OGH vom 27.07.2004, 10ObS46/04v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Loibl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine F*****, Angestellte, *****, vertreten durch Philipp & Partner Rechtsanwälte und Strafverteidiger OEG in Mattersburg, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Krankengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 196/03g-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 17 Cgs 43/03i-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am geborene Klägerin war von bis bei der Firma G***** GmbH gegen ein monatliches Entgelt von EUR 803,07 brutto beschäftigt. Aus diesem Dienstverhältnis bezog sie eine Urlaubsersatzleistung für 52 Werktage unverbrauchten Urlaubs von 1.554 EUR brutto. Die 52 Werktage entsprechen dem Zeitraum von bis . Von bis bezog die Klägerin Krankengeld von der beklagten Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse.
Von bis stand die Klägerin in einem weiteren Dienstverhältnis, und zwar zur Firma M***** GmbH & Co KG. Ihr monatliches Bruttoentgelt betrug 2.226,58 EUR.
Von bis war die Klägerin wegen Krankheit arbeitsunfähig.
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse den Antrag der Klägerin vom auf Auszahlung von Krankengeld aus dem Dienstverhältnis zur Firma M***** GmbH & Co KG für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vom bis im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin habe bis Entgelt von ihrer Dienstgeberin G***** GmbH erhalten und sei bis krankenversichert gewesen, sodass sie am nicht erwerbslos gewesen sei.
Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Bei der von der Klägerin bezogenen Urlaubsersatzleistung für die Zeit von 1. 10. bis handle es sich um arbeitsrechtliches Entgelt, das sozialversicherungspflichtig sei und die Pflichtversicherung begründe. Dieses Entgelt verhindere den Eintritt der Erwerbslosigkeit im Sinne des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG und weiters die Substitution des Erwerbseinkommens durch den Anfall von Krankengeld.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. § 122 Abs 2 Z 2 ASVG fordere für den Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung nicht die Einkommens-, sondern die Erwerbslosigkeit. Es sei daher nur das aufgrund einer Erwerbstätigkeit, also einer Beschäftigung gegen Entgelt, erzielte Einkommen zu berücksichtigen. Für diese Auslegung spreche deutlich § 122 Abs 4 1. Satz ASVG, aus dem abzuleiten sei, dass nur ein Entgelt aus einem Beschäftigungs- oder einem diesem gleichgestellten Lehr- oder Ausbildungsverhältnis oder aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit unter der weiteren Voraussetzung, dass es den im Gesetz angeführten Betrag übersteige, die Erwerbslosigkeit ausschließe. Ungeachtet des Einwands der Klägerin, dass § 122 Abs 2 Z 2 und Abs 4 ASVG bereits vor Normierung der Sozialversicherungsbeitragspflicht für die zur Abgeltung nicht konsumierten Urlaubs bezahlten Beträge in Geltung gestanden sei, erweise sich die Rechtsansicht des Erstgerichts als zutreffend. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sei für den Begriff der "Erwerbslosigkeit" nicht entscheidend, dass eine "Erwerbstätigkeit" mit einem die Grenze des § 122 Abs 4 ASVG überschreitenden Einkommen ausgeübt werde, sondern dass ein der Pflichtversicherung unterliegendes Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit erzielt werde. Dass diese Voraussetzungen auf den Fall der Zahlung einer Urlaubsersatzleistung zutreffen könne nicht ernstlich bezweifelt werden, handle es sich doch um sozialversicherungspflichtiges Entgelt aus dem Dienstverhältnis im Sinn einer Gegenleistung für bereits geleistete Arbeiten. Da die Klägerin in der Zeit von 1. 10. bis eine Urlaubsersatzleistung von 1.554 EUR, sohin in einem deutlich über der im § 122 Abs 4 ASVG angeführten Grenze liegenden Betrag bezogen habe, könne für diesen Zeitraum nicht von "Erwerbslosigkeit" gesprochen werden.
Die ordentliche Revision sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof die Frage der "Erwerbslosigkeit" im Zusammenhang mit einer Pflichtversicherung durch Gewährung von Abgeltung für nicht verbrauchten Urlaub noch nicht entschieden habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
In der Revision stellt die Klägerin in den Vordergrund, dass § 122 Abs 4 Satz 1 ASVG auf ein Entgelt aus einem weiterbestehenden Beschäftigungsverhältnis abstelle, die Klägerin aber zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls in keinem Beschäftigungsverhältnis mehr gestanden sei.
§ 138 Abs 1 ASVG sieht aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tat der Arbeitsunfähigkeit an einen Anspruch auf Krankengeld für Pflichtversicherte sowie nach § 122 ASVG Anspruchsberechtigte, die aus der Pflichtversicherung ausgeschieden sind, vor. Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung haben Versicherte grundsätzlich dann, wenn der Versicherungsfall während der Versicherung (§ 122 Abs 1 lit a ASVG) oder vor dem auf das Ende der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag (§ 122 Abs 1 lit b ASVG) eingetreten ist.
Die Pflichtversicherung von Dienstnehmern endet nach § 11 Abs 1 Satz 1 ASVG in der Regel mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruchs (§ 11 Abs 1 Satz 2 ASVG). Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201, ist § 49 Abs 3 Z 7 ASVG dahin geändert worden, dass "nach gesetzlicher Vorschrift gewährte Urlaubsabfindungen" - anders als etwa Abfertigungen und Abgangsentschädigungen - nicht mehr vom Entgeltbegriff des § 49 Abs 1 und 2 ASVG ausgenommen sein sollen. Nach der Absicht des Novellengesetzgebers sollten Kündigungsentschädigungen, Urlaubsentschädigungen und Urlaubsabfindungen ab als beitragspflichtiges Entgelt behandelt werden und damit zu einer entsprechenden Verlängerung des Pflichtversicherungsverhältnisses führen (RV 72 BlgNR 20. GP 253). Daraus folgt auch das Ruhen eines Krankengeldanspruchs nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG wegen eines solchen Anspruchs, wenn die Bezüge der Höhe nach mehr als die Hälfte der Geldbezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ausmachen (SSV-NF 11/72 = DRdA 1998/12, krit Flemmich; SSV-NF 11/139; RIS-Justiz RS0107809).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aus dem Dienstverhältnis zur Firma G***** GmbH eine Urlaubsersatzleistung für 52 Werktage unverbrauchten Urlaubs von 1.554 EUR brutto bezogen; diese 52 Werktage entsprechen dem Zeitraum von bis . Dementsprechend bezog sie Krankengeld von der beklagten Partei erst ab .
Das Dienstverhältnis zur Firma M***** GmbH & Co KG, aus dem die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt von 2.226,58 EUR bezog und aus dem heraus sie nun Krankengeld begehrt, endete mit . Bis dahin bestand also eine Mehrfachversicherung iSd § 128 ASVG.
Ab stand die Klägerin zwar in keinem Beschäftigungsverhältnis mehr; es könnte ihr jedoch für den Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung die in § 122 Abs 2 Z 2 ASVG angeführte dreiwöchige Frist zugute kommen, sofern bei ihr "Erwerbslosigkeit" vorlag. Die dreiwöchige Schutzfrist dient dem Interesse des Versicherten, um Lücken im Krankenversicherungsschutz zu vermeiden (siehe etwa Grillberger, Österreichisches Sozialrecht5 34, 39 und OLG Wien SVSlg 48.241).
Der Begriff der Erwerbslosigkeit wird in § 122 Abs 4 ASVG näher definiert. Demnach liegt bei einem mehrfach Versicherten Erwerbslosigkeit iSd § 122 Abs 2 Z 2 ASVG auch dann vor, wenn ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis endet und das Entgelt aus den weiterbestehenden Beschäftigungsverhältnissen den Betrag von 361,40 EUR (2002) monatlich nicht übersteigt. Rein von den verba legalia her betrachtet wird zwar auf ein aufrechtes "Beschäftigungsverhältnis" abgestellt; zu verstehen ist dies allerdings im Sinne eines aufrechten Versicherungsverhältnisses, soll doch - wie oben erwähnt - durch die Schutzfrist bezweckt werden, dass keine Lücken im Krankenversicherungsschutz auftreten. Bei so genannter geringfügiger Beschäftigung besteht keine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, weshalb der Fall der geringfügigen Beschäftigung der Erwerbslosigkeit gleichgestellt wird. Des Schutzes nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG bedarf es nicht, wenn eine aufrechte Pflichtversicherung in der Krankenversicherung besteht. Insoweit nimmt das wörtliche Abstellen auf das "Beschäftigungsverhältnis" nicht darauf Bedacht, dass seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 das Versicherungsverhältnis aufgrund eines Bezuges von Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleistung (früher Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsabfindung) über das Beschäftigungsverhältnis hinaus andauern kann, worauf § 11 Abs 1 Satz 2 ASVG Bezug nimmt.
Da die Klägerin auch noch ab in einem Pflichtversicherungsverhältnis aus ihrer früheren Beschäftigung bei der Firma G***** GmbH, kommt ihr mangels Erwerbslosigkeit die Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG nicht zugute, weshalb ihr - zurückgehend auf das Beschäftigungsverhältnis zur Firma M***** GmbH & Co KG - kein Krankengeldanspruch im strittigen Zeitraum bis zusteht.
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.