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VfGH vom 06.10.2010, a15/09

VfGH vom 06.10.2010, a15/09

Sammlungsnummer

19189

Leitsatz

Abweisung der Klage einer Gemeinde gegen eine andere Gemeinde aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung wegen zu Unrecht vereinnahmter Kommunalsteuer; abschließende Regelung in der Abgabenordnung; keine analoge Anwendung bürgerlichrechtlicher Grundsätze über die Bereicherung in diesem Fall

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit € 1.583,04 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu Handen ihres Rechtsvertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit der auf Art 137 B-VG gestützten, gegen die

Marktgemeinde Krieglach gerichteten Klage begehrte die Gemeinde Pernegg an der Mur als Klägerin, der Verfassungsgerichtshof möge die Beklagte schuldig erkennen,

"der Klägerin € 19.481,26 samt 4% Zinsen p.a. aus diesem Betrag seit dem zu bezahlen und die Kosten dieses Verfahrens zu ersetzen; dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution."

Die klagende Gemeinde brachte vor, dass die H.B.H. GmbH ihren Sitz in der beklagten Gemeinde gehabt und in der klagenden Gemeinde eine Zweigniederlassung betrieben hätte, in der mehrere Dienstnehmer beschäftigt worden seien. Über das Vermögen der H.B.H. GmbH sei mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom das Konkursverfahren eröffnet worden. Die beklagte Gemeinde habe der H.B.H. GmbH auch für die im Gemeindegebiet der Klägerin beschäftigten Dienstnehmer die Kommunalsteuer vorgeschrieben; diese sei von der H.B.H. GmbH auch abgeführt worden. Die beklagte Gemeinde sei dadurch ungerechtfertigt bereichert. Die klagende Gemeinde errechnete auf der Grundlage von Zuteilungsbescheiden des zuständigen Finanzamtes für die Jahre 1999 bis 2006 einen ihr zustehenden Kommunalsteuerbetrag von € 22.606,11, von dem im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch € 19.481,26 aushafteten. Von der H.B.H. GmbH seien keine Zahlungen mehr zu erwarten.

2. Die Marktgemeinde Krieglach als beklagte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Klage beantragt. Im Einzelnen begründet sie dies wie folgt:

2.1. Zur Zulässigkeit:

Im Falle eines Guthabens von Kommunalsteuerbeträgen habe gemäß § 163 iVm § 186 Stmk. LAO der Abgabenpflichtige einen Anspruch auf Rückzahlung, soweit das Guthaben nicht zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten zu verwenden ist. Da deshalb ein vermögensrechtlicher Anspruch vorliege, über welchen eine Verwaltungsbehörde mit Bescheid zu entscheiden hat, sei die Klage mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Im Übrigen sei die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei nicht als Trägerin hoheitlicher Gewalt aufgetreten, sodass die Parteien nicht in einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zueinander stünden und der Anspruch daher vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sei.

2.2. In der Sache:

Die beklagte Partei habe zwar die Gutbuchungen bzw. Korrekturen in Höhe des der klagenden Partei zugewiesenen Kommunalsteuerbetrages auf dem Konto der abgabenpflichtigen H.B.H. GmbH vorgenommen, sodass sich ein rechnerisches Guthaben in Höhe des Klagsbetrages ergeben hätte, das allerdings gemäß § 163 Abs 1 Stmk. LAO zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten an Kommunalsteuer für die Steuerjahre 2006 und 2007 (inklusive Säumniszuschlag und Mahngebühr) sowie für den Monat Jänner 2008 verwendet worden sei. Die beklagte Partei habe sich daher nicht ungerechtfertigt bereichert. Die H.B.H. GmbH, nicht aber die beklagte Partei schulde deshalb der klagenden Partei die eingeklagten Kommunalsteuerbeträge.

II. Der Verfassungsgerichtshof geht bei seiner rechtlichen Beurteilung vom folgenden, außer Streit gestellten bzw. unbestrittenen Sachverhalt aus:

Die H.B.H. GmbH hatte im maßgeblichen Zeitraum ihren Sitz in der beklagten Gemeinde und eine Betriebsstätte in der klagenden Gemeinde. Für die in der Betriebsstätte beschäftigten Dienstnehmer wurde die Kommunalsteuer für die Jahre 1999 bis 2006 der H.B.H. GmbH von der beklagten Gemeinde vorgeschrieben, obwohl sich aus den Zuteilungsbescheiden des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag vom ableiten lässt, dass Kommunalsteuerbeträge in der Höhe von € 22.606,11 der klagenden Gemeinde zustehen. Die vorgeschriebenen Kommunalsteuerbeträge wurden von der H.B.H. GmbH an die beklagte Gemeinde abgeführt. Mit Bescheid vom schrieb die klagende Gemeinde der H.B.H. GmbH Kommunalsteuer in Höhe von € 22.606,11 vor.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Klage ist zulässig.

Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Mit der vorliegenden Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch hinsichtlich eines von der beklagten Gemeinde vorgeschriebenen und vereinnahmten Kommunalsteuerbetrages behauptet. Zur Begründung wird vorgebracht, der Kommunalsteuerbetrag stünde der klagenden Gemeinde zu.

Die klagende Partei macht damit einen Anspruch geltend, über den nicht die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben, weil der Vermögenszuwachs auf einer Abgabe beruht und der behauptete Anspruch somit vom Ursprung her ausschließlich dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. VfSlg. 8836/1980).

Der geltend gemachte Anspruch ist auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen. Eine Kompetenz zur bescheidmäßigen Absprache über den geltend gemachten Anspruch ist dem Gesetz für Fälle der vorliegenden Art nicht zu entnehmen.

Dem Einwand der beklagten Partei, im Falle eines Guthabens von Kommunalsteuerbeträgen habe der Abgabenpflichtige gemäß § 163 iVm '186 Stmk. LAO einen Anspruch auf Rückzahlung dieser Guthabensbeträge, über den mit Bescheid abzusprechen sei, ist entgegenzuhalten, dass ein solcher Bescheid nicht über den (behaupteten) Anspruch einer anderen Gemeinde auf Kommunalsteuerbeträge abspricht.

Die Klage ist somit, da auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, zulässig.

2. Die Klage ist aber nicht begründet.

2.1. Die klagende Gemeinde behauptet einen Anspruch gegen die beklagte Gemeinde aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung wegen zu Unrecht vereinnahmter Kommunalsteuerbeträge.

2.2. Die im maßgeblichen Zeitraum anwendbare Stmk. LAO sieht wie auch die mit anzuwendende BAO (vgl. BGBl. I 20/2009) keinen Anspruch der als Abgabenbehörde (Abgabengläubiger) feststehenden Gemeinde gegenüber jener Gemeinde vor, die Abgabenbeträge zu Unrecht vereinnahmt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die privatrechtlichen Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung auch im öffentlichen Recht direkt oder analog Anwendung finden, um vorhandene Lücken des öffentlichen Vermögensrechtes zu schließen (zB VfSlg. 8812/1980 mwN). Eine solche Lücke liegt jedoch nur vor, wenn nicht Gründe für die Annahme überwiegen, der Gesetzgeber habe den behaupteten Anspruch nicht gewähren wollen (so zB VfSlg. 12.020/1989 mwN). Solche Gründe finden sich hier.

§ 150 Abs 1 Stmk. LAO (§198 Abs 1 BAO) bestimmt, dass die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen hat. Entstehen Guthaben des Abgabepflichtigen, so sind diese zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten zu verwenden (§163 Abs 1 Stmk. LAO; § 215 Abs 1 bis 3 BAO) und, soweit sie nicht zur Tilgung fälliger Schulden zu verwenden sind, auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen gemäß § 163 Abs 2 iVm § 186 Stmk. LAO (§215 Abs 4 iVm § 239 BAO) zurückzuzahlen.

Damit hat der Gesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen: Auch im Fall, dass eine Abgabe von einer unzuständigen Abgabenbehörde eingehoben wird, ist die Abgabe von der zuständigen Abgabenbehörde (Abgabengläubiger) mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. In Höhe der zu Unrecht vereinnahmten Abgabenbeträge entsteht für den Abgabepflichtigen ein Guthaben, das zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten zu verwenden oder zurückzuzahlen ist.

Auch die klagende Gemeinde hat diesen Weg beschritten: Sie hat mit Bescheid vom der H.B.H. GmbH Kommunalsteuer in Höhe von € 22.606,11 vorgeschrieben. Dass dieser Steuerbetrag wegen Konkurseröffnung über die abgabepflichtige Gesellschaft nicht mehr einbringlich ist, ändert an der dargelegten Beurteilung nichts.

Der Gesetzgeber hat daher insofern eine abschließende Regelung getroffen, sodass das Absehen des Gesetzgebers von einer einschlägigen Regelung hier einer analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze entgegensteht.

Die Frage, ob die beklagte Gemeinde gegenüber der H.B.H. GmbH zur Rückzahlung von Kommunalsteuerbeträgen verpflichtet ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

2.3. Da auch sonst keine Anspruchsgrundlage erkennbar ist, erweist sich das Klagebegehren als unbegründet. Die Klage ist daher abzuweisen.

IV. 1. Die beklagte Partei hat ihre Kosten ausgehend von dem in der Klage angegebenen Streitwert dem RATG entsprechend verzeichnet. Die Kosten waren ihr gemäß § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO nach dem RATG, BGBl. I 189/1969 idgF, zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten sind 100 vH Einheitssatz (§23 Abs 6 RATG; vgl. VfSlg. 15.839/2000, 17.533/2005) und Umsatzsteuer in der Höhe von € 263,84 enthalten.

2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.