OGH vom 28.09.2017, 8Ob78/17d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. TarmannPrentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Dr. D***** H*****, 2. E***** H*****, ebendort, beide vertreten durch Mag. Elisabeth Schwendt, Rechtsanwältin in Wien, wegen 42.798,09 EUR samt Anhang, über die Revison der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 28/17s128, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, vom , GZ 59 Cg 72/09f124, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.071,22 EUR (darin 345,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagten beauftragten im Jahr 2007 einen Architekten mit Planungen zum Umbau ihres Einfamilienhauses. Der Auftrag umfasste auch die Einholung von Kostenvoranschlägen, die Auftragsvergabe an Professionisten im Namen und auf Rechnung der Beklagten sowie die Überwachung der Bauausführung.
Die Klägerin legte ein Anbot für Baumeisterarbeiten, auf dessen Grundlage der Architekt namens der Beklagten einen Auftrag erteilte. Im Zuge der Ausführung stellte sich die Notwendigkeit verschiedener Zusatzarbeiten heraus, die der Architekt – teilweise nach Rücksprache mit dem Zweitbeklagten – aufgrund ergänzender Anbote ebenfalls an die Klägerin vergab.
Die Klägerin legte drei Teilrechnungen, die die Beklagten bezahlten. Nach Abschluss der Arbeiten erstellte sie eine vierte „Teilrechnung“ über 115.161,80 EUR, die aber alle Elemente einer Schlussrechnung aufwies und sämtliche beauftragten Arbeiten beinhaltete. Der Architekt prüfte diese Rechnung und kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der erbrachten Leistungen nur 71.935,76 EUR gerechtfertigt seien. Bei einem Treffen zwischen dem Architekten und dem Geschäftsführer der Klägerin erzielten diese eine Einigung auf einen Gesamtbetrag von 95.000 EUR, wobei die Klägerin eine Schlussrechnung über 70.000 EUR brutto legen sollte und den Rest von 25.000 EUR in bar, ohne Umsatzsteuer erhalten sollte. Die dementsprechend gelegte Schlussrechnung vom gab der Architekt nach diversen Abzügen unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlungen mit restlichen 12.798 EUR frei. Die Beklagten waren in die Verhandlungen über die Höhe der Schlussrechnung nicht eingebunden, akzeptierten den ihnen mitgeteilten Kompromiss nicht und zahlten weder die Schlussrechnung noch die Barsumme. Daraufhin legte die Klägerin eine weitere Rechnung über 30.000 EUR brutto, in der sie aber nur Leistungen verzeichnete, die bereits in der Schlussrechnung vom enthalten waren.
Die von der Klägerin erbrachten Leistungen rechtfertigten insgesamt nur einen Werklohn von 66.871,79 EUR brutto. Den Beklagten entstanden aus Verschulden der Klägerin auch Unkosten von insgesamt 1.084 EUR.
Die Klägerin begehrt die Bezahlung des vom Architekten freigegebenen Restbetrags aus der Schlussrechnung vom und der weiteren Nachtragsrechnung über 30.000 EUR brutto. Die Beklagten bestritten die Zahlungspflicht und wandten eine Gegenforderung von insgesamt 21.539,26 EUR für erlittene Schäden ein.
Das stellte die Klagsforderung mit 13.279,97 EUR und die Gegenforderungen mit 1.354 EUR als zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von 11.925,97 EUR sA.
Die Klägerin habe bei zahlreichen Rechnungspositionen mehr abgerechnet, als sie tatsächlich geleistet habe. Offen sei nur mehr die Differenz zwischen den geleisteten Teilzahlungen und der gerechtfertigten Gesamtrechnungssumme von 66.871,79 EUR brutto. Der vom Architekten ausgehandelte Kompromiss, der dem Klagebegehren zugrunde liege, sei mangels dafür wirksamer Bevollmächtigung für die Beklagten nicht bindend.
Das gab dem Rechtsmittel der Klägerin keine Folge. Die Voraussetzungen für eine (erstmals im Berufungsverfahren behauptete) Anscheinsvollmacht lägen nicht vor. Der Umstand, dass der Architekt mit der Auftragsvergabe und Abwicklung der Bauarbeiten sowie der Rechnungsprüfung beauftragt war, rechtfertige noch nicht die Annahme seiner Bevollmächtigung zum nachträglichen Abschluss eines Vergleichs, mit dem von der nach Prüfung gekürzten Rechnungssumme zu Lasten der Beklagten wieder abgegangen worden wäre.
Über Antrag der Klägerin erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich gemäß § 508 ZPO für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, welche Aufgaben zum normalen, typischen Wirkungskreis eines mit der Bauführung beauftragten Architekten gehörten.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Beklagten beantwortete der Klägerin, mit der sie nur mehr die Rechtsfrage der (fehlenden) Bevollmächtigung des Architekten zum Abschluss eines Vergleichs anspricht, ist entgegen der nachträglichen Begründung des Berufungsgerichts, an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, unzulässig.
Gemäß § 502 Abs 1 ZPO hat der Oberste Gerichtshof nur Rechtsfragen des materiellen oder des Verfahrensrechts zu lösen, von denen die Entscheidung abhängt und denen zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine derartige Rechtsfrage zeigt die Revision nicht auf.
Die Auslegung des Umfangs einer konkreten Vollmacht hängt entgegen den Revisionsausführungen grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (RISJustiz RS0044358 [T36]; RS0019533). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.
Wird ein Architekt mit der gesamten Bauausführung beauftragt, liegt darin die Betrauung mit einer Verwaltung (vgl RISJustiz RS0019644). Der Architekt ist damit als bevollmächtigt anzusehen, alle Rechtsgeschäfte zu schließen, die die Ausführung des Baus erfordern und die mit der anvertrauten Verwaltung gewöhnlich verbunden sind. Dies umfasst auch den Abschluss von Verträgen mit Professionisten (§ 1029 ABGB; RISJustiz RS0019538; 2 Ob 126/09g). Durch die Verwaltungsvollmacht sind jedoch weder außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen, noch Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, die aber nicht gewöhnlich mit der betreffenden Verwaltungsart verbunden sind, gedeckt (Strasser in Rummel³ §§ 1027 bis 1033 ABGB Rz 7 f; RISJustiz RS0019614 [T3]; 6 Ob 129/10d).
Ein ungewöhnliches Geschäft liegt dann vor, wenn mit Rücksicht auf die Verhältnisse ungewöhnlich große Verpflichtungen eingegangen oder besondere Bedingungen, wie sie im betreffenden Geschäftszweig nicht üblich sind, gewährt werden, der Abschluß des betreffenden Geschäfts also auch bei Anlegung eines nicht allzu strengen Maßstabs vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt her nicht vertretbar ist (RISJustiz RS0019707 [T11] = 4 Ob 512/91).
Selbst wenn eine Rechtshandlung daher ihrer Art nach in den Vollmachtsrahmen fällt, kann sie im Einzelfall (RISJustiz RS0019707 [T17]) nicht durch die Vollmacht gedeckt sein (ua RISJustiz RS0061457).
Wenn die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die Bevollmächtigung des Architekten zur Prüfung und Freigabe der Teil und Schlussrechnungen ihn nicht auch ermächtigte, zu Lasten der Beklagten einen Vergleich über die Zahlung von 25.000 EUR „schwarz“ zu vereinbaren, dies noch dazu für Rechnungspositionen, die nach der Prüfung objektiv unberechtigt waren, ist dies keine unvertretbare Rechtsansicht. Der Umstand, dass mit dieser Vereinbarung auch einer Abgabenhinterziehung Vorschub geleistet worden wäre, bekräftigt im Einzelfall dieses Ergebnis.
Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die klagende Partei hat den Beklagten gemäß §§ 41, 50 ZPO auch die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der sie auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00078.17D.0928.000 |
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