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OGH 31.01.2007, 8ObA89/06f

OGH 31.01.2007, 8ObA89/06f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helwig Aubauer und KR Ernst Boran als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Dagmar A*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach, Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 5.121,34 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 17.121,34 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 58/06z-18, womit über Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 23 Cga 129/05s-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin 5.121,34 EUR samt 9,47 % Zinsen seit sowie 9,47 % Zinsen aus 246,72 EUR vom bis , 9,47 % Zinsen aus 541,62 EUR vom bis , 9,47 % Zinsen aus 3.249,72 EUR vom bis und 9,47 % Zinsen aus 541,70 vom bis binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin bezogene „Zulage Gewerkschaft 12mal" gemäß § 5 Abs 2 der Pensionszuschussordnung der beklagten Partei in die Bemessungsgrundlage des der Klägerin zu gewährenden Pensionszuschusses einzubeziehen ist.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 3.370,30 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 521,55 EUR USt, 241 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 3.249,66 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 373,61 EUR USt); 1.008 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom bis als Rechtsschutzsekretärin beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete infolge Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer.

Bei Beginn des Dienstverhältnisses stand die Pensionszuschussordnung (PO) für die Arbeitnehmer der beklagten Partei vom in der Fassung vom in Geltung.

§ 5 Abs 2 erster und zweiter Satz lauten:

„Die Ruhegenussanwartschaft beträgt für die ersten 15 anrechenbaren Dienstjahre 40 vH des im letzten Monat vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bezogenen Monatsgehaltes, zuzüglich 1/12 einer Sonderzahlung, einschließlich dauernd gewährter Zulagen. Sie erhöht sich für jedes weitere anrechenbare Dienstjahr um 2 vH bis zum Höchstausmaß von 80 vH dieses Gehaltes nach 35 anrechenbaren Dienstjahren."

§ 29 der PO lautet:

„Diese Pensionszuschussordnung tritt mit Wirkung vom in Kraft. Sie kann bei Vorliegen wichtiger Gründe unter beratender Mitwirkung des Zentralbetriebsrates durch den Bundesvorstand jederzeit abgeändert werden."

Eine Abänderung erfolgte mehrfach.

Eine Gesamtänderung der PO erfolgte durch eine am

geschlossene Betriebsvereinbarung.

§ 5 Abs 2 der PO idF der BV hat folgenden Wortlaut:

„Die Pensionszuschussanwartschaft im Sinne des § 3 beträgt für die ersten 15 anrechenbaren Dienstjahre für 40 vH des im letzten Monat vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bezogenen Bruttomonatsgehalts einschließlich gewährter Zulagen nach § 1 Abs 2 der Bezugsordnung mit Ausnahme der Sonderzahlungen".

§ 1 Abs 2 der Bezugsordnung lautet:

„Bezüge sind:

a.

Gehalt

b.

Überstundenpauschale

c.

Leitungszulage

d.

Leistungszulage

e.

Kinderzulage

f.

Sonderzahlungen"

Ab erhielt die Klägerin eine „Zulage Gewerkschaft 12mal jährlich", die zuletzt 5.480 S (398,25 EUR) betrug. Die Klägerin begehrt Zahlung von 5.121,34 EUR sA (Pensionsdifferenzen für Jänner 2004 bis Mai 2005) und die Feststellung, dass die „Zulage Gewerkschaft 12mal" in die Bemessungsgrundlage des Pensionszuschusses der Klägerin einzubeziehen sei.

Die „Zulage Gewerkschaft" habe einen Gehaltsbestandteil dargestellt. Gemäß des zu Beginn des Dienstverhältnisses der Klägerin geltenden § 5 Abs 2 der PO 1958 sei das zuletzt bezogene Monatsgehalt zuzüglich 1/12 Sonderzahlungen einschließlich dauernd gewährter Zulagen Pensionsbemessungsgrundlage gewesen. Die der Klägerin durch die PO 1958 erteilte Pensionszusage stelle einen einzelvertraglichen Schablonenvertrag dar. Die Pensionszusage sei nicht in Form einer - nach der Rechtslage vor unzulässigen - Betriebsvereinbarung, sondern durch einen Beschluss des Bundesvorstandes der beklagten Partei (Präsidiumsbeschluss) gewährt worden. Ein - rückwirkender - Eingriff in die einzelvertragliche Zusage, die 13 Jahre bestanden habe, durch die 1986 geschlossene Betriebsvereinbarung sei infolge des geltenden Günstigkeitsprinzips unzulässig.

Die beklagte Partei wendet ein, dass durch die Neufassung des § 5 Abs 2 der PO nur noch die im § 1 Abs 2 der Bezugsordnung genannten Zulagen in die Pensionsbemessungsgrundlage Eingang zu finden hätten. Bei der nunmehrigen PO handle es sich um eine zulässige echte Betriebsvereinbarung. Auf eine Zustimmung der Klägerin dazu komme es daher nicht an. Auf die nicht mehr in Geltung stehende Fassung des § 5 Abs 2 PO 1958 könne sich die Klägerin nicht berufen. § 29 der historischen PO sehe einen Änderungsvorbehalt bei Vorliegen wichtiger Gründe vor. Auch dieser Änderungsvorbehalt sei Inhalt des Einzelvertrages mit der Klägerin geworden. Von diesem Änderungsvorbehalt habe die beklagte Partei Gebrauch gemacht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aufgrund des zulässigen und zum Arbeitsvertragsinhalt der Klägerin gewordenen Änderungsvorbehaltes sei die Pensionszusage abgeändert worden. Zum Zeitpunkt der Änderung durch Abschluss der nunmehr maßgeblichen Fassung vom sei das ArbVG längst in Kraft gewesen. Es handle sich somit um eine echte Betriebsvereinbarung. Nach § 5 Abs 2 der nunmehrigen Pensionszuschussordnung zählten nur noch die in § 1 Abs 2 der Bezugsordnung aufgezählten Zulagen zur Bemessungsgrundlage. Die „Zulage Gewerkschaft 12mal jährlich" sei in der Bezugsordnung nicht angeführt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, alle anspruchsbegründenden Umstände - damit auch das Fehlen wichtiger Gründe für die vorgenommene Änderung der Pensionszuschussordnung - zu behaupten und zu beweisen.

Die dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die entscheidungsrelevante Frage der Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 29 PO 1958 unrichtig gelöst hat. Die Revision ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass zwischen den Parteien nicht strittig ist, dass die PO 1958 vom Bundesvorstand der beklagten Partei beschlossen wurde und als Vertragsschablone zum Inhalt auch des Einzelarbeitsvertrages der Klägerin wurde. Die PO 1958 ist - anders etwa als die Arbeits- und Bezugsordnung der beklagten Partei in der geltenden Fassung (vgl 9 ObA 154/01i; 8 ObA 115/04a) - keine unzulässige Betriebsvereinbarung.

§ 29 der Vertragsschablone sieht vor, dass die PO bei Vorliegen wichtiger Gründe unter beratender Mitwirkung des Zentralbetriebsrates durch den Bundesvorstand jederzeit abgeändert werden kann. Die Klägerin bezweifelt gar nicht, dass auch dieser Änderungsvorbehalt zum Inhalt ihres Einzelarbeitsvertrages wurde. Sie verweist allerdings zutreffend darauf, dass eine entsprechende Änderung nur aus wichtigen Gründen zulässig ist. Ebenfalls zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass eine Änderung der PO aus wichtigen Gründen erfolgte, den beklagten Arbeitgeber trifft: Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung über die die Klägerin treffende Behauptungs- und Beweislast auf die Entscheidung 8 ObA 74/04x. Bei dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Anlassfall war vom Arbeitgeber dem Grunde nach eine Erfolgsbeteiligung zugesagt worden, die Höhe der Erfolgsbeteiligung wurde jeweils vom Vorstand festgesetzt. Der Kläger gründete sein Klagebegehren in diesem Verfahren ausschließlich auf die Behauptung, dass er mit dem Arbeitgeber eine konkludente Vereinbarung einer bestimmten Höhe der Erfolgsbeteiligung getroffen habe. Nur den konkludenten Abschluss dieser behaupteten Vereinbarung prüften die Vorinstanzen und verneinten ihn. Auf eine unbilligen Ausübung des dem Arbeitgeber bei Festsetzung der Höhe der Vergütung zustehenden Gestaltungsrechtes hatte hingegen der Kläger sein Klagebegehren nicht gegründet. Das vom Kläger im Rechtsmittelverfahren dazu erstattete Vorbringen wurde als neu qualifiziert.

Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall grundsätzlich:

Es liegt eine einzelvertragliche Pensionszusage vor, die ganz konkret die Pensionsbemessungsgrundlage regelt. Nach dem Inhalt dieser Pensionszusage zählen alle dem Arbeitnehmer auf Dauer gewährten Zulagen zur Pensionsbemessungsgrundlage. Dem Arbeitgebern war und ist ein Eingriff in diese Regelung vertraglich „nur aus wichtigen Gründen" gestattet.

Die Klägerin hat eine einzelvertragliche Pensionszusage nachgewiesen, nach der auch die „Zulage Gewerkschaft 12mal" für die Pensionsbemessungsgrundlage relevant ist. Es wäre somit Sache der beklagten Partei gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass „wichtige Gründe" im Sinne des § 29 PO 1958 eine einseitige Änderung der Regelung über die Pensionsbemessungsgrundlage rechtfertigten. Die Klägerin kann in die interne Willensbildung der Beklagten und die Gründe, warum eine Änderung der Pensionsbemessungsgrundlage erfolgte, naturgemäß weniger Einblick haben als die beklagte Partei selbst. Obwohl diese Frage in erster Instanz thematisiert wurde - der Wortlaut des § 29 PO 1958 wurde von beiden Parteien für ihren jeweiligen Standpunkt ins Treffen geführt - beharrt die beklagte Partei noch im Revisionsverfahren darauf, dass es an der Klägerin gelegen wäre, nachzuweisen, dass die beklagte Partei keinen wichtigen Grund für die Änderung der Pensionsbemessungsgrundlage in Anspruch nehmen könne.

Eine Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zur Erörterung dieser Frage ist unter diesen Umständen entbehrlich. Damit erweist sich die Rechtssache im Sinne einer Klagestattgebung spruchreif: Die beklagte Partei hat die rechnerische Richtigkeit des Klagebegehrens in erster Instanz ausdrücklich zugestanden. Es war sowohl dem Leistungsbegehren (unter Berichtigung eines offensichtlichen Schreibfehlers, der der Klägerin bei ihrem Zinsenbegehren unterlief) als auch dem Feststellungsbegehren stattzugeben, wobei Letzterem eine klarere Fassung zu geben war. Es erübrigt sich daher ein Eingehen darauf, ob bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in die der Klägerin gewährte einzelvertragliche Pensionszusage durch eine nachfolgende „echte" Betriebsvereinbarung eingegriffen werden kann: Insoweit unterscheidet sich der zu beurteilende Fall mehrfach von der in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung 8 ObA 99/04y: Dort nämlich war in einer unzulässigen BV vereinbart worden, dass eine Abänderung der BV nur einvernehmlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat erfolgen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall schon deshalb grundsätzlich, weil sich hier nicht die Frage einer „ablösenden" BV stellt, sondern ein Eingriff in eine Vertragsschablone erfolgte, ohne dass der Arbeitgeber der ihn treffenden Behauptungs- und Beweislast nachgekommen wäre, dass der für eine einseitige Änderung vertraglich vorausgesetzte wichtige Grund vorliegt. Die beklagte Partei hat in erster Instanz lediglich auf die für die Klägerin „zwingende Wirkung" der BV 1986 und auf die in der Vergangenheit erfolgten Änderungen der PO verwiesen, ohne einen konkreten wichtigen Grund dafür zu nennen, warum nun nicht alle Zulagen zur Pensionsbemesungsgrundlage zählen. Dass die Klägerin keine Zustimmung zur Änderung der einzelvertraglichen Pensionszusage erteilte, ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der beklagten Partei, wonach die Klägerin anlässlich der Bestätigung der Übernahme der BV 1986 einen Vorbehalt („ unbeschadet aller meiner bisher vertraglich und sonst in jeglicher Form erworbenen Rechte...") erklärte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Kennung XPUBL
Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in
ZAS-Judikatur 2007/105 = zuvo 2008/16 S 23 - zuvo 2008,23
XPUBLEND
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2007:008OBA00089.06F.0131.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAE-06971