OGH vom 18.05.2022, 13Os28/22z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Gsellmann in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 79 Hv 85/21p82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I) sowie je eines Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (II) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 und 15 StGB (III) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – am in V*
(I) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe * S* fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Mobiltelefon, eine Brieftasche „samt Bankomatkarte“ und Kopfhörer, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er mit einem unbekannten Täter, der sich in der Folge zum Eingreifen bereithielt (§ 12 dritter Fall StGB), auf S* zuging, den Genannten am Nacken packte (US 3), ihm ein Messer an den Hals hielt und Geld forderte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag des Angeklagten auf Einholung eines „medizinischen Sachverständigengutachtens“ zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „aufgrund seiner Beeinträchtigung im Bereich der rechten Hand nicht in der Lage ist, ein Messer zu halten“ (ON 81 S 8), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 81 S 8 f).
[5] Denn der Antrag machte nicht klar, weshalb dieses Beweisthema in Anbetracht der Aussage des Zeugen S*, er könne „nicht genau sagen, mit welcher Hand der Angeklagte das Messer gehalten hat“ (ON 81 S 6), und jener des Angeklagten, wonach er ein Messer mit der linken Hand „festhalten“ könne (ON 81 S 3), für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte (RISJustiz RS0118444 [T2]).
[6] Im Rechtsmittel nachgetragene Ausführungen zur Antragsfundierung haben mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).
[7] Indem die Mängelrüge (Z 5) die Überzeugung der Tatrichter von der Unglaubwürdigkeit der Aussage des Angeklagten (US 5 f) bekämpft, verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen (vgl RISJustiz RS0106588 [insbesondere T4, T12 und T13]).
[8] Da eine Zeugenvernehmung nach § 154 Abs 1 StPO nur Wahrnehmungen von Tatsachen zum Gegenstand hat, scheiden subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge als Inhalt des Zeugenbeweises aus (RISJustiz RS0097540; Kirchbacher/Keglevic, WKStPO § 154 Rz 7 f). Demzufolge geht der Einwand fehlender Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Einschätzungen des Zeugen S* zu einem hypothetischen Geschehensablauf von vornherein ins Leere.
[9] Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen den Feststellungen zur objektiven (US 3) und jenen zur subjektiven Tatseite (US 3 f). Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen nämlich nur dann, wenn sie nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können (Ratz,WKStPO § 281 Rz 438), was hier keineswegs der Fall ist.
[10] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) orientiert sich mit der Behauptung rechtsfehlerhafter Verneinung des besonderen Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 13 StGB prozessordnungswidrig nicht an den dazu getroffenen, gegenteiligen Konstatierungen (US 3 f, RISJustiz RS0099724).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen
Hinzugefügt sei:
[12] Unbare Zahlungsmittel (§ 74 Abs 1 Z 10 StGB), wie die vom Schuldspruch I umfasste Bankomatkarte, können nur dann Tatobjekt des Raubes sein, wenn sie über eine aktivierte Quick-Chip-Funktion verfügen und ihnen damit Wertträgereigenschaft zukommt (Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 11 und 16 mwN, RISJustiz RS0093750 [T4 und T5]), wozu im Urteil keine Feststellungen getroffen wurden. Mit Blick auf die gleichzeitig abgenötigten elektronischen Geräte und eine Brieftasche wirkt dieser Rechtsfehler jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten (Ratz, WKStPO § 281 Rz 522 und § 282 Rz 15 ff; RISJustiz RS0120128, RS0118720 [insbesondere T4] sowie RS0117261), sodass insoweit kein Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO gegeben ist.
[13] Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00028.22Z.0518.000 |
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