VfGH vom 15.12.1988, a10/88
Sammlungsnummer
11939
Leitsatz
Kosten für die Führung der Amtsvormundschaft haben die Länder und die Städte mit eigenem Statut als Rechtsträger der Bezirksverwaltungsbehörden zu tragen; Klagebegehren des Landes Stmk. gegen den Bund auf Kostenersatz zulässig, aber nicht begründet; kein Zuspruch der begehrten, aber ziffernmäßig nicht verzeichneten Verfahrenskosten
Spruch
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. A. Das Land Steiermark begehrt in der vorliegenden, unter Berufung auf Art 137 B-VG erhobenen Klage vom Bund den Ersatz der Kosten für die Führung der Amtsvormundschaft in der Höhe von S 348,831.000,--.
Hiezu wird in der Klage vorgebracht:
"I. Allgemeines zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Regelungen über die Amtsvormundschaft:
Das BG vom , womit Grundsätze über die Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge aufgestellt und unmittelbar anzuwendende Vorschriften über die Jugendwohlfahrt erlassen werden (Jugendwohlfahrtsgesetz - JWG), BGBl. Nr. 99, gliedert sich in zwei Teile, die hinsichtlich ihrer Kompetenzgrundlage unterschiedlich zu beurteilen sind. Der 1. Teil dieses Gesetzes (§1 bis § 15) ist ein Grundsatzgesetz nach Art 11 Abs 1 Z. 2 B-VG, der 2. Teil (§16 bis 39) enthält unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht auf der Grundlage des Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG. In diesem Teil ist vorgesehen, daß die Bezirksverwaltungsbehörde in den im Gesetz vorgesehenen Fällen 'Vormund wird' und daß die Bezirksverwaltungsbehörde 'bei den Aufgaben des Vormundschaftsgerichts' mitzuwirken hat.
Das Jugendwohlfahrtsgesetz 1954 hat die seit in Geltung stehende 'V über Jugendwohlfahrt in der Ostmark' (Jugendwohlfahrtsverordnung 1940) abgelöst. Diese hatte Vorschriften sowohl auf dem Gebiet des Jugendfürsorgerechts als auch auf jenem des Zivilrechts enthalten. Nach dem neuerlichen Wirksamwerden der Zuständigkeitsbestimmungen der Bundesverfassung im Jahre 1945 ist der Inhalt der Jugendwohlfahrtsverordnung 1940 zum Teil als Angelegenheit, die hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, hinsichtlich der Ausführungsgesetzgebung und der Vollziehung Landessache ist, zum Teil als Angelegenheit, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist, qualifiziert worden. Jene Teile der Jugendwohlfahrtsverordnung 1940, die unmittelbar anwendbares Bundesrecht enthalten haben, sind bis zum Inkrafttreten des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1954 in Kraft gestanden. Hinsichtlich der übrigen Teile wurde § 3 Abs 2 des Übergangsgesetzes 1920 sinngemäß angewendet. Demzufolge sind diese Teile des Gesetzes am außer Kraft getreten und ist die Zuständigkeit zur Regelung des Gegenstandes auf die Länder übergegangen. In der Steiermark ist durch Gesetz vom , LGBl. Nr. 8, die Weitergeltung der außer Kraft getretenen Teile der Jugendwohlfahrtsverordnung 1940 als landesgesetzliche Regelungen angeordnet worden. Dieser Rechtszustand hat bis 1958, nämlich bis zur Erlassung des Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetzes, LGBl. Nr. 35/1958, bestanden.
Die Entstehungsgeschichte des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1954 macht es erklärlich, daß dieses Gesetz Spezifika aufweist, die sonst der österreichischen Rechtsordnung fremd sind. So überträgt dieses Gesetz, wie schon erwähnt, im § 16 der Bezirksverwaltungsbehörde die Funktion der Amtsvormundschaft. Es überträgt also einer Behörde die Wahrnehmung einer spezifischen Funktion im Zivilrecht, die nach österreichischem Rechtsverständnis Rechtssubjektivität des Trägers dieser Funktion voraussetzen würde. Dies ist nur dadurch zu erklären, daß sich die Regelungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes inhaltlich eng an jene der Jugendwohlfahrtsverordnung 1940 anlehnen. Diese war aber nicht auf die österreichische Rechtsordnung zugeschnitten, sondern auf jene des Deutschen Reiches und in dieser konnten Ämter eigene Rechtspersönlichkeit haben. Soll § 16 des Jugendwohlfahrtsgesetzes in die österreichische Rechtsordnung passen, so muß angenommen werden, daß die Bezirksverwaltungsbehörde nicht als solche die Rechtspersönlichkeit sein soll, welche als Amtsvormund agiert, sondern daß die Bezirksverwaltungsbehörde namens einer Gebietskörperschaft als deren Organ die Funktion der Amtsvormundschaft wahrzunehmen hat.
In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, daß der Oberste Gerichtshof in zwei Entscheidungen eine derartige Interpretation von Vorschriften vorgenommen hat. So heißt es im Urteil vom , 6 Ob 781/83 (publiziert in der ÖJZ 1984 im 52. Jahrgang des Evidenzblattes der Rechtsmittelentscheidungen unter Nr. 33), zur Frage, wie die Bestimmung des § 34 des Unterhaltsvorschußgesetzes zu verstehen sei, folgend: 'Zur Stellung des Präsidenten des OLG in gerichtlichen Verfahren nach dem Unterhaltsvorschußgesetz ist zu erwägen: Ungeachtet der Formulierungen, die auf eine Beteiligung des Präsidenten des OLG an den gerichtlichen Verfahren nach dem Unterhaltsvorschußgesetz als einer Formalpartei schließen lassen könnten, ist dieses Verwaltungsorgan nicht als selbständiger Träger von Verfahrensrechten, sondern nur als Vertreter des Bundes, welchem unmittelbar die Beteiligtenstellung zuzuordnen ist, anzusehen.'
In der Entscheidung vom , 6 Ob 533/86, heißt es im Hinblick auf das Jugendwohlfahrtsgesetz zur Frage der Rechtsträgerschaft in haftungsrechtlicher Hinsicht, daß die Haftung der Bezirkshauptmannschaft als Vormund oder besonderer Sachwalter jene Gebietskörperschaft treffe, der sie funktionell zuzurechnen ist.
Es erhebt sich nunmehr die Frage, welche Gebietskörperschaft der Rechtsträger ist, für den die Bezirksverwaltungsbehörde bei Wahrnehmung der Funktion der Amtsvormundschaft tätig wird.
In der Literatur ist diese Frage bereits im Jahr 1954 diskutiert worden. Wenzel hat im Aufsatz 'Das Jugendwohlfahrtsgesetz', ÖJZ 1954, S. 472, die Ansicht vertreten, daß es sich bei den Bestimmungen über die Amtsvormundschaft um eine Angelegenheit handelt, die sowohl hinsichtlich der Gesetzgebung als auch der Vollziehung in die Bundeskompetenz fällt und daß demnach der Bund jener Rechtsträger ist, für den die Bezirksverwaltungsbehörde tätig wird.
Dieser Ansicht ist jedoch mehrfach widersprochen worden. So hat Edlbacher in 'Amtsvormund und Haftung', ÖJZ 1955, S. 70, die Ansicht vertreten, wenn 'der Gesetzgeber die Bezirksverwaltungsbehörde zum Vormund ernennt, dann verleiht er ihr damit zur Vollziehung der positiven Aufgaben des Vormundes eben die Rechtssubjektivität, die dem Einzelvormund kraft natürlicher Beschaffenheit eignet.' Daraus folgert der Autor, daß die Bezirksvormundschaft im eigenen Namen und nicht als Organ einer Gebietskörperschaft handelt. Er gesteht allerdings zu, daß die Bezirksverwaltungsbehörde dadurch nicht zum Vermögensträger wird, und folglich nicht selbst für einen Schaden aus ihrer Amtsführung zu haften habe. Dazu wird das Argument vorgebracht:
'Die vermögensrechtliche Haftung ist ja auch in dem gewöhnlichen Funktionsbereich eines Vormunds nicht eingeschlossen, sondern nur die mögliche Folge aus dem Handeln (oder Unterlassen) im ordentlichen Geschäftsbetrieb.' Im Falle der Haftung müsse 'auf den Rechtsträger zurückgegriffen werden, der hinter der Bezirksverwaltungsbehörde in ihrer Eigenschaft als Amtsvormund steht.' Der Autor vertritt die Ansicht, daß dieser Rechtsträger das Land sei. Er begründet dies damit, daß historisch gesehen 'die Amtsvormundschaft aus den Aufgaben der Jugendfürsorge erwachsen ist' und daß Jugendfürsorge eine Angelegenheit des Art 12 Abs 1 Z. 2 B-VG sei.
Die gleiche Ansicht ist mit ähnlichen Argumenten von Beitner in 'Die Amtsvormundschaft nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz', JBl. 1957, S 33ff, vertreten worden. Jabloner hat in 'Das Jugendwohlfahrtsrecht im Lichte der B-VG-Nov. 1974', Der österreichische Amtsvormund, 1983, Heft 2, S. 31 ff, die Ansicht Edlbachers und Beitners ohne weitere Begründung übernommen.
Die Steiermärkische Landesregierung vertritt demgegenüber die Ansicht, daß der Rechtsträger, für den die Bezirksverwaltungsbehörde in Wahrnehmung der Amtsvormundschaft funktionell tätig wird, der Bund ist. Die Gründe hiefür sind folgende:
§ 18 des Jugendwohlfahrtsgesetzes normiert, daß für die Amtsvormundschaft 'die allgemeinen Vorschriften über die Vormundschaft mit folgenden Besonderheiten', die dann in 7 Punkten aufgezählt werden, gelten. Diese 'Besonderheiten' enthalten aber nicht nur auf die spezifische Stellung der Amtsvormundschaften als staatliche Verwaltungsorgane bezughabende Privilegierungen gegenüber sonstigen Vormündern. § 18 Z. 3 verleiht vielmehr der Amtsvormundschaft eine besondere Organfunktion, die mit den Aufgaben eines Vormundes nichts mehr zu tun hat. Nach dieser Bestimmung haben nämlich Erklärungen über die Anerkennung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts, die vor der Bezirksverwaltungsbehörde abgegeben und von ihr beurkundet werden, die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Vormundschaftsgericht abgegeben worden wären.
Vereinbarungen über die Leistungen des Unterhalts, die mit der Amtsvormundschaft abgeschlossen werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs. Es kann keineswegs behauptet werden, daß eine derartige Regelung der Bezirksverwaltungsbehörde Funktionen überträgt, die diese im Rahmen der Besorgung von Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes wahrnehmen könnte. Dies gesteht selbst Edlbacher zu, auf den die These zurückgeht, die Tätigkeit der Amtsvormundschaft sei 'in der Regel' Privatwirtschaftsverwaltung des Landes. Edlbacher gesteht (aaO. S 72) zu, daß die im § 18 Z. 3 der Amtsvormundschaft übertragenen Funktionen solche sind, 'die sonst nur dem Gericht zukommen'.
Die der Amtsvormundschaft durch § 18 Z. 3 Jugendwohlfahrtsgesetz übertragenen Funktionen können nicht solche der Vollziehung der Länder sein, denn die Kompetenzgrundlage für die Schaffung dieser Regelung ist Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG und dieser betrifft eben eine Angelegenheit, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist. Es ist nun nicht einzusehen, weshalb die Wahrnehmung der übrigen, den Bezirksverwaltungsbehörden als Amtsvormundschaften übertragenen Funktionen Tätigkeiten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Länder sein sollten. Die Grundlage für die Erlassung der Regeln, durch die den Bezirksverwaltungsbehörden diese Funktionen übertragen werden, ist gleichfalls Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG. Im Jugendwohlfahrtsgesetz wird nirgends der Rechtsträger, für den die Bezirksverwaltungsbehörde in Wahrnehmung der Amtsvormundschaft funktionell tätig wird, genannt. Wenn auch in keiner Weise in Abrede gestellt werden kann, daß durch ein auf der Grundlage des Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG erlassenes BG den Ländern als Träger von Privatrechten Pflichten auferlegt werden können, so kann dennoch nicht angenommen werden, daß sich derartige Pflichten aus einem Gesetz ergeben, das in keiner Weise die Länder als Träger der Pflichten anführt. Eine Verpflichtung der Länder kann auch nicht mit jenen Argumenten begründet werden, die Edlbacher ins Treffen geführt hat, nämlich historischen. Betrachtet man nämlich die Entwicklung der Amtsvormundschaft, so ergibt sich folgendes:
Der durch das ABGB in seiner ursprünglichen Fassung normierte Grundsatz, daß der Vormund ein Ersatz für den Vater ist und daher grundsätzlich nur ein Mann sein kann, der dem Lebenskreis des Mündels entstammt, wurde durch das Hofkanzleidekret vom 12.9.1822, veröffentlicht in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen Franz I., Band 50, unter Nr. 101, durchbrochen. Nach diesem Hofkanzleidekret wurde die Vormundschaft für Kinder, die in einem Findel- oder Waisenhaus untergebracht waren, der Direktion der Anstalt übertragen. Durch die erste Teilnovelle zum ABGB, RGBl. Nr. 276/1914, wurde § 208 dahingehend abgeändert, daß die Vormundschaft 'einem geeigneten Organ der öffentlichen Verwaltung oder einer Vereinigung für Jugendschutz' übertragen werden konnte. Durch diese Vorschrift ist erstmalig so etwas wie eine Amtsvormundschaft, die von einem Verwaltungsorgan wahrzunehmen ist, begründet worden. Aus ihr ergibt sich aber nicht, daß Rechtsträger, für den das 'geeignete Organ der öffentlichen Verwaltung' tätig wird, nicht das Reich, sondern nur ein Kronland als Träger von Privatrechten oder eine Gemeinde sein kann.
Eine erstmalige Erwähnung der Länder im Zusammenhang mit der Vormundschaft findet sich im BG vom über die Erweiterung des Wirkungskreises der Berufsvormundschaften, BGBl. Nr. 194/1928. Durch dieses Gesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, daß der Präsident des Gerichtshofes zweiter Instanz 'Berufsvormundschaften, die nach ihren Einrichtungen die volle Gewähr für eine den Gesetzen entsprechende sachkundige Führung der Geschäfte bieten, auf deren Antrag zur erweiterten Vormundschaft' ermächtigt. (§1) Nach § 2 sollte für Berufsvormundschaften, die zur erweiterten Vormundschaft ermächtigt waren, die Zustimmung des Gerichtes zur Erhebung von Klagen auf Anerkennung der Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes sowie beim Abschluß von Vergleichen über die Höhe der wiederkehrenden Zahlung des Vaters und bei der Erklärung des Ehemannes der Mutter, daß er dem Kinde gemäß § 165 Abs 2 ABGB seinen Namen gebe, entfallen. Im § 3 des Gesetzes war vorgesehen, daß 'Erklärungen über die Anerkennung der Vaterschaft und die Leistung des Unterhaltes, die vor einer von einem Lande oder einer Gemeinde errichteten Berufsvormundschaft, der die erweiterte Vormundschaft übertragen wurde, abgegeben und von ihr beurkundet werden,' die gleiche Wirkung haben 'wie wenn sie vor Gericht abgegeben worden wären.' Durch diese Regelung ist erstmalig die vorhin erwähnte, heute im § 18 Z. 3 Jugendwohlfahrtsgesetz vorgesehene spezifische Funktion der Amtsvormundschaft geschaffen worden.
Eine derartige Funktion konnte aber schon 1928 die Amtsvormundschaft nur als Organ der Bundesvollziehung wahrnehmen. Sie ist damit nämlich, wie schon vorhin gesagt, in einer Funktion tätig, die jener eines Gerichtes gleicht. Die Zulässigkeit einer Übertragung derartiger Funktionen an Verwaltungsbehörden wird im Hinblick auf Art 83 Abs 1 B-VG nicht bestritten, wohl aber wird betont, daß eine derartige Funktion von Verwaltungsbehörden nur als Organ der Bundesvollziehung wahrgenommen werden kann.
Es sei nicht in Abrede gestellt, daß 1928 niemandem zum Bewußtsein gekommen ist, daß durch die erwähnte Regelung eine Funktion der Bundesvollziehung begründet worden ist, dies ändert aber nichts daran, daß schon nach der 1928 geltenden Verfassungslage nur eine derartige Sicht zutreffend gewesen wäre.
Aus den bisherigen Erwägungen ergibt sich folgendes: Die der Bezirksverwaltungsbehörde übertragenen Funktionen der Amtsvormundschaft sind solche der Vollziehung des Bundes. Die Tätigkeit der Amtsvormundschaft ist grundsätzlich eine solche der nicht hoheitlichen Vollziehung, d.h. nach traditioneller Terminologie eine solche der Privatwirtschaftsverwaltung in Wahrnehmung der Ermächtigung nach § 18 Z. 3 des Jugendwohlfahrtsgesetzes eine solche der Hoheitsverwaltung.
Die Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde auf Grund des § 18 Z. 3 JWG kann als eine solche der mittelbaren Bundesverwaltung qualifiziert werden. Die genannte Regelung ist in Verbindung mit jener des § 16 JWG jedoch verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art 15 Abs 10 B-VG seit der B-VG-Nov., BGBl. Nr. 444/1974, nicht unbedenklich.
Die übrigen Funktionen der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormundschaft sind, wie bereits gesagt, solche der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes. Im Hinblick darauf ist § 16 JWG jedoch verfassungswidrig, da das B-VG für die Übertragung der Besorgung von Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes auf Landesorgane im organisatorischen Sinn im Art 104 Abs 2 eine spezifische Rechtsform vorsieht. Zudem wäre nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung eine Übertragung der Besorgung der Amtsvormundschaft auf Landesorgane im organisatorischen Sinn auch nicht auf der Grundlage des Art 104 Abs 2 B-VG zulässig. Nach diesem können nämlich nur Geschäfte 'der Verwaltung des Bundesvermögens' dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen werden. Bei der Tätigkeit der Amtsvormundschaft handelt es sich aber zweifellos nicht um Verwaltung des Bundesvermögens.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden als Amtsvormundschaft mit Ausnahme jener, die auf Grund der Ermächtigung des § 18 Z. 3 JWG wahrgenommen wird, nicht als eine Besorgung von Angelegenheiten qualifiziert werden, für die die Länder nach § 2 F-VG 1948 die Kosten tragen müßten.
II. Kostentragung für den Tätigkeitsbereich der Amtsvormundschaft aufgrund der Finanzverfassung:
Die Kostentragungspflicht des Bundes ergibt sich aus nachstehenden Überlegungen:
Nach § 2 F-VG 1948 tragen 'der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften ..., sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt.' Der VfGH hat diese Bestimmung in mehreren Entscheidungen dahin ausgelegt, daß unter 'ihren Aufgaben' der Bereich der Vollziehung des Bundes und der Länder zu verstehen sei und daher 'der Aufwand für die Aufgaben, die nach der Kompetenzverteilung des B-VG in die Vollziehung des Bundes fallen, grundsätzlich vom Bund, der Aufwand für die Aufgaben, die in der Vollziehung Landessache sind, grundsätzlich von den Ländern zu tragen' sei (VfSlg. 2604/1953, ebenso z.B. VfSlg. 5681/1968 und 6617/1971).
Der VfGH hat zwar im sogenannten Kremser Erkenntnis vom , A3/81-14 'diese Ansicht, die er vornehmlich aus Anlaß von den finanziellen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Länder betreffenden Fällen entwickelt hat, in dieser Allgemeinheit nicht länger aufrechterhalten.' Das Abweichen von der bisherigen Judikatur wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Kompetenzartikel des B-VG die Staatsaufgaben nur zwischen Bund und Ländern aufteilen, sodaß den Gemeinden bei dieser Auslegung keine Aufgaben als 'ihre Aufgaben' im Sinne des § 2 F-VG 1948 zukommen würden. Der VfGH führt in dem erwähnten Erkenntnis konkret noch folgendes aus:
'Das bedeutet, daß die Kompetenzbestimmungen des B-VG allein nicht dazu ausreichen, eine Angelegenheit als solche des Bundes, des Landes oder der Gemeinde zu erkennen: weil auch die von den Gemeinden zu besorgenden Aufgaben nach den Kompetenzbestimmungen des B-VG notwendig entweder Bundes- oder Landessache sind. Die Beurteilung der Frage, welche Aufgaben i.S. des § 2 F-VG solche des Bundes, des Landes oder der Gemeinde sind, ist demgemäß nur unter Berücksichtigung aller Rechtsvorschriften möglich, aus denen sich die Zuständigkeit einer bestimmten Gebietskörperschaft zu deren Besorgung jeweils ergibt.'
Aus den vorherigen Ausführungen geht bereits hervor, daß der VfGH sich nicht völlig von der bisherigen Judikatur abgewendet, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht hat, daß er nicht mehr ausschließlich auf die Kompetenzartikel abstellt, sondern auf alle Rechtsvorschriften, aus denen sich die Zuständigkeit zur Besorgung einer bestimmten Aufgabe durch eine Gebietskörperschaft ableiten läßt.
Wendet man diese Grundsätze auf die gegenständliche Angelegenheit an, so zeigt sich eindeutig, daß die Aufgaben der Amtsvormundschaft eine ausschließliche Bundesaufgabe im Sinne des § 2 F-VG 1948 sind. Die Bezirksverwaltungsbehörde schreitet nämlich in einer Angelegenheit ein, welche in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist und hat hiebei unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht zu vollziehen. Das Jugendwohlfahrtsgesetz 1954 enthält auch keine Bestimmung aus der man eine einfachgesetzliche Kostenüberwälzung an die Länder entnehmen kann, sofern man eine solche in diesem Fall überhaupt für zulässig erachten würde. Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich mit Ausnahme des § 16 JWG 1954 auch nicht um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung im Sinne des Art 102 B-VG, sodaß die Kostentragungsregelung des § 1 Abs 1 F-AG 1985 ebenfalls nicht anwendbar ist.
Aus der angeführten historischen Situation, aus der verfassungsrechtlichen Zuordnung der Amtsvormundschaft sowie aus den Kostentragungsbestimmungen der Finanzverfassung und des geltenden Finanzausgleichsgesetzes ist nach Ansicht des Landes Steiermark eindeutig zu schließen, daß der Bund den gesamten Personal- und Sachaufwand der Bezirksverwaltungsbehörden für Angelegenheiten der Amtsvormundschaft zu tragen hat.
III. Berechnung der Höhe der Forderungen des Landes Steiermark.
Die Personalabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung hat bei allen Bezirkshauptmannschaften erhoben, in welchem Prozentausmaß die einzelnen Bediensteten (Beamte und Vertragsbedienstete) für Angelegenheiten der Amtsvormundschaft tätig sind. Der prozentuelle Personalaufwand wurde mit den Löhnen und Gehältern dieser Bediensteten multipliziert, sodaß sich für das Jahr 1984 ein Gesamtpersonalaufwand von S 25,015.175,-errechnet. Dieser Personalaufwand wurde einer Berechnung des gesamten Personalaufwandes für den Zeitraum 1956 bis einschließlich 1986 in der Form zugrundegelegt, daß die jeweiligen prozentuellen Veränderungen des Personalaufwandes der Bezirkshauptmannschaften für die Berechnung der Vorjahre herangezogen wurde. Dies ergibt einen Gesamtpersonalaufwand von 1956 bis einschließlich 1986 in der Höhe von S 346.062.000,--. Um eventuelle geringfügige Ungenauigkeiten durch diese Berechnung auszugleichen, und die Anlaufphase des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1954 zu berücksichtigen, werden die Jahre 1954 (2. Halbjahr) und 1955 nicht berechnet.
Die Relation Personalaufwand zu Sachaufwand ergibt beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung einen 12%igen Anteil des Sachaufwandes in der Relation zum Personalaufwand. Zu dem erwähnten Personalaufwand von S 346.062.000,-- ist daher noch ein Sachaufwand in der Höhe von S 41,527.000,-- hinzuzuzählen. Das ergibt eine Gesamtforderung in der Höhe von S 387.589.000,--, die sich nach Vorliegen des Rechnungsabschlusses für das Jahr 1987 noch um den Jahresaufwand 1987 sowie den Aufwand für die Folgejahre erhöht. Von dieser Gesamtforderung werden 10 % in Abzug gebracht, da der Anteil der Hoheitsverwaltung bzw. der mittelbaren Bundesverwaltung nach § 18 Abs 3 JWG nach den Erfahrungen in etwa diesem Prozentsatz entspricht. Daraus resultiert die Höhe der Klagsforderung mit einem Betrag von S 348.831.000,--.
Das Land Steiermark ist vor allem an einer Klärung der zugrundeliegenden Rechtsfragen interessiert, sodaß die Forderung ohne Rechtsverzicht derzeit auf die Jahre 1956 bis einschließlich 1986 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab eingeschränkt wird.
Die rückwirkende Geltendmachung des Anspruches ist dadurch begründet, daß für die Rechtsansprüche nach Art 137 B-VG die Verjährungsbestimmungen des Bürgerlichen Rechts keine Gültigkeit haben.
Die erste ziffernmäßige Forderung wurde dem Bund mit Schreiben vom bekanntgegeben und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß ab eine angemessene Verzinsung begehrt wird.
Ferner darf angemerkt werden, daß die Zuständigkeit des VfGH für eine Klage nach Art 137 B-VG gegeben ist, weil der vermögensrechtliche Anspruch des Landes weder im ordentlichen Rechtsweg ausgetragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde erledigt werden kann.
IV. Aus den dargestellten Gründen wird der Antrag gestellt, der hohe VfGH möge gemäß Art 137 B-VG folgendes Erkentnis fällen:
1. Der Bund ist schuldig, dem Land Steiermark
a) den Personal- und Sachaufwand für die Erfüllung der Agenden der Amtsvormundschaft nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz 1954 für die Jahre 1956 bis einschließlich 1986 in der Höhe von insgesamt
S 348.831.000,-- zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab gem. § 1339 ABGB zu ersetzen und
b) den Ersatz der Prozeßkosten zu leisten.
2. Festgestellt wird, daß der Bund den gesamten laufenden Personal- und Sachaufwand für die Erfüllung der nicht hoheitlichen Agenden der Amtsvormundschaft nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz 1954 zu tragen hat."
B. Der beklagte Bund erstattete hiezu nachstehende Gegenschrift vom :
"I. Das Klagebegehren wird dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Hiefür sind folgende Gründe maßgeblich:
1. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund im Sinne des zweiten Teiles des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) wird grundsätzlich im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig.
1.1. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in der historischen Entwicklung der Regelungen über die Berufsvormundschaft (Beilage A) und den Materialien zum JWG. Sie wird von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung geteilt (vgl. die Erläuterungen zum JWG, insbes. zum § 16, 140 BlgNR,
7. GP, Seite 19; Wenzel, ÖJZ 1954, Seite 472; Edlbacher, ÖJZ 1955, Seite 70 ff; Edlbacher, der österreichische Amtsvormund 1974, Seite 80f; Beitner, JBl 1957, Seite 33ff; Pichler, in:
Rummel, ABGB I, Seite 227; SZ 50/88, 52/69, 55/24; ) und wird auch von der klagenden Partei ausgenommen hinsichtlich § 18 Z 3 JWG - nicht bestritten (vgl. Seite 9 der Klagsschrift).
1.2. Im einzelnen wird hiezu ausgeführt:
1.2.1. Die §§137, 137a, 144 bis 150, 154, 154a, 166, 170, 172, 176 bis 178a ABGB enthalten Regelungen über die persönlichen Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern. Hiezu gehören Pflege und Erziehung, gesetzliche Vertretung und Vermögensverwaltung. Die elterlichen Rechte und Pflichten werden meist unmittelbar durch das Gesetz begründet. Am häufigsten entstehen sie durch die Geburt eines Kindes, manchmal auch durch andere Tatsachen, wie Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind oder qualifizierte Behinderung eines Elternteils (§§145 Abs 1 erster Satz und 145a ABGB). Es gibt aber auch zahlreiche Fälle, in denen das Gericht Entscheidungen bezüglich der persönlichen Rechte und Pflichten zu treffen hat (vgl. etwa §§145 Abs 1 zweiter Satz, 176, 177 ABGB). Weiter sieht das ABGB vor, daß in denjenigen Bereichen, in denen nicht Eltern persönliche Rechte und Pflichten ihren Kindern gegenüber zukommen, Vormünder bzw. Sachwalter (auch Kuratoren genannt) tätig zu werden haben (§145b ABGB). Das ABGB sieht vor, daß Vormünder (§190 ABGB) und Sachwalter (§§269, 271 f.) vom Gericht zu bestellen sind. Diese Angelegenheiten gehören unbestritten zum Privatrecht.
Den Gerichten ist es aber immer schwer gefallen, genügend Personen zu finden, die geeignet und bereit gewesen sind, die erwähnten Rechte und Pflichten anstelle der Eltern zu übernehmen. Auf diese Schwierigkeiten weisen bereits die Erläuterungen zu § 15 JWG - er stimmt mit dem geltenden § 16 JWG überein - hin (RV 140 BlgNR VII. GP):
'Die Amtsvormundschaft, die ihre Entstehung dem Mangel geeigneter Einzelvormünder verdankt ...'
Aus diesem Grund war es nötig, geeignete und bereite Einrichtungen zu finden, die im Interesse der Kinder Aufgaben der Eltern übernehmen konnten. So sehen die §§16 und 17 JWG vor, daß für bestimmte, im Gesetz näher genannte Kinder die Vormundschaft ex lege eintritt, somit der Vormund nicht im Einzelfall vom Gericht zu bestellen ist. Mit den Aufgaben des Vormundes für uneheliche Kinder wird die Bezirksverwaltungsbehörde betraut.
Nach § 18 JWG gelten für die Amtsvormundschaft die allgemeinen Vorschriften - des ABGB - über die Vormundschaft, doch hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund bestimmte Vorzugsrechte, die die Aufsicht des Gerichtes über ihre Tätigkeit als Vormund gegenüber dem vom Gericht bestellten privaten Vormund einschränken, jedoch nicht völlig von dieser ausnehmen: Der Amtsvormund kann zwar ohne Genehmigung des Gerichtes auf Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt klagen, seine Schadenersatzklage namens des Mündels bedarf aber - weil im § 18 JWG nicht aufgezählt - der Genehmigung des Gerichtes. Auskünfte über Sozialversicherungs- und Gehaltsbezüge eines Unterhaltsschuldners kann der Amtsvormund nicht erzwingen (die auf § 3 Abs 5 und 6 JWG fußenden Ausführungsbestimmungen der Länder gelten nur für die öffentliche Jugendwohlfahrtspflege), der Amtsvormund muß sich wie der private Vormund die von ihm benötigten Informationen notfalls in dem im § 186 AußStrG vorgezeichneten Weg (Anfrage durch das Gericht) beschaffen.
1.2.2. Die im § 18 JWG angeführten Begünstigungen wurden nicht wegen einer vermeintlichen hoheitlichen Stellung des Amtsvormundes, sondern aus anderem Grund geschaffen: Der Vergleich zwischen § 17 f und § 20 JWG zeigt, daß der Umfang der Begünstigungen, die einer Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlicher Vertreter eines minderjährigen Kindes zukommen, nicht davon abhängt, ob sie vom Gericht im Einzelfall bestellt oder von Gesetzes wegen mit den Aufgaben betraut worden ist: In beiden Fällen gilt § 18 JWG zur Gänze. Die Sonderstellung der Bezirksverwaltungsbehörde nach § 18 JWG wird aber eingeschränkt, wenn sie - nach § 22 Abs 1 und 2 JWG - zum Kurator eines Minderjährigen bestellt worden ist (§22 Abs 3 JWG). Die Begünstigungen des gesetzlichen Vertreters nehmen somit ab, wenn die gesetzliche Vertretung nicht allumfassend, sondern - wie die Kuratel für Minderjährige - nur für bestimmte Bereiche gedacht ist (§145b Abs 1 ABGB). Würden die Begünstigungen aus einer hoheitlichen Stellung erklärbar sein, so müßten sie immer dann zutreffen, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlicher Vertreter einschreitet; das ist aber nicht der Fall. Nach den Erläuterungen zu § 16 JWG idF RV 140 BlgNR VII. GP - ihm entspricht der geltende § 17 JWG - wird eine hoheitliche Funktion der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund ausdrücklich ausgeschlossen (Erl. S. 19): '... denn die Bezirksverwaltungsbehörde tritt hier nicht als Verwaltungsbehörde, sondern als Vormund des bürgerlichen Rechtes auf
...'.
Die Begünstigungen des geltenden § 18 JWG erklären die Erläuterungen (zu § 17 JWG idF der genannten RV) in folgender Weise (Erl. S. 19):
'Die besondere Stellung der Bezirksverwaltungsbehörde und die größere Befähigung ihrer auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrtspflege tätigen Organe gegenüber dem Einzelvormund erfordern es, der Amtsvormundschaft eine Reihe von Vorzugsrechten einzuräumen ...'
Die 'besondere Stellung' der Bezirksverwaltungsbehörde ist nicht als Hinweis auf eine hoheitliche Funktion zu verstehen:
Sie ist vielmehr damit zu erklären, daß die mit den Kosten belasteten Rechtsträger (Länder und Statutarstädte) ein Interesse daran haben, unnötigen Verwaltungsaufwand bei den Bezirksverwaltungsbehörden durch Verfassung von Anträgen auf Genehmigung von Vertretungshandlungen an das Gericht in Routineangelegenheiten zu vermeiden. Dazu kommt, daß nach der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte (zuletzt Österreichische Richterzeitung 1986, 217) das Bundesland für die Bezirkshauptmannschaft und die Statutarstadt für ihren Magistrat einzutreten haben, wenn das genannte Organ jeweils als gesetzlicher Vertreter Schäden schuldhaft herbeigeführt hat. Da von vornherein keine Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der genannten Rechtsträger angebracht sind - hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu manchem privaten Vormund -, ist das Mündel zumindest sicher, daß es bestehende Schadenersatzforderungen wegen fehlerhafter Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters auch hereinbringen kann. Gerade diesem Erfahrungsstand trägt aber § 18 JWG - sowie die diesbezügliche Ausnahmebestimmung des § 22 Abs 3 JWG - Rechnung: In Angelegenheiten, die mit großer Häufigkeit vorkommen - wie Vaterschafts- und Unterhaltsangelegenheiten -, darf die Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlicher Vertreter immer ohne Genehmigung des Gerichtes tätig werden; sie kann als gesetzlicher Vertreter zweckmäßigerweise Vaterschaftsanerkenntnisse sowie Unterhaltsvereinbarungen entgegennehmen beziehungsweise abschließen.
2. Auch die Tätigkeiten der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund im Zusammenhang mit dem § 18 Z 3 (und § 22 Z 3) JWG sind nicht der Hoheitsverwaltung zuzuzählen.
2.1. Grundsätzlich ist jede Person, die als gesetzlicher Vertreter des Kindes fungiert, ermächtigt, Erklärungen betreffend Vaterschaftsanerkenntnis und Unterhaltsvereinbarungen entgegen zu nehmen. Der Unterschied zu einer diesbezüglichen Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund besteht lediglich in ihrer rechtlichen Wirkung:
2.1.1. Das JWG enthält keine normative Anordnung, derzufolge die Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund zur Beurkundung der genannten Rechtsverhältnisse verpflichtet wäre; dies spricht gegen die Meinung der Klägerin, wonach den Ländern im Bereiche des § 18 Z 3 JWG hoheitliche Funktionen, die in Vollziehung Bundessache wären, übertragen worden wären.
Von einer Übertragung hoheitlicher Aufgaben kann aber nicht gesprochen werden, wenn es im freien Handlungsspielraum der Bezirksverwaltungsbehörde liegt, ob sie die genannten Erklärungen beurkundet; dies spricht ganz im Gegenteil für ein privatautonomes Handeln der Bezirksverwaltungsbehörde im Rahmen der privatrechtlichen Landesverwaltung. Nähme die Bezirksverwaltungsbehörde - wie die Klägerin meint - tatsächlich hoheitliche Aufgaben im Bereich des § 18 Z 3 JWG wahr, wäre ein subjektiver Rechtsanspruch der privatrechtlich Erklärenden bzw. Vereinbarenden auf Beurkundung ihrer Erklärungen bzw. ihrer Vereinbarungen die logische Folge. Ein solcher ist jedoch der Sache nach wie auch nach dem Wortlaut des Gesetzes ausgeschlossen. Die Bezirksverwaltungsbehörde handelt ja nach dem klaren Wortlaut (vgl. § 163c Abs 1 Z 2 ABGB) 'in den Angelegenheiten des Vormundschaftswesens'. Das bedeutet insbes., daß sie nicht alle Anerkenntnisse der Vaterschaft beurkunden kann, sondern nur solche hinsichtlich ihrer Mündel.
2.1.2. Damit eine 'Beurkundung' als - hoheitlicher Verwaltungsakt qualifiziert werden könnte, müßte er das für einen Verwaltungsakt wesentliche Merkmal der Normativität aufweisen (Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2 465 ff, Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 269). Handelt es sich bei einer 'Beurkundung' nur um eine (behördliche) Bestätigung über Rechtsverhältnisse oder Tatsachen, fällt dieser Vorgang aus dem Begriff des Verwaltungsaktes heraus. Dadurch allein, daß nicht bestrittene Rechtsverhältnisse oder rechtlich relevante Tatsachen 'beurkundet werden', wird daher die beurkundende Person oder Organisationseinrichtung noch nicht zu einer Verwaltungsbehörde. Die gegenteile Auffassung der Klägerin ist unrichtig.
Letztlich bedürfte es im Gesetz nicht der ausdrücklichen Bestimmung der rechtlichen Wirkungen der im § 18 Z 3 JWG vorgesehenen Beurkundungen, würde diese Aufgabe von einer Verwaltungsbehörde in hoheitlicher Funktion wahrgenommen werden.
Die Beurkundungen durch die Bezirksverwaltungsbehörde nach § 18 Z 3 JWG als Amtsvormund stellen vielmehr öffentliche Urkunden über unstrittige Rechtsverhältnisse und -tatsachen des bürgerlichen Rechts dar; in den historischen Materialien wird deshalb auch von einem 'Pflegebuch' bzw. von einem 'Grundbuch' gesprochen, in welches die im Gesetz bezeichneten Erklärungen bzw. Vereinbarungen eingetragen werden. Ebenso geht aus der Entstehungsgeschichte der Amtsvormundschaft und ihres Wirkungskreises deutlich hervor, daß diese Einrichtung aufgrund der einschlägigen juristischen Ausbildung und der besonderen fachlichen Eignung ihrer Organe mit öffentlichem Glauben zur Beurkundung der gegenständlichen Erklärungen und Vereinbarungen betreffend bestimmte zivilrechtliche Rechtstatsachen und Rechtsverhältnisse - ausgestattet wurde. Gegen diese öffentlichen Urkunden des Zivilrechts, die jeglicher Normativität entbehren, ist allerdings der Beweis der Unrichtigkeit zulässig.
Da im Falle der Vaterschaftsfeststellung das Anerkenntnis nicht nur die Rechtsstellung des Anerkennenden, sondern auch jene anderer Personen - vor allem die des Kindes und der Mutter - berührt, versucht das Gesetz seine Richtigkeit besonders zu sichern. Es hat nur dann die feststellende Wirkung, wenn der Anerkennende von der Mutter - in bestimmten Fällen von der Mutter und dem Kind - als Vater bezeichnet wird (§163c Abs 2 ABGB).
Sechs Monate nach der Abgabe wird das Anerkenntnis allerdings ohne Rücksicht auf eine solche Bezeichnung wirksam. Dagegen besteht ein Widerspruchsrecht von Mutter und Kind (§164 Abs 1 Z 2 ABGB), das zur Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses führt.
Das Gericht, nicht die Bezirksverwaltungsbehörde, hat sodann von Amts wegen die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses festzustellen, wenn es den Formvorschriften des § 163c Abs 1 ABGB widerspricht, wenn es von einem Geschäftsunfähigen stammt, der Anerkennende nach dem Inhalt der Erklärung nicht Vater sein kann oder bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes festgestellt ist (§164 Abs 1 Z 1 ABGB; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts7, Seite 223).
Gleichermaßen kann die Unrichtigkeit einer Beurkundung betreffend die Leistung des Unterhalts gerichtlich geltend gemacht und bei Zutreffen behoben oder geändert werden.
Läge dagegen Hoheitsverwaltung vor, so müßten fehlerhaft beurkundete Vaterschaftsanerkenntnisse oder Unterhaltsvereinbarungen vom Amtsvormund (Bezirksverwaltungsbehörde) für unrichtig erklärt werden (Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 269).
Die Beurkundung nach § 18 Z 3 JWG stellt somit eine öffentliche Urkunde über ausschließlich zivilrechtliche Rechtstatsachen und Rechtsverhältnisse dar, die grundsätzlich lediglich den vollen Beweis dieser Tatsachen bzw. Verhältnisse begründet; konnte infolge der Strittigkeit dieser Rechtstatsachen bzw. -verhältnisse eine Beurkundung richtigerweise gar nicht vorgenommen werden oder werden die genannten Tatsachen oder Verhältnisse nach ihrer Beurkundung strittig, so ist die strittige Sache vom Gericht in einem förmlichen Erkenntnisverfahren autoritativ zu entscheiden. In diesem Verfahren stellt eine allfällige Beurkundung nach § 18 Z 3 JWG lediglich ein Beweismittel dar. Die Zuerkennung des öffentlichen Glaubens an eine solche Urkunde ist eine Begünstigung, die dem Amtsvormund gewährt wird, wenn er von der - ebenfalls - zur Vereinfachung und Kostenersparnis geschaffenen Befugnis - nicht Pflicht - der Bezirksverwaltungsbehörde, diese mit ihrer Tätigkeit als Amtsvormund in Verbindung stehenden Erklärungen zu beurkunden, Gebrauch macht.
Es wäre nicht sachgerecht, aus der zur Vereinfachung geschaffenen Befugnis der Bezirksverwaltungsbehörde, bestimmte mit der Tätigkeit als Amtsvormund im Zusammenhang stehende Erklärungen zu beurkunden (§18 Z 3 JWG, § 163c Abs 1 Z 2 ABGB), auf eine hoheitliche Stellung für ihren Tätigkeitsbereich als gesetzlicher Vertreter zu schließen. Damit ergibt sich aber, daß § 18 JWG auch in verfassungskonformer Weise dahingehend ausgelegt werden muß, daß - aus Gründen des Privatrechtes - eine Sonderstellung des Amtsvormundes und des Amtssachwalters gerechtfertigt ist. Somit ist es nicht nötig, § 18 JWG mit dem verfassungswidrigen Ergebnis dahin zu interpretieren, daß eine Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlicher Vertreter eines minderjährigen Kindes gleichzeitig auch hoheitliche Aufgaben besorgt.
2.1.3. Wäre die Bezirksverwaltungsbehörde in der Beurkundungsfunktion mit den Mitteln der Hoheitsverwaltung tätig, so ergäbe sich daraus, daß der Normunterworfene es in der Hand hätte, ob er für die Anerkennung der Vaterschaft den Vollziehungsbereich der Gerichtsbarkeit oder den der (Hoheits-) Verwaltung wählt.
Eine solche Interpretation verbietet sich nach dem Trennungsgrundsatz des Art 94 B-VG, der vorsieht, daß die Angelegenheiten der Vollziehung bestimmter Rechtsmaterien entweder dem Gericht oder der hoheitlichen Verwaltung zugewiesen werden. Dieser Gegensatz ist kontradiktorischer Natur. Die Deutung des § 18 Z 3 JWG als hoheitliche Verwaltungsangelegenheit würde gegen den Trennungsgrundsatz verstoßen.
Von diesem Grundsatz wird nur in den Fällen der sukzessiven Kompetenz eine Ausnahme gemacht. Im Bereich des § 18 Z 3 JWG liegt aber auch keine sukzessive Kompetenz vor. Dies ergibt sich aus dem Gesetz, weil dieses nicht anordnet, daß mit der Anrufung des Gerichtes die verwaltungsbehördliche Beurkundung der Vaterschaftsfeststellung und der Unterhaltsvereinbarungen außer Kraft tritt. Im übrigen geht aus den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage des BG vom , BGBl. Nr. 194, 9 BlgNR, III. GP, S 3 hervor: 'Bei Entscheidung über ein Ersuchen um Abhilfe gegen Verfügungen der Berufsvormundschaft handelt es sich um die Überprüfung der von der Vormundschaft getroffenen Anordnungen jeder Art, und zwar nicht im Sinne einer instanzmäßigen Entscheidung über ein Rechtsmittel, sondern ebenso wie bei Beschwerden gegen Einzelvormünder, um eine erstinstanzliche Verfügung des Gerichtes in Ausübung der pflegschaftsbehördlichen Obsorge, so daß die Möglichkeit, das Pflegschaftsgericht anzurufen, in demselben Umfang erhalten bleibt, wie dies nach geltendem Recht der Fall ist.'
2.1.4. Für den Fall eines Zuständigkeitsstreites mehrerer Bezirksverwaltungsbehörden betreffend ein Vaterschaftsanerkenntnis oder eine Unterhaltsvereinbarung, müßten, wenn Hoheitsverwaltung vorläge, die Regeln der §§4 und 5 AVG angewendet werden. Aus dem § 17 JWG ergibt sich aber die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts zur Entscheidung. Die Erläuterungen der RV 140, BlgNR VII. GP führen dazu aus: 'Daß im Falle des Streites zwischen Bezirksverwaltungsbehörden über die Weiterführung der Amtsvormundschaft das zuständige Vormundschaftsgericht zu entscheiden haben wird, ist etwas durchaus Natürliches und widerspricht keineswegs dem Grundsatz der Gewaltentrennung. Denn die Bezirksverwaltungsbehörde tritt hier nicht als Verwaltungsbehörde, sondern als Vormund des bürgerlichen Rechts auf. Sie hat also gegenüber dem Vormundschaftsgericht eine richtige Parteistellung.'
2.2. Die Entscheidung des VwGH vom 20. Feber 1958, Slg. 4611/57, die die Erlassung eines Ladungsbescheides an den mutmaßlichen unehelichen Vater zum Gegenstand hatte, ist vereinzelt geblieben und ist im übrigen durch die weitere Rechtsentwicklung überholt.
2.3. Im bereits erwähnten Erkenntnis des , in dem die Tätigkeit der Amtsvormundschaft grundsätzlich als eine privatrechtliche qualifiziert wurde, führte der VfGH u.a. auch aus (vgl. Erkenntnis Seite 15f):
'Daß der Amtsvormund (Amtskurator) ungeachtet seiner privatrechtlichen Stellung auch noch mit gewissen hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist (vgl. schon Bartsch, aaO Seite 1012, zur Generalvormundschaft), ändert nicht nur - wie die Bundesregierung treffend bemerkt - nichts an seiner grundsätzlich privatrechtlichen Stellung, sondern zwingt den Gesetzgeber auch nicht, seine Tätigkeit insgesamt im Bereich der Hoheitsverwaltung anzusiedeln. Der österreichischen Rechtsordnung ist die Erscheinung, daß dasselbe staatliche Organ im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auftritt, das im Rahmen der Hoheitsverwaltung zur Entscheidung berufen ist, nicht fremd.'
Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Amtsvormundschaft ergeben sich jedoch nach Auffassung des Bundes für die hier maßgebliche Frage der 'Hoheitsverwaltung' - insbes. im Zusammenhang mit dem § 18 Z 3 JWG - keine Anhaltspunkte (vgl. hiezu die Beilage A).
2.4. Für den Fall, daß die unter Punkt 2.1. bis Punkt 2.3. vorgebrachten Argumente und Schlußfolgerungen nicht zutreffen sollten, wäre hinsichtlich der behördenorganisatorischen Einordnung allfälliger im Rahmen der Hoheitsverwaltung abgewickelter Tätigkeiten der Bezirksverwaltungsbehörden als Amtsvormund folgendes festzuhalten: Eine Interpretation des JWG, die bestimmte Regelungen (etwa der 'Beurkundung' gem. § 18 Z 3 JWG) als von der Bezirksverwaltungsbehörde als mit imperium ausgestattete 'Behörde' zu besorgende Angelegenheit auffaßt, dürfte nur verfassungskonform, also insbes. unter Beachtung der Regelungen der Art 20 und 102 f B-VG erfolgen. D.h., die Bezirksverwaltungsbehörden müßten als in den Weisungszusammenhang Bezirksverwaltungsbehörde - Landeshauptmann - zuständiger Bundesminister eingebunden angesehen werden. In diesem Falle wären also die Bezirksverwaltungsbehörden im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig; - einem 'mittelbaren Verwaltungsverhältnis' im Sinne VfSlg. 9507, für welches die Kostentragungsregelung des § 2 F-VG in spezifischer Weise zu interpretieren ist (vgl. hiezu Pkt. 4.2.). Es ist allerdings nochmals darauf hinzuweisen, daß die Annahme, die 'Beurkundung' gem. § 18 Z 3 JWG erfolge im Rahmen der Hoheitsverwaltung, jedenfalls die Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen Art 94 B-VG impliziert (vgl. Pkt. 2.1.3.).
3. Die Bezirksverwaltungsbehörden als Amtsvormund werden im Bereiche der Privatwirtschaftsverwaltung der Länder bzw. Statutarstädte tätig. Diese Tätigkeit ist funktionell diesen Gebietskörperschaften zuzurechnen und wird durch deren Organe durchgeführt.
3.1. Die Frage, für welchen Rechtsträger die Bezirkverwaltungsbehörde diesfalls einschreitet, war lange nicht geklärt. Die überwiegende Lehre (Edlbacher, ÖJZ 1954, S. 70; Edlbacher, Der österreichische Amtsvormund 1974, S. 80f; Beitner, JBl. 1957 S. 33ff; Pichler, in: Rummel, ABGB I S 227; anderer Ansicht nur Wenzel, ÖJZ 1954, S. 472) vertrat hiezu stets die Auffassung, daß es sich um eine Angelegenheit der Landesverwaltung handelt, die Bezirksverwaltungsbehörde funktionell also als Landesorgan tätig werde. Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch der OGH angeschlossen (, 6 Ob 533/86 = RZ 1986, S. 472) und ausgeführt, daß Rechtsträger, für den die Bezirksverwaltungsbehörde einschreitet, das Land (bzw. eine Statutarstadt) ist. Es ist daher festzuhalten, daß die Argumentation der Klagsschrift im Gegensatz zur Judikatur des Obersten Gerichtshofes steht.
In der Klage wird gegen diese Auffassung vorgebracht, daß die Bezirksverwaltungsbehörde in einer Angelegenheit einschreite, 'welche in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist', und daraus abgeleitet, daß es sich um Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes handle. Damit wird offenbar darauf Bezug genommen, daß die Kompetenzgrundlage des zweiten Teiles des JWG Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG ist. Diese Überlegung verkennt jedoch, daß es für die Frage, welchem Rechtsträger eine in einem Gesetz vorgesehene privatrechtliche Tätigkeit einer Behörde zuzurechnen ist, nicht darauf ankommt, welcher Rechtsträger zur Gesetzgebung und zur hoheitlichen Vollziehung in den betroffenen Angelegenheiten kompetent ist (so schon Edlbacher, ÖJZ 1955, S. 72). Sofern eine hoheitliche Vollziehung des zweiten Teiles des JWG vorgesehen sein sollte, müßte es sich nach Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG um Bundesvollziehung handeln.
Wenn in der Klage ausgeführt wird, daß zur Vollziehung von Angelegenheiten des Zivilrechtes der Bund berufen ist, so wird dabei wesentliches übersehen: Die Bundesvollziehung in Angelegenheiten des Zivilrechtswesens wird in der Regel dadurch vorgenommen, daß der Bund Gerichte zur Verfügung stellt, die die auf dem Zivilrecht fußenden Rechtsstreitigkeiten entscheiden. Die Rechtssubjekte des Zivilrechtes wenden das Zivilrecht zwar an, man kann sie aber nicht als Vollzugsorgane bezeichnen, sonst käme man zum Ergebnis, daß die Eltern als zur Pflege, Erziehung, gesetzlichen Vertretung und Vermögensverwaltung ihres Kindes Berufene - allgesamt Aufgaben, die ihnen kraft Gesetzes übertragen sind - Vollziehungsaufgaben des Bundes besorgen. Auch gesetzliche Vertreter sind nicht Hilfsorgane des Pflegschaftsgerichtes, das ja selbst keine Vertretungshandlungen setzen kann.
Es ist somit durchaus zulässig, daß der Bund in einem Gesetz, das er hoheitlich zu vollziehen hat, einem anderen Rechtsträger (Land, Gemeinde) Rechte und Pflichten auferlegt, z. B. eine Organparteistellung einer Landesbehörde begründet. Soweit nun Organe dieses anderen Rechtsträgers einschreiten und die ihnen zukommenden Rechtspositionen ausüben, handeln sie privatwirtschaftlich, aber eben nicht für den Bund, sondern für 'ihren' Rechtsträger. In diesen Fällen wird etwa das Land wie ein Privater tätig - z.B. als Partei im Verfahren -, die hoheitliche Vollziehung obliegt jedoch dem Bund (vgl. dazu grundlegend Mayer, JBl. 1982, S 118).
Gegen die in der Klagsschrift vorgebrachte Auslegung des JWG, wonach es sich bei der Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund um Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes handle, spricht allein schon, daß diese Auslegung das Gesetz, wie auch in der Klagsschrift selbst zugestanden wird, mit Verfassungswidrigkeit belasten würde. Nach Art 104 Abs 1 B-VG ist die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes unmittelbar durch Bundesorgane zu vollziehen, eine Übertragung auf die Länder ist nur nach Art 104 Abs 2 B-VG durch den zuständigen Bundesminister zulässig (vgl. VfSlg. 4329, 5171, 10477), eine Übertragung solcher Aufgaben unmittelbar durch BG wäre daher verfassungswidrig. (Auf die Frage, ob Art 104 Abs 2 B-VG die Übertragung aller Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes auf die Länder oder nur die Übertragung der Verwaltung des Bundesvermögens ermöglicht, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Geht man - wie in der Klagsschrift - von letzterer Auffassung aus, dann wäre eine weitergehende Übertragung von Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes auf die Länder durch BG schon aus diesem Grund verfassungswidrig).
Die in der Klagsschrift vertretene Auslegung des JWG ist daher schon im Hinblick auf den Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation abzulehnen (vgl. z.B. VfSlg. 8011). Dieser Auslegung könnte nur dann gefolgt werden, wenn eine andere - verfassungskonforme - Auslegung des JWG nicht möglich wäre.
Eine solche verfassungskonforme Auslegung ist aber zwanglos möglich:
Wie bereits mehrfach ausgeführt, wird durch die Regelungen des JWG der Bezirksverwaltungsbehörde die Wahrnehmung bestimmter subjektiver Rechte für das Land übertragen, insbesondere eine Organparteistellung im pflegschaftsgerichtlichen Verfahren begründet. Eine solche Regelung in einer Angelegenheit des Art 10 B-VG ist deshalb möglich, weil die dem Land zuzurechnende Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde eben nicht eine hoheitliche, sondern nur eine privatrechtliche ist; die Kompetenzverteilung der Art 10 bis 15 B-VG bezieht sich aber nur auf die hoheitliche Vollziehung. Ein privatwirtschaftliches Einschreiten eines Landes in einer Angelegenheit, die hoheitlich vom Bund zu vollziehen ist, steht daher nicht im Konflikt mit der Aufteilung der hoheitlichen Vollzugsagenden auf Bund und Länder (vgl. schon Mayer, JBl. 1982, S 118).
Aus diesen Überlegungen erhellt, daß es sich - entgegen den Ausführungen in der Klagsschrift und mit der herrschenden Lehre und dem OGH - bei der Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund um Privatwirtschaftsverwaltung des Landes handelt. Eine Auslegung des JWG, wonach es sich um Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes handle, stünde nicht nur in einem gewissen Widerspruch mit dem aus den Erläuterungen erkennbaren Willen des Gesetzgebers, sondern wäre außerdem mit Verfassungswidrigkeit belastet.
3.2. Weiters weist auch die Entstehungsgeschichte der Amtsvormundschaft (vgl. Beilage A) deutlich auf die Zuordnung der Tätigkeit der Amtsvormundschaft zum autonomen Wirkungsbereich der Länder bzw. selbständigen Wirkungsbereich der Statutarstädte hin.
4. Die Kosten der Länder und Statutarstädte für die Tätigkeiten der Bezirksverwaltungsbehörden als Amtsvormund sind zur Gänze von diesen Gebietskörperschaften zu tragen.
4.1. Gem. § 2 F-VG haben die Gebietskörperschaften jenen Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt, zu tragen, soferne die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt. Im Sinne VfSlg. 9507, Seite 106 f, ist zunächst davon auszugehen, daß die Gemeinden jene Aufgaben, die sie im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung abwickeln, zur Gänze aus eigenen Mitteln zu finanzieren haben (gem. Art 118 Abs 2 i.V.m. 116 Abs 2 B-VG zählen die Privatwirtschaftsangelegenheiten der Gemeinde zum eigenen Wirkungsbereich; diese Angelegenheiten sind somit jedenfalls 'Aufgaben' der Gemeinden im Sinne des § 2 F-VG). Für die Länder gelten die gleichen Überlegungen hinsichtlich der von ihnen mit Mitteln des Privatrechtes im selbständigen Wirkungsbereich zu besorgenden Angelegenheiten.
4.2. Sofern die Bezirksverwaltungsbehörden im Rahmen der Angelegenheiten der Amtsvormundschaft auch hoheitliche Aufgaben zu erfüllen hätten, wären diese als im Rahmen eines 'mittelbaren Verwaltungsverhältnisses', nämlich der mittelbaren Bundesverwaltung (Art102 B-VG), erbracht anzusehen. Gem. VfSlg. 9507 ist im Rahmen solcher 'mittelbarer Verwaltungsverhältnisse' der Amtssach- und Personalaufwand von der jeweils beauftragten Gebietskörperschaft, also im vorliegenden Falle von den Ländern bzw. Statutargemeinden - zu tragen.
4.3. Ausgehend von diesen Kostentragungsverhältnissen hat der Finanzausgleichsgesetzgeber seit der Geltung des JWG (und auch davor) bei der Verteilung der Finanzausgleichsmasse implizit stets auch die durch das Bestehen von Amtsvormundschaften verursachten Kosten mitberücksichtigt. Dementsprechend wurden bei der Vorbereitung und Paktierung der Finanzausgleichsgesetze seit 1948 weder von einem Land noch von einer Gemeinde höhere Dotierungen im Rahmen des Finanzausgleichs aus dem Titel 'Kosten der Amtsvormundschaft' verlangt. Ebenso haben die Länder und Gemeinden niemals vom Bund gefordert, legislative Maßnahmen im Hinblick auf die Ausdehnung der Belohnungsregeln des ABGB auf die Amtsvormundschaft zu setzen. Weiters ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß niemals - auch nicht im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Regierungsvorlage eines BG über zivilrechtliche Bestimmungen zur Förderung der Jugendwohlfahrt (RV 172 BlgNR 17. GP) - von auch nur einem Bundesland Widerstand dagegen geleistet wurde, die Aufgaben der Amtsvormundschaft oder einer ähnlichen Tätigkeit im Bereich der gesetzlichen Vertretung minderjähriger unehelicher Kinder zu übernehmen; es wurde vielmehr im Gegenteil von den Ländern übereinstimmend die Beibehaltung einer den Zielen der Amtsvormundschaft entsprechenden Rechtseinrichtung gefordert. Der Bund konnte daher seit jeher davon ausgehen, daß die Kosten der Amtsvormundschaft von den Ländern und Gemeinden getragen werden und daß die diesen Gebietskörperschaften im Finanzausgleich zur Verfügung gestellten Mittel auch zur Bedeckung dieser Kosten verwendet werden und ausreichen.
Darüberhinaus ist auf folgende finanzielle Implikationen der Einrichtung des Institutes der Amtsvormundschaft hinzuweisen:
Das Land Steiermark behauptet, daß im Jahre 1984 ein Gesamtpersonalaufwand von rd. 25 Mio. S durch die Amtsvormundschaft im Land Steiermark verursacht wurde. Diesem angeblichen Ausgabenanfall kann entgegengehalten werden, daß der Bund im gleichen Zeitraum rd. 66,5 Mio. S an Unterhaltsvorschüssen im Bereiche des Landes Steiermark ausgezahlt und rund 29 Mio. S im gleichen Zeitraum zurück erhalten hat. Insgesamt - seit bis wurden im Bereich Steiermark rd. 569 Mio. S an Unterhaltsvorschüssen ausbezahlt und nur rd. 216 Mio. S zurückbezahlt; der Bund hat somit rd. 353 Mio. S für die Versorgung minderjähriger Kinder in der Steiermark aufgewendet. Die Einrichtung der Amtsvormundschaft und der Amtssachwalterschaft - verbunden mit dem Rechtsinstitut der Unterhaltsbevorschussung - ist daher darauf gerichtet, Notsituationen minderjähriger Kinder dadurch einzuschränken, daß (bei unehelichen Kindern) die Vaterschaft festgestellt wird, (bei allen in Betracht kommenden Kindern) Unterhaltsansprüche durchgesetzt und gegebenenfalls (vom Bund) bevorschußt werden. Es läßt sich ohne Übertreibung sagen, daß hiedurch in einer großen Anzahl von Fällen das Erfordernis wegfällt, Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen, für die das Land (bzw. die Gemeinden) aufzukommen hätten. Verkürzt gesagt, handelt es sich bei der Amtsvormundschaft somit um eine Einrichtung, die zwar Kosten im Bereich der Länder (bzw. Statutarstädte) verursacht, jedoch auf Kostenvermeidung im Bereich der Sozialhilfe abgestellt ist. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß das Land Steiermark die Kosten für die Amtsvormundschaft dadurch hätte senken können, daß es die Mütter seiner Mündel auf die in § 198 Abs 2 ABGB vorgesehene Möglichkeit, sie zum Vormund ihres Kindes zu bestellen, hinweisen hätte können. Die verhältnismäßig hohe Zahl von Amtsvormundschaften im Verhältnis zu den Amtssachwalterschaften läßt vielmehr darauf schließen, daß das Land Steiermark Amtsvormundschaften 'gehortet' hat.
4.4. Die Höhe der geltend gemachten Kosten kann anhand der in der Klage gemachten Angaben nicht überprüft werden; sie wird daher bestritten.
II. Namens des Bundes beantragt das BMF daher, der VfGH möge
a) die Klage sowohl im Leistungs- als auch im Feststellungsbegehren kostenpflichtig abweisen und
b) der klagenden Partei den Ersatz der Prozeßkosten des Bundes auferlegen."
C. Das klagende Land Steiermark erstattete dazu eine Replik, in der es seinen Standpunkt aufrecht erhält und bekräftigt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach Art 137 B-VG erkennt der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Das klagende Land macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen die Republik Österreich (richtig: gegen den Bund) geltend und beruft sich dabei auf § 2 F-VG 1948.
Über diesen - vermögensrechtlichen - Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden; es existiert auch keine Norm, nach der dieser Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen wäre (vgl. zB VfSlg. 9507/1982).
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Klage zulässig.
2. Sie ist jedoch nicht begründet:
a) Das Jugendwohlfahrtsgesetz, BGBl. 99/1954, (JWG) enthält im zweiten Teil unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht. Dem in diesem Teil eingegliederten § 16 zufolge wird die Bezirksverwaltungsbehörde Vormund in den durch die folgenden Bestimmungen vorgesehen Fällen (Amtsvormundschaft).
Die hier strittige Frage ist, wer die Kosten für die Besorgung dieser Tätigkeit zu tragen hat, nämlich der Bund, die Länder oder die Städte mit eigenem Statut. Eine ausdrückliche Regelung dieser Frage durch Gesetz fehlt.
b) Nach § 2 F-VG 1948 tragen "der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften ..., sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt".
§ 2 F-VG 1948 enthält eine umfassende finanzausgleichsrechtliche Regel. Aus dem Zusammenhalt seiner §§2 und 4 ergibt sich eindeutig, daß das F-VG 1948 den Begriff der öffentlichen Verwaltung aufgabenbezogen, (d.h. zweckbezogen) versteht und daß daher zu den kostenschaffenden Aufgaben iS des § 2 F-VG 1948 sowohl die hoheitlichen Aufgaben als auch jene privatwirtschaftlichen Verwaltungshandlungen gehören, mit denen ein im öffentlichen Interesse gelegener Zweck verfolgt werden soll (vgl. VfSlg. 3033/1956, 4072/1961, 6761/1972, 7875/1976; siehe Wenger/Höss, Juristische Grundlagen der Verwaltungsorganisation und Aufgabenverteilung in: Matzner (Hrsg.), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich, Wien 1977, S 54 f., und die dort zitierte weitere Judikatur; Ermacora, Über die bundesstaatliche Kostentragung gemäß § 2 F-VG, Wien 1979, S 19; Pernthaler, Österreichische Finanzverfassung, Wien 1984, S 153).
Daraus folgt, daß die Kostentragungsregel des § 2 F-VG auch für den ganzen bei Führung der Amtsvormundschaft (einer zumindest auch im öffentlichen Interesse liegenden Angelegenheit) anfallenden Aufwand gilt; dies unabhängig davon, ob diese Tätigkeit im Rahmen der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung ausgeübt wird. (Die Verfahrensparteien beziehen übereinstimmend grundsätzlich die letztere Position; lediglich die Entgegennahme der Erklärung über die Anerkennung der Vaterschaft und dgl. gemäß § 18 Z 3 JWG wird vom klagenden Land als Hoheitsverwaltung angesehen. Vgl. hiezu VfSlg. 11492/1987).
c) Dem § 2 F-VG zufolge haben der Bund, die Länder und die Gemeinden den aus der Besorgung ihrer Aufgaben (wozu auch wie ausgeführt - die im öffentlichen Interesse in Form der Privatwirtschaftsverwaltung besorgten Agenden gehören) ergebenden Aufwand zu tragen, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt; eine solche Sonderregelung besteht hier nicht.
Wie der VfGH bereits im Erkenntnis VfSlg. 9507/1982 dargetan hat, haben alle Gebietskörperschaften den Aufwand für die Besorgung "ihrer Aufgaben" also grundsätzlich endgültig selbst zu tragen; "ihre Aufgaben" sind jene, zu deren Besorgung eine Gebietskörperschaft von Rechts wegen gehalten ist, auch wenn sie sie für eine andere Gebietskörperschaft führt. Das gilt auch für im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung besorgte Aufgaben.
d) Rechtsträger der mit der Führung der Amtsvormundschaft beauftragten Bezirksverwaltungsbehörden sind die Länder und die Städte mit eigenem Statut. Diese Gebietskörperschaften haben dem § 2 F-VG 1948 zufolge mithin den sich aus der Besorgung dieser Aufgaben ergebenden Aufwand endgültig selbst zu tragen.
Das Klagebegehren war daher abzuweisen.
3. Dem obsiegenden Bund waren keine Kosten zuzusprechen, weil er Kosten zwar begehrt, aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hatte (vgl. VfSlg. 9280/1981). Wohl besagt § 27 VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 297/1984, daß "regelmäßig anfallende Kosten, insbesondere für den Antrag (die Beschwerde) und für die Teilnahme an Verhandlungen, nicht ziffernmäßig verzeichnet werden" müssen, doch bezieht sich diese Ergänzung des Gesetzes durch die Nov. 1984 nach Wortlaut und Sinngehalt nicht auf Klagen nach §§37 ff VerfGG 1953 (vgl. VfSlg.10968/1986).