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OGH vom 23.05.2018, 10ObS44/18w

OGH vom 23.05.2018, 10ObS44/18w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr.

Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser und Mag. Dr. Johanna Biereder (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Ingrid Korenjak, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 90/17g-49, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der 1955 geborene Kläger arbeitete von 1979 bis 1984 als Kellner und war von 1984 bis 2011 selbständig in der Gastronomie erwerbstätig. Die Vorinstanzen haben sein Klagebegehren auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension ab dem Stichtag abgewiesen, weil Invalidität nach § 133 Abs 3 GSVG nicht vorliege.

In seiner außerordentlichen Revision beruft sich der Kläger vor allem auf den Grundsatz sozialer Rechtsanwendung, nach dem ein Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten auszulegen sei. Nach diesem Grundsatz sei auch eine Stichtagsverschiebung vorzunehmen gewesen, um die Anwendbarkeit des § 273 SVG (anstelle des § 133 Abs 3 GSVG) zu erreichen. Darüber hinaus sei die Frage der wirtschaftlich vertretbaren Betriebsführung vom Berufungsgericht sowohl auf der Tatsachenebene als auch auf der rechtlichen Ebene unrichtig beurteilt worden.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist auszuführen:

1. Um die Beweisrüge in der Berufung gesetzmäßig auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RISJustiz RS0041835 [T5]). Die vom Berufungsgericht seiner Erledigung der Beweisrüge (auch) zugrundegelegte Auffassung, der Kläger habe die Tatsachenrüge (teilweise) nicht gesetzmäßig ausgeführt, ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Zudem hat sich das Berufungsgericht bei Erledigung der Beweisrüge ohnehin inhaltlich mit den umstrittenen Tatfragen (Delegieren der Neukreation eines Cocktails sowie der vereinzelt anfallenden schwere Hebe, Trage und Transportleistungen an Mitarbeiter) befasst. Diese Beurteilung betrifft die nicht revisible Beweiswürdigung.

2. Stichtag für das Begehren auf Zuspruch einer Erwerbsunfähigkeitspension nach dem GSVG war unstrittig der . Der Kläger meint, mit dem während des Verfahrens eintretenden „Stichtag“ habe sich das Verhältnis der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag zurückgelegten Versicherungsmonate nach dem GSVG und jenen nach dem ASVG (90 : 89) aufgrund des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld zugunsten des ASVG verschoben, weshalb sich die Leistungszugehörigkeit geändert habe; ab dem neuen „Stichtag“ sei § 273 ASVG anzuwenden. Die gewünschte Änderung der Leistungszugehörigkeit widerspricht § 129 Abs 3 GSVG und § 245 Abs 3 ASVG, die auf den in § 113 Abs 2 GSVG bzw § 223 Abs 2 ASVG in gleicher Weise definierten Stichtag abstellen § 273 Abs 1 ASVG fordert zudem für den Erwerb des Berufsschutzes die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit als Angestellter (oder als Arbeiter nach § 255 Abs 1 ASVG) durch zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag, was auf den Kläger – unabhängig von der gewünschten „Stichtagsverschiebung“ – in keinem Fall zutrifft.

3.1 Die Erwerbsunfähigkeit des Klägers, der das 60. Lebensjahr vollendet hat, ist nach § 133 Abs 3 GSVG zu beurteilen. Diese Bestimmung stellt ebenso wie die Vorgängerbestimmung des § 131c GSVG auf den vom Versicherten zuletzt geführten konkreten Gewerbebetrieb ab, nicht jedoch auf die von ihm konkret verrichtete Tätigkeit (RISJustiz RS0109275; 10 ObS 114/04v, SSVNF 18/94). Dabei ist die Möglichkeit einer zumutbaren Änderung der sachlichen und personellen Ausstattung des Betriebs zu berücksichtigen (§ 133 Abs 3 Satz 2 GSVG).

3.2 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kreierte der Kläger in seinem Barbetrieb früher wöchentlich einen neuen Cocktail, wozu er aufgrund der Einschränkung seines Riech und Geschmacksvermögens nicht mehr in der Lage ist. Zweimal pro Woche unternahm er einen Großeinkauf. Dazwischen erledigte er kleinere Einkäufe. Die Getränke wurden direkt angeliefert und vom Lieferanten in einem eigenen Raum gestellt. Dem Kläger sind nur mehr leichte und zweidrittelzeitig mittelschwere körperliche Arbeiten zumutbar. In seinem Barbetrieb waren zwei Barkeeper und zwei Kellner mit jeweils 20 Wochenstunden beschäftigt.

3.3 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Delegierung der Kreation eines neuen Cocktails pro Woche sowie der maximal vereinzelt anfallenden schweren Hebe, Trage und Transportleistungen sei ohne nennenswerte zeitliche Belastung der vorhandenen Mitarbeiter eine zumutbare Umorganisationsmaßnahme, ist nicht zu korrigieren. Die Einstellung eines zusätzlichen Mitarbeiters ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht notwendig. Damit stellt sich die Frage nicht, ob die Führung des Betriebs bei Beschäftigung eines weiteren Mitarbeiters wirtschaftlich vertretbar bliebe.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00044.18W.0523.000

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