18/2017
Leitsatz
Stattgabe eines Klagebegehrens auf Auszahlung von Prämien und Beihilfen nach dem MarktordnungsG sowie Abweisung der Klage betreffend den Anspruch auf Ersatz von Zinsen mangels gesetzlicher Grundlage
Spruch
I.Der Bund (Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus) ist schuldig, der Klägerin zuhanden ihres Rechtsvertreters den Betrag von € 0,61 sowie die mit € 147,06 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
II.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Klage und Vorverfahren
1.Gestützt auf Art 137 B-VG begehrt die Klägerin folgendes Urteil:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 0,61 samt 4 % Zinsen aus
€ 7.752,54 vom bis , aus € 7.452,72 vom bis , aus € 148,61 vom bis , aus € 7.754,38 vom bis , aus € 77,03 vom bis , aus € 8.349,97 vom bis und aus € 0,61 seit sowie hieraus jeweils 4 % Zinseszinsen ab Behändigung der Klage und die Kosten des Rechtsstreites gem. § 19a RAO zu Handen der ausgewiesenen Rechtsvertretung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen".
2.Dieser Klage liegt folgender Sachverhalt zu zugrunde:
Die Klägerin führt einen landwirtschaftlichen Betrieb und beantragte bei der Agrarmarkt Austria die Gewährung von Prämien und Beihilfen. Ihr wurden von dem Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria für die Jahre 2013 bis 2016 jeweils mit Bescheiden einheitliche Betriebsprämien, Erstattungen im Rahmen der Haushaltsdisziplin und Direktzahlungen insgesamt in der Höhe von € 31.535,86 (€ 7.752,54 für 2013, € 7.601,33 für 2014, € 7.831,41 für 2015 und € 8.350,58 für 2016) gewährt.
Mit Klage vom begehrt die Klägerin die Auszahlung der bescheidmäßig festgesetzten, aber einbehaltenen Prämien und Beihilfen für die Jahre 2013 bis einschließlich 2016. Ende Juni 2018 wurde von der Agrarmarkt Austria der Betrag von € 31.535,25 an die klagende Partei überwiesen. In weiterer Folge schränkte die Klägerin mit Schriftsatz vom die Klage auf die fehlenden € 0,61 samt Zinsen und Kosten ein; der beklagte Bund äußerte sich dazu nicht.
3.Der Bund erstattete eine Gegenschrift, in der er den Antrag stellt, das Zinsbegehren der Klägerin gestützt auf § 21 MOG 2007 als unbegründet abzuweisen.
II.Rechtslage
1.§21 Marktordnungsgesetz 2007, BGBl I 55/2007 idF BGBl I 47/2014, lautet:
"Zinsen
§21. (1) Rückzahlungsbeträge von Vergünstigungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind vom Tag der Auszahlung an, Abgaben vom Fälligkeitstag an mit 3 vH über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen, soweit Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts nicht anderes vorsehen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung eines Rückzahlungsbetrags hat die Berechnung dieser Zinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
(2) Soweit Vorgaben der Europäischen Union die Zahlung von Zinsen verlangen, sind Auszahlungen, die erst nach Ablauf der in Regelungen des Marktordnungsrechts der Union vorgegebenen Fristen vorgenommen und bei denen die verspätete Zahlung nicht vom Begünstigten zu verantworten ist, sowie Rückzahlungen von Beträgen, die aufgrund ungültiger Regelungen des Marktordnungsrechts der Union zu erfolgen haben, vom letzten Tag der Zahlungsfrist beziehungsweise vom Tag der erfolgten Zahlung an mit 2vH über dem Basiszinssatz zu verzinsen."
2.Artikel 7 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 809/2014 vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance lautet:
"Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge
(1) Bei zu Unrecht gezahlten Beträgen ist der Begünstigte zur Rückzahlung der betreffenden Beträge zuzüglich gegebenenfalls der gemäß Absatz 2 berechneten Zinsen verpflichtet.
(2) Zinsen werden für den Zeitraum zwischen dem Ende der in der Einziehungsanordnung angegebenen Zahlungsfrist für den Begünstigten, die nicht mehr als 60 Tage betragen sollte, und dem Zeitpunkt der Rückzahlung bzw des Abzugs berechnet.
Der anzuwendende Zinssatz wird nach Maßgabe der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften berechnet, darf jedoch nicht niedriger sein als der bei der Wiedereinziehung von Beträgen nach nationalen Vorschriften geltende Zinssatz.
(3) Die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Absatz 1 gilt nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Begünstigten nach vernünftiger Einschätzung nicht erkennbar war.
Bezieht sich der Irrtum auf Tatsachen, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant sind, so gilt Unterabsatz 1 nur, wenn der Wiedereinziehungsbescheid nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist."
III.Erwägungen
1.Zur Zulässigkeit der Klage
Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insgesamt als zulässig.
Gemäß § 6 Abs 1 iVm § 2 Z 1 Marktordnungsgesetz 2007 ist die AMA zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle für Durchführung und Abwicklung der gemeinsamen Marktorganisationen in Österreich, wozu gemäß § 3 Abs 3 leg.cit. auch Direktzahlungen zählen. Die AMA besorgt dabei Aufgaben des Bundes und ist aus der Sicht des Art 137 B-VG als Erscheinungsform des Bundes im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu betrachten (VfSlg 14.372/1995 mwN, 17.662/2005). Der Anspruch auf Liquidierung des in Rede stehenden, von der AMA einbehaltenen Betrags in Höhe von € 0,61 samt der noch ausstehenden Zinsbeträge betrifft daher einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund, der gemäß Art 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann.
2.In der Sache
2.1.Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:
Für die Klägerin wurden Prämien und Beihilfen mit rechtskräftigen Bescheiden der Agrarmarkt Austria festgesetzt. Damit wurde die Rechtmäßigkeit der Förderbeträge festgestellt. Mit Schriftsatz vom schränkte daher die Klägerin das Klagebegehren auf € 0,61 ein, die, wie aus den Beilagen (Kontoauszügen) ersichtlich, vom Bund in seiner Zahlung nicht geleistet wurden. Der Anspruch auf die restlichen € 0,61 besteht für die Klägerin zu Recht.
2.2.Im Hinblick auf das Zinsbegehren ist die Klage nicht begründet.
Nach § 21 Abs 2 MOG 2007 gebühren Zinsen nur, soweit die Vorgaben der Europäischen Union die Zahlung vorsehen [Art7 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 809/2014 vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance]. Dem Unionsrecht lässt sich im Übrigen lediglich entnehmen, dass die Verpflichtung besteht, die zu Unrecht entrichteten Geldbeträge zu erstatten, wobei es mangels einer unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Klagen und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl und C-410/98, Metallgesellschaft Ltd. ua, Slg. 2001, I-1727 (Rz 85) und die dort angeführte Judikatur). Es ist dabei auch Sache des nationalen Rechts, alle mit der Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben zusammenhängenden Nebenfragen, wie etwa jene der Zahlung von Zinsen einschließlich des Zeitpunkts, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, und jene des Zinssatzes zu regeln (EuGH, Metallgesellschaft ua, Rz 86; , Rs. 26/74, Société Roquette Frères, Slg. 1976, I-677 (Rz 9/13), , Rs. 130/79, Express Dairy Foods Limited, Slg. 1980, I-1887 (Rz 17)).
Auf unionsrechtlicher Grundlage besteht daher nur dann ein Anspruch auf Ersatz der Zinsen, wenn dies in der österreichischen Rechtsordnung so vorgesehen ist (vgl VfSlg 19.967/2015). Eine derartige Regelung wird im MOG 2007 nicht getroffen. Dem Zinsbegehren ist nicht Folge zu geben. § 21 MOG 2007 trifft insofern eine abschließende Regelung, für die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze ist daneben kein Raum (vgl ebenfalls VfSlg 19.967/2015; siehe auch A3/01 und die darin zitierte Vorjudikatur).
IV.Ergebnis
1.Der geltend gemachte Anspruch in der Höhe von € 0,61 besteht dem Grunde und der Höhe nach zu Recht; der Klage wird in Bezug auf diese Forderung stattgegeben.
2.Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
3.Der obsiegenden beklagten Partei sind die verzeichneten Kosten gemäß § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO zuzusprechen.
4.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2018:A18.2017 |
Schlagworte: | Marktordnung, Zinsen, EU-Recht |
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