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VfGH vom 25.09.2006, a11/06

VfGH vom 25.09.2006, a11/06

Sammlungsnummer

17898

Leitsatz

Abweisung einer Staatshaftungsklage wegen Verlustes der Notstandshilfe aufgrund Anrechnung des Partnereinkommens; kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie; keine Vorlagepflicht des Verwaltungsgerichtshofes infolge vertretbarer Rechtsauffassung

Spruch

Das Klagebegehren wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Klägerin begehrt unter dem Titel der sogenannten Staatshaftung, den Bund schuldig zu erkennen, ihr für den Verlust der Notstandshilfe und für die Kosten der anwaltlichen Vertretung sowie für sonstige Aufwendungen den Betrag von € 4.892,48 samt Zinsen zu bezahlen. Sie begründet ihr Begehren damit, dass der Verwaltungsgerichtshof mit seinen Erkenntnissen vom , Zl. 2002/08/0276 und vom , Zl. 2006/08/0002-3, einen Schaden in dieser Höhe wegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht verursacht habe.

2. Die Klägerin führte in ihrer Klage aus, dass sie am beim Arbeitsmarktservice Linz die Gewährung der Notstandshilfe beantragt habe. Das Arbeitsmarktservice Linz habe diesem Antrag mangels Notlage mit Bescheid keine Folge gegeben. Die gegen diesen Bescheid von der Klägerin erhobene Berufung wies die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarkservice Oberösterreich (im Folgenden: AMS OÖ) mit Bescheid vom ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof habe die Klägerin damit begründet, dass sie in ihrem Recht auf Erhalt der Notstandshilfe ab gemäß §§33 ff Arbeitslosenversicherungsgesetz (im Folgenden: AlVG) verletzt worden sei. Die Anrechnung des Partnereinkommens aufgrund der überwiegenden Betroffenheit von arbeitslosen Frauen sei eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und somit ein Verstoß gegen Art 3, 4 der Richtlinie 79/7/EWG. Zum gänzlichen Wegfall einer Versicherungsleistung infolge Anrechnung des Partnereinkommens gebe es keine vergleichbare Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH). Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0276, als unbegründet ab. Dadurch habe der Verwaltungsgerichtshof seine Vorlageverpflichtung gemäß Art 234 EG verletzt.

Die Klägerin habe - auf Grund des Urteils des Obersten Gerichtshofes (im Folgenden: OGH) 10 ObS 172/04y - einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG beim AMS Linz-Land gestellt. In diesem Urteil führte der OGH aus, dass "der mit dem Verlust des Notstandshilfeanspruchs infolge Partnereinkommens verbundene Verlust von entsprechenden Ersatzzeiten [...] schon eine Folge der Anrechnungsvorschrift des § 36 AlVG [ist], deren Anwendung durch das AMS nicht mehr im gerichtlichen Verfahren (über den Anspruch auf Anrechnung von Ersatzzeiten) dahin überprüft werden kann, ob die Versagung des Notstandshilfeanspruchs rechtmäßig erfolgt war oder nicht. Eine allfällige Gemeinschaftswidrigkeit müsste daher auch unter dem Gesichtspunkt des Verlustes von Ersatzzeiten im Verfahren über den Anspruch auf Notstandshilfe geltend gemacht werden; im gerichtlichen Verfahren kann diese Frage nicht mehr aufgerollt werden (ebenso 1 Ob 236/03t=ÖJZ-LSK 2004/55)".

Das AMS OÖ hat den Antrag mit Bescheid vom abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat dieser mit Erkenntnis vom Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Mit (Ersatz-)Bescheid vom hat die Landesgeschäftsstelle des AMS OÖ den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Gewährung von Notstandshilfe neuerlich mit der Begründung, dass die vom OGH behandelte Frage des Verlustes von Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung keine in einem Verfahren auf Zuerkennung der Notstandshilfe auftretenden Vorfrage darstelle, abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wies dieser mit Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0002, unter Verweis auf seine Erkenntnisse vom , Zl. 2005/08/0148, und , Zl. 2003/08/0002, ab.

3. Der Bund erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Klage als unbegründet abzuweisen.

4. Mit Schreiben vom forderte der Verfassungsgerichthof die Klägerin auf mitzuteilen, inwieweit sich die Rechtslage geändert habe, wodurch das Verhalten des Verwaltungsgerichthofes anders als im Verfahren zu A5/04 zu bewerten sei. Die Klägerin teilte mit, dass sich zwar nicht das Gemeinschaftsrecht bzw. die Judikatur des EuGH, jedoch der Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren - im Hinblick auf das Urteil des OGH (10 ObS 172/04y) - geändert habe. Wie in diesem Urteil ausgeführt worden sei, müsste eine allfällige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit auch unter dem Gesichtspunkt des Verlustes von Ersatzzeiten im Verfahren über den Anspruch auf Notstandshilfe geltend gemacht werden. Die Klägerin erklärte weiters, dass die Führung eines weiteren Verfahrens über die Arbeits- und Sozialgerichte bis zum OGH auf Grund eines erheblichen Kostenaufwandes unzumutbar sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Klage erwogen:

1. Das Vorbringen der Klägerin, die Begründung, die Ausführungen zur behaupteten Verletzung des Gemeinschaftsrechts, die zitierten Urteile des EuGH, die rechtliche Würdigung sowie die an den EuGH zu stellenden Fragen sind - außer den individuellen Daten der Klägerin, dem Beruf des Ehegatten, der Höhe des geltend gemachten Schadens sowie dem Zitat eines Urteils des OGH auf Seite 3 der gegenständlichen Klage - völlig wortident zu der zu A5/04 protokollierten und beim Verfassungsgerichtshof am vom selben Klagsvertreter eingebrachten Klage, die der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom abgewiesen hat (VfSlg. 17.330/2004).

2. Der Verweis auf das von der Klägerin angeführte Zl. 10 ObS 172/04y, geht schon deshalb ins Leere, da - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits dargelegt hat - diesem Urteil ein Fall zu Grunde lag, bei dem der Klägerin bestimmte Zeiträume nicht als Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung angerechnet wurden, weil sie infolge Anrechnung des Partnereinkommens in diesen Zeiten keinen Anspruch auf Notstandshilfe gehabt hatte. Im gegenständlichen Verfahren war jedoch ausschließlich die Frage, ob die Berücksichtigung des Partnereinkommens bei der Zuerkennung von Notstandshilfe zulässig ist, entscheidungsrelevant.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem abweisenden Erkenntnis vom zutreffend ausgeführt hat, kommt der Frage, ob es gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, dass eine Regelung des Pensionsrechts, nach welcher die Anrechnung von Ersatzzeiten bindend an den Notstandshilfebezug und nicht an das Bestehen von Arbeitslosigkeit anknüpft, keine Entscheidungserheblichkeit zu, weshalb er gar nicht befugt gewesen wäre, diese Frage gemäß Art 234 EG dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Weiters gehöre die Frage, ob die Gewährung von Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung von einem Leistungsbezug nach der Arbeitslosenversicherung abhängig gemacht werden kann, dem Leistungsrecht der Pensionsversicherung an und sei damit von den Arbeits- und Sozialgerichten im Zusammenhang mit der Pensionshöhe zu treffen. Die vom Verwaltungsgerichtshof zu beantwortende Frage und jene, die von den ordentlichen Gerichten zu beurteilen sei, stünde daher weder im Verhältnis der Vor- und Hauptfrage zueinander, noch folge auf andere Weise aus der Beantwortung der einen Frage auch schon die Beantwortung der anderen. Der Verwaltungsgerichtshof habe daher die leistungsrechtlichen Konsequenzen und deren gemeinschaftsrechtliche Beurteilung in seine Überlegungen nicht einzubeziehen gehabt.

3. Das von der Klägerin angeführte Zl. 10 ObS 172/04y, betraf daher eine andere als die im gegenständlichen Verfahren zu beurteilende Rechtsfrage. Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis VfSlg. 17.330/2004 ausführlich mit der entscheidungsrelevanten und im gegenständlichen Verfahren erneut vorgebrachten Frage der Zulässigkeit der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Zuerkennung von Notstandshilfe bzw. mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2002/08/0276, auseinandergesetzt. Er ist in diesem Erkenntnis zum Ergebnis gelangt, dass dem Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf das Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0276, jedenfalls kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorgeworfen werden kann, wenn er ausspricht, dass die Regelung über die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Zuerkennung von Notstandshilfe nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und diese Frage auch im Hinblick auf näher angeführte Judikatur des EuGH keiner Vorlage an diesen Gerichtshof bedürfe. Diese Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes erachtete der Verfassungsgerichtshof jedenfalls als vertretbar.

4. Da die von den individuellen Daten abgesehenen Ausführungen in der vorliegenden Klage - im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berücksichtigung von Partnereinkommen im Zusammenhang mit der Zuerkennung von Notstandshilfe - den Verfassungsgerichtshof nicht zu einer Änderung seiner Rechtsauffassung veranlassen vermögen, kann auch dem Verwaltungsgerichtshof in gegenständlicher Angelegenheit kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorgeworfen werden. Hinsichtlich detaillierter Ausführungen wird auf das Erkenntnis VfSlg. 17.330/2004 verwiesen.

III. 1. Die Klage war daher abzuweisen. Die beklagte Partei hat keinen Kostenersatz beantragt, weshalb auch keine Kosten zuzusprechen waren.

2. Da gegenständlicher Sachverhalt samt Argumentation identisch mit jenem ist, der der Rechtssache A5/04, in welcher derselbe Rechtsvertreter - wenngleich für eine andere klagende Partei - aufgetreten ist, zugrunde liegt und die Frage des Verfassungsgerichtshofes nach allfälligen Unterschieden lediglich mit dem Hinweis auf ein nicht einschlägiges Urteil des OGH beantwortet wurde, konnte von einer Verhandlung Abstand genommen werden.

Fundstelle(n):
BAAAE-07390