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VfGH vom 25.06.2014, B705/2013

VfGH vom 25.06.2014, B705/2013

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Abweisung des Antrags einer Verwertungsgesellschaft auf Bestellung eines Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses; Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Bescheid der Vorsitzenden des Urheberrechtssenates; denkunmögliche Gesetzesanwendung durch Ausweitung der Bedingung der "Tunlichkeit" auf den Fall der Änderung eines Gesamtvertrags zwischen Verwertungsgesellschaft und Nutzerorganisation; Verletzung der Privatautonomie der Vertragspartner

Spruch

I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die beschwerdeführende Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden reg. GenmbH (VDFS) ist eine Verwertungsgesellschaft iSd Verwertungsgesellschaftengesetzes 2006, BGBl I 9/2006 idF BGBl I 50/2010 (im Folgenden: VerwGesG 2006), die die Rechte der Filmurheber und Filmdarsteller treuhändig wahrnimmt, im vorliegenden Zusammenhang Rechte bzw. Beteiligungsansprüche aus der "integralen Kabelweiterleitung".

2. Die beteiligte Partei, der Fachverband der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen der Wirtschaftskammer Österreich (im Folgenden: Fachverband), ist die gesetzliche Interessenvertretung der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen in Österreich. Sie ist eine Nutzerorganisation iSd § 21 VerwGesG 2006.

3. Am schlossen die VDFS und der Fachverband einen Gesamtvertrag gemäß § 20 VerwGesG 2006 über das "an die VDFS zu zahlende Entgelt für das Wahrnehmbarmachen von Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte mit Hilfe von Leitungen im Inland, die durch Rundfunk [...] gesendet worden sind [...], soweit diese zum Repertoire der VDFS gehören."

4. Seit dem Jahr 2010 bemüht sich die VDFS – erfolglos – um eine Änderung dieses Gesamtvertrags, um so eine Neuaufteilung der Erträge aus der "integralen Kabelweiterleitung" zu erreichen. Mit Schreiben vom trat die VDFS auch förmlich an den Fachverband mit dem Ersuchen heran, Verhandlungen über eine Erhöhung des an die VDFS zu zahlenden "Kabelentgelts" aufzunehmen. Am teilte der Fachverband der VDFS mit, dass er derzeit keinen Bedarf sehe, über eine Erhöhung der Tarife des Gesamtvertrags zu verhandeln.

5. Im Februar 2012 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Luksan/Van der Let () betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgerichts Wien u.a. für Recht erkannt, dass das Unionsrecht innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstünde, die bestimmte Verwertungsrechte kraft Gesetzes ausschließlich dem Produzenten zuweisen würden (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Regelung vgl. VfSlg 18.420/2008, 553 f.). Das Unionsrecht lasse aber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine Vermutung der Abtretung von Verwertungsrechten an den Produzenten des Filmwerks aufzustellen. Eine solche Vermutung müsse aber widerlegbar sein.

6. Weitere Bemühungen der VDFS zur Änderung des Gesamtvertrags blieben auch vor dem Hintergrund dieser Entscheidung, die nach den Beschwerdeausführungen aber nur eines von vielen Argumenten für die begehrte Erhöhung ihres Anteils sei, erfolglos. Im Dezember 2012 bot der Fachverband an, die Verhandlungen auszusetzen. Die VDFS erklärte daraufhin die Verhandlungen für gescheitert und beantragte gemäß § 27 VerwGesG 2006 die Erlassung einer Satzung.

7. Ein Antrag auf Erlassung einer Satzung ist gemäß § 35 Abs 1 VerwGesG 2006 nur zulässsig, wenn zuvor der Schlichtungsausschuss nach § 36 VerwGesG 2006 angerufen wurde. Eine Einigung über den Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses kam aber nicht zustande. Daher beantragte die VDFS gemäß § 36 Abs 3 VerwGesG 2006 am die Bestellung eines Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses.

8. Mit Bescheid vom wies die Vorsitzende des Urheberrechtssenats diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die angestrebte Änderung des im Jahr 2008 geschlossenen Gesamtvertrags und damit auch die beantragte Bestellung eines Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses derzeit untunlich sei. Die Entscheidung des EuGH Luksan/Van der Let habe zu einer umfassenden rechtspolitischen Diskussion geführt. Es habe der nationale Gesetzgeber der durch diese Entscheidung geschaffenen neuen Rechtslage durch eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes Rechnung zu tragen. Das Bundesministerium für Justiz komme seiner Verpflichtung zur Rechtsanpassung auch nach und habe diesbezüglich im November 2012 ein Arbeitspapier zur Stellungnahme versandt. Die gesetzliche Änderung könne zu einer erheblichen Änderung der Verteilung der Entgelte und Vergütungen führen. Allfällige Auswirklungen der gesetzlichen Anpassung seien derzeit nicht abschätzbar. Die noch fehlende gesetzliche Regelung stelle einen sachlichen Grund dar, der den Abschluss eines Gesamtvertrags und damit auch einer diesen Vertrag ersetzenden Satzung "vorübergehend 'untunlich' iSv 'unzumutbar' erscheinen" lassen würde. Die Bestellung eines Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses sei unter den vorliegenden Bedingungen temporär solange untunlich, als mit einer gesetzlichen Anpassung zu rechnen sei. Es würde damit auch nicht in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingegriffen, weil dieses nur bestehende Forderungen und Ansprüche, soweit sie sich mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Gesetz ergeben würden, schütze. Dem Nachteil der VDFS bei Beibehaltung des Gesamtvertrags stehe das Interesse der übrigen Verwertungsgesellschaften und der Nutzerorganisation auf Rechtssicherheit rechtfertigend gegenüber. Auch wegen eines noch laufenden Verfahrens betreffend weiterer Betriebsgenehmigungen für die VDFS erscheine es derzeit untunlich, das Verfahren zur Erlassung einer Satzung durch Bestellung eines Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses einzuleiten.

9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung des verfassungsmäßig garantierten Rechts auf Schutz des geistigen Eigentums (Art17 Abs 2 GRC) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

9.1. Die Tunlichkeit sei im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung des Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses nicht zu prüfen. Es gehe dabei um eine verfahrensleitende Verfügung und um den Zugang zu den entsprechenden Entscheidungsgremien. In diesem Zusammenhang sei die materiell-rechtliche Frage der Tunlichkeit nicht zu beantworten. Dem Schlichtungsausschuss komme eine ausgleichende und vermittelnde Funktion zu, von welcher die Parteien nicht abgeschnitten werden dürften.

9.2. Für eine solche materielle Vorentscheidung sei nach der klaren Absicht des Gesetzgebers nicht der/die Vorsitzende des Urheberrechtssenats, sondern – nach Zwischenschaltung des Schlichtungsausschusses – der Urheberrechtssenat als Kollegialbehörde funktionell zuständig.

9.3. Es gehe nicht um den erstmaligen Abschluss eines Gesamtvertrags, sondern um die Abänderung eines bereits bestehenden Gesamtvertrags. Diese sei aber nicht nach § 20 Abs 1 VerwGesG 2006, sondern nach § 25 Abs 2 zweiter Satz VerwGesG 2006 zu beurteilen, wo von Tunlichkeit nicht gesprochen werde.

9.4. Das Abstellen auf eine nicht näher umschriebene Tunlichkeit in diesem weiten Sinn würde mangels jeder Konkretisierung auch dem Determinierungsgebot widersprechen und es scheide diese Lesart daher auch nach dem Grundsatz der verfassungskonformen Gesetzesauslegung aus.

9.5. Die Tunlichkeit könne grundsätzlich nicht als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Erlassung einer Satzung bzw. die Einschaltung des Schlichtungsausschusses verstanden werden. Das Gesetz schreibe vielmehr fest, dass der Abschluss eines Gesamtvertrags nicht zwingend ist und unterbleiben könne, wenn dies nicht tunlich sei.

9.6. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Gesetzgeber in absehbarer Zeit eine entsprechende Lösung treffen würde, dann wäre es unsachlich und würde einem Entzug des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichkommen, würden bestehende Gesamtverträge bis dahin eingefroren. Abgesehen davon sei derzeit nur eine Novelle des VerwGesG 2006 geplant, die im gegenständlichen Zusammenhang keine Rolle spiele.

9.7. Die beantragte Erweiterung der Betriebsgenehmigung überzeuge in keiner Weise, da die VDFS in Bezug auf die integrale Kabelweiterleitung keinerlei Erweiterung beantragt habe.

10. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und nahm nur zur Frage der bescheiderlassenden Behörde Stellung (s.u. Pkt. III.1.1.).

11. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie die Legitimation der beschwerdeführenden Partei in Frage stellt (s.u. Pkt. III.1.3.), die Begründung des angefochtenen Bescheids bekräftigt und ergänzend insbesondere noch folgende Argumente vorbringt:

11.1. Zwischen der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe und dem Fachverband der Film- und Musikindustrie bestehe ein Kollektivvertrag für Filmschaffende, dessen § 21 auch urheberrechtliche Bestimmungen umfasse. Da die meisten Filmschaffenden in den Anwendungsbereich des Kollektivvertrags fallen würden, bestünde kein Anwendungsbereich für einen neuen, über den bestehenden, den Beteiligungsanspruch regelnden Gesamtvertrag hinaus. Die Filmurheber und Filmdarsteller würden bereits auf Grund des Kollektivvertrags ein Entgelt erhalten, wodurch auch deren Urheberrechte abgegolten seien. Inwiefern deren Eigentumsrecht unverhältnismäßig beeinträchtigt sei, sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht plausibel dargelegt worden.

11.2. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Stammfassung des VerwGesG 1936, BGBl 112, ergebe sich, dass die Verwertungsgesellschaften das "anvertraute Amt" im Gesamtinteresse zu verwalten hätten. Dieses Gesamtinteresse sei unter dem Tatbestandsmerkmal der Tunlichkeit zu berücksichtigen, was die beschwerdeführende Gesellschaft aber nicht getan hätte. Sie habe stattdessen ein Satzungsverfahren eingeleitet.

11.3. Die beabsichtigten Änderungen seien qualitativ als neuer Gesamtvertrag zu werten, denn es würde als Vertragsgegenstand der Beteiligungsanspruch durch einen vermeintlich selbständigen Anspruch ersetzt werden.

12. Die beschwerdeführende Gesellschaft replizierte auf die Äußerung der beteiligten Partei.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des VerwGesG 2006, BGBl I 9/2006 idF BGBl I 50/2010, lauten:

"Gesamtverträge

§20. (1) Verwertungsgesellschaften und Nutzerorganisationen (§21) haben nach Tunlichkeit Gesamtverträge über die folgenden Umstände zu schließen:

1. über den Inhalt der Verträge, mit denen eine Verwertungsgesellschaft den Nutzern von Werken und anderen Schutzgegenständen die dazu erforderliche Bewilligung erteilt,

2. über die Abgeltung gesetzlicher Vergütungs- und Beteiligungsansprüche.

(2) Benötigen die Mitglieder einer Nutzerorganisation für eine bestimmte Nutzung die Bewilligung mehrerer Verwertungsgesellschaften oder begründen bestimmte Handlungen der Mitglieder einer Nutzerorganisation Vergütungsansprüche mehrerer Verwertungsgesellschaften, dann sollen diese Verwertungsgesellschaften auf Verlangen der Nutzerorganisation die Verhandlungen über die Schließung der entsprechenden Gesamtverträge nach Tunlichkeit gemeinsam führen."

"Geltungsdauer

§25. (1) Ein Gesamtvertrag kann nur auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Abweichende Vereinbarungen sind ungültig.

(2) Die Parteien können einen Gesamtvertrag jederzeit durch Vereinbarung außer Kraft setzen, abändern oder durch einen neuen Gesamtvertrag ersetzen. Wird das Verlangen einer Partei, den Gesamtvertrag abzuändern oder durch einen neuen Gesamtvertrag zu ersetzen, abgelehnt, so kann sie die Erlassung einer Satzung beantragen. Doch ist ein solcher Antrag vor dem Ablauf von zwei Jahren nach dem In-Kraft-Treten des Gesamtvertrags nur mit Bewilligung der Aufsichtsbehörde zulässig.

(3) [...]"

"Satzungen

§27. (1) Bleiben Verhandlungen über einen Gesamtvertrag erfolglos, so kann sowohl die Verwertungsgesellschaft als auch die Nutzerorganisation verlangen, dass die Rechtsverhältnisse, die den Gegenstand des Gesamtvertrages bilden sollen, vom Urheberrechtssenat durch eine Satzung geregelt werden; diese Regelung muss sich innerhalb der durch die Anträge der Parteien bestimmten Grenzen halten. Die Satzung hat die Wirkung, die nach § 22 einem Gesamtvertrag zukommt.

(2) Satzungen können nur mit Wirkung für unbestimmte Zeit erlassen werden. Wird über einen durch die Satzung geregelten Gegenstand ein Gesamtvertrag geschlossen, so tritt die Satzung in diesem Umfang außer Kraft. Wird das Verlangen einer Partei, über einen durch Satzung geregelten Gegenstand einen abweichenden Gesamtvertrag zu schließen, abgelehnt, so kann sie die Erlassung einer Satzung beantragen; doch ist ein solcher Antrag vor dem Ablauf von zwei Jahren nach dem In-Kraft-Treten der Satzung nur mit Bewilligung der Aufsichtsbehörde zulässig.

(3) [...]"

"Urheberrechtssenat

§30. (1) Beim Bundesministerium für Justiz wird ein Urheberrechtssenat eingerichtet.

(2) Der Urheberrechtssenat ist zuständig

1.-2. [...]

3. für die Erlassung von Satzungen,

4.-7. [...]

(3)-(4) [...]"

"Erlassung von Satzungen

§35. (1) Der Antrag auf Erlassung einer Satzung ist nur zulässig, wenn zuvor der Schlichtungsausschuss nach § 36 angerufen worden ist und dieser entweder einen Schlichtungsvorschlag erlassen hat oder die Frist nach § 37 abgelaufen ist.

(2)-(3) [...]"

"Schlichtungsausschuss

§36. (1) Unter den Voraussetzungen des § 27 Abs 1 kann jede Partei einen von den Parteien zu berufenden Schlichtungsausschuss anrufen.

(2) Der Schlichtungsausschuss besteht aus drei Mitgliedern. Je ein Mitglied wird von jeder Partei bestellt; die beiden Mitglieder wählen den Vorsitzenden. Dieser muss eine an der Sache unbeteiligte Person sein und darf zu keiner Partei in einem Verhältnis stehen, das ihre Unbefangenheit in Zweifel ziehen lässt.

(3) Der Antragsteller hat dem Antragsgegner mit eingeschriebenem Schreiben den beabsichtigten Antrag auf Erlassung einer Satzung zu übermitteln und das von ihm bestellte Mitglied namhaft zu machen. Macht der Antragsgegner nicht binnen zwei Wochen mit eingeschriebenem Schreiben an den Antragsteller das von ihm bestellte Mitglied namhaft, dann kann der Antragsteller beim Vorsitzenden des Urheberrechtssenats die Bestellung des zweiten Mitglieds und des Vorsitzenden beantragen. Wählen die beiden von den Parteien bestellten Mitglieder nicht binnen zwei Wochen ab der Namhaftmachung des zweiten Mitglieds den Vorsitzenden, dann kann jede Partei beim Vorsitzenden des Urheberrechtssenats die Bestellung des Vorsitzenden beantragen; gemeinsam können die Parteien diesen Antrag auch vor Ablauf der Frist stellen.

(4)-(6) [...]"

"Schlichtungsvorschlag

§37. (1) Der Schlichtungsausschuss hat binnen drei Monaten ab der Bestellung des Vorsitzenden einen Schlichtungsvorschlag zu erlassen; die Parteien können eine Verlängerung dieser Frist vereinbaren.

(2) Der Schlichtungsvorschlag hat den Parteien die Schließung eines vollständig ausgearbeiteten Gesamtvertrags vorzuschlagen; der Schlichtungsvorschlag ist zu begründen. Stellt keine Partei binnen vier Wochen ab Zustellung des Schlichtungsvorschlags einen Antrag an den Urheberrechtssenat auf Erlassung einer Satzung, dann gilt dies als stillschweigende Schließung eines Gesamtvertrags mit dem vom Schlichtungsausschuss vorgeschlagenen Inhalt."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

1.1. Der angefochtene Bescheid hat die Form einer Erledigung des Urheberrechtssenats. Es liegt dem Bescheid aber kein Kollegialbeschluss dieser Behörde zu Grunde, er ist – wie der Urheberrechtssenat bzw. dessen Vorsitzende in einer Stellungnahme auch klarstellt – von der Vorsitzenden des Urheberrechtssenats erlassen worden. Nur sie ist auch gemäß § 36 Abs 2 VerwGesG 2006 für die Entscheidung über Anträge auf Bestellung des Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses zuständig. Die Vorsitzende des Urheberrechtssenats ist also die bescheiderlassende Behörde. Dem Umstand, dass sich die beschwerdeführende Gesellschaft in der Bezeichnung der belangten Behörde vergreift, kommt keine rechtliche Bedeutung zu (VfSlg 15.143/1998 mwH).

1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Beschwerde zweifeln ließe. Der Umstand, dass die belangte Behörde (Vorsitzende des Urheberrechtssenats) zusammen mit dem Urheberrechtssenat gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG iVm litA Z 33 seiner Anlage mit Ablauf des aufgelöst und gemäß Art 13 Abs 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz, BGBl I 190/2013, mit wieder errichtet wurde, vermag daran nichts zu ändern, zumal die Zuständigkeit des Urheberrechtsenats zur Erlassung von Satzungen (§30 Abs 2 VerwGesG 2006) und insbesondere auch die Zuständigkeit des Vorsitzenden des Urheberrechtssenats zur Bestellung des Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses (§36 Abs 2 VerwGesG 2006) beibehalten wurden. Da das Beschwerdeverfahren sich gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde richtet, die in erster und letzter Instanz entschieden hat, tritt gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG auch kein Verwaltungsgericht in das beim Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des anhängige Verfahren ein.

1.3. Auch das Vorbringen der beteiligten Partei, dass "[a]ufgrund mangelnder bzw. zweifelhafter materieller Anspruchsmöglichkeiten" die Legitimation zur Beschwerdeführung in Frage zu stellen sei, geht ins Leere. Die beteiligte Partei verkennt dabei, dass in dem angefochtenen Bescheid nicht über die Rechte aus der "integralen Kabelweiterleitung" nach § 59a Urheberrechtsgesetz, BGBl 111/1936 idF BGBl 151/1996, abgesprochen wurde, sondern über das prozessuale Recht auf Bestellung des Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses gemäß § 36 Abs 3 VerwGesG 2006.

1.4. Die Beschwerde ist also zulässig.

2. In der Sache

2.1. Gemäß § 12 VerwGesG 2006 haben Verwertungsgesellschaften die ihnen von den Bezugsberechtigten durch Wahrnehmungsvertrag eingeräumten Rechte und Ansprüche in deren Interesse, aber im eigenen Namen wirksam zu wahren und nutzbar zu machen. Gemäß § 1 VerwGesG 2006 handelt es sich um Rechte an Werken und verwandte Schutzrechte im Sinn des Urheberrechtsgesetzes (Z1) und um andere Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz (Z2). Solche Rechte sind vermögenswerte Privatrechte, die den Schutz des Art 5 StGG genießen (VfSlg 9887/1983, 511). Diese verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung umfasst auch das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge. Der Staat darf – gleichgültig ob er den Abschluss bestimmter Verträge verhindert oder umgekehrt dazu zwingt – in die Privatautonomie lediglich unter den Voraussetzungen eingreifen, die die Verfassungsordnung ganz allgemein für die Zulässigkeit von Eigentumseingriffen vorsieht (VfSlg 12.227/1989 mwH, 469).

2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vor läge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).

2.3. Ein solcher Fall einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde liegt hier vor:

2.3.1. Die belangte Behörde begründet die Nichtbestellung des Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses – kurz zusammengefasst, im Detail s. Pkt. I.8. – damit, dass die Bestellung ein Schritt in Richtung Erlassung einer Satzung wäre. Dies stünde im Widerspruch zu § 20 VerwGesG 2006, demzufolge Verwertungsgesellschaften und Nutzerorganisationen nach Tunlichkeit Gesamtverträge abzuschließen hätten. Die Bestellung eines Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses sei solange untunlich, als mit einer gesetzlichen Anpassung zu rechnen sei.

2.3.2. Zunächst widerspricht die Auslegung des Begriffes "Tunlichkeit" durch die belangte Behörde der klaren Absicht des Gesetzgebers, da, wie die Materialien zum selben Begriff im vergleichbaren Zusammenhang des § 20 Abs 2 VerwGesG 2006 ausführen, "die Privatautonomie der Beteiligten bei der Führung der Verhandlungen und beim Abschluss von Gesamtverträgen in keiner Weise beschränkt werden" soll (RV 1069 BlgNR 22. GP, 12; zum Begriff der "Tunlichkeit": René Bogendorfer , Gesamtvertragsverhandlungen unter dem Aspekt der Tunlichkeit, in Dittrich/Hüttner (Hrsg.), Das Recht der Verwertungsgesellschaften, 2006, 211 ff.).

2.3.3. Im Übrigen übersieht die belangte Behörde, dass im vorliegenden Zusammenhang nicht ein Fall des § 20 Abs 1 VerwGesG 2006 vorliegt, sondern § 25 Abs 2 VerwGesG 2006 anzuwenden ist. Diese Bestimmung besagt, dass eine Partei die Erlassung einer Satzung beantragen kann, wenn das Verlangen, einen bestehenden Gesamtvertrag abzuändern oder durch einen neuen Gesamtvertrag zu ersetzen, abgelehnt wird. Diese Bestimmung fordert nicht die Tunlichkeit. Die Ausweitung der Tunlichkeitsbedingung des § 20 Abs 1 VerwGesG 2006 auf § 25 Abs 2 leg.cit. hätte auch zur Folge, dass die Vorsitzende des Urheberrechtssenats inhaltliche Fragen, die das VerwGesG 2006 grundsätzlich dem Urheberrechtssenat als Kollegialorgan vorbehält, als Vorfrage im Rahmen des Vollzugs einer organisationsrechtlichen Bestimmung beantworten würde.

Ganz abgesehen davon hat die belangte Behörde mit der erwarteten gesetzlichen Anpassung ein offensichtlich ungeeignetes Argument für die zeitlich befristete Untunlichkeit verwendet, wie die Tatsache beweist, dass bis zum heutigen Tag eine entsprechende Novelle nicht erlassen wurde.

2.3.4. Die belangte Behörde übersieht weiters, dass es gemäß § 37 Abs 2 VerwGesG 2006 primäre Aufgabe des Schlichtungsausschusses ist, einen Schlichtungsvorschlag zu erlassen, der den Parteien die Schließung eines vollständig ausgearbeiteten Gesamtvertrags vorzuschlagen hat. Die Nichtbestellung eines Vorsitzenden des Ausschusses konterkariert daher das von der belangten Behörde aus § 20 VerwGesG 2006 auch für den konkreten Fall abgeleitete Gebot des Gesetzgebers, einen Gesamtvertrag tunlichst anzustreben.

2.3.5. Auch das von der beteiligten Partei ins Treffen geführte Argument, dass ohnehin ein Kollektivvertrag für die Filmschaffenden vorhanden sei, der auch die Abgeltung der Urheberrechte regle, ist nicht geeignet, die durch die Nichtbestellung des Vorsitzenden bewirkte Beschränkung der Privatautonomie und den daraus resultierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gesellschaft zu rechtfertigen: Abgesehen davon, dass Vertragspartner und Vertragsgegenstand des Kollektivvertrags sich von denen des Gesamtvertrags grundsätzlich unterscheiden – der Kollektivvertrag regelt das Verhältnis der Filmschaffenden als Dienstnehmer zu deren Dienstgebern, den Filmproduzenten, der Gesamtvertrag hingegen das zwischen einer Nutzerorganisation, dem Fachverband, und der beschwerdeführenden Verwertungsgesellschaft VDFS –, ist der geltende Kollektivvertrag auch auf Basis der vor der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union Luksan/Van der Let () bestehenden Rechtsauffassung abgeschlossen worden. Eine die geänderte Rechtsauffassung berücksichtigende Änderung des Gesamtvertrags würde auch die Randbedingungen für den Kollektivvertrag modifizieren. Ebenso wenig kann das den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des VerwGesG 1936 (RV 65/GE Blg Haus der Bundesgesetzgebung, 9) entnommene Argument des Gesamtinteresses in diesem Zusammenhang überzeugen, denn gerade die Einrichtung des Schlichtungsausschusses dient der friedlichen Austragung der Interessengegensätze. Letztlich trifft auch das Argument der beteiligten Partei, die beabsichtigten Änderungen wären qualitativ als neuer Gesamtvertrag zu werten, weil als Vertragsgegenstand der Beteiligungsanspruch durch einen vermeintlich selbständigen ersetzt würde, nicht zu, weil § 25 Abs 2 VerwGesG 2006 jede Änderung eines Gesamtvertrags umfasst und auf inhaltliche Kriterien nicht abstellt.

2.4. Mit ihrer Übertragung des Begriffes "Tunlichkeit" auf Fälle der Änderung eines Gesamtvertrages in Verbindung mit ihrer konkreten, die Privatautonomie der Vertragspartner eines Gesamtvertrages gemäß § 20 VerwGesG 2006 grob verletzenden Auslegung dieses Begriffes hat die belangte Behörde einen so schweren Fehler begangen, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft einzugehen ist.

IV. Ergebnis

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

2. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG in der mit in Kraft getretenen Fassung ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.