VfGH vom 28.09.1985, B705/84
Sammlungsnummer
10566
Leitsatz
Oö. GVG 1975; keine Bedenken gegen § 4 Abs 1; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß § 4 Abs 1; vertretbare Annahme, daß die im Übergabevertrag vorgesehene Abtrennung der Grundstücke vom Vollerwerbsbetrieb der Übergeber den allgemeinen Interessen an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht entspricht; keine Verletzung im Eigentumsrecht und im Gleichheitsrecht, keine Verletzung im Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. J und A O sind je zur Hälfte Eigentümer eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes in O, Bezirk Lambach, bestehend ua. aus den Liegenschaften EZ ..., KG Würting, und EZ ..., KG Humpelberg, zu dem land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundflächen im Ausmaß von zirka 20 ha gehören.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen und in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung vom wurde dem Übergabsvertrag vom , mit dem die Liegenschaft EZ ..., KG Würting, (im Ausmaß von zirka 15 ha) von J und A O an ihren Sohn J O übertragen wurde, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.
2. Mit Übergabsvertrag vom übergaben J und A O die Liegenschaft EZ ..., KG Humpelberg, (Ausmaß zirka 3,7 ha) ihrem Sohn Ing. E O. Diesem Übergabsvertrag versagte die Bezirksgrundverkehrskommission Lambach mit dem Bescheid vom 16. Feber 1984 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.
Der gegen diesen Bescheid von Ing. E O erhobenen Berufung hat die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung mit Bescheid vom nicht Folge gegeben.
3. Gegen diesen Bescheid der Landesgrundverkehrskommission richtet sich die unter Berufung auf Art 144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes (Art6 Abs 1 StGG) verletzt worden zu sein.
Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen auf § 4 Abs 1 des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 (Oö. GVG 1975) gestützt. Nach dieser Bestimmung müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen.
Zu dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach § 4 Abs 1 Oö. GVG 1975 wegen der darin verwendeten unbestimmten Gesetzesbegriffe im Hinblick auf das Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG verfassungswidrig sei, verweist der VfGH auf die wiederholt zum Ausdruck gebrachte Auffasssung (vgl. zB 7927/1976, 8095/1977, 8309/1978, 8766/1980, 9313/1982, 9454/1982) über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Gesetzesbestimmung. Der VfGH sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen, weil iS seiner Judikatur das Verhalten der Behörde bei der Entscheidung im konkreten Einzelfall durchaus auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut überprüfbar ist.
2. a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäftes wird der Erwerber in der Ausübung des durch das Rechtsgeschäft begründeten privaten Rechtes auf Erwerb des Eigentums an dem Grundstück beschränkt. Ein solcher Versagungsbescheid greift in das Eigentumsrecht des Übernehmers (Erwerbers) ein (vgl. VfSlg. 9454/1982).
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9454/1982).
b) Der angefochtene Bescheid ist nach dem Hinweis auf die (nach Einholung einer Äußerung der Bezirksbauernkammer Wels und nach Einvernahme der Vertragsparteien und des Bürgermeisters gewonnenen) Feststellungen im Verfahren, das zur Erlassung des Bescheides vom (I.1.) geführt hat, und auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid wie folgt begründet:
"Die Übergeber sind Eigentümer des landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes in W, zu dem ungefähr 20 ha land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen gehören. Sie haben dem nunmehrigen Übernehmer bereits ungefähr 5 Joch Wald übereignet. Sie wollten mit dem Übergabsvertrag vom ihrem Sohn J O diesen Betrieb übergeben. Dieser Übergabsvertrag wurde jedoch grundverkehrsbehördlich nicht genehmigt, weil sie ungefähr 1/4 der zum Übergabsobjekt gehörigen Grundflächen zurückbehielten und die Zweitübergeberin sich überdies ein langjähriges Wirtschaftsrecht vorbehält. Die Grundverkehrsbehörde ging damals davon aus, daß durch die Zurückbehaltung einer so großen Grundfläche die Eigenschaft des Betriebes W als landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb beeinträchtigt würde. Auch damals wurde bereits behauptet, die zurückbehaltenen Grundflächen seien erst durch die Eheschließung der Übergeber zum Betrieb W gelangt.
Bei Beurteilung des vorliegenden Rechtsgeschäftes ist davon auszugehen, daß von dem landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb der Übergeber annähernd 4 ha, also 1/5, abgetrennt und einem weichenden Kind gegeben würde. Damit würde der landwirtschaftliche Vollerwerbsbetrieb in seiner Struktur als solcher wesentlich beeinträchtigt. Daran ändert weder etwas, daß diese Grundflächen erst von A O anläßlich ihrer Verehelichung mit dem Erstübergeber zum Betrieb in W gebracht wurden, noch daß ihr für die Hofübernahme vorgesehener Sohn J O derzeit als Postbediensteter einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Es ist eine Tatsache, daß gerade durch die Vereinigung der Betriebe des J und der A O anläßlich ihrer Verehelichung ein landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb geschaffen bzw. in seiner Eigenschaft gestärkt wurde und der Betrieb in W seither als Vollerwerbsbetrieb geführt wurde. Wenn der Betrieb auch nicht arrondiert ist, wurde er durch mehr als 30 Jahre als einheitlicher Betrieb bewirtschaftet. Die Abtrennung eines Fünftels der Grundausstattung dieses Betriebes verschlechtert daher die bestehende agrarische Besitzstruktur und verstößt demnach gegen die im § 4 Abs 1 o.ö. Grundverkehrsgesetz 1975 geschützten öffentlichen Interessen, nämlich gegen das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und gegen das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren landwirtschaftlichen Grundbesitzes."
c) Daß die Abzweigung landwirtschaftlicher Nutzflächen im Ausmaß von zirka 4 ha von einem lebensfähigen, land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen im Ausmaß von zirka 20 ha umfassenden bäuerlichen Betrieb eine Maßnahme darstellt, durch die eine wesentliche Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit dieses Betriebes herbeigeführt würde, bedarf nach Auffassung des VfGH keiner näheren Erörterung.
Es kann daher der bel. Beh., wenn sie bei der im vorliegenden Rechtsgeschäft vorgesehenen Abtrennung der Grundstücke vom Vollerwerbsbetrieb der Übergeber zur Auffassung gelangt ist, daß das Rechtsgeschäft den allgemeinen Interessen an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes widerspricht, nicht eine Fehlerhaftigkeit zum Vorwurf gemacht werden, die mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden müßte.
Im Hinblick auf den dargelegten Widerspruch des Rechtsgeschäftes zum Gesetz kann es dahingestellt bleiben, ob - wie von der bel. Beh. angenommen - auch ein Widerspruch zu dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes vorliegt; denn bei den gegebenen Größenverhältnissen und im Hinblick darauf, daß - wie in der Gegenschrift der bel. Beh. dargelegt wird - für die Bewirtschaftung der Grundstücke beim Übernehmer (Erwerber) eine Hofstelle nicht zur Verfügung steht, sondern allenfalls erst geschaffen werden müßte, ergeben sich ernsthafte Zweifel, ob die übergebenen Grundstücke - auch iZm. den bereits dem Erwerber gehörigen Waldgrundstücken - ihrer Struktur nach als wirtschaftlich gesunder landwirtschaftlicher Grundbesitz gewertet werden könnten.
Zu bemerken ist sicherlich, daß nicht durch Maßnahmen des Grundverkehrsgesetzes erreicht werden kann, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb als Vollerwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieb geführt wird. Wenn aber das Gesetz die Wahrung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes verlangt, ist es jedenfalls nicht denkunmöglich, wenn die bel. Beh. die Abtrennung von Grundstücken von einem in bäuerlicher Bewirtschaftungsart betriebenen Vollerwerbsbetrieb im vorgesehenen Ausmaß mit dem Ziel verwehrt, den Vollerwerbsbetrieb als Basis einer Betriebseinheit in der Form eines Bauerngutes iS des § 4 Abs 2 Oö. GVG 1975 zu erhalten, bei dessen Bewirtschaftung ein Durchschnittsertrag erzielt werden kann, der zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie - auch ohne Nebenerwerb - ausreicht.
Die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt nicht vor.
3. a) Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte der Bf. bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nur verletzt worden sein, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. zB VfSlg. 9454/1982).
b) Der Bf. begründet die behauptete Gleichheitsverletzung im wesentlichen damit, daß von der bel. Beh. nicht dargelegt worden sei, aufgrund welcher Überlegungen sie die Feststellung getroffen habe, daß es sich beim Betrieb der Übergeber um einen Vollerwerbsbetrieb handle. Dazu komme, daß das Parteiengehör verletzt worden sei, da dem Bf. das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere die Ergänzung durch die Bezugnahme auf das Verfahren, das zur Erlassung des Bescheides vom geführt habe, nicht bekanntgegeben worden sei.
c) Daß von der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz fälschlich ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Zur Feststellung, daß es sich beim Betrieb der Übergeber um einen bäuerlichen Vollerwerbsbetrieb handelt, konnte die bel. Beh. auf das Ermittlungsverfahren zurückgreifen, das zur Erlassung des Bescheides vom geführt hat. Allein schon daraus folgt, daß die Behauptung, die bel. Beh. hätte ihre Entscheidung ohne Durchführung jeglichen Ermittlungsverfahrens getroffen, nicht zutrifft.
Unter diesen Umständen vermag der VfGH den Vorwurf des Bf., daß ihm zu diesen Feststellungen das Parteiengehör nicht gewährt worden sei, nicht als eine Mangelhaftigkeit zu erkennen, wegen der das Verhalten der Behörde als willkürliches Vorgehen qualifiziert werden müßte.
Die vom Bf. behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes liegt nicht vor.
4. a) Der Bf. erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid auch in seinem durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf "Freiheit des Liegenschaftserwerbes" verletzt. Zu dieser Behauptung verweist der VfGH auf seine ständige Rechtsprechung, nach der durch Art 6 StGG allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftserwerbes, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen der Länder enthalten sind, nicht ausgeschlossen sind (vgl. VfSlg. 9454/1982). Es ist weiters darauf hinzuweisen, daß im angefochtenen Bescheid die grundverkehrsbehördliche Genehmigung ausschließlich mit Rücksicht auf die grundverkehrsrechtlichen Interessen nach § 4 Abs 1 Oö. GVG 1975 und nicht mit Rücksicht auf eine Person, die bereits Landwirt ist, oder auf eine Person, der diese Eigenschaft nicht zukommt, die aber landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben beabsichtigt, versagt wurde.
Der Bf. ist daher auch nicht in dem durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes verletzt worden.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.