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OGH vom 23.02.2009, 8Ob76/08x

OGH vom 23.02.2009, 8Ob76/08x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Glawischnig sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Victoria L*****, geboren am , *****, wegen Festsetzung des Unterhalts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Günther V*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kropf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 94/08x-U-86, mit dem über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt vom , GZ 1 P 58/05w-U-81, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der unterhaltsverpflichtete Vater ist aufgrund seines Gesundheitszustands nur mehr in der Lage, leichte körperliche Arbeiten durchzuführen. Arbeiten an gefährdenden Maschinen, absturzgefährdeten Plattformen, exponierten Stellen und auf Leitern sowie Arbeiten in Nässe und Kälte sind ihm nicht mehr zumutbar. Seine Arbeitsplatzfindungschancen sind aufgrund seiner Ausbildung und des Berufsverlaufs sowie seines Alters und der gesundheitlichen Einschränkungen unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation nicht intakt. Er bezieht seit Februar 2005 weder Arbeitslosengeld noch hat er Bezüge aus unselbständiger Tätigkeit. Er betreibt seit 2004 eine Praxis mit alternativen Behandlungsmethoden zur Steigerung des Wohlbefindens, mit der er aber nur Verluste erwirtschaftete und auch keine Entnahmen hat. Seine einzige Einkommensquelle sind Unterstützungen durch seine Lebensgefährtin, deren Höhe jedoch nicht festgestellt werden kann. Nach einem von ihm selbst vorgelegten Bescheid vom wurde sein Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe wegen des Einkommens seiner Lebensgefährtin abgewiesen.

Das Amt für Jugend und Familie stellte am für die Minderjährige einen Antrag auf Erhöhung des bis dahin mit 145,35 EUR durch Beschluss vom festgesetzten Unterhalts auf 240 EUR. Dabei legte es zugrunde, dass der unterhaltsverpflichtete Vater bei Anspannung seiner Kräfte wenigstens 1.200 EUR netto ins Verdienen bringen kann.

Der unterhaltsverpflichtete Vater selbst wendete sich gegen diesen Antrag und beantragte seinerseits unter Hinweis auf seine Einkommenslosigkeit und seinem Gesundheitszustand die Aufhebung seiner Unterhaltsverpflichtung rückwirkend ab . Das Erstgericht setzte nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens insbesondere hinsichtlich des Gesundheitszustands und der Einkommensverhältnisse des Vaters den Unterhalt mit dem angefochtenen Beschluss vom wie folgt fest:

bis insgesamt 158 EUR monatlich;

bis insgesamt 162 EUR monatlich;

bis insgesamt 176 EUR monatlich und ab , längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, insgesamt 184 EUR monatlich.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es ebenso wie den Antrag des Vaters auf Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung ab. Rechtlich folgerte das Erstgericht ausgehend von dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass die Minderjährige einen Anspruch auf 22 % der anrechenbaren Einkünfte des Vaters habe. Da dieser jedoch weder über Einkünfte verfüge noch im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand auf ein fiktives Einkommen angespannt werden könne, habe sich der Unterhalt an seinen Lebensverhältnissen zu orientieren. Dabei seien auch freiwillige Zuwendungen Dritter zu berücksichtigen, hier die Unterstützungen durch die Lebensgefährtin des Vaters. Da der Vater trotz Aufforderung die Höhe dieser Unterstützungen nicht bekannt gegeben hat, sei ein durchschnittlicher Lebensaufwand in Höhe des Mindestpensionssatzes nach dem ASVG heranzuziehen. Unter Berücksichtigung der Verluste aus dem Gewerbebetrieb und der bis zum Jahr 2005 geleisteten Unterhaltszahlungen sei davon auszugehen, dass die Unterstützungen der Lebensgefährtin 2004 monatlich 912 EUR, 2005 monatlich 790 EUR und 2006 monatlich 810 EUR betragen hätten. Für das Jahr 2007 sei die Bemessungsgrundlage aus dem Durchschnitt der letzten drei Jahre zu bilden, was einen Betrag von 837 EUR ergebe.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Kindesvaters nicht Folge. Es schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an, dass der Vater weder über verwertbare Einkünfte verfüge noch auf ein fiktives Einkommen angespannt werden könne und daher die Unterhaltsbemessung nach dem Lebenszuschnitt des Unterhaltspflichtigen zu bestimmen sei. Zwar könnten Zuwendungen Dritter nur dann in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, wenn ein Rechtsanspruch darauf bestünde oder der Unterstützende auch den Unterhaltsberechtigten dadurch Hilfestellung leisten wolle, was hier aber nicht der Fall sei. Jedoch seien auch öffentlich-rechtliche Leistungen, wie etwa Sozialhilfeleistungen, Notstandshilfe oder Ausgleichszahlungen zu berücksichtigen und sei der Anspruch des Klägers auf Sozialhilfe nur wegen der Unterstützung durch seine Lebensgefährtin nicht heranzuziehen. In diesem Fall sei jedoch dann der von der Lebensgefährtin geleistete Unterhaltsbeitrag in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen. Weiters habe es der Vater unterlassen, einen Antrag auf Frühpension zu stellen, was ihm ebenfalls eine Mindestpension im Sinne des § 293 ASVG gebracht hätte. Das Erstgericht habe daher im Ergebnis zutreffend das geschätzte Einkommen zugrundegelegt. Vorweg erachtete das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs als nicht zulässig.

Über Zulassungsvorstellung des Vaters änderte das Rekursgericht seinen Beschluss dahin, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts doch zugelassen wurde, ergebe sich doch aus dem Sachverständigengutachten auch, dass der Kläger nicht gänzlich arbeitsunfähig sei und daher wohl keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension oder vorzeitigen Alterspension habe. Die Heranziehung der Unterstützung der Lebensgefährtin sei nur bis zur Höhe der öffentlich-rechtlichen Bezüge zulässig, die der Unterhaltspflichtige wegen seiner Lebensgemeinschaft nicht erhalte. Dabei sei aber nicht auf den Mindestpensionssatz nach § 293 Abs 1 lit a ASVG abzustellen, sondern auf den Anspruch auf Notstandshilfe. Da das Rekursgericht insoweit von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 550/94 abgewichen sei, sei der Revisionsrekurs als zulässig einzustufen. Gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters.

Die Minderjährige beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht nunmehr dargestellten Gründen zulässig und auch im Sinne seines hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Im Wesentlichen lässt sich der folgende Fall auf Grundlage der bisher vorliegenden Feststellungen dahin zusammenfassen, dass der unterhaltsverpflichtete Vater über keinerlei Einkommen verfügt, keine Chance auf einen Arbeitsplatz hat und nur von den freiwilligen Unterhaltsbeiträgen seiner Lebensgefährtin lebt. Dass aber derartige freiwillige „Unterhalts"zahlungen, die nicht dazu gedacht sind, unterhaltsberechtigte Kinder (des anderen Partners) zu unterstützen, nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage herangezogen werden, ist nunmehr überwiegend anerkannt (vgl dazu Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 140 Rz 146; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 81a jeweils mwN; krit Schwimann/Kollmann, Unterhaltsrecht4, 14 f, die sich aber ebenfalls nicht gegen den hier vorliegenden Fall einer völlig freiwilligen Leistung einer Lebensgefährtin wenden). Maßgeblich ist hier vielmehr, dass dann, wenn es der Unterhaltspflichtige aus in seiner Sphäre liegenden Gründen unterlässt, einen Antrag auf Gewährung öffentlich-rechtlicher Leistungen zu stellen oder wenn er diese nur aus in seiner Sphäre liegenden Gründen - wie eben den Unterhaltsleistungen eines Lebensgefährten - nicht erhält, er sich diese möglichen öffentlich-rechtlichen Leistungen im Sinne der Anspannungstheorie anrechnen lassen muss (vgl RIS-Justiz RS0047385 mzwN; zuletzt 7 Ob 97/08b). Die Frage, welche öffentlich-rechtlichen Leistungen dem Vater aber zustehen würden, wenn er entsprechende Anträge stellen bzw nicht bloß Leistungen von der Lebensgefährtin erhalten würde, wurde bisher nicht weiter erörtert und es wurden auch keine dahingehenden Feststellungen getroffen. So liegen etwa - wie das Rekursgericht in seinem Abänderungsbeschluss schließlich auch zutreffend erkannt hat - keine ausreichenden Feststellungen dazu vor, ob der Vater bei einem Antrag Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension hätte (RIS-Justiz RS0009550).

Im fortgesetzten Verfahren wird also zuerst das bereits vorliegende Sachverständigengutachten dahingehend zu ergänzen sein, ob - ausgehend von einem Antrag auf Berufsunfähigkeitspension - ein solcher Anspruch bestehen würde. Sollte dies nicht der Fall sein, werden die anderen möglichen öffentlichen Unterstützungsleistungen, die wegen der Alimentierung durch die Lebensgefährtin auch bei einer entsprechenden Antragstellung nicht anfallen könnten, wie etwa Notstandshilfe oder Sozialhilfe (Gitschthaler aaO Rz 130, 131; RIS-Justiz RS0047465, RS0047456, RS0009500), zu erörtern und hierüber entsprechende Feststellungen zu treffen sein.

In diesem Sinne erweist sich - wie bereits das Rekursgericht letztlich ausgeführt hat - das Verfahren sohin als ergänzungsbedürftig und war die Rechtssache daher an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
RAAAE-07217