OGH vom 17.02.2005, 8ObS1/05p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Johann Ellersdorfer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erwin F*****, vertreten durch Grießer Gerlach Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, 1040 Wien, Operngasse 17-21, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen netto EUR 3.587,-- Insolvenz-Ausfallgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 151/04s-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 7 Cgs 24/04a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
I.
Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld für offene Pensionskassenbeiträge in Höhe von EUR 185,-- netto den
Beschluss
gefasst:
Der Revision wird im Umfang von EUR 185,-- netto Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sozialrechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
II.
Hinsichtlich eines weiteren Betrages von EUR 3.402,-- netto (Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung)
zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil zu lauten haben:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 3.402,-- netto Insolvenz-Ausfallgeld binnen 14 Tagen zu gewähren.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab war bei der späteren Gemeinschuldnerin als Angestellter beschäftigt. Über deren Vermögen wurde mit das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger erklärte mit seinen vorzeitigen Austritt.
Im Dienstvertrag vom wurde für beide Vertragsparteien eine dreimonatige Kündigungsfrist und die Kündigungsmöglichkeit zum 15. und Letzten jeden Monats vereinbart.
Ein Teil der Ansprüche des Klägers gegenüber der späteren Gemeinschuldnerin wurden von der Beklagten anerkannt.
Strittig ist zwischen den Streitteilen ausschließlich die Frage, ob die Ansprüche des Klägers auf Kündigungsentschädigung bzw Urlaubsentschädigung und restliche Pensionskassenbeiträge unter Heranziehung der im Dienstvertrag vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist zu berechnen sind.
Die Beklagte hat den dahingehenden Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für diese Ansprüche abgewiesen und sich auf die Beschränkung nach § 3 Abs 3 IESG gestützt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Kündigungsentschädigung in Höhe von EUR 3.098,-- netto für die Zeit vom 16. 10. bis , die Urlaubsersatzleistung für diesen Zeitraum in Höhe von EUR 304,-- netto und Pensionskassenbeiträge für diesen Zeitraum in Höhe von EUR 185,-- netto insgesamt sohin insgesamt EUR 3.587,--. Er stützt sich darauf, dass die Beschränkung des § 3 Abs 3 IESG hinsichtlich der Einschränkung der Sicherung auf die gesetzliche Kündigungsfrist hier nicht zum Tragen komme, da gleichzeitig im Dienstvertrag ja auch statt der Quartalskündigung die Kündigung zum 15. und Letzten des Monates vereinbart worden sei. Ausgehend von der Quartalskündigung wäre diese überhaupt nur zum Jahresende möglich und dementsprechend eine Kündigungsentschädigung ausgehend davon zu berechnen gewesen, während der Kläger ja bloß die Kündigungsentschädigung bis zum geltend mache. Diese Regelungen hinsichtlich Kündigungsfrist und Kündigungstermin seien als Einheit zu betrachten. Es gehe dem Gesetzgeber insgesamt offensichtlich nur um eine Begrenzung der Kündigungsentschädigung mit den vom Gesetz vorgegebenen Kündigungsmöglichkeiten.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass nach § 3 Abs 3 IESG der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes für gesicherte Ansprüche grundsätzlich nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrundezulegen sind. Insoweit komme die im Dienstvertrag vorgesehene Verlängerung der Kündigungsfrist auf drei Monate beim Kläger nicht in Betracht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass § 3 Abs 3 IESG auf die gesetzliche bzw kollektivvertragliche Kündigungsfrist abstelle. Die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 20 AngG betrage aber hier nur zwei Monate.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es ging zusammengefasst davon aus, dass von einem „Günstigkeitsvergleich" hier schon deshalb nicht auszugehen wäre, da der Gesetzgeber in § 20 AngG gesetzliche Kündigungsfristen und Termine vorsehe, aber dabei auch festlege, dass die Arbeitsvertragsparteien als Kündigungstermin den 15. und letzten des Kalendermonates bestimmen können. Dies sei in keiner Weise davon abhängig, dass die gesetzlich vorgesehene Kündigungsfristen verlängert werden müssten.
Unbeschadet der arbeitsvertraglichen Zulässigkeit der Verlängerung der Kündigungsfrist komme eben hier die Beschränkung des § 3 Abs 3 IESG hinsichtlich der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Kündigungsfristen zur Anwendung. Was nun die in dieser Bestimmung genannten „Kündigungstermine" anlange, so seien darunter Kündigungstermine auf jeglicher Rechtsgrundlage zu verstehen, also sowohl des Gesetzes als auch des Vertrages, und der Berechnung zugrundezulegen. Dessen habe sich der Kläger auch bei Abschluss der Vereinbarung bewusst sein müssen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht im Hinblick darauf, dass der Oberste Gerichtshof die vorliegende Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich behandelt habe, als zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt.
Im Wesentlichen stützt sich der Kläger erneut darauf, dass Kündigungsfrist und Kündigungstermin gemeinsam zu betrachten seien und die dienstvertragliche Regelung im Ergebnis zu einer kürzeren Kündigungsfrist führe als die gesetzliche Regelung. Der Kläger habe sich auch darauf gestützt, dass er die Regelung nur in ihrer Gesamtheit akzeptiert hätte, also die Hereinnahme zusätzlicher Kündigungstermine nur wegen der Verlängerung der Kündigungsfrist akzeptierte. Die von der Beklagten für sich in Anspruch genommene „Rosinentheorie" würde im Ergebnis sogar dazu führen, dass die Sicherung der Abfertigungsansprüche des Klägers in Frage gestellt werden könne. Im Zusammenhang mit den Abfertigungsansprüchen habe der Oberste Gerichtshof auch bereits wiederholt ausgeführt, dass es den Parteien zwar nicht freistehe durch Vereinbarungen über die gesetzliche Abfertigung hinausgehend eine Sicherung durch das IESG zu bewirken, jedoch durch vertragliche Gestaltungen auf die gesetzlichen Abfertigungsansprüche einwirken könnten, wenn sich diese insgesamt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bewegten. Genau dies treffe hier zu.
Vorweg ist festzuhalten, dass im Wesentlichen zwei Fragenbereiche auseinanderzuhalten sind. Einerseits inwieweit es sich überhaupt um aufrechte, nicht ausgeschlossene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis handelt - was hier auch durch die Beklagte nicht in Frage gestellt wird - und andererseits inwieweit für diese Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis eine Sicherung nach dem Insolvenz-Ausfallgeldgesetz vorgesehen ist.
Die hier zum zweiten Bereich wesentliche Beschränkung liegt in § 3 Abs 3 IESG, der vorsieht, dass der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes für gesicherte Ansprüche grundsätzlich „nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrundezulegen" sind.
Wenngleich eingeschränkt auf Auflösungen vor Konkurseröffnung und bestimmte Auflösungsarten danach hat das IESG eine grundsätzlich wortgleiche Regelung auch schon in § 3 Abs 3 letzter Satz idF vor der IESG-Novelle BGBl I 107/1997 sowie BGBl I 1996/754 gehabt.
Zielrichtung dieser Bestimmung ist es, die Sicherung der Ansprüche im Wesentlichen auf das zu beschränken, was schon allgemein durch gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen vorgegeben ist. Auch zeigt sich aus dem folgenden Satz, nämlich der Möglichkeit der Anrechnung von „tatsächlich" geleisteten Vordienstzeiten, soweit diese nicht bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden, dass entsprechend dem „sozialversicherungsrechtlichen" Charakter des IESG (vgl allgemein etwa RIS-Justiz RS0076409 mwN; RIS-Justiz RS110252 mwN) „Beiträge" und Entgeltausfallrisken gegenübergestellt werden.
Wie der Oberste Gerichtshof nun schon in anderem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht hat, besteht zwischen der Festlegung von Kündigungsfristen und Kündigungsterminen ein unübersehbarer Zusammenhang (vgl zur Wirkung des „Fristengleichstellungsgebotes des § 1159c ABGB auch für die „Kündigungstermine" = RdA 2001/33 uva).
Damit wird nun maßgeblich, ob bei der Beschränkung der Umfanges der gesicherten Ansprüche tatsächlich nur bei den Kündigungsfristen auf die gesetzlich und kollektivvertraglich vorgesehenen Fristen als „Maximalvariante" abgestellt wird, hinsichtlich der Kündigungstermine aber auch bei einer einzelvertraglichen Gestaltung eine Absicherung vorliegen würde. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass etwa dann, wenn nur einmal jährlich ein Kündigungstermin vorhanden ist, die „Entschädigungsansprüche" unter Zugrundelegung dieses Termines auch einer Sicherung zugeführt werden könnten. Davon kann aber bei einer Betrachtung der Zielrichtung der Bestimmung des § 3 Abs 3 IESG, also den Umfang der Sicherung der Ansprüche doch weitgehend der Disposition der Einzelvertragsparteien zu entziehen, nicht ausgegangen werden. Dies spricht - wie der Oberste Gerichtshof im Übrigen auch schon in seiner Entscheidung vom zu 8 ObS 219/01s zugrundegelegt hat - dafür, dass die Sicherung auch durch die gesetzlichen bzw kollektivvertraglich vorgesehenen Kündigungstermine beschränkt ist (vgl aA allerdings offensichtlich Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 230). Auf die Differenzierungen hinsichtlich der verschiedenen Arten der „Entschädigungsansprüche" und des teilweise vorgesehenen Wegfalls der „Kündigungstermine" nach § 25 KO muss in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die umfassende Geltung des § 3 Abs 3 IESG hier nicht eingegangen werden.
Legt man aber dieses Verständnis zugrunde, dass sowohl Kündigungsfristen als auch Kündigungstermine unter der Bedingung stehen, dass eine Sicherung nur insoweit vorhanden ist, als diese Sicherung nicht über gesetzliche und kollektivvertragliche Fristen und Termine hinausgehende Ansprüche zugrundelegt, so besteht kein Grund nicht eine „Gesamtbetrachtung" anzustellen. Es ist also ausgehend von den gesetzlichen Kündigungsfristen und Terminen jeweils zu bestimmen, ob sich die hier konkret geltend gemachten Ansprüche noch innerhalb dieser nach den gesetzlichen Regelungen bestehenden Ansprüche bewegen. Dies ist aber hier - unstrittig - der Fall.
Ausgehend davon war daher der Revision des Klägers hinsichtlich der Höhe nach unstrittigen geltend gemachten Ansprüche auf Sicherung der Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung für den Zeitraum bis stattzugeben.
Hinsichtlich der weiters begehrten Pensionskassenbeiträge ist jedoch auf § 7 Abs 8 IESG zu verweisen, wonach die Pensionskassenbeiträge auch im Rahmen der Kündigungsentschädigung in die Pensionskasse einzuzahlen sind. Dies wurde jedoch bisher nicht erörtert, sodass insoweit die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.