OGH vom 23.04.2020, 11Os9/20p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Dilaver K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dilaver K*****, Cemal U*****, Ümit Y***** und Murat Ö***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend diese Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom , GZ 16 Hv 4/19i-2199, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dilaver K*****, Cemal U***** sowie Ümit Y***** und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A/II und III, B/II, C/I, II und III, D und E sowie im diesen zugrunde liegenden Wahrspruch zu den Hauptfragen 3, 9, 10, 11, 12, 14 und 25 sowie zur Eventualfrage 8, demgemäß in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in dem Ümit Y***** und Murat Ö***** betreffenden Ausspruch über die Ausschließung vom Wahlrecht zum Nationalrat und zum Europaparlament aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz als Geschworenengericht verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dilaver K***** und Murat Ö***** im Übrigen werden zurückgewiesen.
Die Angeklagten Cemal U***** und Ümit Y***** werden mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen sowie diese Angeklagten und die Angeklagten Dilaver K***** und Murat Ö***** sowie die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten Dilaver K***** und Murat Ö***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch unangefochten in Rechtskraft erwachsene Freisprüche – sowie verfehlte und solcherart wirkungslose Qualifikationsfreisprüche (vgl RIS-Justiz RS0115553) – enthaltenden Urteil wurden
Dilaver K***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2, 15 StGB (A/I), des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B/I) und des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB (C/I),
Cemal U***** des Vergehens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 3 StGB (D),
Ümit Y***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2, 15 StGB (A/II und III), des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B/II), des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB (C/II) und des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung nach § 278d Abs 1a Z 2 StGB (E) und
Murat Ö***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2, 15 StGB (A/IV) und des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB (C/III) schuldig erkannt.
Danach haben – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant –
(A) in L*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebiets sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an den aus der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak (ISI) hervorgegangenen terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), in dem Wissen, dadurch diese terroristischen Vereinigungen in deren Ziel der Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten, auch als Kalifat bezeichneten Gottesstaats und deren zur Erreichung dieses Zieles als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zu fördern, beteiligt, und zwar
I) Dilaver K***** von Jahresanfang 2012 bis dadurch, dass er mit seinen in den Räumlichkeiten des Glaubensvereins R***** in *****, und in den Räumlichkeiten des Af*****s in G***** gehaltenen und über das Internet und Datenträger verbreiteten Vorträgen und Predigten sowie in persönlichen Gesprächen mit zumeist jungen Muslimen,
1) sich als Vordenker der radikal islamistischen Szene betätigte und dabei das Ziel der terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), nämlich die Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten, auch als „Islamischer Staat“ (Kalifat) bezeichneten Gottesstaats auf Grundlage der als islamisches Recht bezeichneten Scharia bewarb, zur Unterstützung dieser terroristischen Vereinigungen aufforderte und im Zusammenwirken mit Cemal U***** und Ümit Y***** den Verein R***** zu einem Standort und Stützpunkt der terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS) in Österreich formte,
2) die nachgenannten, zum Teil auch abgesondert verfolgten Personen für die terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), als Mitglieder und Kämpfer anwarb, indem er diesen Personen in seinen Vorträgen, Predigten und in persönlichen Gesprächen die Teilnahme an dem als „Dschihad“ bezeichneten Glaubenskrieg zur Errichtung des als „Islamischer Staat“ (Kalifat) bezeichneten, nach radikal islamistischen Grundsätzen gestalteten, vorerst in Syrien und im Irak und schließlich sich weltweit erstreckenden Gottesstaats als die religiöse Pflicht jedes Muslims darstellte und diese zumeist jungen Muslime aufforderte, sich in Erfüllung dieser von ihm so bezeichneten religiösen Pflicht an den terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), als Mitglied zu beteiligen und für die Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen gestalteten und sich schließlich weltweit erstreckenden Gottesstaats zu kämpfen, und zwar
a) Sevket G*****, der
• im Sommer 2012 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Emrullah Kü***** von G***** über W***** nach Kairo reiste, um sich durch privaten Koranunterricht im islamistischen Sinn weiter zu radikalisieren und durch das Erlernen der arabischen Sprache in Kursen für den Kampfeinsatz in Syrien vorzubereiten, sodann
• sich am Jahresende 2012 unter Verwendung des im Glaubensverein R***** über Veranlassung von Dilaver K***** zu diesem Zweck gesammelten und von dem abgesondert verfolgten Suayip B***** aus G***** an Sevket G***** überwiesenen Geldbetrags von insgesamt 1.069 Euro, mithin diesen terroristischen Vereinigungen bereitgestellten Vermögenswerten, von Kairo, Ägypten, über Istanbul und Reyhanlı, Türkei, nach Syrien begab, wo er sich ab Jahresanfang 2013 bei der für die terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Jabhat al-Nusra kämpfenden terroristischen Vereinigung Jaish al-Muhajirin wal-Ansar (JAMWA) zur Vorbereitung für seinen Einsatz im syrischen Bürgerkrieg einer Kampfausbildung für terroristische Zwecke unterzog, bei der er die Handhabung des Sturmgewehrs Kalaschnikow und eines Messers im Nahkampf, die Selbstverteidigung mit und ohne Schusswaffe, militärische Strategie, die Durchsuchung von Objekten, die Umzingelung von Örtlichkeiten und die militärische Fortbewegung erlernte,
• mit dem ihm aus der von Dilaver K***** veranlassten Sammlung im Glaubensverein R***** verbliebenen Geldbetrag zum Teil die für seinen Kampfeinsatz notwendige Bewaffnung und Kleidung, bestehend aus einem Kalaschnikow-Sturmgewehr, drei Magazinen, einem Kampfmesser, einer Weste mit Spezialtaschen zur Aufbewahrung der Magazine und einer Thermohose kaufte,
• bis zu seiner schweren Verletzung durch Schüsse in seine beiden Oberschenkel bei der Erstürmung einer nicht näher bekannten Ortschaft in der syrischen Provinz Aleppo an einem nicht näher bekannten Tag Ende Februar 2013 als Kämpfer der terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Jabhat al-Nusra am syrischen Bürgerkrieg teilnahm,
• an einem nicht näher bekannten Tag Ende Februar 2013 in einem nicht näher bekannten Ort der syrischen Provinz Aleppo im Zusammenwirken mit weiteren unbekannt gebliebenen Kämpfern der terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Jabhat al-Nusra terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB beging, wobei die Taten im Zusammenwirken mit den weiteren terroristischen Straftaten dieser terroristischen Vereinigungen geeignet waren, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens und eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens in Syrien, zumindest in der Provinz Aleppo herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen wurden,
◦ die nicht den Zielen der terroristischen Vereinigung ISIS folgende Zivilbevölkerung Syriens auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern,
◦ öffentliche Stellen des syrischen Staates in der Provinz Aleppo, nämlich zumindest die Polizeidienststellen zur Unterlassung der Ausübung der Exekutivgewalt zu nötigen und
◦ die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen des syrischen Staates ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören, und zwar
• die Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB dadurch, dass er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren, unbekannt gebliebenen Kämpfern der terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Jabhat al-Nusra eine nicht näher bekannte Anzahl von Männern und Frauen dieser Ortschaft und Soldaten der Regierungstruppen durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er den Gebrauch seines Kalaschnikow-Sturmgewehrs im Falle der Weigerung ankündigte und auch gezielte Schüsse daraus abfeuerte, zu einer Handlung, nämlich dem Verlassen ihrer Wohnungen und Häuser nötigte,
• die Verbrechen des Mordes nach § 15, 75 StGB dadurch, dass er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren, unbekannt gebliebenen Kämpfern der terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Jabhat al-Nusra eine nicht näher bekannte Anzahl von Männern und Frauen dieser Ortschaft und Soldaten der Regierungstruppen durch Schüsse aus dem jeweiligen Kalaschnikow-Sturmgewehr vorsätzlich zu töten versuchte,
b) Emrullah Kü*****, Suayip B***** und Enes C*****, die in G*****, W***** und anderen Orten des Bundesgebiets im Frühjahr 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken an unterschiedlichen, nicht näher bekannten Tagen von Wien nach Ankara flogen, von wo aus sie mit dem Bus nach Urfa (Şanlıurfa Merkez) weiterreisten und sodann mit Unterstützung eines von Suayip B***** verpflichteten Verbindungsmanns mit dem Bus nach Reyhanlı an der Grenze zu Syrien fuhren, wo sie ein Schlepper über die Grenze nach Atmeh (Āţimah) in Syrien führte und den Kontakt zu Verbindungspersonen der terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Jabhat al-Nusra herstellte, um
• die Ansiedlung ihrer Familien in den von diesen terroristischen Vereinigungen beschlagnahmten Häusern oder Wohnungen vertriebener oder getöteter syrischer Staatsangehöriger vorzubereiten und dadurch zur Stärkung der sozialen Infrastruktur dieser terroristischen Vereinigung beizutragen,
• sich als Kämpfer den terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien und Jabhat al-Nusra anzuschließen, wobei sie aber an den folgenden Tagen wieder in die Türkei zurückreisten, weil sie nach ihren Angaben den von ihnen verlangten Treueeid für diese terroristischen Vereinigungen verweigerten;
c) Ömer G***** im Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Enes C***** und Emrullah Kü***** von Sommer 2013 bis Herbst 2014, wobei es beim Versuch blieb,
d) Halil Ka*****, der von Sommer 2013 bis in G***** als der für die türkischstämmigen Muslime des Glaubensvereins F***** geltende „Emir“ (Anführer) im Auftrag und unter Anleitung von Dilaver K***** junge Muslime mit Vorträgen und in persönlichen Gesprächen zur Beteiligung an den terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), anwarb oder anzuwerben versuchte sowie im Spätherbst 2014 nach Syrien übersiedeln wollte, um sich als Kämpfer der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) anzuschließen,
e) Abdullah Y*****, der im Herbst 2013 von L***** über die Türkei nach Syrien reiste, wo er seither für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS) im syrischen Bürgerkrieg kämpft,
f) Ümit Y*****, der ab Jahresanfang 2012 durch Führung des Vereins R***** in L***** für Dilaver K***** faktische und rechtliche Voraussetzungen zur systematischen Propaganda und zur Anwerbung von Muslimen für die terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), schuf;
II) Ümit Y***** von Jahresanfang 2012 bis dadurch, dass er als das faktische und rechtliche Leitungsorgan des Vereins R*****, nämlich als Schriftführer und stellvertretender Imam Dilaver K***** bei den zu den Punkten I/1 und I/2 angeführten Handlungen unterstützte, und zwar durch
• Führung des Vereins R*****,
• Finanzierung der Vereinsräumlichkeiten in *****,
• Sammeln von Spenden zumindest für Sevket G*****, mithin Bereitstellung von Vermögenswerten für diese terroristischen Vereinigungen,
• Mitwirkung an der von Ibrahim Ab*****
und Mohamed M***** von Deutschland aus
organisierten Koranverteilungsaktion „Lies!“ (vgl https://www.youtube.com/watch?v=z2WtWh5TJK8),
• Abhaltung oder Veranstalten von radikal islamistischen Vorträgen,
• Erstellung, Gestaltung und Finanzierung der ab auch mit der Dschihad-Flagge der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), versehenen Homepage „www.r*****.at“ und der Facebook-Seite des Vereins R***** zur Verbreitung radikal islamistischer Vorträge und zur Anwerbung von Muslimen für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS),
III) Ümit Y***** weiters dadurch, dass er in L***** am auf der Internetplattform „ebay“ das für ein Scharfschützengewehr zu verwendende Zielfernrohr POSP 6X24V ersteigerte und am Jahresanfang 2014 von Vedat Ak***** nach Syrien zu seinem für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), als Scharfschütze im syrischen Bürgerkrieg kämpfenden Bruder Abdullah Y***** bringen ließ,
IV) Murat Ö***** in L***** und anderen Orten des Bundesgebiets, indem er von Jahresanfang 2012 bis September 2013
• im Auftrag und zur Unterstützung des Dilaver K***** bei der Anwerbung junger Muslime als Mitglieder und Kämpfer der terroristischen Vereinigungen Jabhat al-Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) im Verein R***** die Aktion „LIES!“ leitete,
• als der für die von Ibrahim Ab***** und Mohamed M***** von Deutschland aus organisierte Koranverteilungsaktion „LIES!“ Verantwortliche und dadurch an der faktischen Vereinsführung Mitwirkende im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem faktisch an der Vereinsführung mitwirkenden Ümit Y***** (Schriftführer und stellvertretender Imam) Dilaver K***** bei der Anwerbung der abgesondert verfolgten Sevket G*****, Ömer G*****, Emrullah Kü*****, Suayip B*****, Enes C*****, Halil Ka***** und Abdullah Y***** unterstützte,
(B) in L*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebiets von Jahresanfang 2012 bis sich als Mitglieder (§ 278 Abs 3 StGB) an der auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Anzahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS),
• die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB die Zerstörung des syrischen Staates und des irakischen Staates zur Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten totalitären Gottesstaats (Kalifat) anstrebt,
• die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt, indem sie seit Sommer 2011 in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak einen nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten totalitären Gottesstaat (Kalifat) errichtet, die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet oder vertreibt und sich deren Vermögen aneignet sowie die vorgefundenen Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet,
• die andere durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge einzuschüchtern und sich auf besondere Weise, nämlich Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzierungsstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB), dadurch diese Verbindung und deren strafbare Handlungen zu fördern, beteiligt, und zwar
I) Dilaver K***** durch die zu Punkt A/I dargestellten Handlungen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB,
II) Ümit Y***** durch die zu den Punkten A/II und A/III dargestellten Handlungen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB,
(C) in L*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebiets von Jahresanfang 2012 bis sich in einer Verbindung, nämlich der radikal islamistisch ausgerichteten terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra bis Sommer 2013 und der radikal islamistisch ausgerichteten terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise
• die Unabhängigkeit der Republik Österreich,
• die in der Verfassung festgelegte Staatsform der Republik Österreich,
• die in den § 249, 250, 251 und 259 StGB angeführten verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich, nämlich den Bundespräsidenten, den Nationalrat, den Bundesrat, die Bundesversammlung, die Bundesregierung, die neun Landtage, die neun Landesregierungen, den Verfassungsgerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, den Rechnungshof, die neun Landesrechnungshöfe und das Bundesheer, zu erschüttern, führend betätigt und für sie Mitglieder geworben, und zwar
I) Dilaver K***** durch die zu Punkt A/I dargestellten Handlungen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und die zu Punkt B/I dargestellten Handlungen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB,
II) Ümit Y***** durch die zu den Punkten A/II und A/III dargestellten Handlungen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und die zu Punkt „B/III“ (gemeint: B/II) dargestellten Handlungen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB,
III) Murat Ö***** durch die zu Punkt A/IV dargestellten Handlungen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB,
(D) Cemal U***** in L*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebiets von Jahresanfang 2012 bis an einer Verbindung, nämlich der radikal islamistisch ausgerichteten terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra bis Sommer 2013 und der radikal islamistisch ausgerichteten terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise
• die Unabhängigkeit der Republik Österreich,
• die in der Verfassung festgelegte Staatsform der Republik Österreich,
• die in den § 249, 250, 251 und 259 StGB angeführten verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich, nämlich den Bundespräsidenten, den Nationalrat, den Bundesrat, die Bundesversammlung, die Bundesregierung, die neun Landtage, die neun Landesregierungen, den Verfassungsgerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, den Rechnungshof, die neun Landesrechnungshöfe und das Bundesheer zu erschüttern, auf eine andere als die in „Abs 2 leg cit“ bezeichnete Weise unterstützt, indem er Dilaver K***** bei den zu Punkt A/I/1 angeführten Handlungen als Obmann des Vereins R***** unterstützte;
(E) Ümit Y***** in L***** Vermögenswerte für ein Mitglied der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat in Syrien und im Irak (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), von der er wusste, dass sie darauf ausgerichtet ist, Handlungen nach
• § 278d Abs 1 Z 2 StGB, nämlich erpresserische Entführung (§ 102 StGB) oder eine Drohung damit,
• § 278d Abs 1 Z 7 StGB, nämlich die Beförderung eines Sprengsatzes oder einer anderen tödlichen Vorrichtung an einen öffentlichen Ort, zu einer staatlichen oder öffentlichen Einrichtung, einem öffentlichen Verkehrssystem oder einer Versorgungseinrichtung oder den Einsatz solcher Mittel mit dem Ziel, den Tod oder eine schwere Körperverletzung eines anderen oder eine weitgehende Zerstörung des Orts, der Einrichtung oder des Systems zu verursachen, „sofern“ die Zerstörung geeignet ist, einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden herbeizuführen,
• § 278d Abs 1 Z 8 StGB, nämlich eine strafbare Handlung, die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die in einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, „wenn“ diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, eine Bevölkerungsgruppe einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen, zu begehen, bereitgestellt, indem er das für ein Scharfschützengewehr zu verwendende Zielfernrohr POSP 6X24V, welches er über Ersuchen seines Bruders Abdullah Y***** Ende November 2013 auf der Internetplattform „eBay“ ersteigerte und am Jahresanfang 2014 von Vedat Ak***** nach Syrien zu seinem für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), seit Islamischer Staat (IS), als Scharfschütze im syrischen Bürgerkrieg kämpfenden Bruder Abdullah Y***** bringen ließ.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dilaver K*****, der sich auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 9, 10 a und „11a“ StPO stützt, und Ümit Y*****, der die Nichtigkeitsgründe nach § 345 Abs 1 Z 6, 9, 10a und „11a“ StPO geltend macht, sowie die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Murat Ö*****, der sich auf § 345 Abs 1 Z 10a und 11 lit a StPO beruft, und Cemal U*****, der Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 6, 9, 10a und 12 StPO reklamiert.
Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dilaver K*****, Cemal U***** und Ümit Y***** sowie zur amtswegigen Maßnahme:
Zutreffend moniert die Fragenrüge (Z 6) des Ümit Y***** einen Verstoß gegen § 312 Abs 1 StPO, wonach in jede – für jeden Angeklagten gesondert (vgl RIS-Justiz RS0118085) – anklagekonform zu stellende Hauptfrage alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit und Gegenstand soweit beizufügen sind, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat notwendig ist. Demnach sind all jene Umstände, die der Abgrenzung der zu beurteilenden Tat von anderen Sachverhalten dienen (Individualisierung) oder für die rechtsrichtige Subsumtion und deren Überprüfbarkeit unerlässlich sind (Konkretisierung), in die
Hauptfrage(n) aufzunehmen (vgl Lässig, WK-StPO § 312 Rz 3, 7, 9, 17 ff sowie Vor § 310-317 Rz 3 f und § 317 Rz 3, 5; vgl auch Ratz,WK-StPO § 345 Rz 40 f).
Denn ein Urteil eines Geschworenengerichts enthält hinsichtlich Schuld und Subsumtion der Tat(en) einschließlich damit zusammenhängender Rechtsfragen lediglich eine Formalbegründung, nämlich den Hinweis, dass es insoweit auf den Wahrspruch der Geschworenen gründet (vgl hier US 48). Eine Überprüfung erfolgt im Instanzenzug ausschließlich anhand der im Urteilsspruch angeführten Fragen an die Geschworenen und deren Antworten, weshalb der Einhaltung der für das Verfahren vor dem Geschworenengericht geltenden Vorschriften über die Fragestellung besondere Bedeutung zukommt (vgl Fabrizy, StPO13§ 312 Rz 4).
Die auf Ümit Y***** bezogenen Hauptfragen 9 nach dem Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB, 11 nach dem Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB und 12 nach dem Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB enthalten keine ausreichenden, also abgrenzungs- und subsumtionstauglichen Angaben zu den jeweils konkreten Tatumständen (vgl Lässig,WK-StPO § 312 Rz 19; Ratz,WK-StPO § 345 Rz 41).
In diesen Fragen wird vielmehr ohne erkennbaren Bezug auf das Fragenschema ausschließlich auf „Anklagepunkte“ verwiesen, nämlich in der Hauptfrage 9 auf die „zu den Anklagepunkten I.1. und I.2. angeführten Handlungen“ (A.I.1 und 2 der Anklageschrift ON 1793 würde im Übrigen Dilaver K***** betreffen) und in den Hauptfragen 11 und 12 jeweils auf „die zu Anklagepunkt A.II. und A.III.“, in der Hauptfrage 12 zusätzlich auf „die zum Anklagepunkt B.III. dargestellten Handlungen“.
Mit Recht reklamiert die Rüge, dass es bei Beantwortung dieser Hauptfragen eines „Zusammenlesens“ mit der Anklageschrift bedurft hätte. Den gesetzlichen Anforderungen wird damit nicht Genüge getan, weil nicht gesagt werden kann, welche besonderen sachverhaltsbezogenen Umstände die Geschworenen konkret irrtumsfrei bejaht haben (vgl Lässig, WK-StPO § 317 Rz 5).
Gleiches gilt in Ansehung der den Angeklagten Cemal U***** betreffenden Eventualfrage 8, wie die Rüge des Genannten aus Z 6 zutreffend reklamiert. Denn gemäß § 314 Abs 1 StPO ist eine für den Fall der Verneinung einer Hauptfrage gestellte Eventualfrage eine Schuldfrage, die im Fall ihrer Bejahung die (einzige) Basis für den korrespondierenden Schuldspruch bildet und deren Gesetzmäßigkeit daher ebenfalls nach § 312 StPO zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0100624). In der Eventualfrage ist der Sachverhalt so aufzubereiten, dass er allen Tatbestandsmerkmalen der in Rede stehenden strafbaren Handlung entspricht (Lässig,WK-StPO § 314 Rz 1).
Dem widerspricht die auf das Vergehen der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 3 StGB gerichtete Eventualfrage 8 mit dem darin anstelle einer Sachverhaltsschilderung enthaltenen Verweis auf „die zu Anklagepunkt A.II.“ und „die zum Anklagepunkt B.II. dargestellten Handlungen“ (vgl zudem die alleinige Bezugnahme auf „Punkt A. I. 1.“ im korrespondierenden Schuldspruch D). Dies zog die Aufhebung des Wahrspruchs zur Eventualfrage 8 und des darauf beruhenden Schuldspruchs D nach sich.
Hinsichtlich Ümit Y***** waren der Wahrspruch zu den Hauptfragen 9, 11 und 12 und die darauf gegründeten Schuldsprüche A/II wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB, B/II wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB und C/II wegen des Verbrechens staatsfeindlicher Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB aufzuheben.
Schon zufolge Aufhebung des Wahrspruchs zur Hauptfrage 9 sowie des korrespondierenden Schuldspruchs A/II war der Wahrspruch zur Hauptfrage 10 sowie der darauf gegründete Schuldspruch A/III wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2, 15 StGB zu kassieren (§§ 349, 344, 289 StPO). Denn verschiedene Beitragshandlungen nach § 278 Abs 3 StGB (vgl den Verweis in § 278b Abs 2 StGB) sind hinsichtlich jeder (einzelnen) Vereinigung oder Organisation als tatbestandliche Handlungseinheit anzusehen und in einer Frage zusammenzufassen, wenn sie – was hier schon aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs indiziert ist – von einem kontinuierlichen Mitwirkungsvorsatz getragen wurden (vgl RISJustiz RS0124166 [T1]; Lässig, WKStPO § 312 Rz 16; Ratz, WKStPO § 345 Rz 37).
Dies bedingt (§§ 349, 344, 289 StPO) die Aufhebung der – den selben Sachverhalt umfassenden (§ 312 Abs 2 StPO) – Hauptfrage 14 und des darauf beruhenden Schuldspruchs E wegen des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung nach § 278d Abs 1a Z 2 StGB.
Zutreffend zeigen die Subsumtionsrügen (nominell Z 11 lit a, der Sache nach Z 12) der Angeklagten Dilaver K***** und Ümit Y***** Rechtsfehler mangels Feststellungen in Ansehung der jeweiligen Schuldsprüche C/I und C/II wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB auf.
Die nach § 246 Abs 1 StGB maßgebliche Erschütterung muss sich auf die Unabhängigkeit der Republik Österreich, ihre in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsgemäße Einrichtung beziehen. Die Unabhängigkeit Österreichs ist erschüttert, wenn ein Eingreifen fremder Mächte zur Regelung österreichischer Angelegenheiten oder Ähnliches ernstlich zu besorgen ist. Die Staatsform der Republik ist erschüttert, wenn zu befürchten ist, dass auf gesetzwidrige Weise die Staatsform einer demokratischen parlamentarischen Republik beseitigt wird. Verfassungsmäßige Einrichtungen im Sinn des § 246 Abs 1 StGB sind jene, die für den Staatsaufbau wesentlich sind. Diese Einrichtungen werden erschüttert, wenn ihre Missachtung um sich greift und von vielen nach ihrer Abschaffung gerufen wird (vgl Bachner-Foregger in WK2 StGB § 246 Rz 3; Salimi/Tipold, SbgK § 246 Rz 24 ff; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4§ 246 Rz 7a).
Dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen zu der Dilaver K***** betreffenden Hauptfrage 3 basierenden Schuldspruch C/I ist (neben der fehlenden Auflösung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe – vgl Ratz, WKStPO § 345 Rz 28) kein Sachverhaltssubstrat zu entnehmen, wonach die Aktivitäten der Vereinigung Islamischer Staat im Irak (ISIS), Jabhat al-Nusra, Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und Islamischer Staat (IS) in dem in Syrien geführten Bürgerkrieg ungeachtet des von diesen Vereinigungen verfolgten Ziels der Errichtung eines „sich schließlich weltweit erstreckenden Gottesstaats“ eine ernste Gefahr für die Grundfesten der Republik Österreich darstellen würden.
Gleiches gilt für den – von Ümit Y***** aus Z 6 zutreffend beanstandeten – Wahrspruch zur Hauptfrage 12 und den darauf gegründeten Schuldspruch C/II.
Angesichts gleichlautender Benennung der als staatsfeindliche Verbindungen beurteilten (islamistischen) Vereinigungen und ebenso fehlender Feststellungen zu einer ernsten Gefahr für die Staatsform oder die grundlegenden verfassungsgemäßen Einrichtungen der Republik in der Hauptfrage 25 ist auch der damit korrespondierende Schuldspruch C/III des Angeklagten Murat Ö***** wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 1, Abs 2 (erster und zweiter Fall) StGB mit – von diesem nicht geltend gemachter, ihm jedoch zum Nachteil gereichender (§§ 344, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) – materiell-rechtlicher Nichtigkeit (Z 12) behaftet.
Es waren daher der Wahrspruch zu den Hauptfragen 3 und 25 sowie die darauf beruhenden Schuldsprüche C/I und III zu kassieren.
Bleibt anzumerken, dass vorhin Gesagtes auch für den aus Z 6 mit Nichtigkeit behafteten Wahrspruch zur Eventualfrage 8 und den damit korrespondierenden Schuldspruch des Angeklagten Cemal U***** wegen des Vergehens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 3 StGB (D) gilt. Denn auch die danach pönalisierte sonstige Teilnahme oder eine andere als in § 246 Abs 2 StGB bezeichnete Unterstützung erfordern eine Sachverhaltsgrundlage für die Annahme ernstlicher Gefährdung der Republik Österreich, ihrer Staatsform oder ihrer staatstragenden Einrichtungen.
Angesichts der erforderlichen Kassation im dargestellten Umfang – in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, aber entgegen der in Richtung eines Freispruchs zielenden Äußerung des Angeklagten U***** dazu – erübrigt sich ein Eingehen auf das (weitere) darauf bezogene Vorbringen in den Nichtigkeitsbeschwerden.
Zur (verbleibenden) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dilaver K*****:
Nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO ist ein Urteil nichtig, wenn in der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist.
Die Verfahrensrüge (Z 5) nimmt weder auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag noch auf einen dort vom Angeklagten erhobenen Widerspruch Bezug. Sie behauptet vielmehr eine Verletzung von Verteidigungsrechten in der – im Ermittlungsverfahren erfolglos mit Beschwerde bekämpften – Bestellung und Beauftragung eines Übersetzers für die türkische Sprache und eines Islam-Experten zum Sachverständigen und verfehlt solcherart den Bezugspunkt.
Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert, es hätte (auch) bei Beantwortung der Dilaver K***** betreffenden Hauptfrage 2 nach dem Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB angesichts des darin enthaltenen Verweises auf „Anklagepunkt A.I.“ eines „Zusammenlesens der Fragen mit der Anklageschrift“ bedurft. Damit orientiert sie sich allerdings nicht an der gleichlautenden (anklagekonformen) Benennung des maßgeblichen Sachverhaltssubstrats in der unmittelbar vorher gestellten Hauptfrage 1 (A.I. – vgl ON 2199 S 3; RIS-Justiz RS0108727) und legt nicht dar, inwiefern der von der Hauptfrage 2 solcherart – fallbezogen unzweideutig durch Verweis auf eine andere Frage und nicht (bloß) auf Aktenbestandteile – umschriebene Sachverhalt nicht nach den konkreten Tatumständen hinreichend individualisiert und subsumtionstauglich umschrieben sein soll und der Wahrspruch insoweit nicht dem wahren Willen der Geschworenen entsprechen sollte (vgl Lässig, WKStPO § 312 Rz 9, 18 ff; § 317 Rz 5; RIS-Justiz RS0100972).
Ein Nichtigkeit bewirkender Widerspruch im Wahrspruch (Z 9) liegt vor, wenn bei keiner denkbaren Variante die Antworten der Geschworenen in Ansehung mehrerer, die Täterschaft an derselben Tat betreffender Hauptfragen in Bezug auf verschiedene Angeklagte miteinander vereinbar sind (vgl RIS-Justiz RS0089873).
Die Rüge (Z 9) reklamiert einen Widerspruch, weil die von den Geschworenen bejahte, auf das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB abzielende Hauptfrage 1 (auch) die Angeklagten Cemal U*****, Kenan Ko***** und Bilal Ö***** als Mittäter nennt, wohingegen die eine Beteiligung der Genannten an diesem Tatkomplex betreffenden Hauptfragen 5, 15 und 19 verneint wurden. Sie erklärt nicht, inwiefern ein solcher angesichts der bejahten Mitwirkung von Ümit Y*****, Sevket G***** und anderer ungeachtet des zur Erfüllung des Tatbestands der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 (iVm Abs 3) StGB erforderlichen Zusammenschlusses von (bloß) mehr als zwei Personen (vgl § 278b Abs 3 StGB) eine entscheidende Tatsache betreffen sollte (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 66, 70; RIS-Justiz RS0120126).
Ebenso wenig legt die Rüge dar, weshalb sich der behauptete Widerspruch zufolge Bejahung der auf Anwerben von Cemal U*****, Kenan Ko*****, Bilal Ö***** und Murat Ö***** als Mitglieder und Kämpfer für die in Rede stehenden terroristischen Vereinigungen gerichteten Punkte „2.g.“ und „2.f.“ der (insofern mit dem Schuldspruch A/1 allerdings ohnedies nicht korrespondierenden) Hauptfrage 1 und Verneinen der die Genannten betreffenden – auf unmittelbare Täterschaft gerichteten – Hauptfragen 5, 15 und 19 sowie 23 (im Umfang deren bei Bejahung gestrichenen Unterpunktes A/V/2) angesichts der darüber hinaus
mehrere Angriffe in tatbestandlicher Handlungseinheit umfassenden Hauptfrage 1 auf eine – für die Schuld- und Subsumtionsfrage – entscheidende Tatsache beziehen sollte (RIS-Justiz RS0122006 [T6], RS0120233 [T9]).
Gleiches gilt für die Reklamation eines Widerspruchs zufolge Bejahung der auf das Verbrechen der kriminellen (ersichtlich gemeint) Organisation gerichteten Hauptfrage „3“ (ersichtlich gemeint 2), weil diese durch den Verweis auf A.1 (vgl Schuldspruch B/I) „auch“ Handlungen enthält, von denen Cemal U*****, Kenan Ko***** und Bilal Ö***** „mit den sie betreffenden Hauptfragen“ 6, 16 und 20 „freigesprochen wurden“.
Ein Urteil des Geschworenengerichts ist nach der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO nichtig, wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben. Die gesetzliche Anordnung, die Nichtigkeitsgründe bestimmt zu bezeichnen (§§ 344, 285 Abs 1 zweiter Satz StPO), schließt in den Fällen, in denen die eingewendete Nichtigkeit nach dem Gesetz aus den Akten zu entwickeln ist, als logisch ersten Schritt bestimmter Bezeichnung die Notwendigkeit ein, die diesbezüglichen Fundstellen
– insbesondere bei wie hier umfangreichen Aktenmaterial – zu nennen (vgl RIS-Justiz RS0124172).
An diesen Anforderungen scheitert die Tatsachenrüge (Z 10a), die sich darauf beschränkt, das Vorliegen der den Angeklagten K***** belastenden Beweisergebnisse weitwendig zu bestreiten.
Zur (verbleibenden) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Murat Ö*****:
Durch isoliertes Herausgreifen von Angaben der Angeklagten Dilaver K*****, Cemal U*****, Ümit Y*****und Kenan Ko***** zur deren Erinnerung nach nicht über April 2012 hinausgehenden Beteiligung des Murat Ö***** an der – von dem als Mitglied terroristischer Vereinigungen allgemein bekannten Mohamed M***** unter dem Aufruf „LIES!“ initiierten – „Koranverteilungsaktion“, für die die Räume des Vereins R***** lediglich als Lagerort gedient haben sollen, und mit dem Hinweis auf eine Bekanntschaft mit Murat Ö***** verneinende Aussagen der Zeugen Sevket G*****, Ömer G***** und Emrullah Kü*****, deren Anwerbung zum Teil unter Mitwirkung dieses Angeklagten erfolgte, erweckt die Tatsachenrüge (Z 10a) keine erheblichen Bedenken an der durch die Mitwirkung an dieser der Anwerbung junger Muslime als Mitglieder und Kämpfer für terroristische Vereinigungen dienenden Initiative erfolgten vorsätzlichen Beteiligung des Rechtsmittelwerbers an den im Wahrspruch genannten terroristischen Vereinigungen § 278b Abs 2 StGB (Hauptfrage 23).
Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) leitet nicht methodengerecht, nämlich auf Basis der vielmehr bestrittenen Sachverhaltsannahmen im Wahrspruch (Hauptfrage 23) aus dem Gesetz ab (vgl RIS-Justiz RS0116565), weshalb eine gezielte, zur Anwerbung weiterer Mitglieder terroristischer Vereinigungen eingesetzte „Koranverteilungsaktion“ bloß als Ausübung der Grundrechte der Religionsfreiheit nach Art 9 MRK und der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK anzusehen sein und deshalb den Tatbestand der terroristischen Vereinigung nach § 278b StGB nicht verwirklichen sollte.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in diesem Umfang – erneut in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, aber entgegen der diesbezüglich erstatteten Äußerung der Angeklagten K***** und Y***** – zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten (RIS-Justiz RS0101558).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00009.20P.0423.000 |
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