OGH vom 31.05.2011, 10ObS46/11d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Rotraut Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei D*****, derzeit *****, vertreten durch Dr. Josef Michael Fitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , GZ 25 Rs 8/11d 13, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 35 Cgs 133/10s 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit Bescheid vom wies die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass der Kläger die Wartezeit nicht erfüllt habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger unter Berufung auf das Recht auf Gleichbehandlung die Anerkennung weiterer Versicherungszeiten, insbesondere von Zeiten der Strafhaft, in denen er Arbeitsleistungen erbracht hat, erreichen will.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und verblieb bei ihrem Standpunkt, der Kläger habe die Wartezeit nicht erfüllt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der am geborene Kläger insgesamt 88 Versicherungsmonate erworben hat. Im am beginnenden Rahmenzeitraum von 121 Kalendermonaten vor dem Stichtag liegen 39 Versicherungsmonate. Ausländische Versicherungszeiten hat der Kläger nicht erworben.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass Anspruch auf Invaliditätspension bestehe, wenn der Versicherte am Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate zur Pflichtversicherung oder freiwilligen Versicherung aufweisen könne oder insgesamt 300 Versicherungsmonate vorlägen. Der Kläger hätte die Wartezeit auch erfüllen können, wenn er im Rahmenzeitraum von 121 Kalendermonaten vor dem Stichtag (beginnend mit ) 60 Versicherungsmonate erworben hätte. Allerdings lägen in diesem Zeitraum wie festgestellt nur 39 Versicherungsmonate.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das Ersturteil. Nach der bisherigen Rechtsprechung widerspreche es nicht dem Gleichheitsgrundsatz, wenn Strafgefangene, die im Rahmen ihrer Arbeitspflicht eine Arbeitsleistung erbringen, in der gesetzlichen Pensionsversicherung nicht pflichtversichert seien und für diese Zeiten auch keine Ersatzzeiten erwerben. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision im Hinblick auf die einheitliche höchstgerichtliche Judikatur nicht zulässig sei.
In seiner außerordentlichen Revision machte der Kläger geltend, die bisherige Rechtsprechung vernachlässige den Umstand, dass sich das Kriterium der „Freiwilligkeit“ der Beschäftigung nicht im Gesetz finde und somit für die Subsumtion eines Beschäftigungsverhältnisses unter § 4 Abs 1 ASVG kein zusätzliches Kriterium bilden könne. Eine Unterscheidung zwischen der Arbeitsleistung eines Gefangenen und jener in Freiheit sei nicht sachlich und lasse sich auch nicht den Bestimmungen des ASVG entnehmen. Aus diesen Gründen habe der EGMR mit Entscheidung vom in einem ähnlich gelagerten Fall (10 ObS 50/02d) die Beschwerde des Strafgefangenen für zulässig erklärt (Rs Stummer gegen Österreich). Die bisherige Judikatur halte den in der StVG Novelle 1993 und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen und gesetzgeberischen Wertungen nicht mehr stand. Die Einbeziehung bloß in die Arbeitslosenversicherung, nicht aber in die Pensionsversicherung beruhe alleine auf fiskalpolitischen Überlegungen und sei grob unsachlich.
Diese Ausführungen beschränken sich auf die Wiedergabe jener Argumente, die der Oberste Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits als nicht stichhältig erachtet hat, weshalb die Revision als unzulässig zurückzuweisen ist:
Die Frage der Anrechnung von Haftzeiten als Beitragszeiten aus unselbständiger Erwerbstätigkeit war Gegenstand der Entscheidung 10 ObS 66/90 (= SSV NF 4/31). In dieser Entscheidung wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich im Pensionsversicherungsrecht explizite Regelungen über die Berücksichtigung von Haftzeiten in der Pensionsversicherung finden (§§ 502, 506a, 228 Abs 1 Z 4 ASVG hinsichtlich Pflichtbeitragszeiten bzw Versicherungs- und Ersatzzeiten sowie § 234 Z 9 ASVG hinsichtlich neutraler Zeiten). Diese Regelungen seien nach wie vor aufrecht. In den gesetzlich nicht besonders geregelten Fällen führe die Strafhaft hingegen nicht zu einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung. Dies auch dann nicht, wenn der Häftling im Rahmen seiner Arbeitspflicht Arbeitsleistungen erbringt, für die eine Arbeitsvergütung gebühre und die eine Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung begründe (§ 66a AlVG). Eine Ausdehnung der im Gesetz genannten Ausnahmebestimmungen für nicht verschuldete Anhaltung auf Zeiten einer verschuldeten Anhaltung wäre gleichheitswidrig. Ferner wurde unter Hinweis auf die Lehre ausgeführt, dass Dienste aufgrund öffentlich-rechtlicher Gewaltverhältnisse auf keinem Dienstvertrag beruhten, weshalb Beschäftigungen im Rahmen des Strafvollzugs nicht unter § 4 Abs 2 Z 2 ASVG zu subsumieren seien. Auch in den Entscheidungen 10 ObS 52/99s, 10 ObS 203/09i, 10 ObS 7/10t und (zuletzt) 10 ObS 97/10b wurde ausgesprochen, dass ein Häftling, der während des Strafvollzugs in den Arbeitsprozess eingegliedert sei, aus dieser Beschäftigung nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt und diese Rechtslage nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt (RIS Justiz RS0053286). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Situation, in der sich derjenige befinde, der infolge einer selbst verschuldeten Freiheitsbeschränkung aufgrund einer strafbaren Tat an der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert sei, sich von den im Gesetz genannten sozial anerkannten Hinderungsgründen so wesentlich unterscheide, dass die Nichtanerkennung als Ersatzzeit nicht gleichheitswidrig erscheint (RIS Justiz RS0053292). Im Hinblick auf die übereinstimmende Rechtsprechung des Verfassungs und des Verwaltungsgerichtshofs sowie auf die Lehre bestehen dagegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (RIS-Justiz RS0053267).
In der außerordentlichen Revision bringt der Kläger keine neuen Argumente vor, die ein Abgehen von dieser einhelligen Rechtsprechung rechtfertigen könnte. Allein der Umstand, dass beim EGMR die Rechtssache Ernst Walter Stummer gg. Österreich, (Zulässigkeitsentscheidung vom , Bsw.Nr 37.452/02) anhängig ist, gibt noch keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.