OGH vom 20.01.2012, 8ObA97/11i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Herbert Böhm als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. P***** H*****, vertreten durch Dr. Amhof Dr. Damian Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wagner Rechtsanwälte GmbH in Schärding, wegen Feststellung (Streitwert 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 79/11f 18, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionswerber erblickt die Zulässigkeit seines Rechtsmittels entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts darin, dass dessen Entscheidung mit zwingenden Arbeitnehmerrechten nach dem BPG im Konflikt stehe. Auf eine unverfallbar gewordene Betriebspensionsanwartschaft könne überhaupt nicht wirksam verzichtet werden, jedenfalls bedürfe es für die Aufhebung aber einer ausdrücklichen Aufhebungsvereinbarung. Die allgemeine Generalklausel in einem gerichtlichen Vergleich, in der die Pensionsanwartschaft gar nicht eigens erwähnt werde, genüge nicht.
Diese Ausführungen können die Revisionszulässigkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO jedoch nicht begründen.
2. In einem Rechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann sich der Arbeitnehmer auch über solche Ansprüche wirksam vergleichen, die bei aufrechtem Dienstverhältnis unverzichtbar wären, sofern die Einbuße bestimmter Rechtsstellungen durch andere Vorteile, insbesondere durch die Klärung einer strittigen Sachlage und Rechtslage, aufgewogen wird (RIS Justiz RS0028337; RS0042776). Auch das Aufgeben von Ansprüchen aus einem Pensionsvertrag ist unter diesen Umständen zulässig und wirksam (vgl 8 ObA 170/02m; 9 ObA 224/02k).
Die Revisionsbehauptung, ein Verzicht auf derartige Ansprüche bedürfe zwingend einer bestimmten Form oder der Zustimmung Dritter, die in Zukunft möglicherweise irgendwann Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen haben könnten, findet im Gesetz keine Deckung. Durch einen gerichtlichen Vergleich wird zudem jede andere Formvorschrift ersetzt ( Heidinger in Schwimann³ VI § 1380 Rz 31).
3. Welche Ansprüche von einem gerichtlichen Vergleich umfasst werden, ist nach dem objektiven Sinn der Erklärung und nicht nach den subjektiven Vorstellungen einer Streitpartei zu beurteilen. Diese Auslegung könnte als Einzelfallentscheidung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht bei seiner Auslegung eine geradezu unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS Justiz RS0113785; RS0042776; RS0044358; RS0042936), was hier nicht der Fall ist.
Die Bereinigungswirkung eines Generalklauselvergleichs bezieht sich im Zweifel auf alle Ansprüche, an die die Parteien denken konnten (§ 1389 ABGB; RIS Justiz RS0044358 [T5]), jedenfalls aber auf die ihnen damals positiv bekannten oder erkennbaren Folgen (RIS Justiz RS0032453). Diese Vermutung gilt insbesondere auch für Vergleiche über die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen ( Heidinger aaO § 1389 ABGB Rz 9). Der Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Erfüllung des streitgegenständlichen Betriebspensionsvertrags durch Weiterzahlung der vereinbarten Versicherungsprämien war sogar Gegenstand des Klagebegehrens im verglichenen Vorprozess. Eine Anwendung der Generalklauselwirkung auf Forderungen aus diesem - zum Beendigungsstichtag noch nicht einmal drei Jahre bestehenden - Pensionsvertrag kann vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht als unvertretbar beurteilt werden. Es entspricht im Übrigen auch dem Zweck einer Generalklausel, eine lückenlose, endgültige Bereinigung der strittigen Rechtsbeziehung herbeizuführen, dass die davon umfassten Ansprüche gerade nicht ausdrücklich aufgezählt werden.
4. Eine wirtschaftliche Drucksituation, die den Kläger zum Abschluss des Vergleichs gezwungen haben soll, ergab sich nach seinem Vorbringen nur aus dem allgemeinen Prozesskostenrisiko. Hingegen wurde eine von der Beklagten ausgehende oder ihr sonst zurechenbare Zwangslage (§ 875 ABGB), die den Kläger zu einer Anfechtung des Vergleichs iSd § 1385 ABGB berechtigen könnte, nicht behauptet.
Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).