OGH vom 03.05.2000, 13Os28/00
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Graf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Goran Z***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Goran Z***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 35 Vr 1173/99-87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch zu A I, Goran Z***** habe Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig verkauft, sohin in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat auch unter § 28 Abs 3 erster Fall StGB, sowie in dem Goran Z***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird Goran Z***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Goran Z***** (neben den Angeklagten Roman E***** und Susanne S*****, hinsichtlich derer das Urteil rechtskräftig wurde) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG (A I) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (B I) schuldig erkannt.
Danach hat er
zu A I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, und zwar zwischen ca Jänner 1999 und durch gewerbsmäßigen Verkauf von ca 100 Gramm Heroin an Susanne S***** und Roman E*****;
zu B I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen, von Österreich aus- und nach Jugoslawien eingeführt, sowie anderen überlassen, und zwar zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Jahre 1999
1) durch Erwerb von ziffernmäßig nicht mehr feststellbaren Mengen Heroin mit dem abgesondert verfolgten Markus M*****, Peter R***** unbekannten Drogenverkäufern für den Eigenbedarf und deren Besitz,
2) durch Erwerb und Besitz von einigen codeinhältigen Tabletten bei Unbekannten und deren Schmuggel von Innsbruck nach Jugoslawien.
Obwohl die Nichtigkeitsbeschwerde einen uneingeschränkten Aufhebungsantrag stellt, richtet sich das Rechtsmittel inhaltlich nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens zu Punkt A I, wobei es unter Geltendmachung der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO die Privilegierung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG anstrebt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist jedoch nicht berechtigt; allerdings führt sie letztlich aus anderen Gründen (gemäß § 290 StPO) doch zum Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge behauptet vorerst eine Unvollständigkeit, die darin bestehen soll, dass das Erstgericht die Aussagen der Mitangeklagten E***** und S*****, der Angeklagte Z***** hätte in ihrer Gegenwart Heroin konsumiert, sei nach ihrer Ansicht süchtig und habe anlässlich diverser Zusammentreffen Entzugserscheinungen gezeigt, mit Stillschweigen übergangen worden wären.
Abgesehen davon, dass die Tatrichter ohnedies von Heroinkonsum durch den Angeklagten Z***** ausgingen (siehe B I 1), übersieht die Beschwerde, dass Gegenstand von Zeugenaussagen ausschließlich Wahrnehmungen über Tatsachen sein können, nicht jedoch auch subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge (Mayerhofer StPO4 § 150 StPO E 1, 2, 6b, 7b), hier sohin über eine allenfalls bestehende Sucht, was die Beschwerde letztlich selbst einräumt, indem sie meint, das Gutachten des Sachverständigen hätte insoweit ergänzt werden müssen. Eine Berücksichtigung dieser Teile der Verantwortung der Mitangeklagten unterblieb somit zu Recht; dass das Gutachten Mängel im Sinne der §§ 125, 126 StPO aufgewiesen hätte und entsprechende (erfolglose) Anträge durch den Verteidiger zur Abhilfe solcher Mängel gestellt worden wären, behauptet die Beschwerde indes gar nicht.
Auch der angebliche Widerspruch, der darin liegen soll, dass der Angeklagte Z***** Heroin konsumiert, jedoch nicht süchtig ("an ein Suchtgift gewöhnt") gewesen sei, liegt nicht vor. Dass Heroin zur sofortigen Abhängigkeit führe, ist möglich, aber nicht zwingend, und demnach vorliegend bloße Spekulation.
Die Rüge zeigt somit keine Formalmängel auf, sondern trachtet im Kern bloß nach Art einer Schuldberufung und somit unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen.
Dies trifft auch für die Tatsachenrüge (Z 5a) zu, welche keine, geschweige denn erhebliche, Bedenken gegen die Richtigkeit der von der Nichtigkeitsbeschwerde betroffenen wesentlichen Tatsachenfeststellungen aufzeigt.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) entbehrt einer prozessordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen (keine "Gewöhnung an Suchtmittel") ausgeht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass das Urteil an einem vom Angeklagten nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) leidet, der sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt.
Die Annahme, der Angeklagte Z***** hätte die Absicht gehabt, sich durch die bewusst kontinuierlichen zahlreichen Weitergaben einer Menge von insgesamt 100 Gramm Heroin im Reinheitsgrad von 11 % (US 10, 11), somit einer insgesamt großen Heroinmenge, eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, vermag die Annahme der Qualifikation der gewerbsmäßigen Tatbegehung nach § 28 Abs 3 erster Satz erster Fall SMG nicht zu tragen. Denn zur Qualifizierung der im § 28 Abs 2 SMG bezeichneten Tat als gewerbsmäßig (Abs 3) begangen ist nämlich erforderlich, dass sich die Absicht des Täters (u.a.) auf die wiederkehrende Begehung von strafbaren Handlungen bezieht, die jeweils für sich allein als Verbrechen nach Abs 2 zu beurteilen sind (Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl VIII Pkt 1, 13 Os 8, 11/98, 11 Os 129/98 und 13 Os 27/99).
Das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war sohin in diesem Punkte demnach auch im Strafausspruch betreffend Goran Z***** von Amts wegen aufzuheben, und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).
Demgemäß war der Angeklagte mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.