OGH vom 24.11.1993, 9ObA245/93

OGH vom 24.11.1993, 9ObA245/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva-Maria Sand und Anton Hartmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika K*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei P***** (vormals Sonja I*****), ***** vertreten durch Dr.Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 51.057 S brutto sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Ra 59/92-12, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 18 Cga 1576/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.468,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 724,80 S Umsatzsteuer und 120 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden: Beklagte) betrieb eine chemische Putzerei, in der die Klägerin vom 1.4. bis als Arbeiterin mit der Entgegennahme und Ausfolgung der Kleidungsstücke und dem Inkasso im Geschäft, der Bedienung der Putzereimaschinen, der Handhabung des Putzgutes und dem Bügeln beschäftigt war. Die Abrechnung der Tageslosung nahm die Klägerin nicht vor; sie schloß nur die Registrierkasse mit einem Tastendruck ab. Der Klägerin steht eine Putzmaschine und eine Bügelpresse sowie eine Kleiderpuppe zur Verfügung. Die Funktion dieser Geräte wurde der Klägerin kurz erklärt; eine spezielle Einschulung in bestimmte Putz- oder Textilbehandlungstechniken wurde nicht vorgenommen. Die Klägerin wies auch keine Vorpraxis in einem einschlägigen Betrieb auf. Die Klägerin war vorher als angestellte Verkäuferin im Textileinzelhandel beschäftigt und wollte von der Beklagten als Angestellte beschäftigt werden. Als dies abgelehnt wurde, schied die Klägerin aus. Sodann kam es wieder zu Gesprächen, die dazu führten, daß die Beklagte die Klägerin ab als "Angestellte" beschäftigte; hiebei wurde von keiner Seite auf den Branchenkollektivvertrag oder eine bestimmte Verwendungsgruppe Bezug genommen. Die Klägerin verrichtete die bisherigen Tätigkeiten. Der Klägerin war der Kollektivvertrag der Angestellten des Gewerbes (im folgenden: AngestelltenKV) nicht bekannt. Die Beklagte bezahlte die Klägerin nach der niedrigsten Einstufung des AngestelltenKV.

Die Klägerin begehrt die Nachzahlung einer Entgeltdifferenz von 51.057 S sA für den Zeitraum vom September 1988 bis Oktober 1991 und brachte vor, daß sie aufgrund der von ihr ausgeführten Tätigkeiten in die Verwendungsgruppe II des AngestelltenKV einzustufen gewesen wäre, aber niedriger entlohnt worden sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei seit als Angestellte beschäftigt, ohne inhaltlich Angestelltentätigkeiten zu verrichten. Die Klägerin sei in der Verwendungsgruppe I des AngestelltenKV eingestuft worden und tatsächlich über dem Mindestlohn in dieser Verwendungsgruppe entlohnt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe keine kaufmännische Tätigkeit verrichtet, weil sie weder mit Kalkulationstätigkeit noch mit Kassenbuchführung beschäftigt gewesen sei und keine beratenden Kundengespräche geführt habe. Die Klägerin sei daher nur Angestellte ex contractu, für die die Anwendung des AngestelltenKV nicht zwingend sei. Die Klägerin sei allerdings ohnehin nach der Verwendungsgruppe I dieses KV entlohnt worden. Das Einlegen und Entnehmen von Kleidungsstücken in bzw aus Putzereimaschinen und deren allfälliges Nachbügeln sei als schematische und mechanische Arbeit im Sinne der Verwendungsgruppe I des AngestelltenKV einzustufen; ebenso die bloße Entgegennahme und Ausfolgung von Kleidungsstücken im Kundenverkehr.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die Klägerin habe keine kaufmännischen Dienste im Sinne des § 1 Abs 1 AngG geleistet; als Angestellte ex contractu unterliege sie dem AngestelltenKV nur, soweit sie dessen Anwendung und die Einstufung in die Gehaltsordnung mit dem Dienstgeber unwiderruflich vereinbart habe. Die Streitteile hätten zwar die Angestellteneigenschaft der Klägerin, aber weder die Anwendung des AngestelltenKV noch die Einstufung in die Gehaltsordnung dieses KV vereinbart. Die Klägerin habe daher keinen Rechtsanspruch auf Entlohnung nach der Gehaltsordnung dieses KV. Der Umstand, daß die Beklagte die Klägerin längere Zeit hindurch nach diesem KV entlohnt habe, habe keinen Anspruch der Klägerin auf eine Entlohnung nach diesem KV für die Zukunft begründet, weil mangels diesbezüglichen Vertragswillens keine arbeitsvertragliche Bindung für die Zukunft angenommen werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin keine kaufmännischen Dienste nach § 1 Abs 1 AngG leistet und daß die Vereinbarung der Angestellteneigenschaft nicht notwendig auch zur Anwendung des entsprechenden AngestelltenKV auf das Dienstverhältnis der Klägerin führt. Schon vor Inkrafttreten des ArbVG hat Gerhard Klein in der Besprechung der Entscheidung des DRdA 1974, 271 mit überzeugenden Argumenten die Auffassung vertreten, die Zuerkennung der Angestellteneigenschaft und damit die Vereinbarung der Anwendung des Angestelltengesetzes bewirke nicht automatisch auch den Wechsel der Kollektivvertragszugehörigkeit (siehe auch Schrammel "Der Angestellte ex contractu" im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, ZAS 1973, 163 ff [164]). Der durch § 41 Abs 3 ArbVG geänderten Rechtslage hat der VwGH in den Entscheidungen Arb 9515 und ZAS 1978/13 Rechnung getragen und ausgesprochen, daß für Angestellte ex contractu der Kollektivvertrag für Angestellte des Gewerbes in einem einschlägigen Betrieb nur dann zur Anwendung kommt, wenn auch dies sowie die Einstufung in eine bestimmte Verwendungsgruppe unwiderruflich vereinbart wurde. Dieser Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung DRdA 1990/23 (Knöfler) angeschlossen. Danach ist beim Angestellten ex contractu zwischen dem Arbeitsrecht, dem Kollektivvertragsrecht, dem Betriebsverfassungsrecht und dem Sozialversicherungsrecht zu unterscheiden. Die Zuerkennung der Angestellteneigenschaft bewirke in arbeitsrechtlicher Sicht lediglich die vertragsmäßige Behandlung als Angestellter unter Zugrundelegung des Angestelltengesetzes als Vertragsschablone (diesbezüglich zust Knöfler).

Da die Klägerin als Angestellte ex contractu bisher nach dem Vorbringen der Beklagten entsprechend Verwendungsgruppe I des AngestelltenKV entlohnt wurde und die Klägerin nicht etwa vorgebracht hat, daß die Einstufung in Verwendungsgruppe II ausdrücklich oder schlüssig vereinbart worden sei, ist sie, da sie nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Angestelltengesetzes fällt, auch dann nicht nach der Verwendungsgruppe II des AngestelltenKV zu entlohnen, wenn ihre Tätigkeit den dort genannten Kriterien entsprechen würde (vgl auch Floretta in Floretta-Strasser, HandkommzArbVG 265). Daß die Klägerin ungünstiger entlohnt wurde, als nach dem zuständigen ArbeiterKV, hat sie nicht behauptet.

Soweit die Revisionswerberin geltend macht, sie habe nicht einmal das nach Verwendungsgruppe I des AngestelltenKV gebührende Entgelt erhalten, ist ihr zu erwidern, daß sie im Verfahren erster Instanz durch einen Gewerkschaftssekretär und damit qualifiziert im Sinne des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG vertreten war und daß sie lediglich vorgebracht hat, sie habe nicht das ihr bei Einstufung in die Verwendungsgruppe II des AngestelltenKV gebührende Entgelt erhalten; das Vorbringen der Beklagten, sie sei nach der Verwendungsgruppe I des AngestelltenKV entlohnt worden, hat die Klägerin nicht bestritten. Das erstmals in der Berufung erstattete Vorbringen der Klägerin, auch das nach Verwendungsgruppe I des AngestelltenKV gebührende Entgelt sei ihr nicht gezahlt worden, ist daher gemäß § 482 ZPO iVm § 63 Abs 1 ASGG als unzulässige Neuerung nicht zu beachten.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.