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OGH vom 18.11.2019, 8ObA9/19k

OGH vom 18.11.2019, 8ObA9/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI S***** A*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 24.837,62 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 106/18m-16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 24 Cga 147/17p-7, keine Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der im Jänner 1976 geborene Kläger ist seit bei der beklagten Partei als Lehrer an einer HTBLA beschäftigt.

Bei Beginn des Vertragsbedienstetenverhältnisses wurde für den Kläger der als Vorrückungsstichtag errechnet, wobei Vordienstzeiten von 7 Jahren, 1 Monat und 2 Tagen berücksichtigt wurden. Er wurde in das Entlohnungsschema IL, Entlohnungsgruppe |1, Entlohnungs-stufe 3, mit nächster Vorrückung eingestuft. Seinem Ansuchen um Nachsicht eines Teils der ihm zur Ernennung fehlenden Berufspraxis im Sinne der Z 23.1 Abs 5 der Anlage 1 zum BDG wurde stattgegeben.

Von Juli 2013 bis August 2014 war der Kläger bei einer Landes-Elektrizitätsaktiengesellschaft, von September 2010 bis Mai 2013 bei einer Engineers GmbH und von Oktober 2001 bis September 2010 bei einem Telefondienstanbieter beschäftigt.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 24.837,62 EUR brutto sA, weiters die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm weiterhin Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich aus einer Neuberechnung des Besoldungsdienstalters unter Anrechnung von Vordienstzeiten im Höchstausmaß gemäß § 26 Abs 2 und 3 VBG 1948 mit dem Stichtag ergeben.

In eventu begehrt der Kläger 10.839,22 EUR brutto sA und Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm weiterhin Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich aus einer Neuberechnung des ursprünglichen Vorrückungsstichtags unter Anrechnung der Berufspraxis im Ausmaß von 4 Jahren gemäß § 26 Abs 3 VBG idF BGBl I Nr 120/2012 (mit verbessertem Vorrückungsstichtag ) als Basis für die Überleitung mit gemäß § 94a VBG idgF ergeben.

Zum Hauptbegehren brachte der Kläger vor, er habe gemäß § 94a VBG iVm § 169c Abs 6a GehG einen Anspruch auf Neubemessung der Bezüge auf Grundlage des § 26 VBG in der im Klagszeitpunkt geltenden Fassung. Seine Vordienstzeiten seien im Sinne des Abs 3 dieser Bestimmung einschlägig und im Ausmaß von maximal 10 Jahren anrechenbar. Damit ergäbe sich unter Berücksichtigung seiner Lehrtätigkeit zum Stichtag auf Basis eines Besoldungsalters von 10 Jahren, 6 Monaten und 4 Tagen eine Einstufung in der 6. Entlohnungsgruppe |1, mit nächster Vorrückung am . Er mache die Differenzen zum ausbezahlten Bruttogehalt für März 2015 bis einschließlich Oktober 2017 geltend.

Das Eventualbegehren beruhe auf einer Anrechnung seiner Berufspraxis iSd § 26 Abs 3 VBG idF BGBl I 120/2012 als Basis für die Überleitung gemäß § 94a VBG. Vor Abschluss seines Studiums habe er 23 Monate und danach 25 Monate an einschlägiger Berufspraxis erworben. Für ihn sei nach Z 23.1 Abs 5 der Anlage 1 zum BDG eine vierjährige Berufspraxis Ernennungserfordernis. Da diese nicht gänzlich nach Abschluss des Hochschulstudiums zu absolvieren sei, hätte ihm die vierjährige Berufspraxis zum Vorrückungsstichtag angerechnet werden müssen. In diesem Fall ergäbe sich zum Stichtag der Vorrückungsstichtag mit Einstufung in das Entlohnungsschema IL, Entlohnungsgruppe |1, Entlohnungs-stufe 5, mit nächster Vorrückung am . Auf dieser Basis hätte sich der Kläger nach der Überleitung in die Entlohnungsstufe 3 samt Wahrungszulage bis zur nächsten Vorrückung befunden. Daraus errechne sich eine Gehaltsdifferenz für die Zeit von November 2014 bis einschließlich Oktober 2017 in Höhe des Eventualbegehrens.

Die beklagte Partei wandte zusammengefasst ein, gemäß § 169c Abs 6a GehG sei für die Einstufung und Vorrückung auch für Zeiten vor dem ausschließlich das nach Abs 3 bis Abs 6 festgesetzte Besoldungsdienstalter maßgebend. Eine Neubemessung der Bezüge und Nebengebühren sei zwar für die Zeit vor dem über Antrag möglich, jedoch nur für diese und nicht für die maßgebliche Vordienstzeitenanrechnung. Mit § 175 Abs 79 Z 2, 3 GehG sowie § 100 Abs 70 Z 2, 3 VBG jeweils idF BGBl I 32/2015 sei ausdrücklich ein Anwendungsverbot für alle älteren Bestimmungen zur Einstufung und Vorrückung normiert worden. Dem Eventualbegehren sei entgegenzuhalten, dass § 19, 26 VBG idF BGBl I 120/2012 gemäß § 100 Abs 70 Z 3 VBG in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden seien. Auch die in § 169c Abs 2a GehG statuierten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. In den Monaten Jänner und Februar 2017 seien dem Kläger irrtümlich um 84,42 EUR brutto zu wenig bezahlt worden. Dieser Fehler sei aber mittlerweile berichtigt worden.

Das behielt mit Teilurteil die Entscheidung über den Entgeltrückstand von 84,42 EUR brutto vor, das übrige Hauptbegehren und das Eventualbegehren wies es ab.

Mit der Besoldungsreform 2015, BGBl I 32/2015, sei für Bundesbedienstete, deren Einstufung, Vorrückung etc sich bisher nach dem System des Vorrückungsstichtags gerichtet habe, ein neues Besoldungssystem in Form des Systems des Besoldungsdienstalters eingeführt worden, das an die Stelle des alten Systems getreten sei und dieses ersetze. Die Überleitung erfolge allein auf Grundlage der bisherigen Gehälter unter Wahrung deren bisheriger Höhe. Die nach diesem System ermittelte besoldungsrechtliche Stellung sei der Bemessung der Bezüge sowohl ab als auch rückwirkend für die Zeit davor zugrunde zu legen. Dies gelte auch für eine Neubemessung von Bezügen für solche Zeiten. Eine Anwendung der § 19, 26 VBG in der vor der Besoldungsreform 2015 geltenden Fassung sei ausgeschlossen, lediglich Eingabefehler seien zu korrigieren. Rechtskräftig angerechnete Vordienstzeiten, die die Personalstelle durch eine entsprechende Mitteilung anerkannt habe, seien keiner neuerlichen Überprüfung zu unterziehen.

Das gab dem Rechtsmittel des Klägers gegen das Teilurteil keine Folge und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Nach § 169c Abs 2a GehG dürften bei der Ermittlung der für den Überleitungsbetrag maßgeblichen Bezüge nur Eingabefehler und urkundlich belegte offenbare Unrichtigkeiten berücksichtigt werden. Eine individuelle Überprüfung der richtigen Vordienstzeitenanrechnung habe der Gesetzgeber untersagt. Der Anwendungsbereich des Unionsrechts sei im Anlassfall nicht eröffnet, weil der Kläger weder eine Diskriminierung aufgrund seines Alters behauptet habe, noch ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Teilurteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat die ihr gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne ihres Eventualantrags berechtigt.

Das Besoldungsrecht des Bundes wurde nach dem Datum der Entscheidung des Berufungsgerichts neuerlich umfassend novelliert, mit dem Ziel der Herstellung seiner Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, insbesondere im Lichte des Österreichischer Gewerkschaftsbund/Republik Österreich, mit BGBl I 58/2019 (2. Dienstrechts-Novelle 2019). Für Vertragsbedienstete, deren Vorrückungsstichtag bei der Anrechnung unter Ausschluss der vor dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, ist nach Maßgabe der § 94b ff VBG 1948 eine Neueinstufung nach einem einheitlichen Regelwerk vorgesehen. Diese Regelungen wurden mit rückwirkend in Kraft gesetzt (§ 100 Abs 89 Z 1 VBG 1948). Sie betreffen auch am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 anhängige einschlägige Verfahren.

Die Neufestsetzung hat bei den am Tag der Kundmachung anhängigen Verfahren, welche die Frage der Anrechnung zusätzlicher Vordienstzeiten, der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags, der Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters oder der Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung als Hauptfrage zum Gegenstand haben, im Rahmen dieser Verfahren zu erfolgen (§ 94 Abs 3 VBG 1948). Das neu festgesetzte Besoldungsdienstalter ist dann nach Maßgabe des § 94b Abs 6 VBG 1948 auch ausdrücklich rückwirkend für die Bemessung der Bezüge maßgeblich (s auch AB 675 BlgNR XXVI. GP S 7).

Die Bestimmung des § 169c Abs 2a GehG, auf die sich die rechtlichen Ausführungen der Vorinstanzen maßgeblich gründen (iVm § 94a VBG), wurde nunmehr rückwirkend mit aufgehoben (§ 175 Abs 98 Z 2 GehG idgF).

Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist daher grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RS0031419). Dies ist hier der Fall, sodass die mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 geschaffene Rechtslage auch im vorliegenden Verfahren anzuwenden ist.

Daraus ergibt sich Folgendes:

Nach § 182a ZPO hat das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (RS0037300 [T46]). Das hat umso mehr bei geänderter Rechtslage zu gelten. Die Parteien müssen Gelegenheit haben, zur neuen Rechtslage Vorbringen zu erstatten (RS0037300 [T26]).

Die auf das Besoldungsrecht gemäß BGBl I Nr 32/2015 bezogene Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist vor dem Hintergrund der Neuregelung nicht aufrecht zu erhalten.

Daraus folgt, dass das Klagebegehren insgesamt nach Maßgabe der neuen Rechtslage zur Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung des Klägers und der Bemessung seiner Bezüge sowie allfälliger Nachzahlungen zum Gegenstand einer umfassenden, auch das allfällige Vorliegen der Voraussetzungen des § 94b Abs 1 VBG umfassenden Erörterung vor dem Erstgericht zu machen ist.

Der Revision war daher im Sinne ihres Eventualantrags Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 2 ASGG,§ 52 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00009.19K.1118.000

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