OGH vom 29.10.2013, 9ObA69/13g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Andreas Hach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** P*****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Stadt L*****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 24.290,10 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 23/13a 10, in nichtöffentlicher Sitzung, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin war bei der Beklagten vom bis als Vertragsbedienstete beschäftigt. Im schriftlichen Dienstvertrag vereinbarten die Streitteile die Geltung der Vertragsbedienstetenordnung (VBO) der Beklagten in der jeweils geltenden Fassung.
Nach § 32 Abs 3 lit b der VBO in der zum Zeitpunkt des Dienstvertragsabschlusses geltenden Fassung gebührte weiblichen Vertragsbediensteten die Abfertigung auch dann, wenn sie innerhalb von 18 Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebte, das Dienstverhältnis kündigten.
Mit wurde diese Bestimmung, die auch derzeit noch in Kraft steht, geändert: Nach § 32 Abs 3 Z 2 lit a der VBO gebührt einem Vertragsbediensteten außerdem eine Abfertigung, wenn er innerhalb von sechs Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, das Dienstverhältnis kündigt.
Das jüngste Kind der Klägerin wurde am geboren. Am kündigte die Klägerin das Dienstverhältnis zum auf.
Das von der Klägerin auf Gewährung einer Abfertigung gemäß § 32 Abs 3 lit b der VBO aF gerichtete Klagebegehren wurde vom Erstgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Ihre außerordentliche Revision begründet die Klägerin nun damit, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei und eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage des Verhältnisses zwischen dem (auch gemeinschaftsrechtlichen) Diskriminierungsverbot und einseitig vom Dienstgeber angeordneten dienstvertraglichen Verschlechterungen zu Lasten des Dienstnehmers in einer Vertragsbedienstetenordnung fehle. Damit zeigt sie keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Da das Land Oberösterreich von der den Ländern eingeräumte Regelungskompetenz bezüglich der Bediensteten der Städte mit eigenem Statut nicht Gebrauch gemacht hat, kommen auf diese Dienstverhältnisse die Bestimmungen des ABGB bzw des AngG zur Anwendung. Die VBO der Beklagten ist nur lex contractus (RIS Justiz RS0059222). Da nicht behauptet wurde, dass die Klägerin in einer von einer Gemeinde betriebenen „Unternehmung“ der in den §§ 1 oder 2 AngG bezeichneten Art beschäftigt war (§ 3 AngG), kommt das Angestelltengesetz nicht (unmittelbar) zur Anwendung (vgl 9 ObA 6/10p mwN). Nach dem schriftlichen Dienstvertrag war die Klägerin allerdings als „Vertragsangestellte“ (Kindergärtnerin) beschäftigt, sodass in ihrem Fall das Angestelltengesetz auch als Vertragsschablone in Frage käme (RIS Justiz RS0027842).
Letztlich kann aber hier die Frage, ob im Anlassfall auf das Arbeitsverhältnis ex lege oder ex contractu die Abfertigungsregeln des AngG anzuwenden sind, dahingestellt bleiben, weil damit für die Klägerin nichts gewonnen wäre. § 23a Abs 3 Z 1 AngG sieht für weibliche Angestellte, sofern das Dienstverhältnis ununterbrochen fünf Jahre gedauert hat, die Möglichkeit eines die Hälfte der nach § 23 Abs 1 AngG zustehenden Abfertigung wahrenden Austritts nach der Geburt eines Kindes lediglich innerhalb der Schutzfrist des § 5 Abs 1 MSchG (im Normalfall acht Wochen nach der Geburt) oder im Falle der Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG spätestens drei Monate vor Ende der Karenz (bei Inanspruchnahme einer Karenz von weniger als drei Monaten spätestens zwei Monate vor Ende der Karenz) vor. Die Voraussetzungen für diesen gesetzlichen Abfertigungsanspruch erfüllt die Klägerin jedenfalls nicht.
Die Klägerin will aber ohnehin einen vertraglichen Abfertigungsanspruch realisieren, weil sie sich auf die im Dienstvertrag vereinbarte VBO der Beklagten beruft. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Geltung der VBO nur „in der jeweils geltenden Fassung“ vereinbart wurde. In dieser zwischen den Streitteilen im Dienstvertrag vereinbarten und auch grundsätzlich zulässigen (8 ObA 34/12a; RIS Justiz RS0052618 [T2]) „Jeweils“ Klausel ist nach herrschender Rechtsprechung ein Änderungsvorbehalt zu sehen, der dem Dienstgeber eine nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen auszuübende Regelungsbefugnis einräumt, die auch für den Dienstnehmer zumutbare Verschlechterungen umfasst (8 ObA 34/12a; 8 ObA 31/07b; 9 ObA 181/07v; 9 ObA 40/06g ua; RIS Justiz RS0112269).
Das Berufungsgericht erachtete die zeitliche Einschränkung der abfertigungswahrenden Kündigung einer/eines Vertragsbediensteten von 18 Jahre auf 6 Jahre nach der Geburt eines eigenen Kindes vor dem Hintergrund des mit dieser Regelung verfolgten Zwecks der Mitte der 1980er Jahre noch ausschließlich weiblichen Arbeitnehmerinnen gewährten Möglichkeit, die Berufstätigkeit zugunsten ihrer Familie ohne Verlust des Abfertigungsanspruchs aufzugeben, als noch im Ermessen des Dienstgebers stehende zulässige Gestaltung dar. Zum einen erscheine die Regelung im Lichte des seit damals vollzogenen gesellschaftlichen Wandels, insbesondere was die Berufstätigkeit von Müttern bereits schulpflichtiger Kinder und die Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen betreffe, nicht unbillig und zum anderen vor dem Hintergrund des die Beklagte als Gebietskörperschaft treffenden Gebots der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung auch gerechtfertigt. Diese Rechtsansicht ist jedenfalls vertretbar, zumal bei diesen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden darf, dass auch die neue Regelung des § 32 Abs 3 Z 2 lit a VBO noch immer eine erhebliche Besserstellung der Klägerin gegenüber der vergleichbaren gesetzlichen Bestimmung des § 23a Abs 3 Z 1 AngG bewirkt. Auch der von der Klägerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung ins Treffen geführte Umstand des „regelmäßig zwingenden Charakters von Abfertigungsvorschriften“ lässt die Änderung der VBO noch nicht als unzumutbare Verschlechterung erscheinen. Fragen der Zumutbarkeit bilden in aller Regel keine erheblichen Rechtsfragen gemäß § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung zu korrigieren ist (9 ObA 5/13w; RIS Justiz RS0021095 uva). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zum einen wurde zwar die Frist für die abfertigungswahrende Kündigung verkürzt, zum anderen können nun aber auch männliche Vertragsbedienstete von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Den Überlegungen der Klägerin zur Frage des zulässigen Eingriffs in zwingende Bestimmungen des VBG (das VBG ist hier gemäß § 1 Abs 1 ohnehin nicht anzuwenden, weil die Klägerin in keinem Dienstverhältnis zum Bund steht) oder landesgesetzlicher Vertragsbedienstetenordnungen muss hier schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil die hier in Betracht kommende Regelung des § 32 Abs 3 Z 2 lit a VBO für die Klägerin jedenfalls eine im Vergleich zu dem sonst zur Anwendung gelangenden Gesetzesrecht günstigere, weil über § 23a AngG weit hinausgehende Vereinbarung darstellt.
Das Argument der Klägerin, sie werde „gegenüber jüngeren Mitarbeiterinnen mit einem tatsächlich gegebenen oder zumindest deutlich wahrscheinlicheren Vorhandensein eines unter 6 Jahre alten Kindes“ wegen ihres Alters diskriminiert, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die abfertigungswahrende Kündigungsmöglichkeit des § 32 Abs 3 Z 2 lit a der VBO nF knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an ein Alter des Arbeitnehmers an.
Darauf, dass der Klägerin die Änderung der VBO nicht besonders zur Kenntnis gebracht werden musste, weil es nach herrschender Rechtsprechung nur darauf ankommt, dass die jeweiligen auf den einzelnen Dienstnehmer anzuwendenden dienstrechtlichen Vorschriften veröffentlicht wurden und dieser Gelegenheit hatte, sich darüber Kenntnis zu verschaffen (hier durch Einsichtnahme in das Amtsblatt), hat das Berufungsgericht bereits zutreffend dargelegt (vgl 9 ObA 17/99m; 9 ObA 270/90).
Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).