OGH vom 28.11.2019, 9ObA70/19p

OGH vom 28.11.2019, 9ObA70/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller und Mag. Michaela Puhm in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_Innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH & Co OG, *****, vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 9/19w-12, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 5 Cga 129/18b-7, Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab als Trainer für Deutschkurse bei der Beklagten mit zuletzt 34 Wochenstunden beschäftigt. Die Kurszeiten, zu denen der Kläger unterrichtete, waren jeweils Montag bis Freitag.

Anlässlich der Geburt seines Kindes am vereinbarten die Parteien zunächst unbezahlten Urlaub von bis .

Am gab der Kläger der Beklagten bekannt, dass er vom bis Väterkarenz in Anspruch nehmen wolle. Am übermittelte die Beklagte dem Kläger eine Kündigung zum . Weiters trug sie ihm die Vorlage der Karenzmeldung der Mutter seines Kindes auf. Aus dieser Meldung ergab sich, dass die Karenz der Mutter bis dauern sollte. Zwischen diesem Termin und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Klägers am lagen zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag.

Die Beklagte brachte daraufhin in einem Vorprozess eine Klage auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein. Diese Klage wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass das Arbeitsverhältnis ohnehin schon durch Kündigung beendet sei.

Der Kläger begehrt nun mit der vorliegenden Klage die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses. Die Kündigung durch die Beklagte zum sei rechtsunwirksam. Es lägen die Voraussetzungen für eine geteilte Karenz im Sinn des VKG vor, die Karenz des Klägers (Vaters) schließe unmittelbar an die der Mutter an. Die Meldungen wichen lediglich insoweit formal voneinander ab, als das arbeitsfreie Wochenende nicht umfasst gewesen sei. Ungeachtet dessen sei aber der Bestandschutz nach § 7 VKG gegeben, weil dieser nicht durch die formal unrichtige Karenzmeldung wegfalle. Die Beklagte wäre im Sinn ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen, auf eine allfällige fehlerhafte Form der Meldung der Karenz hinzuweisen und den Kläger anzuleiten, den Zeitpunkt des Beginns der Karenz mit zu datieren.

Die Beklagte wandte ein, dass die Karenz des Klägers nicht unmittelbar an die der Mutter anschließe. Damit seien aber die Wirkungen des Kündigungsschutzes nach § 7 VKG nicht eingetreten. Die Kündigung sei daher rechtswirksam. Das Unmittelbarkeitserfordernis im Sinn des § 3 Abs 1 VKG nehme keine Rücksicht auf Wochenenden oder Feiertage und stelle auf den nächsten Kalendertag ab.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, dass kein unmittelbarer Anschluss der gemeldeten Karenz des Klägers an jene der Mutter vorliege. Damit sei die Wirkung des Kündigungsschutzes nach § 7 VKG nicht eingetreten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass der Klage stattgegeben wird. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass das Wort „unmittelbar“ in § 3 Abs 1 VKG im Sinn von „nächsten Kalendertag“ zu verstehen sei. Darauf komme es jedoch nicht an, da beiden Seiten erkennbar gewesen sei, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Karenzmeldung eine Teilung der Karenz zwischen Vater und Mutter im Sinn des § 3 VKG beabsichtigt habe. Die offensichtlich falsche Datumsangabe des Karenzbeginns könne keinen Verlust des Kündigungs- und Entlassungsschutzes begründen. Für die Beklagte wäre erkennbar gewesen, dass der Kläger den Wunsch habe, unmittelbar nach der Mutter in Karenz zu gehen. Die Beklagte hätte die Meldung daher nicht anders verstehen dürfen und wäre das Datum im Einvernehmen mit dem Kläger entsprechend zu berichtigen gewesen. Aufgrund des Verhaltens des Klägers sei nicht davon auszugehen, dass er sich einer solchen Berichtigung widersetzt hätte.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage des erforderlichen Inhalts einer Karenzmeldung und deren Folgen noch keine Rechtsprechung vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Soweit die Beklagte Verfahrensmängel und Aktenwidrigkeit geltend macht, wurden diese vom Senat geprüft, sie liegen aber nicht vor. Die Beklagte wirft dem Berufungsgericht vor, ohne Feststellungen und ohne Beweisverfahren davon ausgegangen zu sein, dass sie Kenntnis von der Absicht des Klägers gehabt habe, eine Karenz nach dem VKG in Anspruch nehmen zu wollen. Dabei verkennt sie, dass das Berufungsgericht nur rechtlich ausgeführt hat, wie die festgestellte Erklärung des Klägers nach objektiven Gesichtspunkten von einem redlichen Erklärungsempfänger verstanden werden musste. Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RS0014205). Insoweit liegt eine rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts vor, kein Widerspruch zu Feststellungen des Erstgerichts.

2. Nach § 3 Abs 1 VKG kann die Karenz zweimal geteilt und vom Vater abwechselnd mit der Mutter in Anspruch genommen werden. Ein Karenzteil muss mindestens zwei (vor der Novelle BGBl I 2009/116: „drei“) Monate betragen und beginnt zu dem in § 2 Abs 2 oder 3 VKG vorgesehenen Zeitpunkt (diese Fälle liegen hier nicht vor) oder im unmittelbaren Anschluss an eine Karenz der Mutter.

Zu dieser mit BGBl I 1999/153 eingeführten Formulierung heißt es in der Regierungsvorlage (RV 1768 BlgNR 20. GP 74): „Dem bisherigen Konzept entsprechend müssen die Karenzurlaubsteile unmittelbar aneinander anschließen.“

§ 3 Abs 1 VKG idF vor der Novelle BGBl I 1999/153 sah vor, dass der Karenzurlaub des Vaters „mit dem auf den Ablauf des Karenzurlaubes der Mutter folgenden Tag“ beginnt.

Den Vorinstanzen ist daher darin zu folgen, dass die in § 3 Abs 1 VKG gewählte Formulierung „im unmittelbaren Anschluss“ so wie die Vorgängerbestimmung als mit dem darauffolgenden Kalendertag zu verstehen ist.

Wenn der Kläger damit argumentiert, dass in anderen Zusammenhängen „unmittelbar“ nur im Sinn eines engen zeitlichen Konnexes, nicht im Sinn eines fugenlosen Anschlusses verstanden wird, lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, da bei der Beurteilung des Vorliegens eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses oder der Pflicht zur Meldung einer Schwangerschaft ein anderer Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen ist. Dagegen gibt es bei der Teilung der Karenz keine Gründe für eine vom Wortlaut und dem historischen Verständnis des Gesetzgebers andere Auslegung der Regelung. Vielmehr entspricht es, von ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen (vgl etwa § 4 VKG), dem Konzept des Gesetzes, dass die Karenz nur durchgehend und ohne zeitliche Lücken wenn auch mit der Möglichkeit des Wechsels der Betreuungsperson in Anspruch genommen werden kann.

Dass im Zeitraum zwischen dem Ende der Karenz eines Elternteils und dem Beginn der Karenz des anderen Elternteils keine Arbeitsverpflichtung besteht, führt nicht dazu, dass die Karenzen als „im unmittelbaren Anschluss“ im Sinn des § 3 Abs 1 VKG angesehen werden können. „Im unmittelbaren Anschluss“ im Sinn dieser Bestimmung verlangt vielmehr einen Karenzbeginn mit dem auf das Ende der Karenz des anderen Elternteils folgenden Kalendertag.

3. Dem Berufungsgericht ist aber auch dahingehend zu folgen, dass die Erklärung des Klägers, ab Väterkarenz in Anspruch nehmen zu wollen, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Karenz der Mutter am endete und zwischen diesem Karenzende und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Vaters nur zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag ohne Arbeitsverpflichtung lagen, von einem redlichen Arbeitgeber und Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden konnte, dass der Vater unabhängig von dem bekanntgegebenen Datum eine Karenz nach dem VKG im unmittelbaren Anschluss an das Karenzende der Mutter beabsichtigt.

Auch im Arbeitsrecht ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung maßgeblich (RS0028642). Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war. (vgl RS0113932).

Nach diesen Umständen konnte hier kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger eine „unmittelbar anschließende“ Karenz im Sinn des § 3 Abs 1 VKG beabsichtigte und ist die – auf einen jederzeit aufklärbaren Irrtum beruhende – unrichtige Datumsbezeichnung für den Anspruch des Klägers auf Karenz nach § 3 VKG ohne Bedeutung. Damit bestand aber auch Kündigungsschutz nach § 7 VKG, der mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor Antritt der Karenz beginnt.

4. Da sich diese Auslegung – wie ausgeführt – bereits aus dem objektiven Erklärungswert ergibt, kommt es auf die Frage, ob aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt werden kann, den Arbeitnehmer über seine unrichtige Datumsangabe aufzuklären, nicht an.

5. Soweit die Beklagte geltend macht, dass der Kläger keine „Korrekturmeldung“ abgegeben hat bzw Kündigungsschutz erst ab einer solchen Erklärung bestehen würde, ist ebenfalls auf den objektiven Erklärungswert der Karenzmeldung zu verweisen. Dass der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises auf dem unrichtigen Datum beharrte, hat die Beklagte nicht behauptet.

6. Darauf, ob der Kläger mit der Meldung der Väterkarenz auch die Absicht verfolgte, eine Kündigung zu vereiteln, kommt es nicht an. Beweise darüber waren daher auch nicht aufzunehmen.

7. Der Revision der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00070.19P.1128.000

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