VfGH vom 26.06.1996, a12/95
Sammlungsnummer
14538
Leitsatz
Abweisung eines auf Ersatz der Verfahrenskosten eingeschränkten Klagebegehrens wegen verfrühter Klagseinbringung; Verpflichtung zur Rückzahlung eines von einem Dritten nach Erlassung einer Anonymverfügung verspätet eingezahlten Strafbetrages erst nach Beendigung des nachfolgenden Strafverfahrens
Spruch
Die Klage wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Anonymverfügung vom wurde gemäß § 49a VStG 1991 gegen den Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges eine Geldstrafe von S 600,-- festgesetzt, weil er das Fahrzeug vorschriftswidrig abgestellt habe.
Dieser Betrag wurde am , sohin nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist des § 49a Abs 6 VStG eingezahlt.
2. Hierauf wurde mit Strafverfügung vom über Dr. G H als Zulassungsbesitzer des Tatfahrzeuges wegen Übertretung des § 99 Abs 3 lita StVO iVm § 24 Abs 1 litm leg.cit. eine Geldstrafe in Höhe von S 800,-- verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, das Fahrzeug auf einer Sperrfläche abgestellt zu haben.
Gegen diese Strafverfügung erhob Dr. H fristgerecht Einspruch, sodaß gegen ihn das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde.
3.1. Am stellte H B den Antrag, den nach seinen Angaben von ihm aufgrund der Anonymverfügung einbezahlten Strafbetrag von S 600,-- auf ein näher bezeichnetes Konto rückzuüberweisen. Am brachte er beim Verfassungsgerichtshof Klage auf Zahlung ein.
Der Kläger führt darin aus, daß die beklagte Partei zur Rücküberweisung des geleisteten Betrages verpflichtet sei, weil der Rechtstitel, auf den sich die beklagte Partei bei der Vereinnahmung stützte, nämlich die Anonymverfügung, durch Fristablauf weggefallen sei.
3.2. Das Land Wien als beklagte Partei hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die Abweisung der Klage beantragt. Die beklagte Partei bringt dazu im wesentlichen vor, daß es dem Wesen einer Anonymverfügung entspreche, im Sinne einer notwendigen Verwaltungsvereinfachung bei Massendelikten dem Täter, ohne ihn ausforschen oder seine Personalien feststellen zu müssen, die Möglichkeit zu geben, durch Einzahlung des Strafbetrages das Verfahren ohne weitere Formalitäten und Folgen zu beenden. Daher sei auch lediglich die Tatsache der rechtzeitigen Zahlung mit Originalbeleg von Relevanz, ohne daß der Frage, ob nun der tatsächliche Täter oder ein anderer die Zahlung geleistet habe, irgendeine Bedeutung zukomme. Darüber hinaus habe der Kläger den Nachweis, daß die klagsgegenständliche Zahlung von ihm geleistet wurde, bisher nicht erbracht, sodaß die Behörde auch deshalb nicht verpflichtet sei, ihm diesen Betrag zurückzuzahlen.
3.3. Der Kläger hat dazu eine Äußerung erstattet und die Kopie eines Erlagscheines vorgelegt, der von ihm unterschrieben und mit datiert ist, sowie den Magistrat der Stadt Wien (Verkehrsstrafenverrechnung) als Empfänger und einen Betrag von S 600,-- aufweist.
4. Mit Schriftsatz vom gab der Kläger bekannt, daß er sich infolge Rückzahlung des begehrten Betrages als klaglos gestellt erachte und das Klagebegehren auf den Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von S 3.832,30 einschränke.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 8666/1979, 8812/1980, ) - Klage erwogen:
5.1. Im Zeitpunkt der Klagserhebung am war das Verwaltungsstrafverfahren noch nicht abgeschlossen. Nach dessen Beendigung - es wurde am eingestellt - zahlte die beklagte Partei den erhaltenen Betrag umgehend zurück.
5.2. Gemäß § 49a Abs 9 VStG (vgl. § 50 Abs 7 leg.cit. für Organstrafverfügungen) ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen, wenn er nach Ablauf der in Abs 6 bezeichneten Frist oder nicht mit Beleg (Abs4) bezahlt wird und der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nachweist.
Während eines nachfolgenden Strafverfahrens ist der verspätet gezahlte Betrag im Hinblick auf § 49a Abs 9 VStG - für die Dauer des schwebenden Verfahrens - somit nicht zurückzuzahlen, weil erst das Ergebnis des Strafverfahrens dafür maßgebend ist, ob der Betrag zurückzuerstatten oder aber auf die Strafe anzurechnen ist. Dies gilt dem Wesen einer Anonymverfügung entsprechend auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Betrag von einer Person eingezahlt wurde, die nicht Partei des Verwaltungsstrafverfahrens ist.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich die am eingebrachte Klage als verfrüht. Da die beklagte Partei vor Beendigung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Rückzahlung des eingezahlten Betrages von Rechts wegen nicht verpflichtet war, bildete die Klage auch kein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb das Kostenbegehren nicht zu Recht besteht.
Das auf Ersatz der Verfahrenskosten eingeschränkte Klagebegehren war daher abzuweisen.
5.3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.