VfGH vom 07.06.2005, a15/04
Sammlungsnummer
17531
Leitsatz
Abweisung einer Klage gegen den Bund auf Herausgabe eines von Organen des Hauptzollamtes Wien im Zuge eines finanzstrafbehördlichen Ermittlungsverfahrens betreffend Schmuggel von Zigaretten beschlagnahmten PKW samt Zulassungspapieren und Fahrzeugschlüssel; Frage der Eigentumsverhältnisse am beschlagnahmten Fahrzeug erst im Finanzstrafverfahren zu klären
Spruch
Die Klage wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Am beschlagnahmten Organe des (damaligen) Hauptzollamtes Wien (nunmehr: Zollamt Wien; BGBl. I 124/2003) beim Kläger den in Ungarn unter dem Kennzeichen EVU 659 zugelassenen PKW der Marke VW, Type Passat, den zu diesem Kraftfahrzeug gehörenden Schlüssel sowie den auf den Namen K P ausgestellten Zulassungsschein. Diese Maßnahme erfolgte im Zuge eines finanzstrafbehördlichen Ermittlungsverfahrens betreffend gewerbsmäßigen Schmuggel von Zigaretten aus Ungarn in das Zollgebiet der Gemeinschaft.
Die Beschlagnahme erfolgte gemäß § 26 Abs 1 Z 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) zur Sicherung von Geldstrafen, Wertersatzstrafen und Kosten, zur Sicherung von gemeinschaftlichen oder bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen und zur späteren Geltendmachung der Sachhaftung. Dem Kläger wurde eine Quittung über die beschlagnahmten Gegenstände ausgestellt.
1.2. Mit rechtskräftigem Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom wurden dem Kläger - unter Zugrundelegung der finanzstrafbehördlichen Ermittlungsergebnisse - Eingangsabgaben (Einfuhrzollschuld gemäß Art 203 Zollkodex iVm § 2 Abs 1 ZollR-DG) sowie eine Abgabenerhöhung (§108 Abs 1 ZollR-DG) in Höhe von insgesamt € 17.810,08 vorgeschrieben.
1.3. Am stellte der Zulassungsbesitzer K P beim Hauptzollamt Wien den Antrag auf Ausfolgung des beschlagnahmten PKW. Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Die in weiterer Folge ergangene abweisende Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien hob der Unabhängige Finanzsenat (UFS) - aufgrund der von K P erhobenen Beschwerde - mit Bescheid vom auf. Begründend führte der UFS insbesondere aus, dass über die Rückgabe kein Bescheid zu erlassen sei, weil die Pflicht zur Rückgabe bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar kraft Gesetzes eintrete. Überdies seien die beschlagnahmten Gegenstände jener Person zurückzugeben, der sie abgenommen wurden. Gegen den Bescheid des UFS erhob das Hauptzollamt Wien Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, die noch anhängig ist.
2. Mit der vorliegenden, auf Art 137 B-VG gestützten, gegen die "Republik Österreich" (richtig: den Bund) gerichteten Klage begehrt der Kläger die Herausgabe des beschlagnahmten PKW sowie des dazu gehörenden Schlüssels und Zulassungsscheins und bringt dazu - ohne nähere Begründung - vor, dass "der Rechtstitel, auf den sich die beklagte Partei stützt, […] nämlich die Beschlagnahme nach § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG", weggefallen sei. Der Streitwert wird mit € 3.500,-- beziffert.
3. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Klage beantragt. Sie verweist zunächst auf die bestehende Abgabenschuld des Klägers und darauf, dass er bislang keine Zahlungen geleistet habe. Zum Finanzstrafverfahren führt die beklagte Partei aus, dass dem Kläger zur Last gelegt werde, als Mitglied einer Bande, die sich zum Schmuggel verbunden habe, zumindest 119.920 Stück Zigaretten verschiedener Marken vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht zu haben. Drei weitere Personen seien bereits mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom verurteilt worden. Die Verfahren gegen den Kläger und eine andere Person seien gemäß § 57 StPO zur Vermeidung von Verzögerungen ausgeschieden worden; nunmehr werde das Verfahren gegen den Kläger durchgeführt.
Die beklagte Partei gehe - wie auch das Zollamt Wien - davon aus, dass der PKW nicht im Eigentum von K P stehe. Einer der nunmehr Verurteilten habe ausgesagt, dass der PKW dem Kläger gehöre; weiters habe er angegeben, dass jemand, der im Schmuggelgeschäft tätig sei, kein Fahrzeug auf seinen Namen kaufe und anmelde, weil die Gefahr einer Beschlagnahme bestünde.
Eine Verwertung bzw. Ausfolgung des PKW habe somit noch nicht erfolgen können, weil noch das Finanzstrafverfahren gegen den Kläger einerseits und das Verfahren betreffend den Ausfolgungsantrag von K P andererseits anhängig seien.
4. Darauf replizierte der Kläger: Der vom Hauptzollamt Wien gegen die Entscheidung des UFS - betreffend den Ausfolgungsantrag von
K P - erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof komme keine aufschiebende Wirkung zu, weshalb der Aufrechterhaltung der Verwahrung jegliche Rechtsgrundlage fehle.
Das Landesgericht Eisenstadt habe in seinem Urteil vom auf Wertersatz gemäß § 19 Abs 1 litb Finanzstrafgesetz (FinStrG) erkannt; es habe nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können, dass der beschlagnahmte PKW im Eigentum der drei Verurteilten stehe. Die Sachlage sei gleich wie im Fall des Klägers: Der PKW stehe im Eigentum des K P, gegen den jedoch niemals ein Strafverfahren bzw. Finanzstrafverfahren geführt worden sei, weshalb sein Eigentum nicht dem Verfall unterliegen könne.
Festzuhalten sei weiters, dass der Beschlagnahmegrund der Gefahr im Verzug nicht mehr vorliege, weshalb der PKW umgehend auszufolgen sei.
5. Mit beim Verfassungsgerichtshof am eingelangtem Schriftsatz stellte der Kläger einen "Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß Art 137 B-VG". In diesem führt er aus, ihm sei mitgeteilt worden, dass das Fahrzeug nunmehr einer Verwertung zugeführt werde, wobei ihm die Möglichkeit eingeräumt worden sei, es zurückzukaufen. Durch die Verwertung drohe sowohl dem Eigentümer des PKW, K P, als auch ihm ein unwiederbringlicher Schaden, weil die begehrte Herausgabe verunmöglicht werde.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:
1. Die Klage ist zulässig:
Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Dass es sich im vorliegenden Fall, in welchem der Kläger vom Bund die Herausgabe einer Sache begehrt, um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist augenscheinlich.
Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat (vgl. zB VfSlg. 11.180/1986 und die dort zitierte Vorjudikatur), besteht - sofern nichts anderes angeordnet ist (was hier nicht der Fall ist) - keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Rückforderungsansprüche, wenn ein Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht. Dies gilt insbesondere für Rückforderungsansprüche im Fall der Verweigerung der Rückstellung zu Unrecht beschlagnahmter Sachen (VfSlg. 14.971/1997).
Der erhobene Anspruch ist auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen: Das FinStrG sieht nicht vor, dass über die Rückgabepflicht ein Bescheid zu erlassen ist. Vielmehr tritt diese Pflicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, wenn die Voraussetzungen gegeben sind; dies unabhängig davon, ob ein Antrag gestellt wurde oder nicht (vgl. VfSlg. 11.180/1986, 14.971/1997).
Die Prozessvoraussetzungen liegen somit vor.
2. Der Klagsanspruch ist jedoch nicht begründet:
2.1. Die durch Organe des Hauptzollamtes Wien vorgenommene Beschlagnahme des verfahrensgegenständlichen PKW samt Zulassungspapieren und Fahrzeugschlüssel erfolgte gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG zur Sicherung von Geldstrafen, Wertersatzstrafen und Kosten, zur Sicherung von gemeinschaftlichen oder bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen und zur späteren Geltendmachung der Sachhaftung.
Gemäß § 26 Abs 3 ZollR-DG sind die abgenommenen Waren ohne unnötigen Aufschub der Behörde, die für die weiteren Maßnahmen zuständig ist, abzuliefern (ist die Ablieferung nicht möglich, ist diese Behörde unverzüglich von der Beschlagnahme in Kenntnis zu setzen); für Maßnahmen der Zollbehörden gelten die §§90 Abs 1, 91 und 92 FinStrG sinngemäß.
Gemäß § 91 Abs 2 FinStrG sind beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist.
2.2. Der Kläger behauptet, dass die Beschlagnahmegründe des § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG weggefallen seien, bestreitet jedoch weder die bestehende (vollstreckbare) Abgabenschuld noch den Umstand, dass das gegen ihn geführte Finanzstrafverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Er bringt lediglich vor, dass der beschlagnahmte PKW nicht in seinem Eigentum stehe, weshalb er nicht dem Verfall iSd § 17 FinStrG unterliegen könne; dieses Argument geht jedoch schon deshalb ins Leere, weil die Frage der Eigentumsverhältnisse erst im Finanzstrafverfahren zu klären ist (s. insb. § 17 Abs 3 FinStrG, wonach es auf die Eigentumsverhältnisse zur Zeit der Entscheidung ankommt).
Schließlich beruft sich der Kläger auch auf den Mangel des Vorliegens von Gefahr im Verzug. Zutreffend ist, dass eine Beschlagnahme gemäß § 26 Abs 1 Z 2 ZollR-DG nur bei Gefahr im Verzug zulässig ist (§26 Abs 2 leg.cit.); die Beschlagnahme selbst wurde vom Kläger jedoch nicht bekämpft. Für die weiteren Maßnahmen kommt es jedoch auf das Vorliegen von Gefahr im Verzug nicht mehr an (zu § 91 Abs 2 FinStrG vgl. etwa ; , 2000/16/0028).
3. Die Klage war daher abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag auf einstweilige Verfügung.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.