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VfGH vom 09.06.2006, a15/05

VfGH vom 09.06.2006, a15/05

Sammlungsnummer

17850

Leitsatz

Abweisung einer - nach Abschluss des Finanzstrafverfahrens neuerlich erhobenen - Klage gegen den Bund auf Herausgabe eines von Organen des Hauptzollamtes Wien im Zuge eines finanzstrafbehördlichen Ermittlungsverfahrens betreffend Schmuggel von Zigaretten beschlagnahmten PKW; Beschlagnahme auch zur Sicherung von Eingangsabgaben; Verwertung eines Pfandrechts nur bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit besicherter Abgaben unzulässig

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Am beschlagnahmten Organe des (damaligen) Hauptzollamts Wien (nunmehr: Zollamt Wien; BGBl. I Nr. 124/2003) beim Kläger den in Ungarn unter dem Kennzeichen ARQ-880 zugelassenen PKW der Marke Volvo, Type 340 D, den zu diesem Kraftfahrzeug gehörenden Schlüssel sowie den auf den Namen J.P. ausgestellten Zulassungsschein. Diese Maßnahme erfolgte im Zuge eines finanzstrafbehördlichen Ermittlungsverfahrens betreffend gewerbsmäßigen Schmuggel von Zigaretten aus Ungarn in das Zollgebiet der Gemeinschaft.

Die Beschlagnahme erfolgte gemäß § 26 Abs 1 Z 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) zur Sicherung von Geldstrafen, Wertersatzstrafen und Kosten, zur Sicherung von gemeinschaftlichen oder bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen und zur späteren Geltendmachung der Sachhaftung. Dem Kläger wurde eine Quittung über die beschlagnahmten Gegenstände ausgestellt. Die Beschlagnahme wurde vom Kläger nicht bekämpft.

1.2. Mit rechtskräftigem Bescheid des Hauptzollamts Wien vom wurden dem Kläger - unter Zugrundelegung der finanzstrafbehördlichen Ermittlungsergebnisse - Eingangsabgaben (Einfuhrzollschuld gemäß Art 203 Zollkodex iVm § 2 Abs 1 ZollR-DG) sowie eine Abgabenerhöhung (§108 Abs 1 ZollR-DG) in Höhe von insgesamt € 476.868,31 (unter Bildung eines Gesamtschuldverhältnisses mit anderen Abgabenpflichtigen gemäß Art 213 Zollkodex) vorgeschrieben.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Hauptzollamts Wien vom wurden dem Kläger darüber hinaus Eingangsabgaben (Einfuhrzollschuld gemäß Art 203 Zollkodex iVm § 2 Abs 1 ZollR-DG) sowie eine Abgabenerhöhung (§108 Abs 1 ZollR-DG) in Höhe von insgesamt € 4.832,74 (unter Bildung eines Gesamtschuldverhältnisses mit anderen Abgabenpflichtigen gemäß Art 213 Zollkodex) vorgeschrieben.

1.3. Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom erfolgte (u.a.) die Verurteilung des Klägers wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§35 Abs 1 lita, 38 Abs 1 lita Finanzstrafgesetz (FinStrG) und wegen des Finanzvergehens des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 litb FinStrG:

Der nunmehrige Kläger wurde für schuldig erkannt, im bewussten und gewollten Zusammenwirken (teilweise mit abgesondert verfolgten Angeklagten) in einer Vielzahl von Angriffen anlässlich seiner Einreisen über die Zollämter Klingenbach und Nickelsdorf in das österreichische Bundesgebiet vorsätzlich eingangsabgabepflichtige Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht zu haben bzw. verbracht haben zu lassen, indem näher bezeichnete Zigarettenmengen in Kraftfahrzeugen versteckt nach Österreich transportiert wurden, wobei es dem Kläger darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Schmuggeldelikten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; weiters wurde der Kläger für schuldig erkannt, zu seinem Vorteil Gegenstände des Tabakmonopols entgegen dem gesetzlichen Einfuhrverbot eingeführt zu haben.

Er wurde gemäß § 35 Abs 4 iVm § 38 Abs 1 FinStrG und gemäß § 44 Abs 2 leg.cit. zu einer Geldstrafe in Höhe von ATS 3.000.000,-- bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu einer Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 10 Monaten verurteilt.

Da nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte, ob einer der Angeklagten Allein- bzw. Miteigentümer der fünf sichergestellten Fahrzeuge (darunter der verfahrensgegenständliche PKW) ist, wurde gemäß § 19 Abs 1 litb FinStrG ergänzend auf die Strafe des Wertersatzes erkannt.

1.4. Am stellte der Zulassungsbesitzer J.P. beim Hauptzollamt Wien den Antrag auf Ausfolgung des verfahrensgegenständlichen PKW. Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) hob die in weiterer Folge ergangene abweisende Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamts Wien vom - aufgrund der von J.P. erhobenen Beschwerde - mit Bescheid vom auf. Begründend führte er insbesondere aus, dass über die Rückgabe kein Bescheid zu erlassen sei, weil die Pflicht zur Rückgabe bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar kraft Gesetzes eintrete. Überdies seien die beschlagnahmten Gegenstände jener Person zurückzugeben, der sie abgenommen wurden.

1.5. Am stellte der nunmehrige Kläger den Antrag auf Ausfolgung des beschlagnahmten PKW. Der Antrag wurde mit Bescheid des Zollamts Wien vom abgewiesen.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom wurde er darauf hingewiesen, dass das in Rede stehende Fahrzeug nunmehr einer Verwertung zugeführt werde und er die Möglichkeit habe, es binnen drei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zurückzukaufen.

Eine Entscheidung des UFS über die dagegen eingebrachte Berufung liegt offenbar noch nicht vor.

2. Mit der vorliegenden, auf Art 137 B-VG gestützten, gegen den Bund gerichteten Klage begehrt der Kläger die Herausgabe des beschlagnahmten PKW sowie des dazu gehörenden Schlüssels und Zulassungsscheins. Der Streitwert wird mit € 3.500,-- beziffert.

Der Kläger bezieht sich im Wesentlichen auf den an J.P. gerichteten Bescheid des in dem (J.P. gegenüber) ausgeführt wurde, dass der UFS keine rechtliche Handhabe für eine weitere Aufrechterhaltung der Beschlagnahme sehe.

3. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Klage beantragt. Sie verweist zunächst auf die bestehende Abgabenschuld des Klägers und darauf, dass er bislang keine Zahlungen geleistet habe.

Weiters wird ausgeführt, dass eine Beschwerde des Hauptzollamts Wien betreffend den Ausfolgungsantrag des Zulassungsbesitzers J.P. beim Verwaltungsgerichtshof sowie ein Verfahren betreffend den Ausfolgungsantrag des Klägers beim UFS anhängig seien.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:

1. Die Klage ist zulässig.

Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.1. Der Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich in Fällen, in welchen vom Bund die Herausgabe von Sachen begehrt wird, um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt (vgl. VfSlg. 11.180/1986, 14.971/1997). Dass das auch für den im vorliegenden Fall beschlagnahmten PKW gilt, wurde von der beklagten Partei nicht bestritten.

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zB VfSlg. 11.180/1986 und die dort zitierte Vorjudikatur), besteht - sofern nichts anderes angeordnet ist (was hier nicht der Fall ist) - keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Rückforderungsansprüche, wenn ein Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht. Dies gilt insbesondere für Rückforderungsansprüche im Fall der Verweigerung der Rückstellung zu Unrecht beschlagnahmter Sachen.

Der erhobene Anspruch ist auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen: Weder das FinStrG noch die Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) sehen vor, dass über die Rückgabepflicht eines beschlagnahmten Gegenstandes ein Bescheid zu erlassen ist. Vielmehr tritt diese Pflicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, wenn die Voraussetzungen für die Beschlagnahme weggefallen sind; dies unabhängig davon, ob ein Antrag gestellt wurde oder nicht (vgl. VfSlg. 11.180/1986, 14.971/1997, ). Der Umstand, dass - dessen ungeachtet - ein Verfahren über den Ausfolgungsantrag des nunmehrigen Klägers durchgeführt wurde (s. Punkt I.1.5.), ändert nichts daran, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Erlassung eines Bescheides über die Rückgabepflicht eines beschlagnahmten Gegenstandes gibt.

1.2. Die Prozessvoraussetzungen liegen somit vor.

2. Der Klagsanspruch ist jedoch nicht begründet:

2.1. Im hier zu beurteilenden Fall beschlagnahmten Organe des Hauptzollamts Wien gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG zur Sicherung von Geldstrafen, Wertersatzstrafen und Kosten, zur Sicherung von gemeinschaftlichen oder bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen und zur späteren Geltendmachung der Sachhaftung beim Kläger den verfahrensgegenständlichen PKW samt Zulassungsschein und Fahrzeugschlüssel.

Gemäß § 26 Abs 3 ZollR-DG sind die abgenommenen Waren ohne unnötigen Aufschub der Behörde, die für die weiteren Maßnahmen zuständig ist, abzuliefern (ist die Ablieferung nicht möglich, ist diese Behörde unverzüglich von der Beschlagnahme in Kenntnis zu setzen); für Maßnahmen der Zollbehörden gelten die §§90 Abs 1, 91 und 92 FinStrG sinngemäß.

Gemäß § 91 Abs 2 FinStrG sind beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist.

2.2. Das Bestehen der (vollstreckbaren) Abgabenschuld des Klägers und der Umstand, dass diese bisher nicht erfüllt wurde, sind unstrittig.

Der vom Kläger ins Treffen geführte Umstand, dass das gegen ihn geführte Finanzstrafverfahren - im Gegensatz zu jenem Sachverhalt, der dem hg. Erkenntnis vom , A15/04, zugrunde lag - bereits abgeschlossen ist, führt jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles nicht zur Herausgabe des beschlagnahmten Fahrzeuges.

Das Vorbringen des Klägers, dass der in § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG vorgesehene Beschlagnahmegrund der Sicherung von Geldstrafen, Wertersatzstrafen und Kosten mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom weggefallen ist, geht schon deshalb ins Leere, weil der Kläger übersieht, dass die gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG erfolgte Beschlagnahme jedenfalls auch der Sicherung der ihm rechtskräftig vorgeschriebenen Eingangsabgaben (bzw. der Abgabenerhöhung) dient.

Weiters lässt er den - zur rechtlichen Beurteilung maßgeblichen - Umstand unbeachtet, dass die Verwertung eines (beispielsweise durch die Beschlagnahme einer Ware zur Sicherung von Eingangsabgaben erworbenen) Pfandrechts im Sicherungsverfahren nur solange unzulässig ist, als nicht - nach Ausstellung eines Rückstandsausweises iSd § 229 BAO bzw. § 4 AbgEO - die Vollstreckbarkeit der besicherten Abgabenforderungen eingetreten ist. Ab diesem Zeitpunkt geht das Sicherungsverfahren in das Verfahren zur Einbringung der Abgabenschuld über (vgl. etwa Ritz, Bundesabgabenordnung-Kommentar², Rz 2-3 zu § 233), das offenbar noch nicht abgeschlossen ist.

2.3. Schließlich beruft sich der Kläger auch auf den Mangel des Vorliegens von Gefahr im Verzug. Zutreffend ist, dass eine Beschlagnahme gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG nur bei Gefahr im Verzug zulässig ist (§26 Abs 2 leg.cit.); die Beschlagnahme selbst wurde vom Kläger jedoch nicht bekämpft. Für die weiteren Maßnahmen kommt es jedoch auf das Vorliegen von Gefahr im Verzug nicht mehr an (zu § 91 Abs 2 FinStrG vgl. etwa ; , 2000/16/0028).

3. Die Klage war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.