OGH vom 29.07.2020, 13Os27/20z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Part in der Finanzstrafsache gegen Andreas K***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 122 Hv 14/19a13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, und der Finanzstrafbehörde, Mag. Ungerböck, sowie des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Schmadl zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG (teils idF BGBl I 2012/112, teils idF BGBl I 2015/163), demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Andreas K***** hat durch die vom Schuldspruch erfassten Taten für das Jahr 2014 das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2012/112, für die Jahre 2015 und 2016 mehrere Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2015/163 sowie durch die vom Schuldspruch II erfassten Taten mehrere Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2015/163
begangen und wird hiefür unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG sowie unter Bedachtnahme auf § 23 Abs 4 FinStrG nach § 38 Abs 1 FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 zu einer Geldstrafe von
50.000 Euro,
für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 20 FinStrG zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas K***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I) sowie nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.
Danach hat er als Einzelunternehmer (US 3) im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg vorsätzlich unter Verletzung
I) abgabenrechtlicher Anzeige, Offenlegungs oder Wahrheitspflichten durch Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen Verkürzungen an Umsatzsteuer bewirkt, und zwar
für das Jahr 2014 um 13.071,67 Euro,
für das Jahr 2015 um 37.534,32 Euro und
für das Jahr 2016 um 36.495,78 Euro sowie
II) der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar für die Monate Jänner 2017 bis Dezember 2017 und Jänner 2019 (im Urteil nach Voranmeldungszeiträumen aufgegliedert) um 46.787,97 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich in Ansehung sämtlicher Taten (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 7 ff) – der Sache nach nur – gegen die Nichtannahme der Qualifikation des § 38 Abs 1 FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 richtet.
§ 4 Abs 2 FinStrG ordnet (anders als § 61 StGB) grundsätzlich die Anwendung des Tatzeitrechts an, es sei denn, die im Urteilszeitpunkt geltende Rechtslage wäre für den Täter günstiger. Zwischengesetze, also Normen, die zum Zeitpunkt der Tat noch nicht und bei Urteilsfällung erster Instanz nicht mehr dem Rechtsbestand angehörten, haben bei diesem Vergleich außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0114587, Lässig in WK2 FinStrG § 4 Rz 7 mwN).
Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist die jeweilige Rechtslage in ihrer Gesamtauswirkung zu betrachten (RIS-Justiz RS0118096 und RS0119085, Lässig in WK² FinStrG § 4 Rz 5). Er hat nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen zu erfolgen (RIS-Justiz RS0119085 [T1]), weil nach dem Gesetz das für den Täter günstigere Recht anzuwenden ist.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen (US 3 bis 5) erfüllen sämtliche von den Schuldsprüchen I und II erfasste Taten die Tatbestandselemente des im Tatzeitpunkt geltenden § 38 FinStrG idF BGBl I 2012/112 (für das Jahr 2014) und idF BGBl I 2015/163 (für die Jahre 2015 bis 2017 und 2019).
Diesbezügliche Verfahrens, Begründungs oder Tatsachenmängel (Z 2 bis 5a des § 281 Abs 1 StPO) hat der Angeklagte, dem insoweit zusätzliches rechtliches Gehör eingeräumt wurde (RISJustiz RS0114638 [T2]; Ratz, WKStPO § 285 Rz 14), nicht behauptet.
Die Grundtatbestände (§ 33 Abs 1 und § 33 Abs 2 lit a FinStrG) blieben während des gesamten hier interessierenden Zeitraums unverändert.
§ 33 Abs 5 erster Satz FinStrG in der zu sämtlichen Tatzeitpunkten geltenden Fassung BGBl I 2013/14 bedrohte die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe (§ 16 FinStrG) bis zum Zweifachen des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG). Daneben sah Abs 5 letzter Satz des § 33 FinStrG in der angeführten Fassung die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren nach Maßgabe des § 15 FinStrG vor.
Die letztgenannte, seit unverändert in Geltung stehende Norm (idF BGBl I 2010/104) sieht in Abs 2 vor, dass in den Fällen, in denen nicht zwingend eine Freiheitsstrafe auszusprechen ist, nur dann auf eine solche erkannt werden darf, wenn dies spezial- oder generalpräventive Gründe verlangen.
Bei gewerbsmäßiger Begehung erweiterte § 38 FinStrG in den Tatzeitfassungen (BGBl I 2012/112 und BGBl I 2015/163) für Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung die Geldstrafdrohung auf das Dreifache des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 38 Abs 1 erster Satz FinStrG) und die angedrohte Freiheitsstrafe (§ 15 FinStrG) – soweit hier mit Blick auf den strafbestimmenden Wertbetrag von nicht mehr als 500.000 Euro von Bedeutung –auf maximal drei Jahre (§ 38 Abs 1 zweiter Satz erster Fall FinStrG).
Mit Inkrafttreten des Art 4 des EU-FinAnpG 2019 BGBl I 2019/62 am wurde § 38 FinStrG ersatzlos aufgehoben und die in § 33 Abs 5 FinStrG vorgesehene Freiheitsstrafe auf bis zu vier Jahre erhöht. Die Absicht, sich (oder einem Verband, als dessen Entscheidungsträger der Täter handelte) durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine nicht nur geringfügige fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wurde als Erschwerungsgrund in § 23 Abs 2 FinStrG aufgenommen (vgl 644 BlgNR 26. GP 41).
Fallkonkret ist die Strafdrohung des § 38 Abs 1 FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 für den Täter günstiger als jene des § 33 Abs 5 FinStrG idF BGBl I 2019/62, weil letztere eine Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren, erstere hingegen bloß eine solche bis zu drei Jahren vorsieht. Die unterschiedlichen Geldstrafdrohungen sind insoweit bedeutungslos, weil die Freiheitsstrafe gegenüber der Geldstrafe das schwerer wiegende Übel darstellt. Dass die Freiheitsstrafe nach beiden in Rede stehenden Normen nur verhängt werden darf, wenn spezial oder generalpräventive Gründe dies verlangen, ist als bloßer Strafbemessungsaspekt für den Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) irrelevant (RISJustiz RS0132910).
Es war demgemäß – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil in der Nichtvornahme der Subsumtion nach § 38 FinStrG in den Tatzeitfassungen (demzufolge auch im Strafausspruch) aufzuheben und ein entsprechender Schuldspruch zu fällen.
Bei der Strafneubemessung waren gemäß § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG die Bestimmungen der § 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden.
Solcherart waren das Zusammentreffen von mehreren Finanzvergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die verwaltungsbehördliche Vorstrafe des Angeklagten wegen eines Finanzvergehens (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB, vgl RIS-Justiz RS0086279) als erschwerend zu werten. Als mildernd zu berücksichtigen waren die vollständige Schadensgutmachung (§ 33 Abs 1 Z 14 StGB) und das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 23 Abs 2 erster Satz FinStrG) erweist sich auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 23 Abs 1 FinStrG) unter Einbeziehung seiner persönlichen Verhältnisse und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 23 Abs 3 FinStrG) bei einer Geldstrafdrohung bis zu 401.669,22 Euro und einer angedrohten Freiheitsstrafe (§ 15 FinStrG) bis zu drei Jahren (§ 38 Abs 1 zweiter Satz erster Fall FinStrG idF vor BGBl I 2019/62) die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion als schuldangemessen.
Bedingte Strafnachsicht (§ 26 Abs 1 FinStrG) kam im Hinblick auf das einschlägig getrübte Vorleben sowohl aus spezialpräventiven als auch als generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.
Der Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe gründet sich auf § 20 Abs 1 und 2 FinStrG.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00027.20Z.0729.000 |
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