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VfGH vom 26.02.1991, b705/89

VfGH vom 26.02.1991, b705/89

Sammlungsnummer

12624

Leitsatz

Willkür durch die Verhängung einer Verwaltungsstrafe mangels Geltung der Geschwindigkeitsbeschränkung

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid insoweit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden, als sie gemäß dessen Spruchpunkt 1. für schuldig befunden wurde, "in Schwarzenberg auf der L 48 in Richtung Ortsmitte Schwarzenberg fahrend auf der Höhe der Bregenzerach-Brücke die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 60 km/h" überschritten zu haben, über sie dafür eine Geldstrafe von S 1.500,-, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzarreststrafe von 72 Stunden verhängt und sie verpflichtet wurde als Verfahrenskostenbeitrag S 300,- an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz zu entrichten.

Der Bescheid wird im genannten Umfang aufgehoben.

Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden des Beschwerdevertreters die mit S 11.124,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vbg. Landesregierung wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, am um ca. 23.35 Uhr mit ihrem PKW

1. in Schwarzenberg auf der L 48 in Richtung Ortsmitte Schwarzenberg fahrend auf der Höhe der Bregenzerach-Brücke die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 60 km/h,

2. in Schwarzenberg auf der L 48 in Richtung Ortsmitte Schwarzenberg fahrend auf der Höhe der Firma Metzler die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h,

3. in Schwarzenberg auf der L 26 in Richtung Egg fahrend auf der Höhe des Konsums die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 20 km/h und in Egg auf der L 26 in Richtung Ortsmitte Egg fahrend auf der Höhe des km 1,5 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 40 km/h und

4. in Egg auf der L 26 in Richtung Ortsmitte Egg fahrend auf der Höhe des Pfarrzentrums die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 20 km/h

überschritten und dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 52 lita Z 10a StVO 1960 (zu 1. und 3.) und nach § 20 Abs 2 leg.cit. (zu 2. und 4.) begangen zu haben. Über die Beschwerdeführerin wurden gemäß § 99 Abs 3 lita StVO 1960 Geldstrafen, im Uneinbringlichkeitsfalle Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art 7 Abs 1 B-VG) wegen "willkürlichen Behördenverhaltens" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird. In der Beschwerde wird insbesondere geltend gemacht, daß im Bereich der Bregenzerach-Brücke im Tatzeitpunkt eine die Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h deckende Verordnung nicht vorgelegen habe und § 44 StVO 1960 wegen Widerspruchs zum rechtsstaatlichen Bauprinzip verfassungswidrig sei.

3. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt und legte sowohl die Verwaltungsstrafakten als auch den Verordnungsakt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz betreffend die L 48, Baulos "Schwarzenbergbrücke" vor.

II. Die Beschwerde ist zulässig und hinsichtlich des Spruchpunktes

1. des angefochtenen Bescheides auch begründet.

Unter diesem Spruchpunkt wird der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz übertreten zu haben, der zufolge gemäß § 43 Abs 1a StVO 1960 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der L 48/Bödelestraße in Schwarzenberg, Baulos "Schwarzenbergbrücke", im jeweiligen Bauabschnitt mit 30 km/h festgesetzt wurde. Da diese Verordnung jedoch von der Behörde mit datiert ist und als Zeitpunkt der Anbringung der notwendigen Verkehrszeichen in einem - nicht einmal unterschriebenen - Aktenvermerk der Baustelle Schwarzenberg vom der angegeben wurde, konnte die Beschwerdeführerin am mangels Geltung der eben bezeichneten Verordnung zu diesem Zeitpunkt die Geschwindigkeitsüberschreitung, der sie unter Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides für schuldig befunden wurde, nicht begehen.

Die belangte Behörde ist sohin bei der Bestrafung der Beschwerdeführerin nicht nur gesetzlos vorgegangen, sondern hat die Rechtslage trotz der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren mehrfach geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung in einem besonderen Maße mißachtet. Ein solches Vorgehen ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10337/1985, Erk.v. , B1058/88) als Willkür zu werten. Die Beschwerdeführerin ist daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war insoweit aufzuheben.

III. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Abgesehen von den bereits aufgegriffenen Bedenken gegen den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides behauptet die Beschwerdeführerin die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wegen unrichtiger Beweiswürdigung der belangten Behörde und verschiedener Mangelhaftigkeiten ihres Verfahrens. Die gerügten Rechtsverletzungen wären insofern im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer unrichtigen Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 4492/1963 die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 2. bis 4. und die darauf beruhenden Strafaussprüche im angefochtenen Bescheid wendet, abzusehen und sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG 1953 (in den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 1.854,-

enthalten).

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 und Abs 3 Z 1 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung in einer der Vorschrift des § 7 Abs 2 VerfGG 1953 genügenden Zusammensetzung gefällt werden.

Fundstelle(n):
QAAAE-07508