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OGH vom 20.12.2000, 9ObA245/00w

OGH vom 20.12.2000, 9ObA245/00w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Dafert und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zoran M*****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr und Dr. Josef Kantner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Franz P*****, vertreten durch Offer & Partner KEG, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 55.318,56 sA (Rekursinteresse S 49.633,04 sA), über den Rekurs der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 58/00t-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 16 Cga 108/98g-26, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich ihrer bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile wie folgt zu lauten haben:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen deren Vertreters binnen 14 Tagen netto S 4.687,50 samt 8,5 % Zinsen seit zu zahlen.

2. Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere S 50.631,06 netto samt 8,5 % Zinsen seit zu zahlen, abgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 27.209,28 (darin S 4.534,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit S 8.566,96 (darin S 986,16 Umsatzsteuer und S 2.650 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis beim Beklagten in dessen gastgewerblichem Betrieb "Hotel S*****" in Obermieming mit einem Monatsnettolohn von zuletzt S 9.979,85 als Hausdiener und Hausgehilfe beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung.

Mit seiner Klage vom begehrte der Kläger die Zahlung von netto S 55.318,56 sA, bestehend aus offenem Lohn vom 11. 2. bis in Höhe von S 4.324,60 netto, Entschädigung für drei nicht konsumierte Ruhetage im Jänner 1998 in Höhe von S 1.360,88 netto, Kündigungsentschädigung für zwei Kalenderwochen in Höhe von S 4.657,26 netto, anteilige Sonderzahlungen aus der Kündigungsentschädigung für zehn Kalenderwochen in der Höhe von S 3.969,27 netto sowie Abfertigung im Ausmaß von drei Monatsengelten in Höhe von S 41.006,55 netto. Er brachte dazu vor, unberechtigt entlassen worden zu sein. Er habe die Arbeit in der Zeit zwischen 11. und im Hotel des Beklagten nicht antreten können, weil ihm anlässlich eines Aufenthaltes in Jugoslawien der Reisepass abgenommen und die Ausreise verboten worden sei. Er habe eine andere Arbeitnehmerin ersucht, dies dem damals betriebsabwesenden Beklagten auszurichten. Insoweit die Entlassung auch auf Vorfälle aus dem Jahre 1996 gestützt werde, welche zur strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers im Jahre 1999 geführt hätten, hätten diese weder das Dienstverhältnis noch die Vertrauenswürdigkeit des Klägers in irgendeiner Weise berührt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit mehrmals unentschuldigt seinen Arbeitsplatz verlassen und sei zur vereinbarten und eingeteilten Arbeit nicht rechtzeitig erschienen, weshalb er mit Schreiben vom unter Androhung der Entlassung im Wiederholungsfall abgemahnt worden sei. Die vom Kläger geschilderten Schwierigkeiten an der jugoslawisch-ungarischen Grenze, welche ihn am Dienstantritt am gehindert hätten, habe dieser selbst verschuldet. Ihm sei sein gesetzwidriges Verhalten, welches zur vorläufigen Abnahme des Reisepasses durch den zuständigen Untersuchungsrichter und zu einem Strafverfahren vor dem Gemeindegericht Ruma in Jugoslawien geführt habe, stets bewusst gewesen. Dennoch habe er die übliche Sorgfalt zur Vorbereitung eines problemlosen Grenzübertrittes in keiner Weise eingehalten und die vor einer Ausreise erforderlichen Vorkehrungen nicht getroffen. Ebensowenig habe er sein Nichterscheinen zum Dienst im Betrieb des Beklagten in vereinbarter Weise mitgeteilt, sondern lediglich seine damalige, als Lehrling im Betrieb des Beklagten beschäftigte Freundin um Hilfe gebeten. Im Zuge des vorliegenden Rechtsstreites habe der Beklagte überdies erfahren, dass der Kläger auf Grund einer im Juni 1996 begangenen strafbaren Handlung wegen versuchten Versicherungsbetruges und Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sei. Schon aus diesem Grund erweise sich die Entlassung als berechtigt, weil der Beklagte rücksichtlich des strafbaren Verhaltens des Klägers zu diesem jede Vertrauensbasis verloren habe und ihm daher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von S 54.320,58 netto sA und wies (rechtskräftig) ein Mehrbegehren von S 997,98 netto samt 8,5 % Zinsen seit ab. Es legte seiner Entscheidung im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

Auf Grund diverser (nicht näher festgestellter) Vorkommnisse im Jahre 1996 verwarnte der Beklagte den Kläger schriftlich, wobei er darauf hinwies, dass, soferne dieser nochmals nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen oder unentschuldigt den Arbeitsplatz während der Arbeitszeit verlassen sollte, fristlos entlassen werde. Der Kläger wurde ferner darauf hingewiesen, dass Absprachen hinsichtlich der Arbeitszeit entweder mit der Büroleiterin Birgit E*****, mit ihm, oder seiner Gattin zu treffen seien. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , wovon der Beklagte erst im Zuge dieses Verfahrens Kenntnis erhielt, wurde der Kläger zu 22 Hv 86/99 für schuldig erkannt, am in Innsbruck, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der Bundesländerversicherung durch Täuschung über Tatsachen, und zwar die Vorgabe, sein Fahrzeug der Marke BMW 524 TD mit dem amtlichen Kennzeichen EM-1FTO, sei ihm am in Belgrad gestohlen worden, zur Ausfolgung einer Versicherungsleistung in Höhe des Zeitwertes des Fahrzeuges von S 130.000, sohin einer Handlung zu verleiten versucht zu haben, welche die B*****versicherung in einem S 25.000 übersteigenden Wert in ihrem Vermögen schädigen sollte; am in Mieming Beamten des Gendarmeriepostens Obermieming, mithin zur Entgegennahme von Anzeigen zuständige Beamten, durch die Behauptung, am sei ihm in Belgrad sein Fahrzeug (BMW 524 TD) mit dem Kennzeichen IM-1FTO gestohlen worden, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 StGB, wissentlich vorgetäuscht zu haben, wodurch er das Vergehen des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB und das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB begangen habe. Hiefür wurde er nach § 147 Abs 1 StGB in Anwendung der §§ 28 und 37 StGB und unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil 3 U 285/97w des Bezirksgerichtes Hall (- dabei handelte es sich um eine Verurteilung wegen versuchten Diebstahls -) zu einer Zusatzstrafe in Form einer Geldstrafe in Höhe von 230 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfalle zu 115 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Der Kläger sollte laut festgelegtem Dienstplan vom 7. bis einschließlich Ruhetage konsumieren, anschließend vom 11.

2. bis einschließlich Dienst im Hotel versehen und dann - unter Einschluss von zwei Ruhetagen - bis einen Urlaub konsumieren. Der Kläger, welcher aus Ruma in Jugoslawien stammt, wollte im Februar 1998 dort seinen erkrankten Vater besuchen. Zu diesem Zweck reiste er am in Jugoslawien ein und hatte vor, am Dienstag, dem , also einen Tag vor seinem neuerlichen Dienstantritt, wieder mit dem Bus zurückzufahren. Circa ein halbes Jahr davor war der Kläger mit einem nicht zugelassenen Fahrzeug in Jugoslawien unterwegs gewesen. Er hatte auf diesem die österreichischen Kennzeichen seines eigenen PKW angebracht. Dabei war er anlässlich einer Polizeikontrolle angehalten und zur Anzeige gebracht worden. Dennoch hatte man dem Kläger unter Mitnahme der Autokennzeichen die Ausreise nach Österreich gestattet. Vor seiner letzten Reise im Februar 1998 war der Kläger kurz einmal über das Wochenende in Jugoslawien ohne dabei betreten worden zu sein. Als der Kläger nun neuerlich in Ruma eintraf, erfuhr er von seinen Eltern, dass er Gerichtspost hätte erhalten sollen, welche aber nur eigenhändig hätte zugestellt werden können. Nachdem er am gegen 9 Uhr von Ruma weggefahren war, wurde er um ca 13 Uhr an der jugoslawisch-ungarischen Grenze aufgehalten. Er wurde mit der Begründung an der Weiterfahrt gehindert, dass eine polizeiliche Sache gegen ihn noch nicht erledigt sei. Der Kläger wurde zunächst festgehalten und dann über Nacht in Haft genommen. Während dieser Zeit hatte er keine Gelegenheit zu telefonieren. Schließlich wurde ihm der Pass abgenommen. Am nächsten Tag wurde ihm gegen ca 14 Uhr vom Gericht in Ruma ein Verhandlungstermin mitgeteilt und er wurde gegen Abend wieder freigelassen. Den Pass erhielt er allerdings noch nicht ausgefolgt.

Unmittelbar nach der Freilassung rief der Kläger beim Beklagten an, konnte diesen und seine Gattin wegen Urlaubsabwesenheit aber nicht erreichen. Auch die Büroleiterin war nicht mehr im Hause. Er rief daher seine im Hotel aufhältige Freundin, welche als Bürolehrling beschäftigt war, an und teilte ihr zunächst kurz mit, dass er verhindert sei, zurückzukommen. Den Grund konnte er auf Grund einer schlechten Telefonverbindung nicht mitteilen. Er ersuchte aber die Freundin ausdrücklich, dem Beklagten, seiner Gattin oder Vertretern des Beklagten von seiner Verhinderung Mitteilung zu machen. Obwohl die Stellvertreterin der Büroleiterin noch anwesend war, versäumte es die Freundin des Klägers, eine entsprechende Mitteilung weiterzuleiten. Am Abend erfuhr sie dann vom Kläger die genauen Hintergründe seiner Verhinderung. Am nächsten Tage teilte sie der Vertreterin der Büroleiterin lediglich mit, dass sie zum Kläger fahren müsse, weil dieser sich an der Grenze aufhalte und Schwierigkeiten habe. Einen näheren Grund bzw eine ausdrückliche Entschuldigung für das Fernbleiben des Klägers nannte sie nicht. Da der Kläger am bei Bauarbeiten hätte mithelfen sollen, teilte die Freundin des Klägers dem Vorarbeiter mit, dass der Kläger verhindert sei und nicht zum Dienst erscheinen könne. Nach Beendigung des Gerichtsverfahrens in Ruma trat der Kläger gemeinsam mit seiner Frau den schon geplanten Urlaub an und kehrte am nach Österreich zurück, um am nächsten Tag wieder seinen Dienst anzutreten. Er erfuhr um 7 Uhr dieses Tages, dass er um 9 Uhr zum Beklagten ins Büro kommen solle. Dieser sprach die Entlassung aus und überreichte ihm ein schon am angefertigtes Schreiben folgenden Inhalts: "Trotz bereits mehrmaliger Ermahnungen haben Sie am wiederum die Arbeit unbefugt verlassen und sind auch in den folgenden Tagen unentschuldigt nicht zum Dienst erschienen und haben bis heute weder eine Nachricht noch irgendeine Mitteilung im Büro hinterlassen. Wegen unbefugten Verlassens der Arbeit und wegen wiederholter und beharrlicher Vernachlässigung ihrer Arbeitspflichten muss ich Ihnen die fristlose Entlassung aussprechen." Weitere Erörterungen erfolgten nicht.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die strafbare Handlung aus dem Jahre 1996, wegen der der Kläger später verurteilt wurde, nicht geeignet sei, als Entlassungsgrund nach § 82 lit d GewO alt zu dienen. Eine Straftat, welche nicht in einem Diebstahl oder einer Veruntreuung bestehe, müsse zumindest in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Die Tat müsse sich auf das Arbeitsverhältnis zumindest mittelbar auswirken, das heißt, dass dadurch das Vertrauen des Arbeitgebers verwirkt sei, oder dass der Ruf des Arbeitgebers oder seines Unternehmens dadurch gefährdet werde oder wenn die Tat störende Rückwirkungen auf das Betriebsklima haben könne. Unstrittig sei, dass die Tat nicht in Ausübung der Arbeitstätigkeit oder im Nahebereich des Beklagten begangen worden sei. Auch sei - objektiv betrachtet - ein Vertrauensverlust nicht gegeben, wenn man darauf Bedacht nehme, dass sich der Kläger bislang wohlverhalten habe und daher einen größeren Vertrauensvorschuss erwarten dürfe als ein Arbeitnehmer, welcher das Vertrauen seines Arbeitgebers bereits auf die Probe gestellt habe. Das Erstgericht verneinte aber auch einen Entlassungsgrund nach § 82 lit f GewO. Der Kläger habe das ihm Zumutbare unternommen, um den Arbeitgeber von seiner Dienstverhinderung zu verständigen, er habe auch mit der Weiterleitung durch seine Freundin rechnen dürfen. Deren Versäumnisse könnten ihm somit nicht als Verschulden angerechnet werden. Auch die Begehungshandlung selbst sei nicht schuldhaft erfolgt. Er habe bei seiner neuerlichen Einreise nach Jugoslawien im Februar 1998 nicht damit rechnen müssen, dass Verfolgungshandlungen gegen ihn im Gange seien und er deshalb an einer Ausreise gehindert werden könnte. Er habe damit auch keine Pflichtwidrigkeit in Beziehung auf den Nichtantritt seiner Arbeit zu verantworten. Da die Verhinderung jedoch seiner Sphäre zuzuordnen sei, habe er keinen Anspruch auf Entlohnung in der Zeit vom 11. 2. bis , sodass der von ihm geltend gemachte Betrag um S 997,98 zu kürzen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch von S 4.687,50 netto sA (für Entgelt in der Zeit vom 14. 2. bis sowie für drei nicht konsumierte Ruhetage). Im Übrigen, nämlich hinsichtlich eines Betrages von S 49.633,08 netto sA hob es das angefochtene Urteil auf und wies die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zulässig sei. Zum unmittelbaren Anlassfall für die Entlassung, nämlich dem Fernbleiben vom Dienst am , führte das Berufungsgericht aus, dass der Entlassungstatbestand des § 82 lit f erster Fall GewO 1859 eine erhebliche und pflichtwidrige sowie schuldhafte, entweder vorsätzliche oder doch zumindest fahrlässige Arbeitsversäumnis voraussetze. Hinsichtlich der Dauer von drei Tagen sei das vom Kläger zu verantwortende Arbeitsversäumnis als erheblich anzusehen. Für die Beurteilung der Frage, ob das zur Arbeitsversäumnis führende Verhalten des Klägers pflichtwidrig erfolgt sei oder aber der Kläger einen Rechtfertigungsgrund in Anspruch nehmen könne, bedürfe es aber noch ergänzender Feststellungen. Das Erstgericht habe es unterlassen, einen vom Beklagten beantragten Beweis, nämlich die Beischaffung und Einsichtnahme in den Strafakt des Bezirksgerichtes Ruma, aufzunehmen. Dieser Verfahrensverstoß erweise sich als abstrakt geeignet, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen, zumal es nicht unwesentlich sei, auf Grund welcher Handlungen der Kläger vom Gemeindegericht Ruma verurteilt worden sei und ob es ihm unter Anlegung objektiver Maßstäbe möglich gewesen wäre, vorherzusehen, dass er vor der Beendigung des Verfahrens bei einer Einreise nach Jugoslawien während eines erheblichen Zeitraumes angehalten werden könne. Diese Ergänzung sei insoweit von Bedeutung, als der vom Beklagten herangezogene Entlassungstatbestand des § 82 lit d GewO 1859 hier nicht greife. Diesen Entlassungstatbestand verwirkliche ein Dienstnehmer, welcher sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig mache, welche ihn des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen lasse. Während es bei einem Diebstahl und einer Veruntreuung keiner weiteren Prüfung bedürfe, ob eine Vertrauenswürdigkeit eingetreten sei, weil dies vom Gesetz als gegeben angesehen werde, müsse bei anderen strafbaren Handlungen, welcher sich der Arbeitnehmer schuldig gemacht habe, geprüft werden, ob diese objektiv geeignet seien, den Verlust des Vertrauens des Arbeitgebers herbeizuführen. Dies sei in jedem Fall besonders festzustellen, wobei die im Angestelltenrecht im Zusammenhang mit dem Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit anzustellenden Überlegungen grundsätzlich zu übernehmen seien. Eine "sonstige strafbare Handlung" müsse mit dem Arbeitsverhältnis selbst in keinem mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang stehen; wesentlich sei die Frage, ob Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis in der Weise vorliegen, dass das Vertrauen des Arbeitgebers verloren gehe. Es komme daher - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - nicht darauf an, dass die zur strafgerichtlichen Verurteilung führenden Handlungen in Ausübung der Arbeitspflicht oder irgendwie im Nahebereich des Beklagten begangen worden seien. Im vorliegenden Fall sei nur der versuchte Versicherungsbetrug zu prüfen, weil die Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nur als Vorbereitungshandlung hiezu begangen worden sei. Wenngleich es sich bei der Straftat, wegen der der Kläger verurteilt worden sei, um ein Vorsatzdelikt gegen fremdes Vermögen handle, könne daraus nicht von vornherein die objektive Eignung zur Herbeiführung des Vertrauensverlustes des Arbeitgebers abgeleitet werden. Vielmehr seien die Art des Arbeitsverhältnisses und der Inhalt der vom strafbar gewordenen Arbeitnehmer geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit in Relation zum strafbaren Verhalten und der sich daraus ergebenden Distanz zu rechtlich geschützten Werten zu setzen. Berücksichtige man in diesem Sinn, dass der Kläger als Hausdiener/Hausbursche im gastgewerblichen Betrieb des Beklagten eine subalterne Tätigkeit zu verrichten gehabt habe und nehme man darauf Bedacht, dass die zur Diskussion stehenden Straftaten rund eineinhalb Jahre vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden seien und keine Anhaltspunkte vorlägen, dass sich der Kläger während seines rund acht Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses während der Arbeit oder unmittelbar im Zusammenhang damit einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe, so trete die Tatsache, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Beklagten wohl immer wieder mit fremdem Eigentum - nämlich dem Beklagten oder Hotelgästen gehörigen Sachen - in Berührung gekommen sei, in den Hintergrund. Ungeachtet der teilweisen Einschlägigkeit der Tat zu den Vergehen des Diebstahls und der Veruntreuung zeitige die vom Kläger außerdienstlich im Jahr 1996 begangene strafbare Handlung keine solchen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis, dass eine Entlassung rechfertigende Vertrauensunwürdigkeit gegeben sei.

Die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, dass jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Entlassungsgrund des § 82 lit d GewO 1859, insbesondere zu den Kriterien für die Annahme von Vertrauensunwürdigkeit beim Vorliegen "sonstiger strafbarer Handlungen", soweit es sich um Vermögensdelikte handle, fehle.

Gegen die Aufhebung richtet sich der Rekurs der klagenden Partei aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist in dem Sinne, dass eine Verfahrensergänzung entbehrlich ist und in der Sache selbst durch das Rekursgericht entschieden werden kann, berechtigt. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO kann der Oberste Gerichtshof in einem solchen Fall durch Urteil in der Sache selbst erkennen. Da beim Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse nach § 519 ZPO das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, kann auf Grund des Rekurses des Klägers auch ein Urteil auf Klageabweisung gefällt werden (RIS-Justiz RS0043853).

Gemäß § 82 lit d GewO 1859 kann ein Arbeiter sofort entlassen werden, wenn er sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen lässt. Während bei den erstgenannten Delikten des Diebstahls und der Veruntreuung die dadurch hervorgerufene Vertrauensunwürdigkeit schon nach dem Gesetzestext zu unterstellen ist, ihr Eintritt also nicht geprüft werden muss, erfordert die Frage, ob ein Arbeitnehmer auf Grund einer "sonstigen strafbaren Handlung" vertrauensunwürdig geworden ist, besonderer Prüfung. Insbesondere kommt es darauf an, ob zufolge seines Verhaltens für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Interessen und Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet sind (RIS-Justiz RS0060407, insbesondere 4 Ob 118/85, zuletzt 9 ObA 14/98v). Eine außerdienstliche Tat muss sich auf das Arbeitsverhältnis zumindest mittelbar auswirken, zB dass dadurch das Vertrauen des Arbeitgebers verwirkt wird (soweit Vertrauensverwirkung nicht ohnehin Tatbestandsmerkmal ist), oder dass der Ruf des Arbeitgebers oder seines Unternehmens dadurch gefährdet wird, oder wenn die Tat störende Rückwirkungen auf das Betriebsklima zeitigen könnte (Kuderna, Entlassungsrecht2 133).

Der Kläger wurde rechtskräftig für schuldig erkannt, zur Zeit, als das Arbeitsverhältnis noch aufrecht war, das Vergehen des versuchten schweren Betruges, somit ein Vergehen gegen fremdes Vermögen, begangen zu haben, welches mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen ist. Es ist dem Berufungsgericht wohl darin beizupflichten, dass für die Beurteilung, ob durch eine "sonstige strafbare Handlung" Vertrauensunwürdigkeit des Arbeitnehmers bewirkt wurde, auf die konkreten Auswirkungen, welche die Tat auf das Arbeitsverhältnis hatte, abzustellen ist. Dies kann regelmäßig nur von Fall zu Fall beurteilt werden, wobei sowohl die Tatumstände (insbesondere Schuldintensität und Folgen) als auch die Art der vom Arbeitnehmer verrichteten Arbeit Beachtung zu finden haben. Wenngleich daher nicht generell gesagt werden kann, dass andere als die im § 82 lit d GewO 1859 typisierten Vermögensdelikte eine Vertrauensunwürdigkeit des Arbeitnehmers herbeiführen müssen, ist dies im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - doch anzunehmen. Die vom Kläger begangene Vorsatztat lässt zunächst erhebliche Zweifel an seiner Achtung fremden Vermögens aufkommen, zumal die geplante Schädigung erheblich sein sollte. Da der Kläger Hausdiener eines Hotelbetriebes war, ist davon auszugehen, dass er Zutritt zu den Räumlichkeiten des Hauses, somit auch zu Gästezimmern und somit auch unmittelbaren Zugriff auf fremdes Vermögen hatte. Unabhängig von der Betriebshierarchie hatte der Kläger somit eine Stellung inne, die ein nicht unerhebliches Maß an Vertrauen voraussetzt. Bei objektiver Betrachtung musste demnach das Vertrauen des Beklagten wie das jedes anderen Arbeitgebers an seiner Stelle soweit erschüttert sein, dass es ihm nicht zumutbar war, den Kläger auch noch während der Kündigungsfrist zu behalten.

Da die Entlassungsgründe beim Ausspruch der Entlassung dem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht bekanntgegeben werden müssen, kann der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren alle Entlassungsgründe geltend machen, sofern sie im Zeitpunkt der Vornahme der Entlassung bereits vorgelegen sind und das Entlassungsrecht nicht insoweit untergegangen ist. Nach der Entlassung dem Arbeitgeber bekanntgewordene Entlassungsgründe können unter diesen Voraussetzungen im Prozess gleichfalls geltend gemacht werden ("Nachschieben von Entlassungsgründen": Kuderna aaO 51 mwN, Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht8 622 mwN). Durch ausdrückliches Geständnis des Klägers (AS 125 oben) ist unstrittig (§ 266 ZPO), dass der Beklagte erst im Zuge des arbeitsrechtlichen Verfahrens von der strafrechtlichen Verurteilung erfahren hat. Der Kläger wäre als Arbeitnehmer für alle für den Untergang des Entlassungsrechtes maßgeblichen Umstände beweispflichtig (Kuderna Entlassungsrecht2 50). Da er im Zusammenhang mit seiner Straftat aber nur den Verlust seiner Vertrauenswürdigkeit (AS 145 f), nicht aber die Rechtzeitigkeit des Ausspruches der Entlassung bestritten hat, ist letztere zu unterstellen. Ausgehend vom rechtzeitig wahrgenommenen Entlassungsgrund iSd § 82 lit d GewO 1859 bedarf es daher keiner Prüfung, ob überdies der Tatbestand des § 82 lit f GewO 1859 verwirklicht wurde, sodass die vom Berufungsgericht diesbezüglich für notwendig erachtete Verfahrensergänzung entbehrlich ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des Berufungsverfahrens gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO.

Da der Kläger nur mit einem unbedeutenden, 10 % des Gesamtstreitwertes nicht übersteigenden Teil durchgedrungen ist und die Bestreitung dieses Teils überdies keine besonderen Kosten verursacht hat, hat der obsiegende Beklagte Anspruch auf Ersatz der gesamten Kosten. Im Berufungsverfahren ergibt sich daraus jedoch ein Tarifsprung (Streitwert unter S 50.000), sodass sowohl Vertretungskosten als auch die Pauschalgebühr nur auf der verminderten Basis zuerkannt werden können.

Da dem Beklagten im Rekursverfahren, an welchem er sich nicht beteiligt hat, keine Kosten erwachsen konnten, hat der Kläger gemäß § 40 ZPO seine diesbezüglichen Kosten selbst zu tragen.