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VfGH vom 02.03.2002, B691/01

VfGH vom 02.03.2002, B691/01

Sammlungsnummer

16462

Leitsatz

Verletzung des beschwerdeführenden Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Stattgabe des Antrags von beteiligten Bietergemeinschaften auf Nichtigerklärung des Unterlassens des Widerrufs der Ausschreibung im Vergabeverfahren betreffend Konzeption, Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-Systems infolge Unzulässigkeit dieses Antrags; Unterlassungen des Auftraggebers nur bei selbständigen, nach außen in Erscheinung tretenden Teilakten des Vergabeverfahrens anfechtbar; Zurückweisung der Beschwerde des Bestbieters mangels Legitimation; fehlende Beschwer angesichts erfolgter Zuschlagserteilung vor Einbringung der Beschwerde

Spruch

I. Die zu B691/01 beschwerdeführende Körperschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Die zu B856/01 protokollierte Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger leitete mit Bekanntmachung im Supplement zum ABl. der EG am ein Verfahren zur Vergabe eines Auftrags betreffend "Konzeption, Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-Systems" im Wege eines zweistufigen Verhandlungsverfahrens ein.

Im Punkt 1.9 der Bewerbungsunterlage vom sowie im Punkt 1.8 der Ausschreibungsunterlage "Aufforderung zur Angebotslegung" vom war die Zulässigkeit von Subunternehmerleistungen wie folgt festgelegt:

"Die Weitergabe von Teilen der Leistung ist bis zum Umfang von 30 % der Leistungen und nur soweit zulässig, als die vertragstypischen Leistungsteile Projektmanagement, Konzeption des Systems, Entwicklung, Aufbau, Lieferung und Betrieb der projektspezifischen zentralen Komponenten des Gesamtsystems, Entwicklung, Lieferung und Management des Lebenszyklus der Karten sowie Entwicklung und Lieferung der Endgeräte beim Bieter/der Bietergemeinschaft verbleiben."

a) An der ersten Stufe des Verfahrens beteiligten sich sechs Bewerbergemeinschaften, nachdem 57 Unternehmer Bewerbungsunterlagen angefordert hatten, von denen letztlich nur elf an Bewerbungen beteiligt waren.

b) An der zweiten Stufe dieses Verfahrens nahmen (nach Ausscheiden eines Bewerbers und Einladung zur Anbotslegung an fünf Bewerbergemeinschaften durch den Auftraggeber) vier Bieter-/Arbeitsgemeinschaften teil, und zwar:


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-
die Bietergemeinschaft debis/AC (bestehend aus der debis Systemhaus Österreich GmbH als Konsortialführer, der Austria Card Plastikkarten und Ausweissysteme GmbH, der Giesecke & Devrient GmbH, der debis Systemhaus Information Security Services GmbH und der debis Systemhaus Computer Austria-Externa VertriebsgmbH & Co KG),


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-
die ARGE Telekom & Partner (bestehend aus der Austria Card Plastikkarten und Ausweissysteme GmbH, der Datakom Austria GmbH, der Krone Kommunikationstechnik GmbH, der Österreichischen Post AG, der Syseca Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH und der Telekom Austria AG),


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-
die Bietergemeinschaft Siemens Austria Card (bestehend aus der Siemens AG Österreich und der Austria Card Plastikkarten und Ausweissysteme GmbH) sowie


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-
die Bietergemeinschaft EDS/ORGA (bestehend aus der Electronic Data Systems (EDS Austria) GmbH, der Electronic Data Systems (EDS Deutschland) GmbH und der ORGA Kartensysteme GmbH).

Der an den drei erstgenannten Bieter-/Arbeitsgemeinschaften jeweils beteiligten Austria Card oblag jeweils die Erbringung des Leistungsteils "Lieferung der Karte".

c) Mit Schreiben vom teilte der Auftraggeber diesen drei Bieter-/Arbeitsgemeinschaften mit, daß er beabsichtige, den Auftrag an die vierte Bietergemeinschaft als Bestbieter zu vergeben.

d) Die nicht für den Zuschlag in Aussicht genommenen

Bieter-/Arbeitsgemeinschaften wandten sich an die

Bundes-Vergabekontrollkommission (B-VKK) und in der Folge an das

Bundesvergabeamt (BVA), welches mit Bescheid vom ,

Zlen. N-12/01-32, N-16/01-23 und N-17/01-21, unter anderem die von

den Mitgliedern der Bietergemeinschaft debis/AC gestellten Anträge

"auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bezüglich der

Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag betreffend die

gegenständliche Ausschreibung an die Bietergemeinschaft EDS/ORGA zu

erteilen und gemäß § 117 Abs 1 BVergG die Nichtigerklärung dieser

Entscheidung", in eventu "der Antragsgegnerin aufzutragen, die

Ausschreibung zu widerrufen," und die von den Mitgliedern der ARGE

Telekom & Partner gestellten Anträge vom , 16 näher

umschriebene Entscheidungen des Auftraggebers für nichtig zu erklären

und diesem sohin aufzutragen, die Durchführung des Vergabeverfahrens

in denjenigen Status zurückzuversetzen, daß die genannten

Entscheidungen rechtmäßig getroffen werden können, in eventu "das

gesamte Vergabeverfahren ... ab der Aufforderung zur Anbotslegung vom

, sohin sämtliche Entscheidungen des Hauptverbandes ab

diesem Zeitpunkt ('2. Stufe des Verhandlungsverfahrens')", in eventu

"die gesamte Ausschreibung ... für nichtig (zu) erklären", gemäß § 115

Abs1 BVergG mangels Antragslegitimation zurückgewiesen hat.

In rechtlicher Hinsicht begründete das BVA diese Entscheidung damit, daß die Angebote der Bietergemeinschaft debis/AC und der ARGE Telekom & Partner (ebenso wie jenes der Siemens Austria Card) gemäß § 52 Abs 1 Z 9 BVergG auszuscheiden gewesen wären, weil durch die Beteiligung der Austria Card an allen drei Bieter-/Arbeitsgemeinschaften als Konsortialpartner der Tatbestand der gegen den Grundsatz des Wettbewerbs verstoßenden Abreden zwischen Bietern erfüllt sei.

Dieser von den Mitgliedern aller drei Bieter-/Arbeitsgemeinschaften gemäß Art 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfte Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom , B485/01 ua., wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (infolge Verletzung der Vorlagepflicht) aufgehoben.

2. a) Nach Rechtskraft dieses die Antragslegitimation verneinenden Bescheides - also vor dessen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof - wandten sich die debis Systemhaus Österreich (allein) und die Konsortialpartner der ARGE Telekom & Partner neuerlich an die B-VKK und in der Folge an das BVA:

aa) Mit Eingabe vom begehrten die Mitglieder der ARGE Telekom & Partner, das BVA möge

"die Entscheidung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger im Vergabeverfahren über die Vergabe 'Konzeption, Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-System(s)' (EG 99/S191-135442/DE vom ), diese Ausschreibung nicht zu widerrufen, für nichtig erklären, in eventu

... das Vergabeverfahren über die Vergabe 'Konzeption,

Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-Systems' (EG 99/S191-135442/DE vom ) für nichtig erklären, in eventu

... die Entscheidung des Hauptverbands der österreichischen

Sozialversicherungsträger im Vergabeverfahren über die Vergabe 'Konzeption, Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-Systems' (EG 99/S191-135442/DE vom ), den Zuschlag an die Bietergemeinschaft EDS/Orga zu erteilen, für nichtig erklären, in eventu

... die Entscheidung des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger im Vergabeverfahren über die Vergabe 'Konzeption, Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-Systems' (EG 99/S191-135442/DE vom ), mit vier Bietergemeinschaften das Verhandlungsverfahren durchgeführt zu haben, wobei drei von diesen auszuscheiden gewesen wären, wegen groben Verstoßes gegen das BVergG für nichtig erklären und

... die Entscheidung des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger im Vergabeverfahren über die Vergabe 'Konzeption, Planung und Aufbau eines chipkartenbasierten EDV-Systems' (EG 99/S191-135442/DE vom ), nur ein Unternehmen, nämlich die Bietergemeinschaft EDS/Orga in die zweite Stufe des Wettbewerbs und somit in das Verhandlungsverfahren aufzunehmen, für nichtig erklären."

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Auftraggeber trotz Kenntnis des Bescheides des BVA vom (vgl. Pkt. I.1.d)) die Entscheidung getroffen habe,

"dass die Bestimmung des § 55 Abs 2 BVergG, wonach nach Ausscheiden der übrigen Angebote beim Verbleib eines Anbots der Auftraggeber das Vergabeverfahren widerrufen kann, ein freies Ermessen enthalte und daher den Zuschlag erteilen werde. Dies hat der HV im übrigen auch in der Stellungnahme vom im vorgangegangenen Schlichtungsverfahren ... bekräftigt, in welcher auf Seite zwei vom HV vorgebracht wird, dass die Zuschlagserteilung vorgesehen sei, dies jedoch aus der durch die Zustellung des Schlichtungsersuchen(s) ausgelösten Sperrfrist (§109 Abs 8 BVergG) nun nicht mehr möglich sei".

Diese Auffassung des Hauptverbandes sei jedoch verfehlt, weil die Bestimmung des § 55 Abs 2 BVergG kein freies, sondern ein gebundenes Ermessen enthalte: Das Vergaberecht erachte ein Vergabeverfahren mit nur einem Anbot als grundsätzlich problematisch (vgl. § 55 Abs 3 BVergG). Gemäß § 22 Abs 2 BVergG seien im Verhandlungsverfahren mindestens drei verbindliche Angebote einzuholen. Im gegenständlichen Fall liege aber nur ein verbindliches Anbot vor, sodaß ein Widerruf iSd § 55 Abs 2 BVergG vorzunehmen sei.

bb) Ein gleichlautendes Hauptbegehren stellte auch die debis Systemhaus Österreich in ihrem mit datierten Schriftsatz; in eventu wurde die Nichtigerklärung der Ausschreibung und die Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers, den Zuschlag betreffend die gegenständliche Ausschreibung an die Bietergemeinschaft EDS/ORGA zu erteilen, begehrt.

Begründend führte sie aus, daß der Auftraggeber beabsichtige, den Zuschlag an das von ihm in Aussicht genommene Bieterkonsortium zu erteilen, obgleich er infolge mehrerer Rechtswidrigkeiten des Vergabeverfahrens und aufgrund des Umstandes, daß das BVA mit Bescheid vom (s. Pkt. I.1.d)) ausgesprochen habe, daß ein Unternehmen an drei von insgesamt vier Bieter-/Arbeitsgemeinschaften als Konsortialmitglied teilgenommen habe und dadurch die Angebote dieser drei Bieter-/Arbeitsgemeinschaften wegen Verletzung der Grundsätze des lauteren Wettbewerbs nicht zuzulassen, sondern auszuscheiden gewesen wären, verpflichtet wäre, die Ausschreibung zu widerrufen. Im Unterschied zu bisher gestellten, in erster Linie auf die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gerichteten Anträgen habe der vorliegende Antrag nunmehr den Widerruf der Ausschreibung zum Gegenstand. Abgesehen von einer Verletzung der §§55 Abs 2 und 3 und 22 Abs 2 BVergG habe der Auftraggeber in Pkt. 1.8 der Ausschreibungsunterlagen ein unzulässiges Eignungskriterium aufgestellt, weil er dort die Weitergabe von Teilen der Leistung über den Umfang von 30 % des Gesamtauftrages sowie jedenfalls hinsichtlich der vertragstypischen Leistungsteile (insbesondere Lieferung und Mangagement des Lebenszyklus der Karten) ausgeschlossen habe. Ohne dieses Verbot der Subvergabe hätten sich die Bewerber um diesen Auftrag diesbezüglich eines Subunternehmens bedienen können. Diese vom Auftraggeber getroffene Festlegung, daß der Bieter eine gewisse Eignung oder Leistung selbst erbringen müsse, sei aber unzulässig (Hinweis auf , Holst Italia Spa, Slg. 1999, I-8607). Zudem bewirke die Festlegung eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung von Unternehmen anderer EU-Mitgliedstaaten.

cc) Den von beiden Einschreitern unter einem gestellten Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gab das BVA mit Bescheid vom insoweit gemäß § 116 Abs 1 und 3 bis 5 BVergG statt, als dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlages im Vergabeverfahren "SV-Chipkarte SV (EG 99/S191-135442/DE vom )" bis zum untersagt wurde; die Entscheidung über das Mehrbegehren, nämlich die Untersagung der Zuschlagserteilung für den Zeitraum nach dem , wurde gemäß § 59 Abs 1 Satz 3 AVG einer gesonderten Erledigung vorbehalten.

b) Mit dem nunmehr vom Auftraggeber und der EDS/ORGA vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG bekämpften Bescheid vom , Zlen. N-43/01-20, N-46/01-18, gab das BVA den (Haupt-)Anträgen statt und erklärte "(d)ie Entscheidung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Ausschreibung 'SV-Chipkarte' (Aufforderung zur Anbotslegung vom ) nicht zu widerrufen, ... für nichtig" (Spruchpunkt 1). Im Spruchpunkt 2 wurden die soeben unter cc) erwähnten Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Umfang des Mehrbegehrens zurückgewiesen.

Zur Zulässigkeit der (unter Pkt. I.2.a) wiedergegebenen) Anträge führt das BVA u.a. aus:

"... Entgegen der Ansicht des Auftraggebers liegt auch die von den Antragstellern angefochtene Entscheidung, die Ausschreibung nicht zu widerrufen, zweifellos vor. Der Auftraggeber hat zwar nicht ausdrücklich erklärt, die Ausschreibung nicht widerrufen zu wollen, doch kommen auch Unterlassungen des Auftraggebers als Willenserklärung, sohin als anfechtbare Entscheidung, in Betracht, wenn sich unter Beachtung aller Umstände des Vergabeverfahrens eindeutig ergibt, dass der Auftraggeber damit einen für das Vergabeverfahren relevanten Willen zum Ausdruck bringt (vgl. BVA vom , N-33/98 = wbl 1999, 199). Bereits durch die gegenüber den anderen Bietern erfolgte Bekanntgabe vom , der Bietergemeinschaft EDS/ORGA den Zuschlag erteilen zu wollen, ergibt sich eindeutig, das(s) der Auftraggeber nicht die Absicht hat, die Ausschreibung zu widerrufen. Auch in seinem Schriftsatz vom hat der Auftraggeber wiederum ausgeführt, das(s) er beabsichtigt, den Zuschlag zu erteilen. In dieser Absicht liegt jedenfalls auch die Entscheidung, die Ausschreibung nicht zu widerrufen.

Ebenso wenig sind die Anträge der Antragsteller zurückzuweisen, weil es sich um eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs 1 AVG handeln würde. Soweit der Auftraggeber diesbezüglich auf den bereits erlassenen Bescheid vom , Zl. N-12/01-33, N-16/01-32, verweist, verkennt er, dass es sich bei den durch diesen Bescheid erledigten Verfahren nicht um dieselbe Sache wie im gegenständlichen Verfahren handelt. Dieselbe Sache würde nämlich die Identität des Verfahrensgegenstands im Verfahren zur Zahl N-12/01, N-16/01 einerseits und im Verfahren N-43/01 und N-46/01 voraussetzen. Der Verfahrensgegenstand bestimmt sich bei antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren in erster Linie nach dem zugrundeliegenden Antrag (). Im erstgenannten Verfahren wurde(n) von den Parteien wesentlich andere Anträge als im zweitgenannten Verfahren gestellt. Entscheidend für den Prozessgegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist nämlich einerseits die vom Antragsteller angefochtene Entscheidung und andererseits das von ihm diesbezüglich gestellte Begehren, etwa auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung oder auf Feststellung, dass der Zuschlag wegen Verletzung des Bundesvergabegesetzes nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Im Verfahren N-12/01, N-16/01 wurde nun von den Antragstellern jeweils die Zuschlagsentscheidung bzw. die Ausschreibung bzw. einzelne Teile der Ausschreibung angefochten sowie einige andere auf die Durchführung des Vergabeverfahrens bezughabende Entscheidungen. Die Entscheidung, vom Widerruf abzusehen, wurde nicht angefochten und wurde ihre Nichtigerklärung auch nicht beantragt. Da sich aus § 115 Abs 1 BVergG ergibt, dass die angefochtene Entscheidung den Prozessgegenstand des Nachprüfungsverfahrens festlegt, handelt es sich bei den nunmehr gestellten Anträgen nicht um dieselbe Sache. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass sämtliche nunmehrigen Antragsteller im Vorverfahren begehrt haben, dem Auftraggeber den Widerruf der Ausschreibung aufzutragen. Da das Bundesvergabeamt gemäß § 113 Abs 2 BVergG nur zur Nichtigerklärung von Auftraggeberentscheidungen und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nicht jedoch zu Aufträgen an den Auftraggeber zuständig ist, handelte es sich bei diesen Anträgen um von vornherein unzulässige Begehren, die unabhängig von der Frage der Antragslegitimation zurückzuweisen waren. Schon aus diesem Grund handelt es sich bei den nunmehr gestellten Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung, die Ausschreibung nicht zu widerrufen, um wesentlich andere Anträge und daher nicht um dieselbe Sache. Mit seinem Hinweis auf die Begründung des ha. Bescheids vom , in dem die Frage der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses von Subvergaben gemäß Pkt. 1.8 der Ausschreibung nicht behandelt wurde, verkennt der Auftraggeber, dass der Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides ausschließlich nach dem Inhalt des Spruchs bestimmt wird und nur der Spruch in Rechtskraft erwächst. Der Bescheidbegründung kommt allenfalls zur Auslegung des Spruchs Bedeutung zu (vgl. die umfangreiche Judikatur des VwGH bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I (1998) E. 50-59 zu § 68

AVG)."

Inhaltlich wurde den Hauptbegehren sodann von der belangten Behörde im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, daß aufgrund eines von der Behörde unter Berufung auf die Judikatur des EuGH angenommenen gemeinschaftsrechtswidrigen Ausschlusses der Subvergabe (betreffend die im Zusammenhang mit der Kartenlieferung stehenden Leistungsteile) ein zwingender Grund zum Widerruf der Ausschreibung vorliege.

3. a) Der zu B691/01 beschwerdeführende Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erachtet sich durch diesen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Entscheidung von zivilrechtlichen Ansprüchen in einem fairen Verfahren und durch ein unabhängiges und unparteiisches Tribunal (letzteres u.a. wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes) verletzt und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

b) Die zu B856/01 beschwerdeführenden Parteien, die Mitglieder der für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bietergemeinschaft, behaupten durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, und beantragen gleichfalls dessen kostenpflichtige Aufhebung.

c) Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie jeweils den Beschwerdevorwürfen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

d) Die mitbeteiligten Parteien, die debis Systemhaus Österreich GmbH und die Mitglieder der ARGE Telekom & Partner, haben Äußerungen erstattet, in denen sie verbunden mit dem Begehren, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen, jeweils den Beschwerdevorwürfen entgegentreten; im Verfahren B856/01 wird von ihnen zudem die Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Gesellschaften bestritten. Der Hauptverband trat dem Beschwerdevorbringen im Verfahren B856/01 bei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden gemäß §§187, 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und hierüber wie folgt erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

Gemäß Art 144 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

1. Der bekämpfte Bescheid wurde vom BVA erlassen; dieses ist eine nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Seine Entscheidungen unterliegen nach § 99 Abs 1 letzter Satz BVergG 1997 nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also ausgeschöpft.

2. a) Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte (VfSlg. 3304/1958, 9915/1984, 10.605/1985). Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit ist insbesondere dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird ().

Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt sohin ein Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen Bescheides voraus. Ein solches Interesse des Beschwerdeführers ist nur gegeben, wenn er durch den Bescheid beschwert ist, wenn somit nach Aufhebung des Bescheides ein durch diesen bewirkter Rechtsnachteil des Beschwerdeführers vermieden wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (VfSlg. 11.764/1988, 12.087/1989, ).

b) Dies ist im Fall des zu B691/01 beschwerdeführenden Hauptverbandes zu bejahen, im Fall der zu B856/01 beschwerdeführenden Parteien, den Mitgliedern der Bietergemeinschaft EDS/ORGA, aber zu verneinen:

aa) Wenn die zu B856/01 beschwerdeführenden Unternehmen zu ihrer Legitimation vorbringen, daß sie im Nachprüfungsverfahren als Partei behandelt worden seien und der bekämpfte Bescheid schon deshalb in ihre Rechtssphäre eingreife, weil von diesem abhänge, ob ihre Position als ermittelter Bestbieter aufrecht bleibe bzw. ob ihr Angebot vom Auftraggeber angenommen werden könne, so ist ihnen im Prinzip zuzustimmen (vgl. ua.). Sie lassen dabei aber - worauf die mitbeteiligten Unternehmen der ARGE Telekom & Partner zu Recht hinweisen - außer Betracht, daß ihr Angebot (trotz Vorliegens des angefochtenen Bescheides) vom Auftraggeber bereits am , also noch vor Einbringung ihrer Beschwerde, welche am erfolgte, angenommen wurde, der Vertrag sohin zustandegekommen ist. Nach Zuschlagserteilung ist aber eine Änderung ihrer damit erworbenen Rechtsposition durch den angefochtenen Bescheid nicht (mehr) möglich, sodaß es den beschwerdeführenden Unternehmen an der oben beschriebenen materiellen Beschwer mangelt.

Die zu B856/01 protokollierte Beschwerde ist daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs 3 Z 2 lite VfGG).

bb) Anders verhält es sich mit der Beschwerdelegitimation des auftraggebenden, zu B691/01 beschwerdeführenden Hauptverbandes. Durch den angefochtenen Bescheid wird bindend festgestellt, daß die für nichtig erklärte Entscheidung des Auftraggebers über die Unterlassung des Widerrufs der Ausschreibung "im Widerspruch zu Bestimmungen (des Bundesvergabegesetzes) oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluß ist". Eine solche Entscheidung hat zwar keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des danach abgeschlossenen Vertrages, entfaltet aber Bindungswirkungen in einem allfälligen Schadenersatzprozeß wegen Ansprüchen gemäß § 122 BVergG.

Da in Ansehung der vom Hauptverband erhobenen Beschwerde auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist diese zulässig.

B. In der Sache:

1. a) Der beschwerdeführende Hauptverband erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid vom in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zunächst deshalb verletzt, weil die belangte Behörde trotz Vorliegens des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides vom - und damit trotz Vorliegens von res iudicata - eine Sachentscheidung getroffen habe.

b) Selbst wenn, wie der beschwerdeführende Hauptverband bereits im Verfahren vor dem BVA als auch nunmehr in seiner Beschwerde darzutun versucht, mit dem angefochtenen Bescheid in derselben Sache neuerlich entschieden worden sein sollte, so wäre für ihn damit nichts gewonnen, weil das hg. Erkenntnis vom , B485/01 ua., diesen einer neuerlichen Entscheidung angeblich entgegenstehenden Bescheid des BVA vom mit Wirkung ex tunc aufgehoben hat, sodaß der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Entscheidung des BVA res iudicata nicht mehr mit Erfolg entgegengehalten werden kann.

2. a) Die Beschwerde wirft der Behörde sub titulo "Undurchführbare Antragstellung und undurchführbarer Spruch im bekämpften Bescheid" weiters vor, daß sie ihre Zuständigkeit zur Nichtigerklärung von Auftraggeberentscheidungen aufgrund eines untauglichen Antrages in Anspruch genommen habe:

"Der Beschwerdeführer hatte im laufenden Verfahren mehrfach, schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vom darauf hingewiesen, dass die Anträge schon auf Grund der Art der Antragstellung an das Bundesvergabeamt einer Behandlung unzugänglich wären.

Ausgangslage des Problems war der Wunsch der Antragsteller, eine Entscheidung des Beschwerdeführers herbeizuführen, welche dieser in der gewünschten Form nicht treffen wollte. Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer nämlich bereits die Entscheidung getroffen, den Zuschlag an den ermittelten Bestbieter zu erteilen, sobald auf Grund der Beendigung der Nachprüfungsverfahren eine Zuschlagserteilung möglich wäre.

Folgerichtig wurde in den ersten, vom Bundesvergabeamt zurückgewiesenen, Anträgen primär die Nichtigerklärung dieser Entscheidung, den Zuschlag erteilen zu wollen, im Ergebnis allerdings erfolglos, angefochten. Die Antragsteller ersannen daher eine 'Alternativmöglichkeit', ... den Beschwerdeführer dazu zu bewegen, die Ausschreibung zu widerrufen. Da das Bundesvergabeamt aber Entscheidungen des Auftraggebers weder substituieren kann, noch den Auftraggeber anweisen kann, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, beantragten die Antragsteller, eine 'nicht getroffene Entscheidung', sohin eine Unterlassung des Auftraggebers für nichtig zu erklären.

Entgegen der Ansicht des Bundesvergabeamtes ist es jedoch schon der Natur der Sache nach nicht möglich, eine 'Unterlassung' für nichtig zu erklären. 'Nichtig erklären' bedeutet einen (gesetzten) Akt aufzuheben, den Zustand der Nichtentscheidung herzustellen. Wurde eine Entscheidung nicht getroffen - also unterlassen - kann dieser Zustand durch eine Erklärung nicht hergestellt werden, da er ohnehin besteht. Ein Spruch, nach welchem eine Unterlassung für nichtig erklärt wird, hat daher überhaupt keine Wirkung. Da ein wirkungsloser Bescheid nicht zu fällen ist, hätte die belangte Behörde schon aus diesem Grund die Anträge der mitbeteiligten Parteien zurückweisen müssen.

Indem die belangte Behörde diese Anträge jedoch nicht zurückgewiesen hat, sondern in rechtsirriger Ansicht diese zum Spruch des bekämpften Bescheides erhoben hat, hat sie dem 'unmöglichen' Begehren der mitbeteiligten Parteien insoferne Rechtswirkungen verschafft, als auf Grund der Rechtskraftwirkung dieses Bescheides in allfälligen Nachprüfungsverfahren, vor welcher Behörde auch immer, die Frage, ob die Zuschlagserteilung deshalb rechtswidrig ist, weil die Ausschreibung hätte widerrufen werden müssen, nicht mehr geprüft werden kann, sondern ohne inhaltliche Prüfung von der Rechtsmeinung der belangten Behörde im bekämpften Bescheid ausgegangen werden muss. Damit hat die belangte Behörde aber dem - unzulässigen - Begehren der mitbeteiligten Parteien, wenngleich dieses schon nach der Natur der Sache einem Vollzug unzugänglich ist, im Ergebnis zu Wirkung verholfen.

Dieses Ergebnis ist rechtswidrig, weil die Ausgestaltung der Antragslegitimation vor dem Bundesvergabeamt nach §§113 iVm 115 BVergG eben gerade bezweckt, dass nach diesen Bestimmungen unzulässige Anträge nicht vom Bundesvergabeamt zu behandeln sind. Die genannten Bestimmungen sehen lediglich vor, dass das Bundesvergabeamt Entscheidungen des Auftraggebers für nichtig erklären kann. Daraus folgt, - auch nach ständiger Judikatur des Vergabeamtes (zu Recht) - dass das Bundesvergabeamt keine Kompetenz hat, Entscheidungen im Namen des Auftraggebers zu treffen, dem Auftraggeber (nicht getroffene) Entscheidungen aufzutragen oder - gleichbedeutend - 'Unterlassungen' des Auftraggebers für nichtig zu erklären. Diese Erkenntnis wäre selbst dann unumstößlich, wenn, wie die belangte Behörde vermeint, die mitbeteiligten Parteien durch diese Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems des Rechts verlustig gegangen wären, die Frage, ob ein Widerruf zwingend erfolgen hätte müssen, vom Bundesvergabeamt klären zu lassen.

Diese Ansicht ist jedoch ohnehin unrichtig: Die mitbeteiligten Parteien hätten die 'Unterlassung' eines Widerrufes mit der Zuschlagsentscheidung selbst anfechten können. Dies mit der Begründung (die im ersten Verfahren bezeichnenderweise ja auch vorgebracht wurde), dass die Zuschlagserteilung deshalb rechtswidrig sei, weil wegen eines zwingenden Widerrufsgrundes gar kein Zuschlag erteilt hätte werden dürfen. Wäre aber, wie im gegenständlichen Fall, diese Antragstellung deshalb nicht (mehr) möglich, weil diesbezüglich res judicata vorliege, ist dies ein umso größeres Argument dafür, dass auch im vorliegenden Fall bereits durch die erste Entscheidung eine entschiedene Sache vorliegt. Die belangte Behörde hat sich somit im Netz ihrer eigenen Argumente verfangen."

b) Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen:

"Soweit sich der Bf. gegen die Zulässigkeit des Antrages auf Nichtigerklärung der Entscheidung, nicht zu widerrufen, richtet, verkennt er, dass es zivilrechtlich ganz allgemein so ist, dass rechtserhebliche Willenserklärungen auch durch Unterlassungen abgegeben werden können (vgl. § 863 Abs 1 ABGB). Da es sich bei den - in keiner Weise irgendwelchen gesetzlichen Formerfordernissen unterliegenden - 'Entscheidungen' um ausschließlich zivilrechtlich (zu) beurteilende Akte handelt (vgl. RV 972 Blg.NR XVIII. GP 70), ergibt sich schon aus Gründen des Gebotes der Effektivität des nach der Rechtsmittelrichtlinie zu gewährleistenden Rechtsschutzes wie auch unter Gesichtspunkten des Diskriminierungsverbotes, dass auch durch Unterlassungen getroffene Auftraggeberentscheidungen einer Nichtigerklärung zugänglich sein müssen."

c) Die Beschwerde ist mit ihrem Vorbringen im Ergebnis im Recht:

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Ein solcher Fall liegt auch dann vor, wenn in einem antragsbedüftigen Verfahren eine Behörde den angefochtenen Bescheid ohne Antrag erläßt (VfSlg. 2167/1951, 4730/1964). Dem Fehlen des die Behördenzuständigkeit begründenden Antrags ist es gleichzuhalten, wenn ein untauglicher, weil auf einen nicht zulässigen rechtlichen Erfolg gerichteter Antrag gestellt wird, dessen meritorische Behandlung der Behörde verwehrt ist.

Nach § 115 Abs 1 BVergG 1997 kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein solcher Antrag hat gemäß § 115 Abs 5 BVergG u.a. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen Entscheidung (Z1), die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z5) und ein bestimmtes Begehren (Z6) zu enthalten.

Zur Durchführung des Nachprüfungsverfahrens beruft § 113 Abs 1 BVergG 1997 das BVA, welches nach § 113 Abs 2 leg.cit. bis zur Zuschlagserteilung zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Gesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen "1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie 2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers" zuständig ist. Diese Kompetenzen hat das BVA nicht von Amts wegen wahrzunehmen, sondern sie stehen ihm - wie sich aus § 113 Abs 1 ("auf Antrag") in Verbindung mit § 115 BVergG ergibt - nur über Antrag zu.

Nach § 117 Abs 1 BVergG hat das BVA eine im Zuge des Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung des Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, "wenn sie 1. im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der hiezu ergangenen Verordnungen steht und 2. für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluß ist". Letzteres ist dann anzunehmen, wenn die Vergabeentscheidung bei rechtmäßigem Verhalten des Auftraggebers anders ausgehen könnte. Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in den Ausschreibungsunterlagen oder in jedem sonstigen Dokument des Vergabeverfahrens in Betracht (§117 Abs 2 BVergG).

In den Erläuterungen zur RV zum BVergG 1993 (972 BlgNR 18. GP) heißt es zu § 94 (nunmehr § 117 BVergG 1997):

"Das Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesvergabeamt endet mit Bescheid, durch den die Entscheidung eines Auftraggebers gegebenenfalls für nichtig erklärt wird. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß die einem Auftraggeber zuzurechnenden Entscheidungen der vergebenden Stellen Akte darstellen, welche ausschließlich zivilrechtlich zu beurteilen sind."

Es ist nicht zu verkennen, daß das Gesetz den Wortlaut der Rechtsmittelrichtlinien (RL 89/665/EWG und 92/13/EWG) übernahm, welche vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des Vergaberechtsschutzes in den Mitgliedstaaten subjektive Rechte von Interessenten und Bietern einführen (vgl. dazu EuGH Rs. C-433/93, Kommission gegen Deutschland, Slg. 1995, I-2303) und die Anfechtbarkeit der dem Vertragsabschluß vorangehenden Einzelschritte im Vergabeverfahren ("Entscheidungen", vgl. § 115 Abs 1 BVergG sowie Art 2 Abs 1 litb der RL 89/665/EWG) vorschreiben (siehe dazu Öhler, Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, 1997, 80 f.).

Vor diesem Hintergrund hat auch der Verfassungsgerichtshof in

seinem Erkenntnis VfSlg. 15.578/1999 festgehalten, daß das BVA "bei

Wahrnehmung (seiner) Kompetenz nach § 91 Abs 2 BVergG (nunmehr: § 113

Abs2 BVergG 1997) ... die in den einzelnen Schritten des Verfahrens

nach außen zum Ausdruck kommenden Entscheidungen selbst zu beurteilen

und, was gemeinschaftsrechtlich zwingend vorgesehen ist,

gegebenenfalls aufzuheben (hat). ... Kommt es bei seiner Beurteilung

zum Ergebnis, daß sich das vergebende Organ in dem Sinn rechtswidrig verhalten hat, daß es die seine Entscheidungen determinierenden Vorschriften des Vergabegesetzes verletzt hat, so hat es die Entscheidung des vergebenden Organs, genauer gesagt: jenen Teilakt im Vergabeverfahren, in dem diese Entscheidung zum Ausdruck kommt, aufzuheben".

Das Nachprüfungsverfahren dient demnach der Durchsetzung subjektiver Rechte der Bewerber (Bieter), die durch Handlungen des Auftraggebers in Gestalt von Entscheidungen (§115 Abs 1 BVergG) verletzt wurden (§113 Abs 2 BVergG: "zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen"). Daher kann die den Gegenstand eines Rechtsschutzantrages bildende Nichtigerklärung keinesfalls bloße Beschlüsse im Rahmen der internen Willensbildung des Auftraggebers betreffen. Vielmehr geht es um die nach außen als "Entscheidungen" in Erscheinung tretenden Teilakte des vergebenden Organs im Vergabeverfahren und somit stets um die Nichtigerklärung privatrechtlicher Willenserklärungen des Auftraggebers. Dies zeigt auch § 117 Abs 2 BVergG 1997, der beispielsweise eine Streichung von diskriminierenden Anforderungen in den Ausschreibungsunterlagen vorsieht.

Dem BVA ist zwar zuzustimmen, daß jede sich auf das Vergabeverfahren beziehende und dem Auftraggeber zuzurechnende Willenserklärung eine anfechtbare Entscheidung iSd § 113 Abs 2 BVergG ist und daß gemäß § 863 Abs 1 ABGB ein solcher Wille nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend durch Handlungen erklärt werden kann, die mit Überlegungen aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen, sodaß auch Unterlassungen des Auftraggebers zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden können, sofern sie einen entsprechenden Erklärungswert nach außen besitzen (Rummel, in: Rummel, ABGB-Kommentar3, 2001, Bd. 1, Rz 13 zu § 863). Das ändert aber nichts an dem Umstand, daß nach dem Konzept des BVergG nur nach außen in Erscheinung tretende Willenserklärungen "Entscheidungen" des Auftraggebers sind, die für nichtig erklärt werden können und damit tauglicher Gegenstand eines entsprechenden Antrags vor dem BVA sein können.

Soweit in der Spruchpraxis des BVA (vgl. etwa BVA , N-33/98) und in der Literatur (etwa von Öhler, aaO, 80, und Holoubek, Vergaberechtsschutz im Spiegel der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, ÖZW 1998, 75 (82)) auch Unterlassungen des Auftraggebers dem Rechtsbegriff der "Entscheidung(en)" nach § 113 Abs 2 Z 2 bzw. § 115 Abs 1 BVergG unterstellt und somit als zulässiger Anfechtungsgegenstand angesehen werden, darf damit nicht beliebiges Untätigsein des Auftraggebers zum Gegenstand einer Nichtigerklärung gemacht werden. Vom Standpunkt der Rechtmittelrichtlinie im Verein mit dem diese in innerstaatliches Recht umsetzenden 2. Hauptstück des 4. Teiles des BVergG kommen Unterlassungen des Auftraggebers als anfechtbare "Entscheidungen" nur insofern in Betracht, als jene Unterlassungen einen solchen Erklärungswert besitzen, daß sie als selbständige Teilakte des Vergabeverfahrens nach außen in Erscheinung treten und ein dementsprechendes Rechtsschutzbedürfnis auslösen. Rechtswidriges Unterlassen des Auftraggebers wird daher vielfach mangels eigenständigen Erklärungswertes nach außen erst im Zuge entsprechender, darauf beruhender nachfolgender Teilakte als "Entscheidungen" in Erscheinung treten und im Zuge der Anfechtung dieser Teilakte einen zureichenden Rechtsgrund für deren Nichtigkeit bilden.

Der Verfassungsgerichtshof kann es unter dem Blickwinkel des auf Nichtigerklärung lautenden angefochtenen Bescheides sowie der vorliegenden Beschwerde dahingestellt sein lassen, ob die Bestimmung des § 113 Abs 2 Z 2 BVergG 1997 mit Thienel (Das Nachprüfungsverfahren nach dem Bundesvergabegesetz, WBl. 1993, 373 (383)) dahin verstanden werden kann, daß dem BVA bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages (auch) die Kompetenz zukommt, im Fall eines (pflichtwidrigen) Unterlassens des Auftraggebers diesem die Vornahme einer Handlung durch (Leistungs-)Bescheid aufzutragen (wozu sich das BVA selbst für unzuständig erachtet; vgl. etwa die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, S 13). Denn im gegenständlichen Fall liegt - wie das BVA selbst ausführt und worauf auch die Beschwerde zu Recht hinweist - eine nach außen hin kundgetane und damit gemäß § 113 Abs 2 Z 2 iVm § 115 BVergG anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers erst in der den anderen Bietern gegenüber erfolgten Bekanntgabe vom , der EDS/ORGA als Bestbieter den Zuschlag erteilen zu wollen. Erst daraus "ergibt sich eindeutig" (- wie das BVA selbst formuliert -), daß der Auftraggeber nicht die Absicht hatte, die Ausschreibung zu widerrufen. Nicht das Unterlassen des Widerrufs der Ausschreibung bildet sohin im vorliegenden Fall die gemäß § 115 Abs 1 BVergG anfechtbare "Entscheidung" des Auftraggebers, sondern im Sinne des oben zitierten Erkenntnisses VfSlg. 15.578/1999 lag erst in der Mitteilung der beabsichtigten Zuschlagserteilung jener "Teilakt im Vergabeverfahren", in dem die dann anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers nach außen zum Ausdruck gelangte. Selbstverständlich können dieser Entscheidung dann auch etwaige, in Unterlassungen begründete rechtliche Mängel des Vergabeverfahrens (wie der behauptete Verstoß gegen § 55 Abs 1 BVergG) im Wege eines Nichtigerklärungsantrags zur Last gelegt werden.

Der von den mitbeteiligten Parteien gestellte Antrag auf Nichtigerklärung des Unterlassens des Widerrufs der Ausschreibung erweist sich sohin als von vornherein unzulässig und nicht geeignet, eine Entscheidungskompetenz des BVA gemäß § 113 Abs 2 Z 2 BVergG zu begründen.

Da sohin das BVA aufgrund eines unzulässigen Antrages in der Sache selbst entschieden hat, hat es eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zustand. Es hat dadurch den beschwerdeführenden Hauptverband in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- und eine Eingabegebühr gemäß § 17a VfGG in Höhe von € 181,68 enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 2 lite und Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.