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OGH vom 24.04.2012, 8Ob78/11w

OGH vom 24.04.2012, 8Ob78/11w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin G***** W***** GmbH *****, Insolvenzverwalter Dr. Karl Rümmele, Rechtsanwalt in Dornbirn, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des G***** W*****, vertreten durch Hopmeier Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 149/11p 29, mit dem der Rekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 13 S 18/11v 4, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom eröffnete das Erstgericht über eigenen Antrag der von einem Notgeschäftsführer vertretenen Schuldnerin das Insolvenzverfahren über deren Vermögen.

Der Revisionsrekurswerber ist Gesellschafter der Schuldnerin. Er meldete am eine Insolvenzforderung von insgesamt 1.321.689 EUR, bestehend aus rückständigem Entgelt für seine Tätigkeit als Geschäftsführer in den Jahren 1993 bis 2011, an, die in der Prüfungstagsatzung vom Masseverwalter zur Gänze bestritten wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Rekurs des Gläubigers und Gesellschafters gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurück. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung komme den einzelnen Gesellschaftern im Insolvenzeröffnungsverfahren über eine Kapitalgesellschaft kein Rekursrecht zu. Auch in seiner Eigenschaft als Gläubiger einer angemeldeten Forderung sei der Rechtsmittelwerber nicht rekurslegitimiert, weil er seinen nicht titulierten Anspruch in keiner Weise bescheinigt habe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf, er ist dementsprechend auch berechtigt.

1. Mit der Beurteilung, ob eine Forderung im Konkurseröffnungsverfahren als bescheinigt zu gelten hat, wird in die endgültige Entscheidung über die Richtigkeit der Gläubigerforderung grundsätzlich nicht eingegriffen. Die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses, die der Revisionsrekurswerber in der fehlenden Zuständigkeit des Rekursgerichts für die erstmalige Feststellung einer Insolvenzforderung erblickt, ist daher zu verneinen.

2. Gemäß § 71c Abs 1 IO können Beschlüsse des Gerichts, mit denen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird, von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, sowie von den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden angefochten werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt die Rechtsmittelbefugnis im Eröffnungsverfahren neben den Gläubigerschutzverbänden grundsätzlich nur dem Schuldner selbst, seinen organschaftlichen Vertretern und den Gläubigern bescheinigter Insolvenzforderungen zu.

Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind nur dann ausnahmsweise rekurslegitimiert, wenn keine Geschäftsführer oder Liquidatoren zur Vertretung der Gesellschaft vorhanden sind. Ehemaligen Geschäftsführern kommt auch dann keine Rekurslegitimation zu, wenn sie ihre Abberufung durch die Generalversammlung gemäß § 41 GmbHG angefochten haben (RIS Justiz RS0059461; vgl RS0065135; RS0114476). Den Notgeschäftsführer einer GmbH treffen im Rahmen seiner Befugnisse die selben Pflichten und der selbe Haftungsumfang wie einen bestellten Geschäftsführer (vgl Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 15a Rz 12), sein Vorhandensein schließt daher einen ausnahmsweise von den Gesellschaftern zu substituierenden Vertretungsmangel aus.

3. Dem Rekursgericht ist auch zuzustimmen, dass für die Rechtsmittelbefugnis eines Gläubigers einer nicht titulierten Insolvenzforderung im Eröffnungsverfahren zumindest eine Glaubhaftmachung seiner Forderung zu verlangen ist, zumal nach § 70 Abs 1 IO nur Gläubiger bescheinigter Forderungen zur Stellung eines Eröffnungsantrags berechtigt sind (RIS Justiz RS0059461; vgl auch § 103 IO). Es wäre ein unübersehbarer Wertungswiderspruch, wenn das Gesetz für die Antragstellung selbst eine Bescheinigung fordert, gegen die Abweisung eines Eröffnungsantrags aber jedem ein Rekursrecht einräumen würde, der eine Forderung gegen den Schuldner auch nur unsubstantiiert behauptet.

Für die Beurteilung der Rekurslegitimation eines Gläubigers gegen einen Beschluss über die Eröffnung des Konkursverfahrens (zur Zulässigkeit vgl RIS Justiz RS0059461, 8 Ob 99/04y) ist dagegen eine gesonderte Prüfung der Insolvenzforderung des Rechtsmittelwerbers nur dann erforderlich, wenn sie nicht bereits im eröffneten Verfahren angemeldet wurde.

Bezüglich der Rechtsmittellegitimation der Gläubiger angemeldeter Insolvenzforderungen unterscheidet die Insolvenzordnung nämlich grundsätzlich abgesehen von hier nicht relevanten Fragen des Stimmrechts im Sanierungsplanverfahren nicht danach, ob ihre Forderungen anerkannt oder bestritten wurden (vgl zum Zwangsausgleich Mohr in Konecny/Schubert InsG, § 155 KO Rz 10). Durch die formgerechte Anmeldung seiner Forderung erlangt der Konkursgläubiger vielmehr sämtliche ihm in dieser Rolle zustehenden Verfahrensrechte. Es besteht kein Grund, eine angemeldete Insolvenzforderung im Rekursverfahren einer zusätzlichen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen, weil ihre Feststellung oder Bestreitung allein dem Masseverwalter und den übrigen Gläubigern, allenfalls dem Prozessgericht vorbehalten ist (vgl § 109 IO).

4. Der Revisionsrekurswerber hat sich bereits in seinem Rekurs zulässig (§ 260 Abs 2 IO) auf die erfolgte Anmeldung seiner Forderung im Konkursverfahren berufen und seine Rechtsmittellegitimation damit hinreichend dargelegt.

Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben, das Rekursgericht wird unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund eine meritorische Entscheidung über den Rekurs zu treffen haben.

Ein Kostenersatzanspruch besteht im Insolvenzverfahren nicht (§ 254 Abs 1 Z 1 IO); der Revisionsrekurswerber hat seine verzeichneten Kosten des Rechtsmittelverfahrens daher selbst zu tragen.