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VfGH vom 24.09.2019, A10/2019

VfGH vom 24.09.2019, A10/2019

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Ersatz geleisteter Verfahrenskosten auf Grund bereits erfolgter Rückzahlung durch das Land Tirol; Zuspruch von Zinsen ab dem Zeitpunkt des Verzugs; kein Ersatz der Prozesskosten vor dem VfGH mangels Obsiegens im größeren Teil der Forderung

Spruch

I.Das Land Tirol ist schuldig, dem Kläger zuhanden seines Rechtsvertreters Zinsen iHv € 13,59 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Klage, Sachverhalt und Vorverfahren

1.Gestützt auf Art 137 B-VG, begehrt der Kläger, das Land Tirol schuldig zu erkennen, den Betrag von € 2.000,– samt 4 % Zinsen seit dem sowie den Ersatz der Prozesskosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

2.Begründend führt der Kläger hiezu aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , Ra 2017/17/0352, Spruchpunkt 2. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2015/30/1328-7, mit welchem der Kläger zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages iHv € 2.000,– verpflichtet worden sei, aufgehoben. Die Landespolizeidirektion Tirol habe in Verkennung dieser Aufhebung den Betrag dennoch als offene Forderung betrachtet und mit Schreiben vom (unter anderem auf Grund dieser Forderung) die zwangsweise Vorführung des Klägers zum Strafantritt veranlasst. Im Hinblick auf diese Vorführung habe der Kläger am die Forderung – unter mündlichem Hinweis auf deren Unrechtmäßigkeit – zwar bei der Polizeiinspektion Innsbruck bezahlt, den Betrag sodann aber mit Eingabe vom bei der Landespolizeidirektion Tirol zurückgefordert, wobei eine Zahlungsfrist bis zum gesetzt worden sei. Nachdem auch eine zweite Aufforderung des Klägers vom mitsamt einer Klagsandrohung gemäß Art 137 B-VG erfolglos geblieben sei, sehe sich der Kläger zur Beitreibung der Forderung vor dem Verfassungsgerichtshof genötigt.

3.Mit Schriftsatz vom erstattete die beklagte Partei eine Äußerung, in der sie Folgendes auf das Klagsbegehren erwidert:

"II.

Aus dem Aktenvorgang der Landespolizeidirektion Tirol zum Strafverfahren gegen den Kläger zu Zl VStV/916301733652/2016 ergibt sich Folgendes:

Wie in der Klage vorgebracht, hat der rechtsfreundliche Vertreter des Klägers am einen Betrag von EUR 24.898,50 in bar bei der Landespolizeidirektion Tirol eingezahlt (siehe lfd. Nr 5 des Aktenverzeichnisses). In diesem Betrag war unter anderem der Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von EUR 2.000,-- enthalten. Die Landespolizeidirektion Tirol hat den Verfahrenskostenbeitrag am im Rahmen einer Sammelüberweisung auf das Konto des Landesverwaltungsgerichtes Tirol überwiesen (siehe lfd. Nr 6 des Aktenverzeichnisses). Auf Seite 3 der lfd. Nr 6 des Aktenverzeichnisses ist der den Kläger betreffende Betrag von EUR 2.000,-- ersichtlich.

Die am an RA […] adressierte Auszahlungsanordnung über den Betrag von EUR 2.000,-- (siehe lfd. Nr 7 des Aktenverzeichnisses) wurde nicht schlagend, weil der Betrag von EUR 2.000,-- erst vom Landesverwaltungsgericht Tirol angefordert werden musste (siehe handschriftlichen Vermerk auf lfd. Nr 8 des Aktenverzeichnisses). Es erfolgte daher aus buchhalterischen Erfordernissen am eine entsprechende Korrekturbuchung des Betrages (siehe lfd. Nr 9 des Aktenverzeichnisses).

Am gleichen Tag ersuchte die Landespolizeidirektion Tirol das Landesverwaltungsgericht Tirol um Rückerstattung des Verfahrenskostenbeitrages (siehe lfd. Nr 10 des Aktenverzeichnisses). Die Überweisung des Verfahrenskostenbeitrages durch das Land Tirol auf das Konto der Landespolizeidirektion Tirol erfolgte am (siehe lfd. Nr 11 des Aktenverzeichnisses). Am erging seitens der Landespolizeidirektion Tirol hausintern an das Büro Budget Zahlstelle der Auftrag auf Auszahlung des Betrages von EUR 2.000,-- auf das Konto des Herrn […] (siehe lfd. Nr 12 des Aktenverzeichnisses). Die tatsächliche Auszahlung erfolgte, wie sich aus dem internen Buchungsbeleg der Landespolizeidirektion Tirol ergibt (siehe lfd. Nr 13 des Aktenverzeichnisses), am .

Nach dem Aktenvermerk der Abteilung Gemeinden des Amtes der Tiroler Landesregierung wurde der Zahlungseingang auf dem Konto des Herrn […] vom Rechtsvertreter bestätigt (siehe lfd. Nr 15 des Aktenverzeichnisses).

III.

Für das Land Tirol als beklagte Partei ergibt sich aus den oben unter Punkt II beschriebenen Vorgängen eindeutig, dass der klagenden Partei bereits am der Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von EUR 2.000,-- rückerstattet worden ist und sie daher klaglos gestellt ist. Für den Kläger hat daher weder Anlass zur letztmaligen Aufforderung der Landespolizeidirektion Tirol am , die unberechtigt eingehobenen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen, noch zur Einbringung der Klage gemäß Art 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof mit Schriftsatz vom bestanden."

4.Hierauf erwiderte der Kläger mit Schriftsatz vom , dass er erst am über den Auszahlungsauftrag vom in Kenntnis gesetzt worden sei, zumal die beklagte Partei davor jede Benachrichtigung von der Zahlung unterlassen habe. Im Hinblick auf die Mitteilung vom habe sich der Kläger am bei seinem Kreditinstitut erkundigt, ob die Zahlung bereits eingegangen sei, was ihm vom Kreditinstitut unter Bekanntgabe des Zahlungseinganges am bestätigt worden sei. Der Kläger habe der beklagten Partei in der Folge zwar den Eingang der Zahlung bestätigt, allerdings auch mitgeteilt, dass die Zahlung nicht auf das bekannt gegebene Konto geleistet worden sei. Jenes Konto, auf das die Zahlung erfolgt sei, habe der Kläger der beklagten Partei nicht genannt; dieses sei offenbar nur deshalb dem Kläger zugerechnet worden, weil er damit in der Vergangenheit diverse Strafbeträge an die Landespolizeidirektion Tirol geleistet habe. Da der Vertreter des Klägers mit Aufforderungsschreiben vom ein Anderkonto als Zahlstelle bekannt gegeben habe, sei unter Beachtung des § 907a erster Satz ABGB nach wie vor keine schuldbefreiende Zahlung durch die Landespolizeidirektion Tirol erfolgt. Im Falle eines Aufrechnungsbegehrens seitens der beklagten Partei reduziere sich die Klagsforderung auf das Zinsbegehren bis zumindest .

II.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit

Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage als zulässig.

2.In der Sache

Die Klage ist teilweise begründet.

2.Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

2.1.Mit Straferkenntnis vom erkannte die Landespolizeidirektion Tirol den Kläger schuldig, mehrere Übertretungen des § 52 Abs 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG begangen zu haben, weil er im Tatzeitraum von bis fünf Glücksspielgeräte unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Im Hinblick auf diese Übertretungen verhängte die Landespolizeidirektion Tirol über den Kläger Geldstrafen iHv jeweils € 2.000,– (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 70 Stunden) und verpflichtete ihn, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens iHv € 1.000,– zu leisten.

2.2.Mit Erkenntnis vom , LVwG-2015/30/1328-7, wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und "berichtigte" den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend, dass die Tatzeit auf "vom bis zum Beginn der durchgeführten Kontrolle am gegen 10.10 Uhr" eingeschränkt und die Strafsanktionsnorm ergänzt wurde (Spruchpunkt 1.). Gleichzeitig schrieb das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Kläger gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens iHv insgesamt € 2.000,– vor (Spruchpunkt 2.).

2.3.Mit Erkenntnis vom , Ra 2017/17/0352, behob der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer vom Kläger eingebrachten Revision Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Nach der Begründung dieses Erkenntnisses hätte das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Kläger im Hinblick auf die Einschränkung des Tatzeitraumes keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorschreiben dürfen.

2.4.Mit Schreiben vom erging gegen den Kläger eine Aufforderung zum Strafantritt, in der die Landespolizeidirektion Tirol unter anderem einen Betrag von € 2.000,– als noch nicht beglichene "Strafverfahrenskosten LVwG" auswies. Unter Nennung (auch) der in dieser Aufforderung genannten Aktenzahl erfolgte am eine Einzahlung iHv € 24.898,50. Mit E-Mail vom ersuchte der Rechtsvertreter des Klägers die Landespolizeidirektion Tirol um Rücküberweisung der unberechtigt eingehobenen Verfahrenskosten auf das Konto […] bis .

2.5.Mit Schreiben vom ersuchte das "SVA 1 – Strafamt" der Landespolizeidirektion Tirol das "Büro Budget Zahlstelle" derselben, den überzähligen Betrag iHv € 2.000,– an den Kläger zu überweisen. In diesem Schreiben sind das Konto […] und als Grund der Auszahlung "Rückerstattung der LVwG Kosten" genannt. Am wurde der Betrag auf das genannte Konto überwiesen.

2.6.Mit E-Mail vom forderte der Rechtsvertreter des Klägers die Landespolizeidirektion Tirol abermals auf, die unberechtigter Weise eingehobenen Verfahrenskosten iHv € 2.000,– bis längstens auf das Konto […] zu überweisen, andernfalls eine auf Art 137 B-VG gestützte Klage erhoben werde.

2.7.Mit E-Mail vom übermittelte die Tiroler Landesregierung dem Rechtsvertreter des Klägers den Auszahlungsauftrag vom als Bestätigung der Überweisung. Am bestätigte der Rechtsvertreter des Klägers gegenüber der Tiroler Landesregierung die Überweisung der mit Auszahlungsanweisung vom zurückgezahlten Verfahrenskosten iHv € 2.000,– auf das Konto des Klägers.

3.Das Hauptbegehren auf Zahlung von € 2.000,– besteht nicht zu Recht:

Nach dem unbestrittenen Vorbringen der beklagten Partei ging der eingeklagte Betrag iHv € 2.000,– am auf einem Konto des Klägers ein. Damit ist die Schuld iSd § 1412 ABGB erloschen und der geltend gemachte Anspruch besteht nicht mehr zu Recht.

4.Das Zinsbegehren besteht hingegen zu Recht:

4.1.Wenn das Gesetz – wie hier – nichts Gegenteiliges bestimmt, sind auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (vgl VfSlg 12.197/1989, 16.857/2003). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes tritt der Verzug hiebei nicht bereits mit der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses (im vorliegenden Fall des Verwaltungsgerichtshofes), sondern erst ab dem Begehren des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführers (nunmehr Revisionswerbers) auf Refundierung ein (vgl VfSlg 10.496/1985, 16.857/2003).

4.2.Vor diesem Hintergrund gebühren dem Kläger für den Zeitraum zwischen dem Ende der mit Aufforderung vom gesetzten Leistungsfrist – darin wurde die Zahlung bis zum gefordert – und dem Zahlungseingang bei der klagenden Partei am die gesetzlichen Verzugszinsen iHv 4 % (§§1000, 1333 f. ABGB; VfSlg 5987/1969, 15.175/1998). Dem Bestand dieser Forderung schadet es nicht, dass jene öffentlich-rechtliche Forderung, aus der der Anspruch auf Verzugszinsen resultiert, zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits erfüllt war (VfSlg 5987/1969, 7141/1973).

III.Ergebnis

1.Das geltend gemachte Hauptbegehren besteht nicht zu Recht; die Klage ist in diesem Umfang abzuweisen.

2.Das geltend gemachte Zinsbegehren besteht in der Höhe von € 13,59 zu Recht; der Klage ist in diesem Umfang stattzugeben.

3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.Kostenersatzansprüche sind bei Klagen gemäß Art 137 B-VG vom Erfolgsprinzip beherrscht; sie hängen demnach vom Prozessausgang ab (vgl ; , 4 Ob 390/86 uva.). Da der Kläger seine Klage nicht auf Zinsen und Kosten eingeschränkt hat, ist er nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, nämlich mit einem Teil seines Zinsenbegehrens, als obsiegend, im Übrigen aber als unterliegend anzusehen (vgl ), sodass ihm keine Kosten zuzusprechen sind (vgl § 41, 35 VfGG iVm § 43 Abs 2 ZPO; VfSlg 16.858/2003, 16.949/2003).

5.Da das beklagte Land Kosten weder begehrt noch ziffernmäßig verzeichnet hat, sind auch ihm keine Kosten zuzusprechen (zB VfSlg 9280/1981).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2019:A10.2019
Schlagworte:
VfGH / Klagen, Verfahrenskostenbeitrag, Zinsen, VfGH / Kosten

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