OGH vom 24.04.2012, 8ObA92/11d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Johannes Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei W***** F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, wegen (eingeschränkt) 3.144,98 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 33/11-37, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 21 Cga 134/09x-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 373,32 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 61,92 EUR USt) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war bei der Klägerin seit 1989 beschäftigt, zuletzt als technischer Angestellter und Projektmanager. Am schlossen die Streitteile nachstehende schriftliche Vereinbarung über den Ersatz von Ausbildungskosten:
„ Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zur fachlichen Weiterbildung und erklärt sich bereit, an vom Arbeitgeber angebotenen Aus- und Fortbildungskursen aktiv teilzunehmen. Die dafür vom Arbeitgeber aufgewendeten Kosten hat der Arbeitnehmer rückzuerstatten, wenn das Dienstverhältnis durch Arbeitnehmerkündigung, ungerechtfertigten Austritt oder begründete Entlassung innerhalb von drei Jahren ab Beendigung der Ausbildungsveranstaltung endet. Der rückzuerstattende Betrag verringert sich pro Jahr um ein Drittel der Ausbildungskosten und erlischt mit Vollendung des dritten Jahres. Als Ausbildungskosten gelten alle tatsächlich angefallenen Kosten, wie Kurskosten einschließlich der damit verbundenen Reise- und Aufenthaltskosten, sowie auch das Entgelt der Arbeitnehmer während der Ausbildungszeit, soweit es den kollektivvertraglichen Mindestlohn übersteigt. “
Der Beklagte absolvierte nach Abschluss dieser Vereinbarung mehrere Aus- und Fortbildungskurse, deren Kosten die Klägerin bezahlte. In weiterer Folge kündigte der Beklagte selbst sein Dienstverhältnis zum .
Das Erstgericht gab dem auf aliquoten Rückersatz der aufgewendeten Ausbildungskosten gerichteten Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinn ab. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur - vom Berufungsgericht verneinten - Frage, ob eine pauschale Vorwegvereinbarung des Ausbildungskostenersatzes im Arbeitsvertrag wirksam sei, sowie über die Zulässigkeit einer jährlichen Aliquotierung noch keine höchstgerichtliche Judikatur bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Diese zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts zutreffende Begründung ist mittlerweile jedoch insoweit als überholt anzusehen, als der Oberste Gerichtshof zu den im Zulassungsausspruch angesprochenen Rechtsfragen in der Zwischenzeit eingehend Stellung genommen hat.
Die Zulässigkeit einer - mit der vorliegenden inhaltlich völlig vergleichbaren - pauschalen Vorwegvereinbarung des Ausbildungskostenersatzes war Gegenstand der Entscheidung 9 ObA 125/11i vom (= RIS-Justiz RS0127499). Der Oberste Gerichtshof hat darin unter ausführlicher Darstellung der Gesetzesmaterialien und der Literatur zusammengefasst ausgeführt, dass der Zweck einer schriftlich abzuschließenden Vereinbarung nach § 2d Abs 2 AVRAG unter objektiv teleologischen Aspekten nur darin gesehen werden könne, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm solle ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt. Nur so könne er die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Dienstverhältnisses in jenem Zeitraum, für den eine Kostenerstattungspflicht vereinbart wurde, ermessen, und nur so werde eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden. Die Berücksichtigung dieses Gesetzeszwecks bedeute, dass aus der von den Arbeitsvertragsparteien noch vor einer bestimmten Ausbildung abzuschließenden schriftlichen Vereinbarung auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorzugehen habe.
Der erkennende Senat erachtet die Begründung dieser auch in der seither erschienenen Literatur zustimmend aufgenommenen Entscheidung (vgl Geiblinger , Ausbildungskostenrückersatz: Pauschale Vorwegvereinbarung vs. spezielle Ausbildungskostenvereinbarung, ASoK 2012, 130 [135]) für überzeugend und sieht im vorliegenden Einzelfall keinen Anlass für eine davon abweichende Beurteilung.
Die Revision vermag das rechtliche Ergebnis des Berufungsgerichts auch nicht mit dem Argument einer unzumutbaren einseitigen Belastung des Arbeitgebers durch das Erfordernis einer detaillierten Vereinbarung zu erschüttern. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern einer - allenfalls eine Rahmenvereinbarung ergänzenden - schriftlichen Übereinkunft unter Angabe der projektierten Kosten vor Beginn einer bestimmten Ausbildungsmaßnahme auf Arbeitgeberseite erhebliche organisatorische oder sonstige Hindernisse entgegenstehen sollten. Dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an einer Amortisation seiner Investition in die Ausbildungskosten wird allein schon durch die Zulässigkeit der Ersatzvereinbarung an sich Rechnung getragen.
Ihm steht aber das ebenso berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an der Kenntnis der Höhe seiner möglichen künftigen Belastung und des damit einhergehenden Mobilitätshindernisses gegenüber. Ohne Wissen um die konkreten Kosten der vorgesehenen Ausbildung kann er keine freie sachliche Entscheidung über seine Teilnahme treffen.
Insgesamt waren Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO normierten Bedeutung im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu entscheiden, sodass die Revision der klagenden Partei zurückzuweisen war.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte hat allgemein auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen; die zitierte einschlägige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist zudem erst nach Erstattung der Revisionsbeantwortung ergangen.