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OGH vom 28.03.1995, 10ObS48/95

OGH vom 28.03.1995, 10ObS48/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Martin Duhan und Dr.Michael Manhard (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Friedrich D*****, vertreten durch Dr.Rudolf Lessiak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Neufeststellung der Pension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 33 Rs 89/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 2 Cgs 12/94g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei, gemäß § 89 Abs 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, die Bestimmung des § 251 a ASVG, die zeitliche Beschränkung des Wahlrechtes in der Übergangsbestimmung des Art VI Abs 11 der 35. Novelle zum ASVG sowie des § 259 Abs 1 Z 5, Abs 4 und 6 GSVG als verfassungswidrig aufzuheben und festzustellen, daß § 122 GSVG in seiner Letztfassung vor der 19. GSVGNov verfassungswidrig gewesen sei, wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde dem am geborenen Kläger die vorzeitige Alterspension gemäß § 131 GSVG gewährt und die Höhe der Pension mit 2.876,10 S festgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, ihm eine höhere Pensionsleistung zuzuerkennen. Er habe bis zum Jahre 1971 Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung der Angestellten erworben; allein die dabei erworbenen Versicherungszeiten hätten einen höheren Pensionsanspruch begründet. Die Festsetzung der Pension in der bescheidmäßigen Höhe sei nur die Folge dessen, daß er im Hinblick auf seine selbständige Tätigkeit ab 1971 der Versicherung nach dem GSVG unterliege. Die Versicherungszeiten nach dem ASVG (insbesondere die auf Grund dieser Zeiten bestandene Bemessungsgrundlage) seien praktisch verloren gegangen. Die geringe Höhe der Pension sei die Folge der gesetzlichen Anordnung, daß nur die letzten 10 Jahre, bei ihm sohin nur Zeiten der gewerblichen Tätigkeit, für die Bemessung der Pension herangezogen würden. Diese Regelungen seien unsachlich und verfassungswidrig. Mit Urteil vom wies das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien das Begehren des Klägers, ihm eine höhere als die bescheidmäßig gewährte Leistung zu erbringen, ab. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Am beantragte der Kläger unter Berufung darauf, daß zufolge der Gesetzesänderung nunmehr die besten 15 Versicherungsjahre für die Bemessung der Leistung heranzuziehen seien, die Neuberechnung seiner Pension.

Mit Bescheid vom lehnt die beklagte Partei die Neufeststellung der mit Bescheid vom zuerkannten vorzeitigen Alterspension unter Anwendung des § 259 Abs 1 Z 5 und des § 122 GSVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Klage. Daß gemäß § 259 Abs 1 Z 5 GSVG § 122 GSVG in der Fassung der 19. GSVGNov erst auf Versicherungsfälle anzuwenden sei, bei denen der Stichtag ab dem liege, sei unsozial und gleichheitswidrig. Durch diese Regelung würden zwei Kategorien von Versicherten geschaffen, deren Pensionsansprüche bei gleicher Beitragsleistung stark auseinanderklafften. Der Kläger begehrt die beklagte Partei zu verpflichten, ihm eine vorzeitige Alterspension in der ab Stichtag sich ergebenden Höhe zu gewähren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Änderung der Rechtslage ohne gleichzeitige Änderung der Sachlage könne nicht zu einer neuerlichen Entscheidung über eine bereits rechtskräftig zuerkannte Pensionsleistung führen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Auf die Ausführungen, mit denen sich der Kläger neuerlich gegen die Anwendung des § 251 a ASVG (Wanderversicherung) sowie des § 122 GSVG in der im Zeitpunkt der Zuerkennung der Alterspension in Geltung gestandenen Fassung wende, könne nicht eingegangen werden. Dem stehe die Rechtskraft des Urteiles des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien vom entgegen, mit dem über die Höhe des Pensionsanspruches endgültig abgesprochen worden sei. Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Übergangsregelung der 19. GSVGNov bestünden nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren stattgegeben werde oder aber sie aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens zurückzuverweisen; in eventu beantragt der Kläger gemäß Art 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen zu stellen, die einer verfassungskonformen Entscheidung entgegenstünden, insbesondere § 251 a ASVG, die zeitliche Beschränkung des Wahlrechtes in der Übergangsbestimmung des Art VI Abs 11 der 35. Novelle zum ASVG, weiters den § 259 Abs 1 Z 5, Abs 4 und 6 GSVG sowie beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, auszusprechen, daß § 122 GSVG in seiner Letztfassung vor der 19. GSVGNov verfassungswidrig gewesen sei und nach Vorliegen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes über den Anspruch des Klägers neuerlich zu entscheiden.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger wiederholt in seiner Rechtsmittelschrift im wesentlichen die bereits im Berufungsverfahren vorgetragenen Ausführungen. Daß der erhobene Anspruch ausgehend von der bestehenden Rechtslage bzw der Zeitpunkt der Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension bestandenen Rechtslage nicht berechtigt ist, zieht er nicht in Zweifel. Er macht jedoch geltend, daß die Regelung, nach der die durch die 19. GSVGNov neu gefaßten Bestimmungen über die Bemessung der Pension nur auf Versicherungsfälle anzuwenden sind, in denen der Stichtag nach dem liegt, verfassungswidrig sei; auch die im Zeitpunkt der Zuerkennung seiner Pension in Geltung gestandenen Bestimmungen seien verfassungswidrig gewesen.

Den letztgenannten Ausführungen haben die Vorinstanzen zu Recht entgegengehalten, daß eine Überprüfung der Höhe der im Jahre 1986 zuerkannten Pension ausgeschlossen ist. Die Rechtskraft der Entscheidung des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung steht einer neuerlichen Aufrollung der Fragen, die den Gegenstand des dortigen Verfahrens bildeten, entgegen. Damit ist aber auch eine Überprüfung der Frage, ob die gesetzlichen Bestimmungen, die die Grundlagen für diese Entscheidung bildeten, verfassungsgemäß waren, ausgeschlossen.

Der Entscheidung über einen geltend gemachten Anspruch ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen, sofern nicht das Gesetz ausdrücklich etwas anderes anordnet (zB Stichtagsregelungen nach den Sozailversicherungsgesetzen). Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage berührt die Rechtskraftwirkung von Urteilen grundsätzlich nicht. Nur dann, wenn die neue Rechtsnorm ausdrücklich eine Rückwirkung verfügt und ausspricht, daß die aufgrund der alten Rechtslage ergangenen Entscheidungen der Geltendmachung eines neuen Anspruches nach der neuen Rechtslage nicht entgegenstehen, kann aufgrund des geänderten Gesetzes auch bei unverändertem Sachverhalt der Anspruch neuerlich geltend gemacht werden (Fasching ZPR2 Rz 1533). Der Kläger könnte daher im Hinblick auf die rechtskräftige Zuerkennungsentscheidung mit seinem Begehren auf Neubemessung der Pension nur durchdringen, wenn das Gesetz eine Anordnung enthielte, die die Anwendung der Rechtslage nach der 19. GSVGNov auch auf Fälle vorsähe, in denen der Stichtag im Jahr 1986 lag. Daß dies nicht zutrifft, bezweifelt der Kläger nicht, doch vertritt er den Standpunkt, daß das Fehlen einer solchen Rückwirkungsbestimmung verfassungsrechtlich bedenklich sei.

Ein Recht, vom Obersten Gerichtshof die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu begehren, steht dem Revisionswerber nicht zu (SSV-NF 4/153 mwH ua). Der darauf abzielende Antrag war daher zurückzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof kann jedoch einen solchen Antrag an den Verfassungsgerichtshof stellen, wenn er Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes hat. Die Ausführungen des Revisionswerbers zur angeblichen Verfassungswidrigkeit der oben dargestellten Bestimmungen sind jedoch nicht geeignet, solche Bedenken zu erwecken.

Durch die 19. GSVGNov wurde § 122 GSVG (entspricht im wesentlichen dem § 238 Abs 2 ASVG idF der 51. ASVGNov) dahin geändert, daß nunmehr der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Summe der 180 höchsten monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen aus dem Zeitraum vom erstmaligen Eintritt in die Versicherung bis zum Ende des letzten vor dem Stichtag oder Bemessungszeitpunkt liegenden Kalenderjahres zugrunde zu legen sind. Es handelt sich bei dieser Regelung um einen weiteren Schritt im Rahmen der Reform des Sozialversicherungssystems, die durch die mit der 40. ASVGNov (9. GSVGNov) getroffenen Neuregelungen eingeleitet wurde. Ziel der Verlängerung des Bemessungszeitraumes und der Heranziehung der 15 besten Versicherungsjahre war neben einer Entlastung des Systems auch die Herstellung einer größeren Leistungsgerechtigkeit. Daß eine Änderung des Systems bei Einhaltung der gebotenen Sachlichkeit nicht gleichheitswidrig ist, wurde bereits in der Entscheidung SSV-NF 4/153 ausgeführt, in der sich der Oberste Gerichtshof mit der Änderung des Leistungsrechtes durch die 40. ASVGNov auseinanderzusetzen hatte. Die Ausführungen zur Frage der Sachlichkeit von Systemänderungen im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz in der Begründung dieser Entscheidung haben auch für den vorliegenden Fall Gültigkeit. Ein Unterschied besteht insoferne, als die Klägerin in dem der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt durch die Gesetzesänderung eine Leistungseinbuße hinnehmen mußte und sich deshalb gleichheitswidrig belastet erachtete, weil auf ihren Fall nicht die alte Rechtslage zur Anwendung zu kommen hatte. Hier wurde aber die Rechtsstellung des Klägers durch die Gesetzesänderung nicht verschlechtert. Er leitet die Gleichheitswidrigkeit der Regelung vielmehr daraus ab, daß nicht auch auf seinen Fall die neue Rechtslage Anwendung finde.

Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits in der Begründung der oben zitierten Entscheidung unter Berfung auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung einer Norm unter dem Blickwinkel des Gleichheitsatzes von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen sei und die Tatsache, daß sich vereinzelt Härtefälle ergeben können, ebenso unberücksichtigt bleiben müsse wie der Umstand, daß sich die besonderen Gründe der Gleichheitswidrigkeit einer Regelung nicht unbedingt auch in allen Anlaßfällen in der zur Gleichheitswidrigkeit führenden Intensität auswirken. Daraus, daß sich im konkreten Fall aus der mangelnden Rückwirkung einer Norm Nachteile für den Kläger ergeben, kann nicht abgeleitet werden, daß die Regelung an sich gleichheitswidrig ist. Für ein Vorgehen gemäß § 89 Abs 2 B-VG besteht daher kein Anlaß.

Im übrigen wäre für den Kläger auch dann nichts gewonnen, wenn die von ihm bezeichneten Normen des § 251 Abs 1 Z 5, Abs 4 und 6 GSVG durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben würden. Dies würde nämlich nur dazu führen, daß die genannten Übergangsbestimmungen aus dem Rechtsbestand entfernt würden. Es wäre dann davon auszugehen, daß die Neufassung des § 122 GSVG mit dem Tag nach dem Erscheinen des Bundesgesetzblattes in Kraft getreten ist (Art 49 Abs 1 B-VG). Da die

19. GSVGNov (BGBl 1993/336) am kundgemacht wurde, bliebe dies auf den Fall des Klägers ohne Auswirkung. Eine Rückwirkungsbestimmung, wie sie dem Kläger vorschwebt, enthielte das Gesetz auch dann nicht. Eine solche könnte auch durch den Verfassungsgerichtshof nicht geschaffen werden, weil dieser gemäß Art 140 B-VG nur gesetzliche Bestimmungen aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit aufheben, nicht aber durch verfassungskonforme Normen ersetzen kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenersatz aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.