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OGH vom 10.07.2008, 8Ob79/08p

OGH vom 10.07.2008, 8Ob79/08p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl P*****, vertreten durch Dr. Harald Mlinar, Rechtsanwalt in St. Veit/Glan, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Ing. Werner M*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Fa. Ing. E. R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Dr. Gernot Murko und Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 9.911,28 EUR sA, über die „Revision" (richtig: Revisionsrekurs) der beklagten Partei („Revisionsinteresse" 1.142 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 345/07f-49, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirchen vom , GZ 2 C 1040/05s-41, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die als Revisionsrekurs aufzufassende „Revision" wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 334,66 EUR (darin 55,78 EUR USt) bestimmten Kosten der „Revisionsbeantwortung" (richtig: Revisionsrekursbeantwortung) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte zunächst von der beklagten Partei die Zahlung von 8.811,28 EUR sA aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes im Zusammenhang mit dem Kauf eines nach wie vor mit Mängeln behafteten Fertighauses. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren zur Gänze. In der mündlichen Streitverhandlung vom dehnte der Kläger das Klagebegehren wegen Vorliegens weiterer Mängel um 1.100 EUR (auf 9.911,28 EUR sA) aus, brachte hiezu jedoch vor, dass der diesbezügliche Sanierungsaufwand tatsächlich zumindest 3.000 EUR betrage, wovon jedoch (unter Vorbehalt der restlichen Geltendmachung) lediglich ein Teil geltend gemacht werde. Die beklagte Partei sprach sich mit der Begründung gegen die Klagsänderung aus, dass sich der Kläger „auf einen neuen Rechtsgrund stütze, der mit zusätzlichem Verfahrensaufwand behaftet" sei (ON 16). Ohne beschlussmäßig über die Klagsausdehnung abzusprechen, gab das Erstgericht im ersten Rechtsgang mit Urteil vom dem (ausgedehnten) Klagebegehren zur Gänze statt. Über Berufung der beklagten Partei - mit der allerdings die vom Erstgericht implizit bewilligte Klagsausdehnung nicht bekämpft wurde - hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil im gesamten Umfang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Prozessgericht erster Instanz zurück. Im zweiten Rechtsgang stellte der Kläger im Zusammenhang mit einer „Aufschlüsselung" des Klagebegehrens klar, dass für die Sanierung von Leibungsanschlüssen 5.352 EUR aufgewendet worden seien, von denen jedoch nur 1.100 EUR im Sinne der Klageausdehnung im ersten Rechtsgang klagsgegenständlich seien (ON 38 und 40). Die beklagte Partei sprach sich in der mündlichen Verhandlung vom (neuerlich) gegen die „unzulässige Klagsänderung" aus. Der Kläger begehre zwar nur einen Teilbetrag von 1.100 EUR, habe aber vorgebracht, dass die Sanierung von Leibungsanschlüssen mit einem Aufwand von 5.352 EUR (samt Malerarbeiten Leibungen von 2.696,40 EUR) verbunden gewesen seien, weshalb gemäß § 55 Abs 3 JN für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalsforderung maßgebend sei. Die Zuständigkeitsgrenze des Bezirksgerichts sei bei Berücksichtigung des maßgeblichen Gesamtschadens überschritten. Das Bezirksgericht sei daher sachlich unzuständig. Eine Zulassung der „Klagsänderung" gemäß § 235 Abs 3 ZPO sei nur dann möglich, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht überschritten werde (ON 40). Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit 3.998,80 EUR sA statt, wies das Mehrbegehren von 5.912,48 EUR ab und verurteilte den Kläger zum anteiligen Kostenersatz an die beklagte Partei. In seiner Begründung führte das Erstgericht (unter anderem) aus, dass bei den Leibungsanschlüssen aufgrund der Arbeiten der beklagten Partei Mängel aufgetreten seien, hinsichtlich derer Sanierungskosten von 5.352 EUR brutto aufgelaufen seien. Da der Kläger hievon jedoch lediglich 1.100 EUR begehrt habe, sei ihm (nur) dieser Betrag zuzusprechen. Richtig sei, dass unter Berücksichtigung des Gesamtanspruchs von 5.352 EUR gemäß § 55 Abs 3 JN die zulässige Wertgrenze für die Zuständigkeit des Bezirksgerichts überschritten wäre. Allerdings habe der Kläger bereits in der mündlichen Streitverhandlung vom anlässlich der Ausdehnung des Klagsbetrags um 1.100 EUR vorgebracht, dass diesbezüglich der Sanierungsaufwand zumindest 3.000 EUR erfordern würde. Die beklagte Partei habe sich zwar gegen die unzulässige Klagsänderung ausgesprochen, dies aber ausschließlich mit der Begründung, dass sich der Kläger damit auf einen neuen Rechtsgrund gestützt habe, der mit einem zusätzlichen Verfahrensaufwand verbunden sei. Einwendungen hinsichtlich der Überschreitung der Zuständigkeitsgrenze habe der Beklagtenvertreter nicht erhoben, weshalb er damit (wenn auch stillschweigend) zum Ausdruck gebracht habe, mit der Zuständigkeit des Bezirksgerichts Feldkirchen einverstanden zu sein. Das Berufungsgericht gab der nur gegen den Zuspruch eines Betrags von

1.142 EUR gerichteten Berufung der beklagten Partei, mit der inhaltlich lediglich die Zulässigkeit der Klagsänderung bekämpft wurde, nicht Folge und bestätigte in diesem Umfang das Ersturteil. Hingegen gab es der Berufung des Klägers und des Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers Folge, hob den klageabweisenden Teil des Urteils - mit Ausnahme der unangefochtenen Abweisung eines Betrags von 1.396,06 EUR - einschließlich der Kostenentscheidung auf und verwies insoweit die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die Revision gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil - soweit überblickbar - keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, „ob zufolge der seinerzeitigen Unterlassung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit durch Präklusion das Bezirksgericht nun auch zur Verhandlung über einen neuerlich ausgedehnten Betrag zuständig" sei. Gegen den Zuspruch von 1.142 EUR richtet sich die „Revision" der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Berufungsurteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren hinsichtlich dieses weiteren Betrags von 1.142 EUR abgewiesen werde. Der Kläger beantragt in seiner „Revisionsbeantwortung" die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das - wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt, richtigerweise als Revisionsrekurs aufzufassende und als solcher zu behandelnde, wobei die Falschbezeichnung gemäß § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO nicht schadet - Rechtsmittel der beklagten Partei ist jedenfalls unzulässig, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht bei seinem Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision insoweit einem Irrtum unterliegt, als nach der einleitend bereits wiedergegebenen Verfahrenschronologie durch den Kläger keine „neuerliche" Ausdehnung des Klagebegehrens im zweiten Rechtsgang erfolgt, sondern vielmehr lediglich im Rahmen einer Aufschlüsselung dargelegt worden war, auf welche konkreten Mängel sich die bereits im ersten Rechtsgang erfolgte Ausdehnung bezog und wie sie sich ziffernmäßig errechnete.

Daraus folgt:

Das Gericht kann die Entscheidung über eine Klageänderung in einem abgesonderten Beschluss treffen, sie als Beschluss mit in die Ausfertigung des Urteils aufnehmen oder - nach herrschender Auffassung - sogar ohne darüber formell Beschluss zu fassen der Endentscheidung das geänderte Begehren „einfach" (implizite) zu Grunde legen (Klicka in Fasching/Konecny, ZPO² § 235 Rz 40; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO³ § 235 Rz 8; RIS-Justiz RS0046339). Will ein Beklagter in einem derartigen Fall - wie er hier durch das Erstgericht im ersten Rechtsgang geschehen ist - die „konkludente" Zulassung der Klageänderung bekämpfen, dann muss er dies im Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung tun (1 Ob 1739/95);

unterlässt er eine solche Rüge, dann ist die Zulassung der Klageänderung rechtskräftig geworden (Klicka in Fasching/Konecy aaO;

ZBl 1937/85; 6 Ob 47/06i) und damit für das weitere Verfahren zu Grunde zu legen.

Genau dieser Fall liegt hier vor. Die beklagte Partei hat in ihrer Berufung gegen das Endurteil des Erstgerichts im ersten Rechtsgang eine Bekämpfung der (implizite zugelassenen) Klageänderung unterlassen; der hierin miterhobene Rekurs wurde ausdrücklich nur gegen die Zulassung des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei erhoben (ON 33). Das Berufungsgericht hatte daher - bereits im ersten Rechtsgang - das geänderte Klagebegehren seiner (letztlich aufhebenden) Entscheidung zu Grunde zu legen. Dem erst im zweiten Rechtsgang - anlässlich der (nach dem Vorgesagten bloßen) Präzisierung des Ausdehnungsbetrags (ohne „neuerliche" betragliche Ausdehnung dieser oder einer anderen Mängel- bzw Schadensposition) - erfolgten (und erstmals auch auf sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts gestützten) Einwand der Unzulässigkeit dieser Klageänderung steht daher bereits die Rechtskraft der Zulassung aus dem ersten Rechtsgang entgegen. Dies hat auch das Berufungsgericht (im Ergebnis zutreffend) erkannt und daher der einzig darauf gestützten - insoweit richtigerweise jedoch als Rekurs gegen einen nach Auffassung der beklagten Partei (vermeintlich verfehlten) Zulassungsbeschluss einer „neuen" Klageänderung aufzufassenden - „Berufung" der beklagten Partei nicht Folge gegeben. Über ein Rechtsmittel gegen die Zulassung (oder Nichtzulassung) einer Klageänderung entscheidet die zweite Instanz funktionell immer als Rekursgericht (1 Ob 2226/96a; 8 Ob 263/00k = SZ 74/118; RIS-Justiz RS0102058); dies gilt auch dann, wenn das Erstgericht die Klageänderung durch eine Sachentscheidung über die geänderte Klage ohne formellen Beschluss (implizite) zuließ und dies von der zweiten Instanz im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens gegen die Sachentscheidung überprüft wurde (1 Ob 1739/95; 1 Ob 2226/96a; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² § 519 Rz 42). Die Anfechtbarkeit richtet sich nicht nach § 519 ZPO (1 Ob 128/98z; 8 Ob 263/00k). Die im zweiten Rechtsgang erfolgte zweitinstanzliche Bestätigung der vom Erstgericht hier - wie bereits mehrfach betont - bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig zugelassenen Klageänderung ist somit - insoweit als bestätigender Beschluss - gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO absolut unanfechtbar. Dies würde selbst dann gelten, wenn die zweite Instanz einen in das Ersturteil aufgenommenen Beschluss auf Nichtzulassung der Klageänderung lediglich in den Gründen des Berufungsurteils bestätigte (Zechner aaO Rz 45; RIS-Justiz RS0039278).

Das somit richtigerweise als Revisionsrekurs aufzufassende und als solcher zu behandelnde Rechtsmittel der beklagten Partei erweist sich daher als jedenfalls unzulässig. Eines Eingehens auch auf die in der „Revisionsbeantwortung" des Klägers zur Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels angezogenen Bestimmung des § 45 JN bedarf es daher nicht (vgl hiezu etwa RIS-Justiz RS0110264). Ebenso erübrigt sich ein Eingehen auf die in der „Revision" enthaltenen Korrekturen einzelner, den Ausdehnungsbetrag betreffender Feststellungen der Vorinstanzen, da es sich insoweit einerseits um eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge handelt und diese Bekämpfung von der beklagten Partei andererseits ausdrücklich nur „als logische Konsequenz" ihrer dargelegten Unzulässigkeit der Klageausdehnung erfolgte, welche jedoch nach dem Vorgesagten gerade nicht zutrifft. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Partei hingewiesen, sodass die Kosten seiner „Revisionsbeantwortung" als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen sind (RIS-Justiz RS0035979). Die falsche Entscheidungsform des Gerichts zweiter Instanz kann hinsichtlich der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens nicht zu Lasten des Klägers gehen; auch bei ihm schadet die Falschbezeichnung des Rechtsmittelschriftsatzes nicht (§ 84 Abs 2 letzter Satz ZPO).