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OGH vom 01.09.2020, 11Os84/20t

OGH vom 01.09.2020, 11Os84/20t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger als weitere Richter im Verfahren zur Unterbringung des Harald P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, AZ 27 HR 229/20i des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , AZ 7 Bs 125/20m (ON 22 der HRAkten), nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

Harald P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg führte zu AZ 15 St 140/20f ein Ermittlungsverfahren gegen Harald P***** (unter anderem) wegen des Verdachts des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB. Über den Genannten wurde vom Landesgericht Salzburg aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1, Abs 2 Z 3 lit a und b StPO am die Untersuchungshaft verhängt (ON 10) und am in eine vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 iVm 173 Abs 1, Abs 2 Z 3 lit a StPO umgewandelt.

Der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Linz mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde.

Nach den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts steht P***** in dringendem Verdacht, am in S***** unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (§ 11 StGB), Sylvia G***** im Anschluss an die Wegnahme einer Packung Kekse zum Nachteil der H***** KG durch Vorhalten eines Messers, sohin durch konkludente Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von seiner Anhaltung genötigt zu haben. In rechtlicher Hinsicht subsumierte es dieses Verhalten dem Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB.

Die Grundrechtsbeschwerde kritisiert zunächst die Annahme einer nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierten Drohung mit der Begründung, es mangle an der Eignung zur Einflößung begründeter Besorgnis in Bezug auf die durch Gesten angekündigte Tötung.

Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts über eine Haftbeschwerde – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS-Justiz RS0121605). Dabei kann die Begründung des dringenden Tatverdachts in sinngemäßer Anwendung des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO bekämpft werden (RIS-Justiz RS0110146, RS0114488). Die rechtliche Beurteilung wiederum, welche strafbaren Handlungen durch die als sehr wahrscheinlich angenommenen Tatsachen begründet werden, unterliegt der Prüfung nach den Kriterien der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO (Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 26, 32 f; Kirchbacher/Rami, WK-StPO Vor § 170–189 Rz 23/2).

Dass das Entgegenstrecken eines Messers mit einer Länge von 20 cm in nächster Nähe gegen eine ihn nach einem Diebstahl anhalten wollende Person mit Blick auf den vom Oberlandesgericht angenommenen – auch durch Alkoholisierung – beeinträchtigten psychischen Zustand des Betroffenen (BS 2) nicht geeignet sein sollte, der Bedrohten begründete Besorgnis in Bezug auf eine Tötung einzuflößen (vgl zu dieser Rechtsfrage RIS-Justiz RS0092160, RS0092448), vermag die Beschwerde, die die dazu angestellten Erwägungen des Oberlandesgerichts teilweise übergeht (BS 4), nicht überzeugend zu argumentieren. Fallkonkret war daher deren der herrschenden Judikatur widersprechende rechtliche Beurteilung der (in der Beschwerde nicht bestrittenen) Verdachtsannahmen des Oberlandesgerichts nicht zu folgen.

Die rechtliche Annahme einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens (nur) dahin, ob sie aus den vom Oberlandesgericht in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806). Vergleichsbasis des Willkürverbots sind – mit Blick auf § 173 Abs 2 StPO, der verlangt, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen – nur die der Prognoseentscheidung tatsächlich zugrunde gelegten Tatsachen.

Indem die Beschwerde bloß behauptet, es „könne nicht gesagt werden, gegen welches Rechtsgut eine strafbare Handlung gerichtet sein und welche Folgen sie haben könnte“, vernachlässigt sie sowohl die Tatsachenannahmen des Oberlandesgerichts als auch dessen daraus abgeleiteten Folgerungen (BS 4; vgl zur Drohung mit dem Tod als Tat mit schweren Folgen RIS-Justiz RS0116500).

Im Übrigen blieben die angenommenen Anhaltegründe der Fremdgefährlichkeit und der Notwendigkeit ärztlicher Beobachtung (BS 4) völlig unbekämpft (RIS-Justiz RS0061136).

Der Betroffene wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde abzuweisen war.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00084.20T.0901.000

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