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VfGH vom 26.06.2013, A13/2012

VfGH vom 26.06.2013, A13/2012

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Rückzahlung geleisteter Geldstrafen nach dem FremdenpolizeiG 2005 angesichts von unverändert dem Rechtsbestand angehörenden Strafbescheiden

Spruch

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin ist schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit € 3.517,60 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Klage und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art 137 B-VG begehrt die Klägerin, den Bund schuldig zu erkennen, den Betrag von € 603.000,– samt 4 % Zinsen zuhanden ihres Rechtsver treters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt:

Mit vom bis ergangen (in der Klage näher bezeichneten) Bescheiden der Bundespolizeidirektion Schwechat sei der Klägerin die Zahlung von insgesamt € 603.000,– auferlegt worden. Die Bundespolizeidirektion Schwechat habe diese Zahlungen auf § 112 Fremdenpolizeigesetz 2005 in seiner damaligen Fassung (vor der Novelle BGBl I 38/2011; im Folgenden: FPG aF) gestützt und die Ansicht vertreten, dass diese Bestimmung einem Beförderungsunternehmer eine Geldleistung "sui generis" und keine Verwaltungsstrafe auferlege.

Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , B 1100-1113/09 [VfSlg 19.518/2011], einer Beschwerde der Klägerin gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Nieder österreich, der § 112 FPG aF ebenso als Maßnahme "sui generis" angesehen habe, stattgegeben und die Bescheide aufgehoben, da sie die Klä gerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzten.

Mit diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes habe sich nachträglich erge ben, dass die in der vorliegenden Klage bezeichneten Bescheide der Bundes polizeidirektion Schwechat grundlegende Normen des Verwaltungsstrafgesetzes verletzten, da u.a. weder Verschulden noch Verjährung geprüft worden sei. Die Rechtsgrundlage für die Einbehaltung der bescheidmäßig vorgeschriebenen Beträge sei mit dem genannten Erkenntnis weggefallen; die beklagte Partei, der diese Summe zugeflossen sei, sei daher zu Unrecht bereichert.

2. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Klage beantragt. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt:

Da die gegen die Klägerin ergangenen Strafbescheide dem Rechtsbestand angehören – auch die Klägerin gehe von deren Rechtskraft aus –, sei die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 137 B-VG nicht gegeben.

Die Rechtsgrundlage für die Einbehaltung der Geldbeträge sei durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom [richtig: ] nicht weggefallen, zumal ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes rechtskräftige Entscheidungen, die bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht mehr bekämpft werden können, nicht einfach aus dem Rechtsbestand entferne, auch wenn die Entscheidungen auf einer abweichenden Rechtsansicht beruhen. Da die jeweiligen Strafbeträge der Klägerin mittels Bescheid vorgeschrieben worden seien, handle es sich um vermögensrechtliche Ansprüche, über die im Verwaltungswege zu entscheiden gewesen und auch entschieden worden sei.

3. In der Replik brachte die Klägerin vor, dass der Staat jedenfalls verpflichtet sei, zu Unrecht erhobene Abgaben und Strafen zu refundieren. Die Rechtskraft der gegen die Klägerin ergangenen Bescheide stehe der Stattgabe der Klage nicht entgegen.

II. Erwägungen

1. Zulässigkeit der Klage

Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Ein solcher Anspruch wird – entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Ansicht – mit der vorliegenden Klage geltend gemacht: Das Begehren ist auf Rückzahlung bereits geleisteter Geldbeträge gerichtet; dass der für die Vermögensverschiebung maßgebliche Rechtsgrund aufrecht ist, lässt die Zulässigkeit der Klage unberührt (vgl. zB VfSlg 17.984/2006, 18.843/2009, 19.076/2010). Der geltend gemachte Anspruch ist weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen.

Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die Klage ist nicht begründet.

Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

In VfSlg 19.518/2011 hat der Verfassungsgerichtshof die gegen die Klägerin ergangenen (insgesamt 14) Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich betreffend Vorschreibungen von Geldbeträgen in der Höhe von insgesamt € 60.000,– nach § 112 Abs 1 FPG aF aufgehoben, da die belangte Behörde die Bestimmungen des Verwal tungs strafrechts bei ihren Entscheidungen nicht berücksichtigt hat.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin unter Bezugnahme auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, im Ergebnis die Aufhebung von Bescheiden in anderen Verfahren unterstellend, die Rückzahlung von Geldbeträgen, die sie auf Grund von Strafbescheiden entrichtet hat. Da die Strafbescheide, auf Grund derer die Vermögensverschiebung erfolgt ist, aber unverändert dem Rechtsbestand angehören, besteht die Rechtsgrundlage für die Einbehaltung der empfangenen Leistung durch den Bund fort. Das Rückzahlungsbegehren besteht daher nicht zu Recht.

III. Ergebnis

1. Die Klage ist abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Dem obsiegenden Bund sind die von der Finanzprokuratur verzeichneten Kosten gemäß § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO zuzusprechen.