OGH vom 18.05.2016, 13Os28/16s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Karl T***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 und anderer strafbarer Handlungen, AZ 8 Hv 127/14m des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Beschwerde des Angeklagten Karl T***** gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom , GZ 8 Hv 127/14m 360, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom wurden Karl T***** und weitere Angeklagte des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112), T***** auch mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Zufolge der Anmeldung von Rechtsmitteln durch die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten erwuchs das Urteil nicht in Rechtskraft (ON 351 f; ON 1 S 109).
Eine für die Finanzvergehen verkündete Sanktion ist weder dem beim Akt befindlichen Protokoll über die Hauptverhandlung am (ON 347) noch der Urteilsausfertigung (ON 348) zu entnehmen.
Nach der Aktenlage fasste der Vorsitzende am auf Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 358) den Beschluss, sowohl das Protokoll über die Hauptverhandlung als auch die schriftliche Urteilsausfertigung durch Aufnahme des Ausspruchs der Verhängung einer Geldstrafe über Karl T***** für die Finanzvergehen in der Höhe von 120.000 Euro sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten für den Fall der Uneinbringlichkeit an die mündliche Verkündung anzugleichen (ON 360).
Rechtliche Beurteilung
In der dagegen erhobenen Beschwerde wendet der Angeklagte T***** einen Verstoß gegen Art 6 MRK ein, weil er vor der Beschlussfassung nicht gehört und der von ihm gestellte Protokollberichtigungsantrag keiner Erledigung zugeführt worden sei (ON 364).
Diese Beschwerde ist nicht im Recht.
Nach § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO ist das Protokoll über die Hauptverhandlung von Amts wegen oder auf Antrag einer zur Ergreifung von Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde berechtigten Partei nach Vornahme der erforderlichen Erhebungen durch Beschluss zu ergänzen oder zu berichtigen, soweit erhebliche Umstände oder Vorgänge im Protokoll der Hauptverhandlung zu Unrecht nicht erwähnt oder unrichtig wiedergegeben wurden.
Dies trifft auf den von der Berichtigung betroffenen Strafausspruch grundsätzlich zu.
Gemäß § 271 Abs 7 vierter Satz StPO ist den Parteien vor einer entsprechenden Beschlussfassung binnen festzusetzender angemessener Frist Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.
Dies wurde vom Vorsitzenden unterlassen.
Dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 6 Abs 2 StPO, Art 6 Abs 1 MRK) wurde im keinem Neuerungsverbot unterliegenden (§ 89 Abs 2b StPO) Beschwerdeverfahren aber dadurch entsprochen, dass dem Verteidiger vom Obersten Gerichtshof die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zum Antrag der Staatsanwaltschaft binnen einer Frist von vier Tagen zu äußern (ON 2 des Os Akts).
Ein der Berichtigung und Urteilsangleichung entgegenstehendes Sachvorbringen wurde in der beim Obersten Gerichtshof rechtzeitig eingebrachten Stellungnahme nicht erstattet, vielmehr trat der Beschwerdeführer darin den zur Richtigkeit ihres Vorbringens gestellten Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft (ON 358) „prinzipiell“ nicht entgegen (ON 3 des Os Akts).
Die im Berichtigungsbeschluss angeführten Gründe zur Vornahme der begehrten Protokollberichtigung (eigene Erinnerungen des Vorsitzenden, Einsichtnahme in das Beratungsprotokoll und in die Verhandlungsunterlagen) sind unter den Aspekten der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO nicht zu beanstanden (§ 89 Abs 2a Z 3 StPO) . Gründe für die allfällige Durchführung weiterer Erhebungen ergeben sich aus der Aktenlage nicht.
Aufgrund der Abweichung der Urschrift des ausgefertigten Urteils vom verkündeten Urteil war auch die vom Vorsitzenden vorgenommene Urteilsangleichung geboten (vgl Danek , WK StPO § 270 Rz 56).
Zum Protokollberichtigungsantrag des Beschwerdeführers:
Dem VJ Register ist zu entnehmen, dass dem Verteidiger des Angeklagten T***** ein Protokoll über die Hauptverhandlung zugestellt wurde, dem der Urteilsspruch im Wortlaut nicht zu entnehmen war. Dieser Umstand wurde in einem mit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde verbundenen Protokollberichtigungsantrag gerügt und zugleich eine der Urteilsausfertigung ON 348 entsprechende Ergänzung des Hauptverhandlungsprotokolls beantragt (ON 359 S 7 11). Das dem Verteidiger übermittelte Protokoll über die Hauptverhandlung stimmt mit dem im Gerichtsakt befindlichen allerdings nicht überein (ON 347 S 11 bis 21). Der die Zustellung betreffende Fehler wurde vom Vorsitzenden bereits bemerkt und die Neuzustellung einer Abschrift des Protokolls über die Hauptverhandlung in Aussicht gestellt (ON 360 S 3).
Die nunmehr rechtskräftig beschlossene Angleichung wird am Rande des Urteils beizusetzen und allen Ausfertigungen beizufügen (vgl § 270 Abs 3 letzter Satz StPO) sein. Den Beschwerdeführern wird eine (vollständige) Urteilsabschrift zuzustellen sein (§§ 284 Abs 4, 294 Abs 2 erster Satz StPO). Den Parteien eröffnet dies die Möglichkeit, erneut eine Ausführung ihrer Beschwerdegründe zu überreichen oder sich auf die bereits überreichte Ausführung zu berufen (vgl § 271 Abs 7 letzter Satz StPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00028.16S.0518.000