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OGH vom 30.03.2006, 8Ob8/06v

OGH vom 30.03.2006, 8Ob8/06v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Silvia M*****, vertreten durch Dr. Heinz Dieter Flesch, Rechtsanwalt in Voitsberg, Masseverwalter Dr. Gernot Prattes, Rechtsanwalt, Hauptplatz 23, 8600 Bruck an der Mur, wegen Ausscheidung, über den Revisionsrekurs des Masseverwalters gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom , GZ 32 R 268/05i-37, womit über Rekurs der Schuldnerin der Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom , GZ 8 S 32/03m-33, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Mit am beim Erstgericht eingelangtem Antrag beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, die „Durchführung eines Zahlungsplanes, der nach Festlegung der Schulden dem Insolvenzgericht vorgelegt werde" und in eventu, für den Fall des Scheiterns des Zahlungsplans, die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Mit dem Eröffnungsantrag verband die Schuldnerin den Antrag auf Ausscheidung der Liegenschaft EZ *****. Sie brachte vor, sie verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 714,86 und 736,74 EUR. Sie sei für zwei Kinder im Alter von 10 und 11 Jahren sorgepflichtig und geschieden. Ihre Gesamtschulden betrügen 102.445,36 EUR. Der Großteil entfalle auf bei der R***** (in der Folge immer: Bank) aufgenommene und von der Bank fällig gestellte Kredite, die im Wesentlichen der Sanierung des auf der Liegenschaft errichteten Einfamilienhauses gedient hätten. Die Liegenschaft stelle ihren einzigen Vermögenswert dar. Sie sei ihr mit Vertrag vom von ihrem Vater geschenkt worden. Zugunsten ihres Vaters sei ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt. Eine grundbücherliche Sicherstellung der Kredite sei daher nicht möglich. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot diene der Absicherung der Wohnversorgung der Schuldnerin und deren beiden Kinder. Es sei vor Kreditaufnahme eingetragen worden. Es werde daher die Ausscheidung beantragt. Eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern sei gescheitert. Derzeit sei im Hinblick auf die Einkommensituation der Schuldnerin und ihre Sorgepflichten für zwei Kinder kein abschöpfbarer Betrag erzielbar. Allerdings könne sie gelegentlich Überstunden leisten. Auch von ihren Eltern ließen sich geringfügige Mittel erzielen, die die Leistung einer 10 %igen Quote möglich machen könnten. Dem Antrag war eine Gläubigerliste, ein Vermögensverzeichnis nach § 185 EO und ein Antrag auf Annahme eines Zahlungsplanes angeschlossen, in welchem eine Quote von 10 % - allerdings ohne Angabe der Zahlungsmodalitäten (Ratenzahlung?; Höhe der Raten?) - angeboten wurde. In dem Antrag auf Zahlungsplan gibt die Schuldnerin ihr monatliches Einkommen mit 736 EUR und ihre monatlichen Ausgaben mit 1.149,43 EUR an, worauf gemäß dem beigelegten Vermögensverzeichnis 18,33 EUR an Wasserkosten, 28,83 EUR Eigenheimkosten - Kanalgebühr, Müllabfuhr, Steuern und Abgaben -, 57 EUR Strom- und Gaskosten, 61,25 EUR Heizungskosten und 51,65 EUR an Kosten für die Haushaltsversicherung entfallen.

Das Erstgericht eröffnete zunächst mit Beschluss vom (ON 4) das Schuldenregulierungsverfahren, entzog der Schuldnerin die Eigenverwaltung und bestellte einen Masseverwalter. Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Bank erhobenen Rekurs Folge und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens auf. Das Rekursgericht ging davon aus, dass die Voraussetzung des § 183 Abs 1 Z 2 KO nicht erfüllt sei, weil es an einem zulässigen Zahlungsplan mangle: Ausgehend von den eigenen Angaben der Schuldnerin über ihr Einkommen und ihre Ausgaben sei nicht ersichtlich, wie die Schuldnerin den Zahlungsplan erfüllen könne. Überdies mangle es am Mindestinhalt des Zahlungsplanes. Auch ihrer Bescheinigungspflicht gemäß § 183 Abs 1 Z 3 KO sei die Schuldnerin trotz eines Ergänzungsauftrages des Erstgerichtes nicht nachgekommen. Sie habe selbst zugestanden, dass ihre Einkünfte die Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich nicht decken würden. Daraus folgerte das Rekursgericht, dass die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens nur gegen Erlag eines Kostenvorschusses möglich sein werde.

Nach Erlag eines Kostenvorschusses von 5.000 EUR (ON 20) eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom (ON 22) neuerlich das Schuldenregulierungsverfahren. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Der Masseverwalter berichtete im Verfahren, dass die der Gemeinschuldnerin gehörige Liegenschaft über eine von ihr und ihren Kindern bewohnte Doppelhaushälfte in sehr gutem Zustand und über ein Nebengebäude verfüge. Die laufenden Erwerbseinkünfte der Schuldnerin betrügen durchschnittlich 720 EUR netto monatlich. Dazu kämen - nicht näher bezifferte - Unterhaltszahlungen und die Familienbeihilfe, die ihr ebenso wie ihr Erwerbseinkommen zur Gänze überlassen würden. Eine erfolgreiche Anfechtung des zugunsten des Vaters der Schuldnerin einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbotes der Liegenschaft sei im Hinblick auf die bereits 1996 erfolgte Einverleibung dieses Verbotes nicht möglich. Eine Verwertung durch Veräußerung sei im Hinblick darauf, dass der Verbotsberechtigte der Veräußerung voraussichtlich nicht zustimmen werde, derzeit ebenfalls nicht möglich. Demnach fehle es aber auch an den Voraussetzungen für einen zulässigen Zahlungsplan, weil dieser gemäß § 193 Abs 2 KO die vorherige Vermögensverwertung voraussetze.

Der Masseverwalter sprach sich gegen eine Ausscheidung der Liegenschaft aus: Die durch das Belastungs- und Veräußerungsverbot belastete Liegenschaft der Schuldnerin sei keinesfalls als wertlos iSd § 119 Abs 5 KO zu bezeichnen. Die Schuldnerin könne durch das Ableben des 1947 geborenen Verbotsberechtigten, aber auch durch dessen jederzeitig mögliche Zustimmung zur Veräußerung oder Belastung über beträchtliche Vermögenswerte verfügen. Die Ausscheidung entspreche nicht dem Zweck des Schuldenregulierungsverfahrens. In der am abgehaltenen Prüfungstagsatzung meldete die Bank eine Forderung von 98.062,24 EUR und ein weiterer Gläubiger eine Forderung von 11.585,06 EUR an. Masseverwalter und Schuldnervertreter anerkannten beide Forderungen (siehe ON 28).

Im Rahmen der Prüfungstagsatzung erörterte das Erstgericht mit dem Masseverwalter, der Schuldnerin und ihrem Vertreter sowie dem gemeinsamen Gläubigervertreter die von der Schuldnerin beantragte Ausscheidung. Es wurde festgehalten, dass ein geänderter Zahlungsplan, der eine Quote von ca 60 % der Forderung beinhalten müsste, wobei eine Kreditfinanzierung mit Laufzeit 25 Jahre als möglich bedacht wurde, die Zustimmung der Gläubiger finden könnte. Grundlage dafür wäre eine Vorrangeinräumung des Vaters der Schuldnerin zugunsten eines Pfandrechtes der kreditgewährenden Bank. In der am abgehaltenen Tagsatzung (ON 31) wurde unter Vorlage von Urkunden (Schreiben des Gläubigervertreters an den Schuldnervertreter) dargetan, dass das Anbot der Schuldnerin auf Leistung von Monatsraten zu je bloß 250 EUR (anstelle der in Aussicht gestellten 380 EUR monatlich) von der Bank nicht angenommen werde. Die Schuldnerin brachte dazu vor, ein Zahlungsplan erscheine nicht möglich, weil die ihre Möglichkeiten beschränkt seien. Da ein Zahlungsplan nicht zustande komme, werde die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens beantragt.

Das Erstgericht wies den Ausscheidungsantrag ab.

Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Mit Schenkungsvertrag vom schenkte der 1947 geborene Vater der Schuldnerin ihr die Liegenschaft EZ *****. Auf dieser Liegenschaft wurde am zugunsten des Schenkers ein Veräußerungs- und Belastungsverbot einverleibt. In der Folge wurde das Haus saniert. Dafür wurden Mittel in Höhe von 98.062,24 EUR (beinhaltend auch angelaufene Kosten und Zinsen) der kreditgewährenden Bank aufgewendet. Die Kredite wurden aufgrund zweier Kreditverträge vom und eines Kreditvertrages vom gewährt. Zum Zeitpunkt der Auszahlung der ersten beiden Kredite war das Belastungs- und Veräußerungsverbot noch nicht einverleibt.

Derzeit ist zugunsten der Bank zur Hereinbringung von vollstreckbaren 70.197,73 EUR sA die Zwangsverwaltung bewilligt und grundbücherlich einverleibt. Bis auf das intabulierte Belastungs- und Veräußerungsverbot und die Zwangsverwaltung ist die Liegenschaft unbelastet.

Bei der Liegenschaft handelt es sich um ein Grundstück mit einer Gesamtfläche von 709 m². Darauf ist eine renovierte Hälfte eines Doppelhauses mit einer Wohnfläche von ca 120 bis 130 m² in sehr gutem Zustand samt Nebengebäude (festgebauter Schuppen ca 50 bis 60 m²) errichtet. Die grundbücherlich einverleibte Zwangsverwaltung bezieht sich lediglich auf das genannte Nebengebäude (festgebauter Schuppen). Zwischen dem Wohnhaus und diesem Nebengebäude befindet sich ein gepflegt angelegter Garten. Im Inneren des Hauses befinden sich im Erdgeschoss ein Wohnzimmer, eine Wohnküche, ein Badezimmer, ein WC sowie der Kellerabgang. Im ersten Stock liegen zwei Kinderzimmer, ein Schlafzimmer sowie ein Abstellraum. Eine wesentliche Sanierung des Hauses erfolgte 1996. Im Jahr 1998 wurde das Dach neu eingedeckt. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die der Schuldnerin gehörige Liegenschaft in die Konkursmasse falle. Der Gläubigerausschuss könne gemäß § 119 Abs 5 KO mit Genehmigung des Konkursgerichtes beschließen, dass von der Veräußerung von Sachen unbedeutenden Wertes abzusehen sei und dass diese Sachen dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung zu überlassen seien. Bei Fehlen eines Gläubigerausschusses sei der Masseverwalter das primär zuständige Freigabeorgan. Der Masseverwalter habe sich gegen die Ausscheidung ausgesprochen und einen Antrag auf Abweisung des Ausscheidungsantrages gestellt.

Die Zweijahresfrist des § 28 Z 2 und 3 KO sei jedenfalls verstrichen. Unter Berücksichtigung des Zweckes des § 119 Abs 5 KO sei die Frage, ob eine Sache „unbedeutenden Wertes" vorliege, vom Standpunkt der Konkursmasse aus zu beurteilen. Durch die Belassung der Liegenschaft im Konkurs ergebe sich eine Situation, die die Masse nicht schmälere. Allerdings führe ein Verbleib der Liegenschaft bei der Masse zu einem „ewigen" Konkurs, weil weiterführende Konkursschritte (Abstimmung über Zwangsausgleich, Zahlungsplan, Abschöpfungsverfahren) erst nach Verwertung möglich wären. Aus diesem Blickwinkel bedeute die Ausscheidung eine Beschleunigung des Konkursverfahrens. Wäge man diese Argumente ab, sei zugunsten einer Belassung der Liegenschaft in der Masse zu entscheiden, weil dadurch die Masse nicht geschädigt werde, sondern ihr vielmehr wegen der grundsätzlichen Widerrufbarkeit eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes ein Befriedigungspotenzial erhalten bleibe. Das Argument der Verzögerung des Konkursverfahrens habe deshalb in den Hintergrund zu treten, weil beide Gläubiger ausdrücklich auf einer Belassung der Liegenschaft in der Masse bestünden. Die Gläubiger fänden sich daher mit einer Verzögerung der Konkursabwicklung durch Belassung der Liegenschaft in der Masse ab. Anders als im Fall des Vorliegens eines Übermaßes an andrängenden Absonderungsgläubigern könne hier nicht ausgeschlossen werden, dass die Liegenschaft bzw deren in Zukunft mögliche Verwertung positive Effekte für die Masse habe. Es sei keinesfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar, dass die Liegenschaft in Zukunft nicht sinnvoll der Masse zugute kommen könne.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Schuldnerin erhobenen Rekurs Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass es die Liegenschaft der Schuldnerin unbeschadet der Rechte Dritter zur freien Verfügung überließ. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einer vergleichbaren, über den Einzelfall hinausgehenden Problemstellung nicht existiere.

Rechtlich gelangte das Rekursgericht zum Ergebnis, dass nach den Feststellungen des Erstgerichtes die Liegenschaft derzeit für Konkurszwecke untauglich sei. Sie diene der Wohnversorgung der Schuldnerin und ihrer Kinder. Es sei unbestritten, dass der Verbotsberechtigte einer Verwertung der Liegenschaft nicht zustimme. Die Prognose des Erstgerichtes stelle daher allein auf den Tod des 1947 geborenen Verbotsberechtigten ab. Damit werde nicht nur der Schuldnerin die Bereinigung ihrer Insolvenzsituation für völlig unbestimmte Zeit verwehrt, sondern auch die Beendigung des Konkursverfahrens unter Umständen um Jahrzehnte verzögert, wodurch der auf Beschleunigung des Konkursverfahrens gerichtete Zweck der Bestimmung des § 119 Abs 5 KO nicht erreicht werde. Da die Liegenschaft auf unabsehbare Zeit keine reale Verwertungsmöglichkeit biete, sei sie als Sache unbedeutenden Wertes im Sinne des § 119 Abs 5 KO zu qualifizieren.

Der dagegen vom Masseverwalter erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass das Revisionsrekursverfahren zweiseitig ist, weil mit der Ausscheidung über civil rights des Gemeinschuldners iSd Art 6 EMRK entschieden wird (vgl dazu detailliert Kodek in Buchegger, InsR IV § 119 KO Rz 218 mwN in Druck). Es war daher der Revisionsrekurs des Masseverwalters der Schuldnerin zuzustellen, die fristgerecht eine Äußerung erstattete.

Nach herrschender Auffassung steht auch dem Schuldner ein Recht auf Antragstellung nach § 119 Abs 5 KO ebenso zu wie Rekurslegitimation (SZ 69/124; Riel in Konecny/Schubert § 119 KO Rz 59; Nunner, Freigabe von Konkursvermögen, 198).

Gemäß § 119 Abs 5 KO kann der Gläubigerausschuss mit Genehmigung des Konkursgerichtes beschließen, dass von der Veräußerung von Forderungen, deren Eintreibung keinen ausreichenden Erfolg verspricht, und von der Veräußerung von Sachen unbedeutenden Wertes abzusehen sei und dass diese Forderungen und Sachen dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen werden. Ist kein Gläubigerausschuss bestellt, bedarf es jedenfalls - unabhängig davon, ob man in diesem Fall dem Masseverwalter die Primärkompetenz zur Ausscheidung zubilligt - einer Entscheidung des Konkursgerichtes (SZ 69/124; siehe auch Kodek aaO § 119 KO Rz 209). Hier ist unstrittig , dass sich beide Konkursgläubiger gegen die Ausscheidung aussprachen.

Nach herrschender Ansicht kommt es für die Beurteilung des Wertes einer Sache im Sinne des § 119 Abs 5 KO auf den Wert aus Sicht der Masse an. Daher können etwa auch pfandrechtsüberlastete Liegenschaften, deren lastenfreier Wert keineswegs unbedeutend ist, Gegenstand der Ausscheidung sein (Riel aaO § 119 KO Rz 45; Petsch/Bertl/Reckenzaun/Isola, Praxishandbuch Konkursabwicklung², 596; Jelinek, Konkursfreiheit und Gläubigerrecht in FS-Kralik 1986, 233 f; Nunner, Freigabe 26 ff; SZ 61/172; SZ 55/188; vgl aber Rechberger, Einige Fragen beim Ausscheidungsbeschluss nach § 119 Abs 5 KO, JBl 1973,457 [460]).

An sich zutreffend ist das Rekursgericht somit davon ausgegangen, dass der lastenfreie Wert der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Liegenschaft (der zwar nicht exakt ermittelt wurde, von dem aber sämtliche Beteiligten übereinstimmend annehmen, dass er höher ist als der Schuldenstand) die Ausscheidung nicht grundsätzlich hindert. Vielmehr ist eine Prognoseentscheidung zu treffen, die ausgehend vom beabsichtigten Ausgang des Konkursverfahrens die konkreten Verwertungsaussichten einzuschätzen hat (Nunner, Freigabe 24, Riel aaO § 119 KO Rz 44). Zwar dürfen die Anforderungen an diese Prognose nicht zu hoch angesetzt werden (Nunner, Freigabe 25). Allerdings ist gerade bei Liegenschaften mit an sich nicht unbedeutendem Wert eine voreilige Ausscheidung zu vermeiden: Dabei sind die Wirkungen des Ausscheidungsbeschlusses zu berücksichtigen: Nach in Österreich herrschender Ansicht bewirkt eine rechtskräftige Ausscheidung eine Teilaufhebung des Konkurses. Das konkursfrei gewordene Vermögen fällt in die unbeschränkte Verfügungsmacht des Gemeinschuldners (RIS-Justiz RS0065278; RS0065283; SZ 61/172; Nunner, Freigabe 112, Riel aaO § 119 KO Rz 47; siehe auch Nunner, Endgültigkeit der Freigabe? Zur Frage der Wiedereinbeziehung ausgeschiedenen Vermögens, wbl 2000, 107 ff). Eine „modifizierte Freigabe", bei der der ausgeschiedene Vermögenswert nicht endgültig im konkursfreien Vermögen bleiben, sondern später wieder der Masse zukommen soll, ist mit § 119 Abs 5 KO unvereinbar. Eine vorübergehende Ausscheidung kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn der Verwertung - wie insbesondere im Falle eines Belastungs- und Veräußerungsverbots - ein Hindernis von beschränkter Dauer entgegensteht (Kodek aaO § 119 KO Rz 193 mwN). Ferner ist zu bedenken, dass nach der überwiegenden Lehre (Jelinek aaO 236 ff; Nunner, Freigabe 141 ff; Riel aaO § 119 Rz 51, Kodek aaO § 119 KO Rz 184) Konkursgläubiger vor Aufhebung des Konkursverfahrens (nachher besteht, sofern kein Zwangsausgleich oder Zahlungsplan abgeschlossen wurde, ein Nachforderungsrecht) nicht auf ausgeschiedene Vermögenswerte greifen können, ohne gleichzeitig auf die Konkursteilnahme zu verzichten.

Berücksichtigt man nun diese weitreichenden Wirkungen der Ausscheidung, ist der Auffassung beizupflichten, dass die Ausscheidung einer Liegenschaft von an sich nicht unbedeutendem Wert nur dann zu erfolgen hat, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass für die Konkursgläubiger die Ausscheidung der Liegenschaft vorteilhafter sein wird als deren Unterbleiben (Jelinek aaO 234; Nunner, Freigabe 31, Petsch/Bertl/Reckenzaun/Isola aaO 597). Überträgt man diese Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall, ergeben sich folgende Konsequenzen:

Orientiert am maßgeblichen Zweck des Konkursverfahrens, nämlich der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, hat sich die Prognoseentscheidung daran zu orientieren, zu welchem Ergebnis das jeweilige Konkursverfahren führen soll (Jelinek aaO 234; Nunner, Freigabe 30). Dabei sind insbesondere die fortlaufenden Kosten der Erhaltung der Liegenschaft, somit die durch die Belassung der Liegenschaft entstehenden Massekosten, zu berücksichtigen. Ergibt sich daraus, dass der Verbleib der Liegenschaft in der Masse diese „ärmer" macht als eine Freigabe, hat eine Freigabe zu erfolgen (Nunner, Freigabe 31 zum Fall der pfandrechtüberlasteten Liegenschaft).

Hier ergibt sich aus dem von der Schuldnerin vorgelegten Vermögensverzeichnis, dessen Richtigkeit von keinem der übrigen Konkursbeteiligten in Frage gestellt wurde, dass an Betriebs- und Erhaltungskosten für die der Schuldnerin gehörige Liegenschaft, die von ihr und ihren beiden Kindern bewohnt wird, an Ausgaben 217,06 EUR monatlich entstehen (Wasser 18,33 EUR; Kanalgebühr, Müllabfuhr, Steuern und Abgaben 28,83 EUR, Strom/Gas 57 EUR, Heizung 61,25 EUR, Haushaltsversicherung 51,65 EUR). Diese Kosten bestreitet die Schuldnerin aus dem ihr zur Verfügung stehenden Einkommen, das zwar nur knapp über 700 EUR netto monatlich liegt, zu dem aber weitere, wenngleich der Höhe nach nicht aktenkundige, Einkünfte (Unterhaltszahlungen des Vaters, Familienbeihilfe) hinzuzurechnen sind. Es ist daher mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in den Berichten des Masseverwalters davon auszugehen, dass der von der Schuldnerin insgesamt angegebene Betrag, den sie monatlich für ihre und ihrer Kinder Lebenshaltungskosten benötigt (1.149,43 EUR), durch ihr Erwerbseinkommen zuzüglich Unterhaltszahlungen und Familienbeihilfe gedeckt ist. Dass im Zusammenhang mit der Liegenschaft und den darauf errichteten - generalsanierten - Gebäuden weitere Massekosten entstehen, brachten weder der Masseverwalter noch die Schuldnerin vor. Darüberhinaus ist die Überlassung der Wohnung an den Schuldner als Sachleistung anzusehen und bei der Ermittlung des pfändbaren (und daher konkursunterworfenen) Einkommens nach den Grundsätzen der Zusammenrechnung zu berücksichtigen (Kodek, Privatkonkurs Rz 212). Ein Verbleib der Liegenschaft in der Masse führt unter Anwendung dieser Grundsätze unter Berücksichtigung der entstehenden monatlichen Kosten zu keiner erhöhten Belastung für die Masse. Solange durch den Verbleib der Liegenschaft für die Masse keine Vermögensnachteile zu befürchten sind, hat deshalb keine Ausscheidung zu erfolgen, weil - worauf bereits das Erstgericht zutreffend hinwies - zumindest nicht auszuschließen ist, dass die Liegenschaft in Zukunft zugunsten der Masse verwertet werden kann. Diese Möglichkeit besteht nicht nur - wie es die Schuldnerin meint -, wenn ihr 1947 geborener Vater stirbt. Vielmehr ist nicht undenkbar, dass im Zuge der Fortsetzung des Konkursverfahrens eine Zustimmung des Verbotsberechtigten etwa zu der von der Bank vorgeschlagenen Umschuldung durch Einräumung eines vorrangigen Pfandrechts erteilt wird.

Auch orientiert an den möglichen Beendigungsvarianten des konkreten Konkurses erfährt die hier zu lösende Frage keine andere Beurteilung:

Das Rekursgericht wies auf die mangels Ausscheidung zu erwartende, möglicherweise Jahrzehnte dauernde Verzögerung des Konkursverfahrens hin und hat - im Unterschied zum Erstgericht - dieses Argument als wesentlich dafür erachtet, die Ausscheidung zu bewilligen. Allerdings ist nach dem derzeitigen Stand des Konkursverfahrens aus folgenden Gründen - unabhängig von der Frage der Freigabe der Liegenschaft - ohnedies nicht von einem „ewig dauernden Konkursverfahren" auszugehen: Ein zulässiger Zahlungsplan wurde bisher - wovon die Schuldnerin selbst ausgeht - nicht vorgelegt. Dem im Eröffnungsantrag vorgelegten Zahlungsplan der Schuldnerin haften gravierende Inhaltsmängel an, weil zwar eine Zahlungsquote von 10 % genannt ist, aber nicht ersichtlich ist, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang und zu welchen Terminen, eine Ratenzahlung angeboten wird bzw ein Anbot auf einmalige Barquote gestellt wird. Damit bedarf es in diesem Stadium auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine allenfalls gegebene evidente Nichterfüllbarkeit des Zahlungsplans den Zahlungsplan unzulässig macht (s. dazu Kodek, Privatkonkurs Rz 362; SZ 70/100). Liegt ein zulässiger Zahlungsplan nicht vor, kommt auch die Einleitung des - von der Schuldnerin beantragten - Abschöpfungsverfahrens nicht in Betracht, weil das Abschöpfungsverfahren voraussetzt, dass zuvor ein zulässiger Zahlungsplan unterbreitet wurde (Kodek, Privatkonkurs Rz 509; Mohr in Konecny/Schubert § 200 KO Rz 2 bis 4). Kommt es - aus welchen Gründen immer - nicht zur Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens, so ist das Konkursverfahren zwar grundsätzlich fortzusetzen (Kodek, Privatkonkurs Rz 503). Allerdings setzt die Fortsetzung des Konkursverfahrens voraus, dass noch damit zu rechnen ist, dass im Verfahren weitere Erträge erzielt werden. Voraussetzung ist überdies, dass die zu erwartenden weiteren Einkünfte des Schuldners zur Deckung der voraussichtlichen Kosten ausreichen. Das Konkursverfahren ist somit (nur) solange fortzusetzen, als mit dem Zufließen weiterer (kostendeckender) Einkünfte zu rechnen ist (Kodek Privatkonkurs Rz 503). Gerade an dieser Voraussetzung fehlt es hier aber, weil nach der Aktenlage mit dem Zufließen von Einkünften der Schuldnerin an die Masse nicht zu rechnen ist: Der Masseverwalter verwies selbst darauf, dass der Schuldnerin sämtliche Einkünfte zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten (inklusive der als Massekosten zu qualifizierenden Kosten für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaft) überlassen werden. Eine Aufhebung des Konkursverfahrens steht daher nach den derzeitigen Ergebnissen des Konkursverfahrens unabhängig von der Frage der Freigabe der Liegenschaft ohnedies im Raum. Eine zuvor erfolgte Ausscheidung der Liegenschaft ändert an diesem Szenario nichts Grundsätzliches. Sie ist somit weder geeignet, eine Verkürzung des Konkursverfahrens zu bewirken noch Vorteile für die Masse herbeizuführen.

Aber auch das Argument, die mangelnde Ausscheidung der Liegenschaft stehe der Möglichkeit der Schuldnerin, im fortgesetzten Verfahren doch einen zulässigen Zahlungsplan vorzulegen, wegen der Vorschrift des § 193 Abs 2 KO entgegen, ist nicht stichhältig: Richtig ist, dass nach § 193 Abs 2 KO die Tagsatzung zur Verhandlung über den Zahlungsplan erst stattfinden darf, wenn das Vermögen des Schuldners verwertet wurde (siehe dazu grundsätzlich Konecny, Restschuldbefreiung der insolventen natürlichen Personen, ÖBA 1994, 911 ff). Ist allerdings - wie derzeit hier infolge des einverleibten Veräußerungs- und Belastungsverbotes - keine Vermögensverwertung möglich, so ist § 193 Abs 2 KO teleologisch dahin zu reduzieren, dass eine objektiv gegebene Verwertungsunmöglichkeit die Vorlage eines zulässigen Zahlungsplanes nicht hindert (so auch Mohr aaO § 193 KO Rz 11). Insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall von dem der Entscheidung 8 Ob 55/03a zugrunde liegenden Sachverhalt: Dort nämlich war eine Vermögensverwertung durch Verkauf des gemeinschuldnerischen Rauchfangkehrerbetriebes objektiv möglich und scheiterte nur an der notwendigen Mitwirkung des Gemeinschuldners. Hier hingegen scheitert die Vermögensverwertung an der erforderlichen Zustimmung eines Dritten. Somit ist es der Schuldnerin nicht verwehrt, im Zuge des Konkursverfahrens noch einen zulässigen Zahlungsplan vorzulegen. Ob bei Beurteilung der Zulässigkeit des Zahlungsplanes der Wert der in der Masse befindlichen, derzeit zwar nicht durch Veräußerung verwertbaren (aber etwa auch langfristig vermietbaren - SZ 59/42) Liegenschaft zu berücksichtigen wäre (vergleichbar dem Fall des nicht verwerteten Auslandsvermögens - vgl dazu Kodek, Privatkonkurs Rz 373f) muss hier nicht beurteilt werden.

Stimmen die Gläubiger einem zulässigen Zahlungsplan zu, ist der Verbleib der Liegenschaft in der Masse nicht nachteilig. Stimmen hingegen die Konkursgläubiger einem an sich zulässigen Zahlungsplan nicht zu und kommt es zur Einleitung des Abschöpfungsverfahrens, stellt der Verbleib der Liegenschaft in der Masse für die Gläubiger ebenfalls keinen Nachteil dar: Während der Dauer des Abschöpfungsverfahrens, also im Regelfall für sieben Jahre, haben die Gläubiger die Möglichkeit, auf die Liegenschaft, sollte sie verwertbar werden (etwa durch Verzicht), zuzugreifen, sei es, weil man die Liegenschaft dann als Teil der Abschöpfungsmasse ansieht (so Mohr aaO § 203 KO Rz 4), sei es, weil man in diesem Fall eine Nachtragsverteilung für erforderlich erachtet (Kodek, Privatkonkurs Rz 608). Das Abschöpfungsverfahren selbst ist zwar nicht Teil des Konkursverfahrens, sondern ein eigenständiges Verfahren (Kodek, Privatkonkurs Rz 511). Allerdings rechtfertigt der enge Zusammenhang mit dem Konkursverfahren eine Lückenschließung im Wege der Analogie:

Sollte sich demnach während des Abschöpfungsverfahrens herausstellen, dass die Liegenschaft zu bisher nicht prognostizierten Belastungen für die Masse führt, wird diese Sachverhaltsänderung eine Ausscheidung der Liegenschaft unter analoger Anwendung des § 119 Abs 5 KO rechtfertigen (Mohr aaO § 203 KO Rz 4). Würde hingegen die Liegenschaft gleich ausgeschieden, fiele sie aus den bereits dargestellten Gründen endgültig in die Verfügungsbefugnis der Schuldnerin.

Somit ist nach dem derzeitigen Stand des Konkursverfahrens auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Fortsetzungs- bzw Beendigungsvarianten der Verbleib der Liegenschaft mit keinerlei Nachteilen für die Masse verbunden . Es ist daher mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass eine Ausscheidung nicht in Betracht kommt. Diese Beurteilung führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.