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OGH vom 23.07.2013, 11Os86/13a

OGH vom 23.07.2013, 11Os86/13a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mohsen D***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom , GZ 604 Hv 3/12t 98, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Mohsen D***** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1) und des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am in Wien Abdolbaghi H*****

1. dadurch, dass er ihn aufforderte, ihm Geld zu geben, da er ihn ansonsten umbringen werde, ihm sodann ein Messer mit einer mindestens acht Zentimeter langen Klinge vorhielt und zwei bis drei Mal versuchte, ihm das Handy aus der Hand zu reißen sowie ihm mit dem Messer einen Stich in die Bauchregion versetzte, mithin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung von Schulden zu nötigen versucht;

2. durch einen Stich mit einem Messer mit einer mindestens acht Zentimeter langen Klinge in die Bauchregion vorsätzlich zu töten versucht, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Verletzung des H***** verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich eine rund zehn Zentimeter lange Stich Schnittwunde an der linken seitlichen Bauchwand mit Eröffnung der Bauchhöhle, Einblutung in die Bauchmuskulatur, Läsion von Darmschlingen und Austritt von Darmschlingen und Teilen des Gekröses aus der Bauchhöhle zur Folge hatte.

Die Geschworenen hatten die auf ein Raubgeschehen gerichtete Hauptfrage 1 verneint, jedoch den Vorwurf versuchter vorsätzlicher Tötung und versuchter schwerer Nötigung bejaht (Hauptfrage 2, Eventualfrage 2); die zur Hauptfrage 2 gestellte Zusatzfrage nach Notwehr hatten sie ebenfalls verneint.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 10a StPO.

Dieser formelle Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Mit einer solchen Rüge kann überdies die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit vernommener Personen nicht bekämpft werden (RIS Justiz RS0099649).

Der mehrfache Rekurs auf Vorgänge im ersten Rechtsgang verkennt das Wesen der Aussetzung der Entscheidung im geschworenengerichtlichen Verfahren, die infolge einhelliger Ansicht des Schwurgerichtshofs eines Irrtums der Geschworenen bei deren Ausspruch in der Hauptsache zu beschließen ist (§ 334 Abs 1 StPO). Dass zwei Rechtsgänge zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, folgt aus der Konzeption des Gesetzes die Überlegungen, ob die Tatrichter im zweiten Rechtsgang die Schuldfrage „richtig“ oder „besser“ gelöst haben, ist keiner meritorischen Erwiderung zugänglich. Eine (differenzierende) Frage in Richtung des § 3 StGB wurde den Geschworenen ohnedies vorgelegt.

Teilweise unterschiedliche Aussagen des Opfers und eines Tatzeugen in den beiden Rechtsgängen erwecken beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die den Schuldspruch tragenden Feststellungen im Wahrspruch.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Erledigung der Berufungen und der (angemeldeten, aber nicht schriftlich ausgeführten) Beschwerde des Angeklagten gegen einen Widerrufsbeschluss folgt (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 Abs 1 StPO.