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VfGH vom 21.06.2000, a1/99

VfGH vom 21.06.2000, a1/99

Sammlungsnummer

15839

Leitsatz

Zulässigkeit einer gegen das Land Wien gerichteten Klage auf Erstattung der Kosten für die Abschleppung eines Kraftfahrzeuges aus einer Ladezone nach Aufhebung des Verwaltungsstrafbescheides durch den UVS; passive Klagslegitimation des Landes Wien aufgrund der Einheit von Land und Gemeinde im Fall der Bundeshauptstadt gegeben; Stattgabe des auf Zinsen und Prozeßkosten nachträglich eingeschränkten Klagebegehrens aufgrund denkunmöglicher Annahme des Vorliegens einer Verkehrsbeeinträchtigung bei durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen nicht ordnungsgemäß kundgemachter Verordnung

Spruch

I. Die beklagte Partei Land Wien ist schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus S 2.041,- vom bis binnen 14 Tagen bei Exekution zu Handen ihres Rechtsvertreters zu bezahlen.

II. Die beklagte Partei Land Wien ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.273,36 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu Handen ihres Rechtsvertreters zu bezahlen.

III. Das Mehrbegehren in Höhe von S 1.427,52 wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der gemäß Art 137 B-VG erhobenen Klage bringt die klagende Partei vor, mit Straferkenntnis vom , MA 67-RV-047720/7/6, habe der Magistrat der Stadt Wien die klagende Partei schuldig erkannt, am von 11.00 Uhr bis 11.45 Uhr in Wien 4, Weyringergasse 29, ihren PKW mit näher bezeichnetem Kennzeichen im Bereich des Vorschriftszeichens "Ladezone" abgestellt zu haben, ohne eine Ladetätigkeit vorzunehmen.

Der PKW der klagenden Partei sei abgeschleppt worden und dessen Ausfolgung rechtswidrig davon abhängig gemacht worden, daß sie vorher die Abschleppkosten von S 2.041,- bezahle, worüber der Magistrat der Stadt Wien, MA 48 - Abschleppgruppe, eine Bestätigung ausgestellt habe. Die klagende Partei hätte diesen Betrag aber nicht sofort bezahlen müssen, sondern dieser hätte mit Bescheid vorgeschrieben werden müssen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien habe mit Bescheid vom , Z UVS-03/M/28/00851/98, der Berufung der klagenden Partei gegen das Straferkenntnis vom Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren mit der Begründung eingestellt, die das Halteverbot - Ladezone - verfügende Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Z MA 46-PE/B/04/00638/97, wäre nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, weil, wie die von der klagenden Partei im Verwaltungsverfahren vorgelegten Lichtbilder beweisen würden und von einem näher bezeichneten Zeugen in der Berufungsverhandlung bestätigt worden sei, die Zusatztafeln über die Ladezone nicht angebracht gewesen seien.

Mit Aufforderungsschreiben vom an die MA 48 - Abschleppgruppe habe die klagende Partei die zu Unrecht bezahlten Abschleppkosten von S 2.041,- zurückgefordert. Dem sei aber trotz Mahnung nicht entsprochen worden, die MA 48 habe lediglich eine "Erledigung" angekündigt.

Die klagende Partei stellte daher das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Abschleppkosten in Höhe von S 2.041,- samt 4 % Zinsen seit sowie die Prozeßkosten zu bezahlen.

2. Die Wiener Landesregierung erstattete am eine Gegenschrift, beantragte die Klagsabweisung und führte im wesentlichen aus, der PKW der klagenden Partei sei vom Magistrat der Stadt Wien, MA 48, am aus einer Halteverbotszone entfernt worden, weil laut Anzeige des Meldungslegers durch das vorschriftswidrig aufgestellte Fahrzeug berechtigte Fahrzeuge an der Zufahrt zu dieser gehindert gewesen seien.

Die Entfernung des Fahrzeuges sei von einer Gemeindestraße, sohin durch die Gemeinde in Vollziehung des eigenen Wirkungsbereiches gemäß § 94d Z 15 StVO 1960, erfolgt. Da es sich bei der Bezahlung der Abschleppkosten um einen Kostenersatz für den der Behörde bei der Entfernung des Fahrzeuges entstandenen Aufwand handle, dieser Kostenersatz im vorliegenden Fall aber der Gemeinde Wien erstattet worden sei, wäre die auf Art 137 B-VG gestützte Klage auf Rückerstattung der Abschleppkosten gegen die Gemeinde Wien zu richten gewesen. Die gegen das Land Wien gerichtete Klage wäre daher schon aus dem Grund der mangelnden passiven Klagslegitimation der beklagten Partei abzuweisen.

Darüber hinaus wurde ausgeführt, daß sich für die Behauptung der klagenden Partei, die Herausgabe des Fahrzeuges sei rechtswidrigerweise von der unbedingten Bezahlung der Abschleppkosten abhängig gemacht worden, nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt ergebe. Im Schaltervorraum der Verwahrstelle sei ein Auszug des § 89a StVO 1960 für jedermann sichtbar ausgehängt und es werde auch kein Druck auf die Parteien ausgeübt, die Abschleppkosten bereits bei Ausfolgung des Fahrzeuges zu bezahlen. Es sei der "Ausfolgungsbeamte" auch nach keiner gesetzlichen Regelung zu einer Belehrung im Gegenstand verpflichtet.

Eine bescheidmäßige Vorschreibung der Abschleppkosten sei aber nach § 89a Abs 7 StVO 1960 nur dann vorgesehen, wenn der Zulassungsbesitzer bzw. Inhaber des Fahrzeuges die Bezahlung der Kosten verweigert habe. Dies könne aber der bei der Ausfolgung des Fahrzeuges aufgenommenen Niederschrift vom nicht entnommen werden und sei auch von der klagenden Partei selbst nicht explizit behauptet worden.

Weiters wurde vorgebracht, die klagende Partei stütze ihren Anspruch auf Rückerstattung der bezahlten Abschleppkosten vornehmlich darauf, daß der Unabhängige Verwaltungssenat Wien in seinem Bescheid vom , Z UVS-03/M/28/00851/98, die Behebung des Straferkenntnisses damit begründet habe, daß die Halteverbotszone (Ladezone), in welcher das entfernte Fahrzeug abgestellt gewesen sei, nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Die klagende Partei wende nunmehr ein, mangels ordnungsgemäß kundgemachter Ladezone sei auch die Abschleppung des Fahrzeuges zu Unrecht erfolgt.

Diese im Verwaltungsstrafverfahren getroffenen Feststellungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien würden aber keinen unmittelbaren Anspruch auf Rückerstattung der Abschleppkosten begründen, weil der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur ausgeführt habe, daß die rechtskräftige Bestrafung (was auch auf die Einstellung des Strafverfahrens zutreffe) hinsichtlich einer bestimmten Verwaltungsübertretung nach der StVO 1960 für die Frage der Kostenvorschreibung nach § 89a Abs 7 StVO 1960 weder Voraussetzung noch mit bindender Wirkung ausgestattet sei. Diese Nichtbindung der Kostenvorschreibungsbehörde an die Entscheidung der Strafbehörde müsse auch für jenen Fall gelten, in dem die Abschleppkosten bereits bei der Abholung des Fahrzeuges und somit ohne vorhergehende Erlassung eines Kostenbescheides bezahlt würden, dem Zulassungsbesitzer aber im nachhinein Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Abschleppung kämen und er daher den bereits entrichteten Betrag wieder zurückfordere.

Die Behörde sei somit aufgrund der im bezughabenden Verwaltungsstrafverfahren ergangenen Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom und des darauf folgenden Rückerstattungsbegehrens der klagenden Partei vom nicht gehalten gewesen, die Abschleppkosten sofort (ohne Prüfung der Berechtigung des Rückzahlungsbegehrens) zurückzuzahlen.

Die Entfernung des Fahrzeuges im Sinne des § 89a StVO 1960 würde eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in einem Erkenntnis ausgesprochen, es sei davon auszugehen, daß ein solcher Verwaltungsakt bis zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und allenfalls erforderlichen Aufhebung im dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren als gegenüber einem zur Erhebung einer Beschwerde gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG Befugten nicht in subjektiv-öffentliche Rechte in rechtswidriger Weise eingegriffen habe. Der Verwaltungsakt sei daher weiterhin verbindlich. Diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei zu entnehmen, daß dann, wenn ein solcher Verwaltungsakt innerhalb der hierfür gesetzlich angeordneten sechswöchigen Frist nicht bekämpft werde, die Behörde von dessen Rechtmäßigkeit auszugehen habe.

Die klagende Partei hätte daher vor Geltendmachung des Rückerstattungsanspruches bzw. vor Erhebung einer Klage nach Art 137 B-VG die Rechtmäßigkeit der Abschleppung durch Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde nach Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm. § 67a Abs 1 Z 2 AVG beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anfechten müssen. Nur im Falle einer die Abschleppung für rechtswidrig erklärenden Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien gemäß § 67c Abs 3 AVG wäre die Behörde verpflichtet gewesen, die bezahlten Abschleppkosten auf Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist zurückzuzahlen. Infolge der Unterlassung einer solchen Maßnahmenbeschwerde hätte die Behörde von der Rechtmäßigkeit der Entfernung des Fahrzeuges der klagenden Partei ausgehen müssen.

Die Wiener Landesregierung stellte daher den Antrag auf Klagsabweisung.

3. Der Magistrat der Stadt Wien, MA 65, teilte dem Verfassungsgerichtshof mit Schreiben vom mit, daß der klagenden Partei aus Kulanzgründen die Abschleppkosten von der Gemeinde Wien (MA 48), ohne Aufgabe des in der Gegenschrift der Wiener Landesregierung vom geäußerten Rechtsstandpunktes, rückerstattet worden seien.

4. Die klagende Partei hat auf dieses Vorbringen repliziert und zunächst das Klagebegehren auf 4 % Zinsen aus S 2.041,- vom bis und auf Kosten eingeschränkt, weil am der Klagsbetrag von S 2.041,- auf dem Konto des Klagevertreters eingelangt sei. Die beklagte Partei hätte durch diese Rückzahlung das Klagebegehren anerkannt.

Zum Einwand der mangelnden Passivlegitimation führte die klagende Partei aus, die im Rahmen der Ausfolgung des abgeschleppten PKW ausgestellte Empfangsbestätigung vom enthalte keinen Hinweis darauf, ob das Land oder die Gemeinde Wien den Betrag vereinnahmt hätte. Die klagende Partei könne weder wissen noch erfahren, ob sie aus einer Gemeinde- oder Landesstraße rechtswidrig abgeschleppt worden sei, sofern dies überhaupt von Bedeutung sei, weil die Bundeshauptstadt Wien sowohl Land als auch Gemeinde sei. Ob die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien beim klagsgegenständlichen Kostenersatz tatsächlich zwischen Land und Gemeinde Wien unterscheide, sei für das Rückforderungsbegehren und die passive Klagslegitimation irrelevant.

Weiters führte die klagende Partei aus, bei Ausfolgung des abgeschleppten Fahrzeuges sei sehr wohl der Eindruck erweckt worden, daß die Ausfolgung des Fahrzeuges nur Zug um Zug gegen Zahlung der Abschleppkosten erfolgen würde. Diese von der Wiener Landesregierung aufgeworfene Frage sei aber nicht entscheidend, weil das Fahrzeug der klagenden Partei rechtswidrig abgeschleppt worden sei, was für sich allein den Rückforderungsanspruch begründen würde. Daß die Entfernung des Fahrzeuges der klagenden Partei rechtmäßig gewesen sei, würde auch die Wiener Landesregierung nicht behaupten.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei wären die Feststellungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien über die gesetzwidrige Kundmachung der Verordnung sehr wohl - so wie im Amtshaftungsverfahren - bindend. Abgesehen davon wären andere Feststellungen unrealistisch.

Die rechtswidrige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt werde entgegen der Auffassung der Wiener Landesregierung nicht dadurch rechtmäßig, daß der Betroffene eine Maßnahmenbeschwerde unterlasse. Dazu sei er nur berechtigt, aber nicht verpflichtet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei (nach erfolgter Klagseinschränkung) vom Land Wien die im Rahmen einer Abschleppung angefallenen Zinsen für die bei Übernahme des Kraftfahrzeuges bezahlten Abschleppkosten sowie die Prozeßkosten.

Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die ordentlichen Gerichte in Anspruch genommen werden können und ob zur Entscheidung über den Bestand von Ansprüchen dieser Art ein Verwaltungsweg eingerichtet ist. Nur wenn weder die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde noch die eines Gerichtes gegeben wäre, käme die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes mit einer auf Art 137 B-VG gestützten Klage in Frage.

Klagsgegenstand sind Zinsen sowie Prozeßkosten, die im Rahmen eines vermögensrechtlichen Rückforderungsanspruches einer im Rahmen der Übernahme gemäß § 89a Abs 7 zweiter Satz StVO 1960 getätigten Bezahlung von Kosten für eine Abschleppung, somit für eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, entstanden sind (VfSlg. 7852/1976, 7924/1976, 8046/1977; ; , 83/02/0513). Es handelt sich damit jedenfalls nicht um die Erfüllung von Verpflichtungen, die sich aus einem Verhältnis von Privaten untereinander ergeben und somit nicht um eine "bürgerliche Rechtssache" im Sinn des § 1 JN, für die der ordentliche Rechtsweg zu beschreiten wäre. Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß - sofern nichts anderes angeordnet ist - die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Rückforderungsansprüche nicht gegeben ist, wenn der Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (vgl. VfSlg. 8065/1977, 9498/1982, 12026/1989, 12298/1990).

Gemäß § 89a Abs 7 zweiter Satz StVO 1960 sind die Kosten (für das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes) vom Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern vom Zulassungsbesitzer oder deren Erfüllungsgehilfen (Beauftragten) bei der Übernahme des Gegenstandes zu bezahlen. Gemäß § 89a Abs 7 dritter Satz StVO 1960 sind die Kosten dem Inhaber des entfernten Gegenstandes, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen dem Zulassungsbesitzer mit Bescheid vorzuschreiben, wenn der Gegenstand innerhalb der gemäß Abs 5 festgesetzten Frist nicht übernommen oder die Bezahlung der Kosten verweigert wird.

Durch diese Regelung ist der Betreffende nicht gehalten, nach tatsächlich erfolgter Zahlung einen Bescheid über die Kosten für das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes zu erwirken. Damit ist aber die Voraussetzung gegeben, daß der geltend gemachte vermögensrechtliche Anspruch auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist.

Da ein Streit über einen im öffentlichen Recht begründeten Anspruch vorliegt und sich keine Bestimmung findet, die es erlauben würde, den Rechtsstreit im Verwaltungsweg oder vor den ordentlichen Gerichten auszutragen, ist die Klage zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Die beklagte Partei hält dem Klagsanspruch zunächst den Mangel der passiven Klagslegitimation entgegen. Passiv klagslegitimiert sei die Gemeinde Wien und nicht das Land Wien, weil es sich bei der Bezahlung der Abschleppkosten um einen Kostenersatz für den der Behörde bei der Entfernung des Fahrzeuges entstandenen Aufwand handle, dieser Kostenersatz aber der Gemeinde Wien erstattet worden sei.

Im Erkenntnis VfSlg. 10933/1986 hat der Verfassungsgerichtshof zur gleichgelagerten Problematik folgendes ausgeführt:

"Die verfassungsrechtliche Stellung der Bundeshauptstadt Wien ist in den Art 108 bis 112 B-VG geregelt. Sie ist durch die Doppelfunktion dieser Gebietskörperschaft als Land und als Gemeinde gekennzeichnet. Art 112 B-VG sagt aus, daß für die Bundeshauptstadt Wien nach Maßgabe der Art 108 bis 111 B-VG neben den besonderen Bestimmungen über die Bundeshauptstadt die Bestimmungen des mit 'Gemeinden' überschriebenen Abschnittes C des 4. Hauptstückes des B-VG - mit Ausnahme der Art 119 Abs 4 und 119a - gelten. Wie im Erk. VfSlg. 5919/1969 (unter Berufung auf Adamovich/Spanner, Handbuch des Österreichischen Verfassungsrechts, 5. Auflage, 266) ausgeführt, ist die Stadt Wien nach der geltenden Organisation zunächst eine Gemeinde auf der Stufe einer Stadt mit eigenem Statut, gleichzeitig aber nach Art 2 B-VG auch ein selbständiges Land des Bundesstaats. Die verfassungsrechtliche Regelung geht davon aus, daß Land und Stadt Wien eine einzige Gebietskörperschaft sind.

...

Wird das Land Wien hinsichtlich einer im öffentlichen Recht wurzelnden Forderung vor dem VfGH in Anspruch genommen, trifft die Klage somit die einheitliche Gebietskörperschaft Wien. Die Einrede des Mangels der passiven Klagslegitimation ist daher zu verwerfen."

Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsprechung fest. Die von der beklagten Partei behauptete mangelnde passive Klagslegitimation liegt daher nicht vor.

2.2. Die beklagte Partei bringt weiters vor, die klagende Partei hätte vor Geltendmachung des Rückerstattungsanspruches bzw. vor Erhebung einer Klage nach Art 137 B-VG die Rechtmäßigkeit der Abschleppung durch Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde nach Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm. § 67a Abs 1 Z 2 AVG beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anfechten müssen.

Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, daß die Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage nach Art 137 B-VG - wie bereits ausgeführt - dann gegeben sind, wenn es sich um vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände handelt, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Eine Maßnahmenbeschwerde nach Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm. § 67a Abs 1 Z 2 AVG kam im vorliegenden Fall aber nicht in Betracht, weil das Fahrzeug bereits ausgefolgt worden war. Eine Bindungswirkung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Z UVS-03/M/28/00851/98, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Straferkenntnis vom Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde, hinsichtlich der Frage der Kostenrückerstattung ist zu verneinen; im übrigen ist die klagende Partei - wie bereits ausgeführt - nicht gehalten, nach tatsächlich erfolgter Zahlung einen Bescheid über die Kosten für das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes zu erwirken.

2.3. Die beklagte Partei bringt weiters vor, die im Verwaltungsstrafverfahren getroffenen Feststellungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien würden keinen unmittelbaren Anspruch auf Rückerstattung der Abschleppkosten begründen, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die rechtskräftige Bestrafung (was auch auf die Einstellung des Strafverfahrens zutreffe) hinsichtlich einer bestimmten Verwaltungsübertretung nach der StVO 1960 für die Frage der Kostenvorschreibung nach § 89a Abs 7 StVO 1960 weder Voraussetzung noch mit bindender Wirkung ausgestattet sei.

Es erübrigt sich, auf dieses Vorbringen der beklagten Partei näher einzugehen, weil diese Ausführungen für die Frage der Kostentragung im gegenständlichen Fall aufgrund folgender Überlegungen unerheblich sind:

Gemäß § 89a Abs 2 erster Satz StVO 1960 hat die Behörde die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt wird. Gemäß der übereinstimmenden Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde in einem Kostenvorschreibungsverfahren zwar gleichsam als Vorfrage zu beurteilen, ob eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89a Abs 2 StVO 1960 gegeben und demnach die zwangsweise Entfernung des Fahrzeuges durch die Behörde berechtigt war und erst bei Bejahung dieser Frage zu prüfen, ob auch die Voraussetzungen vorliegen, dem Zulassungsbesitzer die Kosten dafür aufzuerlegen (VfSlg. 13533/1993, 14243/1995, ). Das Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung ist aber nicht Hauptgegenstand eines Kostenverfahrens nach § 89a Abs 7 StVO 1960, sondern bloß die Voraussetzung für die Kostenvorschreibung (VfSlg. 13533/1993, ).

Ausgehend von diesen Ausführungen hat auch der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall gemäß Art 137 B-VG zur Prüfung der Begründetheit der Klage zunächst zu beurteilen, ob eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89a Abs 2 StVO 1960 gegeben und demnach die zwangsweise Entfernung des Fahrzeuges durch die Behörde berechtigt war.

Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Entfernung des Fahrzeuges vom Abstellort Wien 4, Weyringergasse 29, am , erfolgt ist. Weiters ist den Akten zu entnehmen, daß mit Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, Z MA 46-PE/B/04/00638/97, vor der Liegenschaft in Wien 4, Weyringergasse 29, auf einer Länge von 15 m eine Halteverbotszone errichtet wurde. Laut Verordnung ist diese Halteverbotszone in der anliegenden Fahrtrichtung am Anfang und Ende mit Straßenverkehrszeichen in einfacher Ausführung gemäß § 52 lita Z 13b StVO 1960, im Kleinformat (48 cm Durchmesser), darunter der Reihe nach die Zusatztafeln mit dem Text a) Ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen im Format 23 cm x 48 cm, b) "Anfang" bzw. "Ende" im Format 15 cm x 31 cm, kundzumachen.

Im - bereits zitierten - Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Z UVS-03/M/28/00851/98, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Straferkenntnis vom Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde, wird begründend unter anderem folgendes ausgeführt:

"Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren geht der erkennende Senat davon aus, daß die in Rede stehende Verordnung, deren Mißachtung dem Berufungswerber angelastet wurde, zum Tatzeitpunkt nicht ordnungsgemäß kundgemacht war. Die vom Berufungswerber vorgelegten Lichtbilder zeigen eines jener Verkehrszeichen, wie es zum Tatzeitpunkt am Tatort aufgestellt war. Dies ergibt sich aus den Eintragungen auf der Zusatztafel betreffend die Gültigkeitsdauer im Zusammenhalt mit der erkennbaren Hausnummer. Der näher bezeichnete Zeuge hat bestätigt, daß er die Verkehrszeichen wie auf den Fotos ersichtlich aufgestellt hat. Danach fehlt die Zusatztafel "ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen". Nach der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, MA 46-PE/B/04/00638/97, war am Tatort jedoch kein allgemeines Halteverbot mit zeitlicher Beschränkung verordnet, sondern ein Halte- und Parkverbot, ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen. Diese Verordnung ist sohin nicht ordnungsgemäß kundgemacht gewesen."

Der Verfassungsgerichtshof hegt aufgrund des sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten in eindeutiger Weise ergebenden Sachverhaltes keinerlei Zweifel an der Tatsache, daß die angeführte Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, Z MA 46-PE/B/04/00638/97, zum Zeitpunkt der Abschleppung des Fahrzeuges der klagenden Partei nicht ordnungsgemäß kundgemacht war. Darüber hinaus widersprechen weder der Magistrat der Stadt Wien, MA 65, in seinem Schreiben vom noch die Wiener Landesregierung in ihrer Gegenschrift vom den inhaltlichen Ausführungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien bezüglich der Gesetzwidrigkeit der Kundmachung der gegenständlichen Verordnung im zitierten Bescheid vom , Z UVS-03/M/28/00851/98.

Im Erkenntnis VfSlg. 14243/1995 hat der Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Bescheidprüfungsverfahrens gemäß Art 144 B-VG, in dem es um die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung von Kosten für die Entfernung und nachfolgende Aufbewahrung eines Fahrzeuges ging, folgendes ausgeführt:

"Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Entfernung des Fahrzeuges vom Abstellort Wien 6, Amerlingstraße 19, am , erfolgt ist. Dem Verordnungsakt ist zu entnehmen, daß mit Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom , Z MA 46-U 6-1130/93, einerseits unter anderem eine Ladezone in Wien 6, Mariahilferstraße 75-79, errichtet wurde und andererseits die 'Ladezone ... in Wien 6, Amerlingstraße 19 Eckbereich Mariahilfer Straße' aufgehoben wurde. Die belangte Behörde geht - wie sich aus der Bescheidbegründung ergibt - davon aus, daß das 'Fahrzeug des Berufungswerbers in einer als Ladezone für Lastfahrzeuge beschilderten Halteverbotszone abgestellt' war. Sie hat damit übersehen, daß die Ladezone am Ort der Entfernung in Wien 6, Amerlingstraße 19, zum Zeitpunkt der Entfernung nicht mehr in Geltung stand. Die belangte Behörde hat daher bei der Annahme einer Verkehrsbeeinträchtigung durch das Abstellen des KFZ des Beschwerdeführers in einer vermeintlichen Ladezone im Sinne des § 89a Abs 2 bzw. 2a StVO 1960 das Gesetz denkunmöglich angewendet."

Gleich wie im zitierten Erkenntnis macht aber auch in diesem Verfahren das Nichtvorliegen einer ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung das Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung denkunmöglich. Die Bejahung der Frage des Vorliegens einer Verkehrsbeeinträchtigung würde aber jedenfalls die Voraussetzung dafür darstellen, dem Zulassungsbesitzer die Kosten für die Entfernung eines Fahrzeuges gemäß § 89a StVO 1960 aufzuerlegen.

2.4. Das Vorbringen, die Herausgabe des Fahrzeuges sei rechtswidrigerweise von der unbedingten Zahlung der Abschleppkosten abhängig gemacht worden, erweist sich als irrelevant, sodaß darauf nicht näher einzugehen war.

2.5. Das eingeschränkte Klagebegehren erweist sich somit als begründet.

2.6. Die dem Kläger zustehenden Prozeßkosten waren gemäß § 41 in Verbindung mit § 35 VerfGG 1953 und § 41 Abs 2 ZPO anhand des Rechtsanwaltstarifes zu bemessen. Für die Abfassung der Klage steht dem Kläger bei einem Streitwert von S 2.041,- der einfache Betrag der TP3 A von S 623,- zu. Die Klagseinschränkung ist als kurzer Schriftsatz im Sinn der TP1 zu qualifizieren, wofür dem Kläger ein Betrag von S 67,- zusteht. In den zugesprochenen Kosten sind weiters 120 % Einheitssatz für die Klage und 60 % Einheitssatz für die Klagseinschränkung, ferner Umsatzsteuer in Höhe von S 295,56 sowie Barauslagen in Höhe von S 2.500,- enthalten. Das Mehrbegehren in Höhe von insgesamt S 1.427,52 war abzuweisen, weil einerseits die Barauslagen in Höhe von S 2.500,- eine Pauschalgebühr darstellen, sodaß keine zusätzlichen Kosten für die Einbringung der Klagseinschränkung in Höhe von S 360,- geltend gemacht werden können, anderseits die Klagseinschränkung nur als kurzer Schriftsatz im Sinn der TP1 zu qualifizieren ist, sodaß das diesbezügliche Mehrbegehren in Höhe von S 1.067,52 ebenfalls nicht zugesprochen werden kann.

2.7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.