VfGH vom 28.09.1990, b699/89
Sammlungsnummer
12469
Leitsatz
Gleichheitswidrige Auslegung des § 18 Abs 1 Z 3 litb EStG durch die Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben für die Errichtung eines Eigenheims vor Erwerb des Eigentums an dem zu errichtenden Objekt; verfassungskonforme Interpretation möglich; Aufwand muß - ohne Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Ausgaben herrschenden Eigentumsverhältnisse - lediglich dem Zweck der Errichtung einer Eigentumswohnung bzw eines Eigenheims dienen
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer erwarb mit Vertrag vom die Anwartschaft auf ein von der Innviertler Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgesellschaft in Peuerbach zu errichtendes Reihenhaus. Nach der Baubeschreibung und der Kosten- und Finanzierungsaufstellung für die Wohnhausanlage waren die Malerei- und Anstreicharbeiten innerhalb des Hauses, die Fußbodenbeläge und Fliesenlegerarbeiten sowie die Lieferung und Montage der sanitären Einrichtungsgegenstände von der Verkäuferin nicht in Auftrag zu geben (und die Kosten dafür nicht in Rechnung gestellt), sondern von den Siedlern direkt zu veranlassen und durchzuführen. Die Benützungsbewilligung wurde im November 1987 erteilt, der Kaufvertrag vom Beschwerdeführer aber erst am abgeschlossen.
Anfang 1988 begehrte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben für das Jahr 1987 unter anderem für Anschaffungen im Betrag von 17.259,46 S zum Zweck der ihm obliegenden Fertigstellung des Hauses aus der Zeit von August bis Dezember 1987 als Aufwendungen zur Errichtung des Reihenhauses (§18 Abs 1 Z 3 litb EStG 1972: "Beträge, die zur Errichtung von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen aufgewendet werden"). Das Finanzamt verweigerte die begehrte Eintragung auf der Lohnsteuerkarte mit der Begründung, neben der Steuerbegünstigung nach lita dieser Gesetzesstelle ("mindestens achtjährig gebundene Beträge, die vom Wohnungswerber zur Schaffung von Wohnraum an gemeinnützige ... Vereinigungen ... geleistet werden") könne nicht auch eine solche nach litb in Anspruch genommen werden. Direkte Zahlungen an Unternehmen seien nicht abzugsfähig.
Die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Der angefochtene Berufungsbescheid stellt darauf ab, daß jedenfalls bis zum Abschluß des Kaufvertrages (1989) noch die Genossenschaft Eigentümer war und daher nur sie (im Jahr 1987) das Eigenheim habe "errichten" können. Es handle sich auch um keine Rückzahlung von Darlehen im Sinne der litc ("die für die Schaffung von begünstigtem Wohnraum im Sinne der lita oder der litb aufgenommen wurden").
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die Auslegung der Behörde sei denkunmöglich: Wer ein schlüsselfertiges Reihenhaus kaufe, könne die Steuerbegünstigung für das gesamte Objekt in Anspruch nehmen, obliege ihm aber die Fertigstellung selbst, sei ihm das verwehrt, obwohl die Aufwendungen für die Fertigstellung ebenso nötig und keineswegs Sonderleistungen seien. Der Fall wäre wie der Erwerb eines noch nicht schlüsselfertigen Hauses mit anschließender Vollendung der Errichtung zu behandeln gewesen.
Die belangte Behörde wendet ein, der Gesetzgeber verfolge mit der Förderung der Anschaffung eines Wohnobjektes nach lita und litb der Z 3 des § 18 Abs 1 EStG verschiedene Zwecke: die Schaffung von Wohnraum durch gemeinnützige Bauträger und die Errichtung von Eigentumswohnungen und Eigenheimen (durch den Steuerpflichtigen selbst). Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Aufwendungen nicht Errichter des Eigenheimes gewesen. Daß ihm eine Steuerbegünstigung versagt bleibe, die ein fertigstellender Errichter in Anspruch nehmen könne, sei daher sachlich gerechtfertigt. Die mit dem Hinweis auf VfSlg. 10720/1985 verbundene Frage des Gerichtshofs, welche sachlichen Gründe es rechtfertigen können, die Steuerbegünstigung nach Z 3 jemandem zu versagen, der nach Art der litb selbst etwas zur Errichtung eines Eigenheimes aufwendet, für das ihm die Kaufanwartschaft im Sinne der lita eingeräumt wurde, beantwortete die belangte Behörde mit Überlegungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer als Errichter des Reihenhauses angesehen werden könne oder nicht.
II. Die Beschwerde ist begründet:
1. Eine Verletzung des geltend gemachten Grundrechts liegt - im Falle der Unbedenklichkeit des Gesetzes - nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur vor, wenn die Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hat. Die Behörde kann sich indes auf die übereinstimmende Ansicht von Lehre und Rechtsprechung berufen, wonach für dasselbe Objekt neben einer Steuerbegünstigung nach § 18 Abs 1 Z 3 lita EStG nicht auch eine solche nach litb in Anspruch genommen werden kann. Unter diesen Umständen kann ihr Willkür nicht vorgeworfen werden (was übrigens auch die Beschwerde nicht tut).
Zu prüfen ist jedoch, ob nicht eine Regelung mit dem von der Behörde angenommenen Inhalt gegen den Gleichheitssatz verstieße. In VfSlg. 10720/1985 hat der Verfassungsgerichtshof nämlich in einem ähnlichen Fall aus dem Grunderwerbsteuerrecht (§4 Abs 1 Z 3 GrEStG 1955 idF BGBl. 225/1962) eine Gleichheitsverletzung festgestellt, in dem für die Errichtung oder Fertigstellung nach der Veräußerung der Liegenschaft keine Steuerbefreiung gewährt wurde, weil sie nur vorgesehen ist, wenn die Erwerber das Wohnhaus auf dem gemeinsam erworbenen Grundstück selbst schaffen (lita) oder der gemeinnützige Bauträger es vor Veräußerung an sie selbst errichtet hat (litb). Der Verfassungsgerichtshof hat den Fall der Errichtung durch den Bauträger nach Veräußerung als im Gesetz nicht geregelt angesehen und eine zweifache Analogie zu beiden geregelten Fällen (lita und b) für verfassungsrechtlich geboten gehalten, weil ein sachlicher Grund fehle, gerade den Regelfall der Schaffung von Eigentumswohnungen unter Einschaltung eines gemeinnützigen Bauträgers von der Begünstigung auszuschließen. Die Ähnlichkeit - oder besser Spiegelbildlichkeit - des vorliegenden Falles mit dem damals entschiedenen legt den Verdacht nahe, auch die Auslegung der Z 3 des § 18 Abs 1 EStG durch die Behörde könnte dem Gleichheitssatz nicht standhalten.
2. Diese Bedenken sind in der Tat begründet.
§ 18 EStG 1972 begünstigt (ebenso wie § 18 EStG 1988) die Schaffung von Wohnraum dadurch, daß Steuerpflichtige bestimmte Aufwendungen, die der Errichtung von neuem Wohnraum dienen, als Sonderausgaben abziehen dürfen. § 18 Abs 1 Z 3 litb leg.cit. erfaßt dabei die Aufwendungen, die der Steuerpflichtige "zur Errichtung" von begünstigtem Wohnraum aufwendet. Lit. a leg.cit. regelt den Fall, daß Wohnraum durch einen (qualifizierten) Bauträger geschaffen und dem Wohnungswerber in das Eigentum übertragen oder zur Nutzung überlassen wird. Lit. a spricht allerdings nicht direkt den Fall des Erwerbes von einem qualifizierten Bauträger an, sondern begünstigt die Leistung von achtjährig gebundenen Beträgen an diese Bauträger. Damit enthält lita ohne Zweifel auch Elemente einer allgemeinen Förderung der Wohnraumschaffung (vgl. etwa ). Diese "Objektförderung" beschränkt sich aber darauf, daß ein Wohnungswerber bei Leistung der Beträge eine achtjährige Bindung eingehen muß und nach Ablauf von acht Jahren die Beträge ohne Nachversteuerung zu anderen Zwecken verwenden kann. Im übrigen geht es aber auch bei der Begünstigung nach lita primär nicht um die Förderung einer bestimmten Sparform, sondern um die Schaffung von Wohnraum für den Steuerpflichtigen selbst. Nach den Erl. zur RV des AbgÄG 1981, BGBl. 620 (850 BlgNR 15. GP) wurde die bis dahin geltende fünfjährige Bindung auf acht Jahre ausgedehnt, um Steuerpflichtigen mit bloß vorgetäuschtem Interesse am Wohnungserwerb die Begünstigung zu entziehen. Auch die Gesetzeslage bestätigt, daß die Zielsetzung der individuellen Wohnraumschaffung im Vordergrund steht: Der Leistende muß Wohnungswerber sein; wird ihm die angestrebte Wohnung vom Bauträger (zu Eigentum oder zur Nutzung) überlassen, so unterbleibt eine Nachversteuerung, auch wenn die acht Jahre noch nicht abgelaufen sind.
Daraus folgt, daß lit. a und litb des § 18 Abs 1 Z 3 EStG einander ergänzende Begünstigungen enthalten, die systematisch als Einheit angesehen werden müssen: Wer Wohnraum über einen qualifizierten Bauträger erwirbt, erhält die Begünstigung nach lita, wer selbst errichtet, wird nach litb begünstigt. Für diese Einheit spricht im übrigen auch litc, die die Rückzahlung von Darlehen im Zusammenhang mit Wohnraumschaffung nach lita oder litb begünstigt, sowie der im EStG 1972 für alle diese Aufwendungen geltende gemeinsame Höchstbetrag von S 10.000.
Die Judikatur des VwGH versteht litb dabei so, daß der Steuerpflichtige selbst die Errichtereigenschaft besitzen, d.h. im Zeitpunkt der Verausgabung zumindest außerbücherlicher Eigentümer sein muß (; , 2487/79) und daß für denselben Sachverhalt nicht gleichzeitig die Begünstigung nach lita und litb in Betracht kommen (etwa ; , 81/13/0082). Bei diesem Rechtsverständnis, das auch dem Bescheid der belangten Behörde zugrunde liegt, wird jener Aufwand nicht begünstigt, den ein Steuerpflichtiger, der Wohnraum von einem qualifizierten Bauträger erwirbt, direkt an Unternehmen zur Errichtung des Wohnraumes leistet, bevor der Kaufvertrag abgeschlossen ist, und zwar selbst dann nicht, wenn - wie im Beschwerdefall - Gegenstand des Kaufanwartschaftsvertrages ein gar nicht fertiggestelltes Objekt ist.
Diese Auslegung unterstellt dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt. Sie führt dazu, daß Aufwendungen, die der Steuerpflichtige letztlich zur Schaffung von Wohnraum für sich selbst tätigt, je nach dem zufälligen, vom Steuerpflichtigen oft nicht beeinflußbaren Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages unterschiedlich behandelt werden. Sie führt ferner dazu, daß Fälle, in denen Errichtungskosten ausschließlich über den Bauträger geleistet werden, anders behandelt werden als solche, bei denen der Wohnungswerber auch direkt mit Bauhandwerkern etc. in Rechtsbeziehungen tritt.
Dieses Ergebnis, für das der VfGH keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen vermag, kann jedoch durch eine dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes Rechnung tragende Interpretation des § 18 Abs 1 Z 3 litb EStG vermieden werden. Wenn dort von Aufwendungen "zur Errichtung" von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen die Rede ist, so ist damit nicht zwingend zum Ausdruck gebracht, daß der Wohnungswerber im Zeitpunkt der Leistung der Aufwendungen bereits Eigentümer sein muß. Die Vorschrift kann auch so verstanden werden, daß im Zeitpunkt der Verausgabung (lediglich) feststehen muß, daß der Aufwand dem Zweck der Errichtung einer Eigentumswohnung (eines Eigenheimes) für den Steuerpflichtigen dient.
Nur eine solche Interpretation vermeidet aber die gleichheitswidrige Konsequenz, daß Aufwendungen zur Errichtung von begünstigtem Wohnraum je nach der oft nicht beeinflußbaren tatsächlichen Abwicklung des Einzelfalles unterschiedlich behandelt werden.
Die belangte Behörde hat dem Gesetz also fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und den Beschwerdeführer dadurch im Gleichheitsrecht verletzt. Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Verfassungsgerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).