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VfGH vom 27.02.1995, B721/94

VfGH vom 27.02.1995, B721/94

Sammlungsnummer

14010

Leitsatz

Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu einem Ausländergrunderwerb durch Übergabsvertrag auf den Todesfall mangels Selbstbewirtschaftung; keine Bedenken gegen die Übergangsbestimmung des Tir GVG 1993 betreffend Anwendung des Tir GVG 1983 für vor dem abgeschlossene Rechtsgeschäfte; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrichtiger personeller Zusammensetzung der (nach dem Tir GVG 1993 zuständigen) Landes-Grundverkehrskommission

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am schloß der Beschwerdeführer, ein italienischer Staatsangehöriger aus Südtirol, als Übernehmer einen Übergabsvertrag auf den Todesfall über bestimmte Grundstücke in Mils ab.

Die Grundverkehrsbehörde Mils erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), unter zwei Auflagen ihre Zustimmung, nämlich, daß der Beschwerdeführer die Grundstücke "umgehend" an die Gemeinde Mils veräußern müsse und daß die Gemeinde Mils "unter allen Umständen als grundbücherlicher Eigentümer einzutragen (ist), während eine grundbücherliche Eintragung des italienischen STA. H. E. im Grundbuch zu unterbleiben hat."

2. Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (vgl. § 40 iVm. § 28 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993 - im folgenden:

GVG 1993) mit Bescheid vom Folge und versagte dem Rechtserwerb gemäß §§4 Abs 1 und 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung; zugleich wies sie die ebenfalls fristgerecht erhobene Berufung der Verlassenschaft nach dem Übergeber auf den Todesfall als unzulässig zurück.

3. Gegen diesen Bescheid, soweit er die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt, richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und der Erwerbsausübung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

5. Die Verlassenschaft nach dem Übergeber als beteiligte Partei tritt in ihrer Äußerung vom dem Beschwerdevorbringen ebenfalls entgegen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Gegen die iZm. dem angefochtenen Bescheid maßgebliche (Übergangs-)Vorschrift des § 40 Abs 4 des GVG 1993 - sie bestimmt, daß auf Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die vor dem Inkrafttreten des GVG 1993 mit abgeschlossen wurden, das (alte) GVG 1983 anzuwenden ist - trägt die Beschwerde dahingehend Bedenken vor, als "sie gegen den in der österreichischen Rechtsordnung allenthalben verankerten Grundsatz verstößt, daß eine Änderung der Rechtslage dem Rechtsunterworfenen zustatten kommen muß, wenn sie im Vergleich zu früher geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine Besserstellung bringt."

1.2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere auch der Bundesverfassung, kein solcher "Grundsatz" im Falle von Gesetzesänderungen zu entnehmen. Vielmehr ist es ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, daß dem Gesetzgeber ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl. zB VfSlg. 13461/1993, ), in dessen Rahmen er den Gleichheitsgrundsatz zu beachten hat (s. zu Übergangsvorschriften etwa VfSlg. 13299/1992); er hat auch vergleichbare Übergangsbestimmungen nicht zum Anlaß genommen, sie zum Gegenstand eines amtswegigen Normprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG zu machen (vgl. VfSlg. 13205/1992). Der Verfassungsgerichtshof sieht sich deshalb aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, in eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Regelung einzutreten.

1.3. Gegen die übrigen, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 3 Abs 1 lita GVG 1983 zuletzt etwa VfSlg. 13032/1992, 13164/1992, 13380/1993; zu § 6 Abs 1 litc GVG 1983 VfSlg. 12984/1992 uva.).

1.4. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art 83 Abs 2 B-VG erachtet sich der Beschwerdeführer deswegen verletzt, weil die belangte Behörde nach Schluß der mündlichen Verhandlung und nach Inkrafttreten des GVG 1993 in geänderter Zusammensetzung beraten und ihre Entscheidung gefaßt habe: In Verkennung des § 40 Abs 3 leg.cit. sei nämlich anstelle der nach dem GVG 1983 berufenen Landesgrundverkehrsbehörde die gemäß § 28 GVG 1993 zu bildende, wenn auch nicht korrekt zusammengesetzte Landes-Grundverkehrskommission eingeschritten. Abgesehen davon, daß mehrere Ersatzmitglieder an der Sitzung teilgenommen hätten, ohne daß eine Verhinderung der ordentlichen Mitglieder aktenkundig gemacht worden sei, sei deren Vorsitzender in seinen bisherigen dienstlichen Verwendungen niemals mit Grundverkehrsangelegenheiten befaßt gewesen und gehörten mehrere Mitglieder derselben Organisationseinheit des Amtes der Tiroler Landesregierung wie der Landesgrundverkehrsreferent an, sodaß deren Weisungsfreiheit in Zweifel gezogen werden müsse. Zudem sei keine Kundmachung der Bestellung der Mitglieder der belangten Behörde erfolgt und bei Beschlußfassung die in § 29 GVG 1993 vorgeschriebene Geschäftsordnung noch nicht in Kraft gestanden.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG (auch) durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (VfSlg. 11336/1987, 12280/1990, 12957/1991). Daran anknüpfend sprach der Verfassungsgerichtshof zwar wiederholt aus, daß sogenannte "Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag" im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte unterworfen sind und ihre Mitglieder jedenfalls in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgewechselt werden dürfen (vgl. VfSlg. 11336/1987, ). Doch liegt hier ein solcher Fall nicht vor:

Am fand zwar im Gegenstand eine öffentliche mündliche Verhandlung der gemäß § 13 Abs 4 Z 1 GVG 1983 gebildeten Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung statt; diese Behörde erließ jedoch keinen Bescheid. Die angefochtene Entscheidung wurde erst in der nichtöffentlichen Sitzung der Landes-Grundverkehrskommission vom getroffen, die zu diesem Zeitpunkt nach der unmißverständlichen Anordnung des § 40 Abs 2 des inzwischen in Kraft getretenen GVG 1993 (s. dessen § 41 Abs 1) zu Recht als Grundverkehrsbehörde II. Instanz eingeschritten ist. Diese aber hat ihre Entscheidung nicht auf die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung gestützt; vielmehr hat sie in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf Grundlage des unbestrittenen Akteninhaltes ihre Entscheidung gefällt. Daß aber die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in Fällen wie dem vorliegenden von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten ist, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 11855/1988, 13432/1993, B 1758,1759/93).

Auch die Behauptung, die Zusammensetzung der belangten Behörde habe § 28 GVG 1993 nicht entsprochen, geht ins Leere. Alle Mitglieder des Kollegialorgans wurden im Sinne des § 28 Abs 5 leg.cit. ordnungsgemäß geladen. Der Umstand aber, daß der Vorsitzende der belangten Behörde "in seinen bisherigen dienstlichen Verwendungen niemals mit Grundverkehrsangelegenheiten befaßt" gewesen sei, tut nicht dar, daß dieser die Voraussetzungen einer "mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertrauten Persönlichkeit" im Sinne des § 28 Abs 1 lita Z 1 GVG 1993 nicht erfülle. Eine Kundmachung der Bestellung der einzelnen Mitglieder dieser Kollegialbehörde ist weder von Verfassungs wegen noch einfachgesetzlich gefordert und es gehör(t)en dieser auch keine fachkundigen Beamten an, die in ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit als Verwaltungsbeamte in funktioneller oder dienstlicher Unterordnung zu einer Verfahrenspartei stehen (vgl. hiezu zB VfSlg. 11786/1988). Außerdem regeln das GVG 1993 und das AVG das Verfahren vor den Grundverkehrsbehörden in ausreichender Weise (vgl. VfSlg. 8304/1978, 10388/1985, 10389/1985, 11643/1988).

2.3. Daraus folgt, daß die hier entscheidende Kollegialbehörde - die aus Sicht dieser Beschwerdesache auf verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzlichen Grundlagen beruht (s. oben II.1.2. und II.1.3.) - in richtiger personeller Besetzung einschritt.

3. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und der Erwerbsausübung (Art6 StGG) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG) beziehen sich nur auf Bundesbürger, nicht aber auch auf Ausländer (vgl. VfSlg. 12770/1991, 13303/1992). Es ist deshalb ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer, ein italienischer Staatsangehöriger, durch den angefochtenen Bescheid in diesen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt werden könnte.

4.1. Der Beschwerdeführer behauptet ferner, die belangte Behörde habe das GVG 1983 insoferne denkunmöglich angewendet, als sie nicht berücksichtigt habe, daß die Grundstücke bereits mit grundverkehrsbehördlicher Zustimmung zur Gänze für öffentliche Zwecke der Gemeinde Mils weiterveräußert worden seien, sodaß der von der belangten Behörde angezogene Versagungstatbestand der mangelnden Selbstbewirtschaftung gemäß § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 gar nicht als Entscheidungskriterium zum Tragen komme.

4.2.1. Dieses Beschwerdevorbringen übersieht, daß Gegenstand dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens allein der Übergang von Rechten auf den Beschwerdeführer ist, nicht jedoch daran anknüpfende Rechtsgeschäfte. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens nur jener Rechtsübergang sein, der der Behörde zur grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bzw. zur Ausstellung einer sogenannten Negativbestätigung vorgelegt wurde (s. VfSlg. 13280/1992).

4.2.2. Im übrigen könnte der Beschwerdeführer bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. dazu II.1.) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. etwa VfSlg. 11470/1987, 11635/1988, 13209/1992).

Daß die belangte Behörde eine Selbstbewirtschaftung der Grundstücke im Sinne des § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 in denkunmöglicher Weise verneint habe, behauptet selbst die Beschwerde nicht und ist auch im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen (s. hiezu zuletzt , , B276/94).

4.3. Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.