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OGH vom 25.01.2011, 8ObA91/10f

OGH vom 25.01.2011, 8ObA91/10f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter (§ 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** S*****, vertreten durch Tinzl Frank Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, wegen 164.640 EUR sA, aufgrund des „Rekurses“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 85/10b 12, mit dem der Rekurs der klagenden Partei gegen das als Beschluss zu behandelnde „Urteil“ des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 48 Cga 71/10x 7, als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Verfahren betrifft Ersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten als früheren angestellten Alleingeschäftsführer. Sie wirf ihm vor, mit seiner früheren Lebensgefährtin ein Konkurrenzunternehmen gegründet und Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Klägerin ausgenützt, deren Erfolgskonzept übernommen und Kunden der Klägerin abgeworben zu haben.

Bereits im Vorverfahren zu AZ 48 Cga 16/07t des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht machte die Klägerin mit weitestgehend identischer Begründung Schadenersatzansprüche unter anderem gegen den Beklagten (im dortigen Verfahren als Viertbeklagten) geltend. Im Vorverfahren wurde das gegen den (hier) Beklagten erhobene Zahlungs- und Feststellungsbegehren mit Teilurteil vom mangels Vorliegens eines Gesellschafterbeschlusses nach § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG rechtskräftig abgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren wies das Erstgericht das Klagebegehren in der Entscheidungsform eines Urteils ab. Nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie sei derselbe Streitgegenstand wie im Vorverfahren zu AZ 48 Cga 16/07t des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht gegeben. Das Vorliegen einer bereits rechtskräftigen Entscheidung in derselben Sache stelle so wie die Streitanhängigkeit eine negative Prozessvoraussetzung dar, die einer neuerlichen Klage und einer weiteren Sachentscheidung des Gerichts entgegenstehe.

Das Rechtsmittelgericht wies die innerhalb der 4 wöchigen Berufungsfrist, aber außerhalb der 14 tägigen Rekursfrist eingebrachte „Berufung“ der Klägerin als verspätet zurück. Mangle es an einer Prozessvoraussetzung, so müsse dies zur Zurückweisung der Klage mit Beschluss führen. Für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliege, sei allein die vom Gesetz vorgesehene Form der Entscheidung maßgebend. Dementsprechend bestimme sich auch die Anfechtbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung nach der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsform, wobei das Vergreifen in der Entscheidungsform auch die gesetzliche Rechtsmittelfrist nicht beeinflusse. Die von der Klägerin erhobene „Berufung“ sei demnach als Rekurs zu behandeln, für den gemäß § 521 Abs 1 ZPO idF der ZVN 2009 eine Rekursfrist von 14 Tagen gelte. Die als Rekurs zu wertende Berufung sei verspätet erhoben worden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Entscheidung keinen Anwendungsfall des § 528 Abs 1 ZPO darstelle.

Gegen diese Entscheidung stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist und erhob gleichzeitig ein als „(Voll )Rekurs“ bezeichnetes Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss auf Zurückweisung ihrer „Berufung“ aufzuheben und dem Erstgericht, in eventu dem Rechtsmittelgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen.

Mit seiner am erstatteten Rekursbeantwortung beantragte der Beklagte, dem Rekurs der Klägerin den Erfolg zu versagen.

Der Akt wurde dem Obersten Gerichtshof (im Weg des Rechtsmittelgerichts) am zur Entscheidung über den „Rekurs“ vorgelegt. Bereits mit Beschluss vom , GZ 48 Cga 71/10x 16, bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist (Rekursfrist) gegen das Urteil (richtig den Beschluss) des Erstgerichts vom (ON 7).

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sind nicht gegeben.

1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Wirksamkeit von Parteihandlungen in beschränktem Umfang von Bedingungen abhängig gemacht werden darf, wenn die Bedingung an in einem bereits eingeleiteten Verfahrensabschnitt eintretende Tatsachen oder Vorgänge geknüpft ist (RIS Justiz RS0006429; RS0037502). Dementsprechend steht es jeder Partei frei, dem Gericht eine Reihenfolge der Erledigung ihrer Sach oder Rechtsmittelanträge durch die Bezeichnung als Haupt- und Eventualanträge vorzugeben. Nimmt eine Partei keine ausdrückliche Reihung ihrer Anträge vor, so ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich zunächst über das den weitergehenden Schutz gewährende Rechtsmittel zu entscheiden (vgl 1 Ob 254/09y mwN).

Eventualbegehren und Eventualanträge werden nur für den Fall erhoben, dass dem zuvor gereihten Hauptbegehren bzw Hauptantrag nicht stattgegeben wird. Die Partei, die ihrem Hauptantrag einen oder mehrere Eventualanträge beifügt, gibt somit zu erkennen, dass ihr Rechtsschutzziel durch positive Erledigung des vorgereihten Antrags erreicht ist und sie nur für den Fall der Abweisung die Entscheidung über den Eventualantrag anstrebt (RIS Justiz RS0006429). Hat eine Partei neben dem Hauptantrag noch Eventualanträge gestellt, so ist ihr das Beschwerdeinteresse demnach dann abzusprechen, wenn sie mit dem Hauptantrag erfolgreich war (vgl RIS Justiz RS0037615); die für die Eventualanträge gesetzte Bedingung der Abweisung des Hauptantrags ist nicht eingetreten.

2. Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zwar aus, dass sie die Entscheidung über die Reihung der beiden von ihr erhobenen Rechtsbehelfe (Wiedereinsetzungsantrag und „Vollrekurs“) dem Erstgericht überlasse. Allerdings bringt sie gleichzeitig unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht anstrebt, sollte ihrem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werden. Die vorrangige Entscheidung über den einfacheren Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung bezeichnet sie als „prozessökonomischer“.

Der an den Obersten Gerichtshof erhobene „(Voll )Rekurs“ ist jedenfalls im Verhältnis zu einem positiv erledigten Wiedereinsetzungsantrag somit als Eventualantrag zu qualifizieren. Da das Erstgericht dem Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom (ON 16) bereits stattgegeben hat, ist der Eventualantrag auf Entscheidung über den „(Voll )Rekurs“ nicht wirksam geworden.

Der Akt war daher dem Erstgericht zurückzustellen, das nunmehr den mit dem bewilligten Wiedereinsetzungsantrag nachgeholten Rekurs der Klägerin samt der Rekursbeantwortung des Beklagten vom dem Rekursgericht vorzulegen haben wird.