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VfGH vom 10.06.2008, a12/07

VfGH vom 10.06.2008, a12/07

Sammlungsnummer

18440

Leitsatz

Stattgabe eines auf Zinsen und Verfahrenskosten eingeschränkten Klagsbegehrens auf Rückzahlung einer zu Unrecht entrichteten Verwaltungsstrafe nach aufhebendem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates; teilweiser Kostenzuspruch

Spruch

Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Kläger 4 % Zinsen aus € 39,- vom bis sowie die mit € 275,81 bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren an Verfahrenskosten wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der unter Berufung auf Art 137 B-VG erhobenen Klage vom

bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom über ihn wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 eine Geldstrafe von € 30,- verhängt und ihm einen Verfahrenskostenbeitrag von € 9,- auferlegt habe; er habe die Geldstrafe und den Kostenbeitrag am bezahlt.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom den Bescheid aufgehoben habe, habe der Kläger sowohl mit einer an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gerichteten E-Mail vom als auch mit einem ebenfalls an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gerichteten Schreiben vom die Rückzahlung des Betrages von € 39,- begehrt. Diese sei jedoch bis zur Klageerhebung () nicht vorgenommen worden.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von € 39,- samt 4 % Zinsen seit und den Ersatz der Verfahrenskosten.

2. Die beklagte Partei hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Klage beantragt. Begründend wird ausgeführt, dass der Sachverhaltsschilderung des Klägers nicht entgegentreten werde, jedoch darauf hingewiesen werde, dass der Strafbetrag samt Verfahrenskosten dem Kläger am überwiesen worden sei. Ein allfälliges Zinsenbegehren des Klägers von 4 % aus € 39,-

könne im Hinblick auf das am an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gerichtete Rückzahlungsbegehren bei einer angemessenen Zahlungsfrist von 14 Tagen ab Einlangen des Mahnschreibens frühestens ab bis zur Zahlung des Klagebegehrens als zurecht bestehend angesehen werden.

3. Der Kläger erstattete eine Replik, in der die Überweisung des Betrages von € 39,- an ihn ausdrücklich bestritten wird.

4. In der im Folgenden von der beklagten Partei erstatteten Stellungnahme wird ausgeführt, dass die von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten am vorgenommene Auszahlung des Betrages von € 39,- auf das Konto des Klägers auf Grund einer fehlerhaften Buchung am rückgebucht worden sei. Auf Grund der vom Verfassungsgerichtshof zugestellten Replik des Klägers konnte die Rückbuchung zugeordnet werden, am sei die Auszahlung auf das Konto des Klägers veranlasst worden.

5. Mit Schriftsatz vom schränkte der Kläger das Klagebegehren auf Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Betrag von € 39,- vom bis sowie den Kostenersatz sämtlicher von ihm verzeichneten Kosten ein.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Klage ist zulässig.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof seine Zuständigkeit nach Art 137 B-VG in Ansehung von Ansprüchen auf Erstattung des Strafbetrages samt Verfahrenskosten nach Aufhebung des Strafbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof bejaht (vgl. VfSlg. 9498/1982, 10.496/1985, 14.636/1996, 16.857/2003, 16.874/2003). Er hält an dieser Ansicht fest, die entsprechend auch auf das hier gestellte Begehren auf Verzugszinsen zutrifft, weil diese Annex eines mit Klage nach Art 137 B-VG geltend zu machenden vermögensrechtlichen Anspruches sind (vgl. VfSlg. 9498/1982, 10.496/1985, 16.600/2002, 16.857/2003, 16.874/2003).

2. Das - eingeschränkte - Klagebegehren ist teilweise auch berechtigt.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die sinngemäße Anwendbarkeit des § 1334 ABGB für den - auch hier gegebenen - Fall angenommen, dass ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis vorliegt und das Gesetz nichts Gegenteiliges bestimmt; er hat im Sinn dieser Bestimmung den Beginn des Verzugs nicht bereits mit der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, sondern erst ab dem Begehren des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführers auf Refundierung angenommen (vgl. VfSlg. 9498/1982, 10.496/1985, 16.857/2003).

Zum Beginn des Eintritts der Verzugsfolgen ist auf das Erkenntnis VfSlg. 11.262/1987 zu verweisen, in dem bereits dargelegt wurde, dass ein Rückforderungsbegehren, das an jene Behörde gerichtet wird, die berechtigt war, einen zu Unrecht vorgeschriebenen Betrag einzuziehen, als taugliche Mahnung zu werten ist (vgl. auch VfSlg. 16.600/2002, 16.874/2003). Nach dieser Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall bereits der Zugang der Zahlungsaufforderung an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten für den Eintritt der Verzugsfolgen relevant.

Auf Grund der vom Kläger vorgelegten Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten steht fest, dass er zweimal die Rückerstattung des erwähnten Betrages begehrte, und zwar zunächst mit einer an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gerichteten E-Mail vom und in der Folge mit einem ebenfalls an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gerichteten Schreiben vom . Dass die vom Kläger an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten adressierte E-Mail vom bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten eingelangt ist, wird von der beklagten Partei nicht bestritten. Im Verwaltungsakt findet sich darüber hinaus ein Ausdruck dieser E-Mail.

2.2. Da dem zur Zahlung Verpflichteten eine angemessene Frist für die Erfüllung des gestellten Begehrens einzuräumen ist, liegt ein Verzug nicht schon - wie in der Klage behauptet - seit vor. Der Umstand, dass der Kläger in der Zahlungsaufforderung keine Leistungsfrist setzte, kann nicht dazu führen, dass der Verzug bereits mit eintritt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes löst eine Zahlungsaufforderung, in der überhaupt keine Leistungsfrist genannt wird, erst nach Ablauf einer angemessenen Frist Verzugsfolgen aus (vgl. VfSlg. 11.064/1986, 12.197/1989). Verzugszinsen sind sohin nicht im Sinne des Begehrens ab , sondern erst ab zuzusprechen.

Wie der Kläger dargetan hat, ist der geschuldete Betrag auf dem von ihm bekannt gegebenen Bankkonto am gutgeschrieben worden. Das Zinsenbegehren war daher im Umfang von 4 % aus € 39,- vom bis zuzusprechen.

3. Der Kläger hat seine Klage zu einem Teil zu Recht erhoben und nach Zahlung des Betrages rechtzeitig eingeschränkt; es sind ihm daher die Verfahrenskosten zu ersetzen. Die dem Kläger gebührenden Verfahrenskosten waren gemäß § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO anhand des Rechtsanwaltstarifes auszumessen. Die Klage war nach TP3 C und die Kosten der Klagseinschränkung nach TP1 zu honorieren (vgl. VfSlg. 16.600/2002, 16.857/2003, 16.874/2003, 17.445/2005). Die Replik des Klägers war - entgegen der Auffassung der beklagten Partei - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und ist nach TP2 zu bewerten (vgl. VfSlg. 16.600/2002, 16.857/2003). In den zugesprochenen Kosten sind weiters 60% Einheitssatz, die Eingabengebühr in Höhe von € 180,- und Umsatzsteuer in Höhe von € 15,97 enthalten.

Die das zugesprochene Ausmaß übersteigenden vom Kläger verzeichneten Kosten waren nicht zuzusprechen, weil die Klagseinschränkung bzw. die Replik bei einer Bemessungsgrundlage von € 39,- nach TP1 bzw. TP2 auszumessen sind und der Einheitssatz gemäß § 23 Abs 3 Rechtsanwaltstarifgesetz 60% beträgt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.