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OGH vom 19.12.2002, 14Os41/02

OGH vom 19.12.2002, 14Os41/02

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nicole R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nicole R*****, Irene R*****, Daniel S***** und Patrick M***** und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom , GZ 22 Hv 1.032/01g-215, sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gemäß § 494a Abs 4 StPO nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Nicole R*****, Irene R*****, Daniel S***** und Patrick M***** der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1) und des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

Danach haben Nicole R*****, Irene R*****, Daniel S***** und Patrick M***** in der Nacht vom 31. März auf in der Wüste Sinai im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert behandelten Jugendlichen Franz A***** und Wolfgang O***** sowie der strafunmündigen Bianca H***** in vier Angriffen

1. die Betreuer des erlebnispädagogischen Wüstenprojektes "Nomaden auf Zeit 2001" Tina R*****, Heike F***** und Raimund K***** sowie die begleitenden Beduinen namens H*****, S*****, S*****, S*****, A***** und S***** durch Schläge mit Steinen auf den Kopf zu töten versucht, wobei H*****, S***** und S***** tatsächlich getroffen wurden;

2. durch die unter Punkt 1 beschriebene Vorgangsweise, also mit Gewalt und unter Verwendung von Waffen, den Betreuern Tina R*****, Heike F***** und Raimund K***** fremde bewegliche Sachen, nämlich das für die Finanzierung des erlebnispädagogischen Projektes mitgenommene Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch dessen Zueignung (zu ergänzen: unrechtmäßig) zu bereichern. Die Geschworenen bejahten die für jede bzw jeden der vier Angeklagten gesondert und anklagekonform gestellten Hauptfragen nach versuchtem Mord gemäß §§ 15, 75 StGB (fortlaufende Zahlen 1, 8, 15, 22) stimmenmehrheitlich (6:2) und nach versuchtem schweren Raub gemäß §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (fortlaufende Zahlen 3, 10, 17, 24) stimmeneinhellig. Folgerichtig blieben Eventualfragen nach dem Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 87 Abs 1 StGB (fortlaufende Zahlen 2, 9, 16, 23) ebenso unbeantwortet wie jene - opferbezogen gestellten - Eventualfragen hinsichtlich der Vergehen der versuchten (§ 15 StGB) bzw vollendeten schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB (fortlaufende Zahlen 4, 5, 11, 12, 18, 19, 25, 26) und der versuchten (§ 15 StGB) bzw vollendeten Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (fortlaufende Zahlen 6, 7, 13, 14, 20, 21, 27, 28).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar Nicole R***** aus Z 4, 5, 6, 8, 10a, 11 lit a und 11 lit b, Irene R***** und Patrick M***** je allein aus Z 6 und Daniel S***** aus Z 6 und 9 des § 345 Abs 1 StPO, denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Nicole R*****:

Entgegen der Beschwerde (Z 4) war die Entbindung der oberösterreichischen Landesbeamtin Dr. Gabriele H***** (Leiterin der Jugendwohlfahrtsabteilung) von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit nicht geboten, weil die den Inhalt ihrer Aussage bildenden Projektunterlagen ohnehin bereits aktenkundig und demnach nicht mehr "geheim" im Sinn des § 152 Abs 1 Z 2 StPO waren. Diese sind übrigens auch nach § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverständlich in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 281 Abs 3 StPO).

In der weiteren Verfahrensrüge wird zwar zutreffend eine bei der Vernehmung der Zeugen Heike F*****, Tina R*****, Raimund K***** und Günther W***** unterlaufene Verletzung des § 152 Abs 5 zweiter Satz StPO aufgezeigt. Denn nach der Aktenlage befand sich Nicole R***** auf Grund der vom Magistrat der Stadt Salzburg gemäß § 41 der Salzburger Jugendwohlfahrtsordnung (LGBl 1992/83) gewährten freiwilligen Erziehungshilfe im Zentrum S***** in Linz (insbesondere S 97/I des verlesenen [S 540/IV] Vorstrafaktes AZ 22 Vr 283/01 des Landesgerichtes Linz iVm den unjournalisierten "Unterlagen vom Zentrum S*****"). Diese Institution wurde als sogenannter freier Jugendwohlfahrtsträger iSd § 5 Abs 1 OÖ JWG 1991 (LGBl 1991/111) vom zuständigen öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger (Amt der Oberösterreichischen Landesregierung) mit der Besorgung nichthoheitlicher Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt nach §§ 4 Abs 1, 5 Abs 5 leg cit - hier in concreto mit der Durchführung der freiwilligen Erziehungshilfe für die genannte Minderjährige (§ 38 iVm § 19 Abs 1 Z 1 OÖ JWG 1991) - betraut. Eine solche von den öffentlichen Stellen in Anspruch genommene und landesgesetzlich vorgesehene Jugendwohlfahrtseinrichtung ist eine Einrichtung zur psychosozialen Beratung und Betreuung iSd § 152 Abs 1 Z 5 StPO (EBRV 924 BlgNR 18. GP, 27; 13 Os 10, 11/97). Vorliegend erfuhren die (damals) im Zentrum S***** beschäftigten und mit der Betreuung des "erlebnispädagogischen Wüstenprojektes Nomaden auf Zeit 2001" vor Ort betrauten Sozialarbeiter Heike F*****, Tina R***** und Raimund K***** erst im Nachhinein (nämlich bei den nach der Tat geführten "Reflexionen") von der Beschwerdeführerin und den übrigen Probanden, dass sie nach deren Tatplan beraubt und getötet werden sollten. Folglich hatten die genannten Personen als Mitarbeiter der oben bezeichneten Einrichtung im Sinn des § 152 Abs 1 Z 5 StPO das dort normierte Entschlagungsrecht, weil sie über Tatsachen aussagten, die ihnen ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Betreuer bekannt geworden sind. Gleiches gilt für den im Zentrum S***** angestellten Teilbereichsleiter Günther W***** in Ansehung der von den genannten Betreuern erstatteten Berichte über den inkriminierten Vorfall. Der Pflicht zur Anerkennung des Entschlagungsrechtes und der damit gesetzlich verknüpften Belehrung darüber ist die Vorsitzende des Geschworenengerichtes (§§ 302 Abs 1, 248 Abs 1 StPO) jedoch nicht nachgekommen, sodass insoweit ein Verfahrensmangel im Sinn des § 345 Abs 1 Z 4 StPO vorliegt, weil Aussagen der genannten entschlagungsberechtigten Personen, die auf dieses Recht nicht ausdrücklich verzichtet hatten (§ 152 Abs 5 zweiter Satz StPO), in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (§ 302 Abs 1 [iVm § 258 Abs 1 erster Satz] StPO).

Die Nichtigkeit dieser Aussagen ist aber gleichfalls nur unter dem Gesichtspunkt des § 345 Abs 3 StPO beachtlich (EvBl 2000/119). Vorliegend wurden sowohl die inhaltlich im Wesentlichen nicht differierenden Angaben der Betreuer Heike F*****, Tina R***** und Raimund K***** vor der Sicherheitsbehörde (S 107 f, 125 f, 147 f, 387 f/I) und vor der Untersuchungsrichterin (ON 57, ON 46 [Einvernahme der Tina R***** nach Belehrung über das Entschlagungsrecht S 23/II], ON 60) als auch die damit korrespondierenden, die Schilderungen der Beschwerdeführerin und der übrigen Probanden beinhaltenden Aufzeichnungen im Journalbuch (S 403 ff [insbesondere ab S 483 ff]/I bzw S 397 ff [vor allem ab AS 471 ff]/III) und der schriftliche Bericht des Günther W***** vom (ON 4/I) sowie das sicherheitsbehördliche Vernehmungsprotokoll des Genannten (S 551 f/I) durch einverständliche Verlesung (der ON 4, 10, 39 und 192) gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO (S 539 f/IV) zum gleichwertigen Beweisergebnis. Da auch die Angeklagte R***** in der Hauptverhandlung den Tathergang - angefangen von der gemeinsamen Planung des inkriminierten Mord- und Raubvorhabens bis zu dessen Realisierung in vier zeitlich eng aufeinanderfolgenden, letztlich gescheiterten Angriffen - damit übereinstimmend schilderte (S 281 ff/IV), insgesamt die Richtigkeit der gegenüber den zuvor genannten Betreuern abgegebenen Schilderungen, die Günther W***** ohne inhaltlich nachteilige Erweiterung bloß wiederholte (S 384 ff/IV), bestätigte (insbesondere S 296/IV) und schließlich zugab, auch noch beim letzten Versuch das Lager der Beduinen mit aufrechtem Tötungsvorsatz betreten zu haben (vor allem S 295/IV iVm S 121/I), kann fallspezifisch eine nachteilige Wirkung der unterlaufenen Formverletzung auf die Entscheidung unzweifelhaft ausgeschlossen werden (§ 345 Abs 3 StPO; abermals EvBl 2000/119).

Auch die Vernehmung des im Zentrum S***** als Kinder- und Jugendpsychiater angestellten Prim. Dr. G*****, dem schon kraft dieser Stellung das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 5 StPO zukam, konnte für die Beschwerdeführerin nicht von Nachteil sein (§ 345 Abs 3 StPO), weil der Genannte weder zum Anklagesachverhalt noch zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten im relevanten Tatzeitraum zweckdienliche, geschweige denn belastende Angaben machte (S 175 f/IV).

Durch die zeugenschaftliche Einvernahme Dris G***** nur zu den allenfalls auf Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit sowie auf verzögerte Reife ua bei Nicole R***** im Zusammenhang mit der Teilnahme am Wüstenprojekt hinweisenden Indikationen (S 110 f/IV), nicht aber auch zum konkreten Vorliegen der bezeichneten Schuldausschließungsgründe im Tatzeitpunkt (Beweisantrag vom - S 3 unten, 4 oben/IV), wurden - der Beschwerde (Z 5) zuwider - keine Verteidigungsrechte verkürzt. Denn die im Beweisantrag aufgeworfene Frage, ob die Angeklagte zur Tatzeit schuldfähig war, ist - sinnlicher Wahrnehmung entrückt - nicht Gegenstand einer Zeugenaussage (Ratz WK-StPO § 281 Rz 352). Soweit der Verteidiger trotz der zuvor erwähnten Beschränkung des Beweisthemas an Dr. G***** die Frage nach der Dispositions- und/oder Diskretionsunfähigkeit der Nicole R***** beim inkriminierten Vorfall stellte, mangelt es in Ansehung der Nichtzulassung der Frage durch den beisitzenden Richter an der Beschwerdelegitimation, weil er keine Entscheidung des Schwurgerichtshofes begehrte (S 224/IV) und eine prozessleitende Verfügung des Beisitzers kein Zwischenerkenntnis im Sinn des § 281 Z 4 StPO darstellt (Ratz WK-StPO § 281 Rz 302 f). Bei der Behauptung (nominell Z 5, inhaltlich Z 10a des § 345 Abs 1 StPO), der Schwurgerichtshof hätte zur Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit "bei diesem schwierigen Fall im Sinne des § 118 Abs 2 StPO" von Amts wegen ein zweites Sachverständigengutachten einholen müssen, versäumt die Rechtsmittelwerberin die erforderliche Darlegung, inwiefern sie bzw ihr Verteidiger an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480 und die dort zitierte Judikatur; zuletzt 13 Os 16/02). Die Interrogationsrüge (Z 6), die Geschworenen hätten infolge "Nichtaufsplittung" der nach versuchtem Mord gestellten Hauptfrage 1 in den Personenkreis "Beduinen" einerseits und (österreichische) Betreuer andererseits die Ausführungsnähe des aktionsmäßig unterschiedlich fortentwickelten Tatgeschehens nicht korrekt beurteilen können, geht gleichfalls fehl.

Dabei vernachlässigt die Beschwerde prozessordnungswidrig die Bestimmung des § 312 Abs 1 StPO, wonach die Hauptfragen anklagekonform zu stellen waren (Schindler WK-StPO § 312 Rz 4 f) und die Formulierung uneigentlicher Zusatzfragen in das Ermessen des Schwurgerichtshofes fällt (§ 317 Abs 2 StPO). Über die Möglichkeit nach § 330 Abs 2 StPO eingeschränkter Fragenbeantwortung wurden die Laienrichter im Übrigen korrekt belehrt. Demnach waren sie durchaus in der Lage, ihre allfällige Überzeugung, dass strafbarer Mordversuch nur in Ansehung der Beduinen (bzw einzelner Opfer) verwirklicht sei, durch die auf den jeweiligen Opferkreis eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage 1 zum Ausdruck zu bringen. Folglich waren die Laienrichter an der differenzierten und erschöpfenden Beurteilung des in der Hauptfrage 1 zusammengefassten Tatgeschehens keineswegs gehindert. Gleiches gilt für das idente Beschwerdevorbringen bezüglich der (unbeantwortet gebliebenen) Eventualfragen 2 (Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB), 5 (Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB) und 7 (Vergehen der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB). Da die Hauptfrage 3 ausschließlich den qualifizierten Raubversuch zum Nachteil der österreichischen Betreuer Heike F*****, Tina R***** und Raimund K***** erfasst, ist die pauschal wiederholte Forderung auf Aufspaltung in die bereits bezeichneten zwei Opfergruppen nicht nachvollziehbar. Damit ist dieser Beschwerdeteil einer sachbezogenen Erwiderung ebenso wenig zugänglich wie die unsubstantiierte Beschwerdebehauptung, "auf Grundlage des gegenständlichen Aktes wäre auch eine Eventualfrage auf versuchten (offensichtlich gemeint: einfachen) Raub bzw versuchte Nötigung, versuchte schwere Nötigung und versuchte gefährliche Drohung angezeigt gewesen". Mit pauschalem Verweis auf Punkt f der Rechtsmittelschrift, in welchem die Nichtigkeitswerberin unter dem materiellen Nichtigkeitsgrund der Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO mit eigenständigen Beweis- und Plausibilitätserwägungen den Tötungsvorsatz in Abrede stellt und bezüglich der österreichischen Betreuer die Begehung ausführungsnaher Tathandlungen in Abrede stellt, wird ein die vermisste Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch indizierendes Tatsachenvorbringen nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 344 [iVm §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2] StPO). Dies trifft auch auf die ganz allgemeine Behauptung zu, "auf Grund des vorliegenden Aktenmaterials sei eine Zusatzfrage zur Thematik Dispositions- und Diskretionsfähigkeit bzw Zurechnungsfähigkeit angezeigt gewesen".

Das Unterbleiben einer - ersichtlich zur Eventualfrage 6 begehrten - Zusatzfrage, wonach die Strafbarkeit wegen der zum Nachteil der Beduinen H*****, S***** und S***** begangenen (leichten) Körperverletzungen zu Folge des Strafaufhebungsgrundes des § 65 Abs 4 Z 1 StGB entfallen sei, kann zum Vorteil des Angeklagten nicht geltend gemacht werden, weil die solcherart kritisierte Eventualfrage ohnehin entfiel (§ 345 Abs 3 StPO).

Das aus Z 8 erstattete Vorbringen, demzufolge die Vorsitzende die schriftliche Rechtsbelehrung mündlich und ohne Beifügung des von ihr zu unterfertigenden Anhanges (§ 323 Abs 1 zweiter Satz StPO) ergänzt habe, bezeichnet keinen Fehler der Rechtsbelehrung und basiert zudem auf bloßer Spekulation (vgl auch S 563/IV, wonach die Geschworenen nur über den Inhalt ihrer Niederschrift ergänzend belehrt wurden). Schließlich übersieht die Beschwerdeführerin, dass die Rechtsbelehrung nur zu den tatsächlich gestellten Fragen zu erteilen ist (Ratz WK-StPO § 345 Rz 63), weshalb die Instruktion über die Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) und die verzögerte Reife (§ 4 Abs 2 Z 1 JGG) zu Unrecht vermisst wird.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) stellt mit ihrer Forderung nach amtswegiger Spezifizierung der bei H*****, S***** und S***** tatkausal entstandenen Verletzungen keine entscheidende Tatsache in Frage. Indem die Rechtsrüge (Z 11 lit a) mit eigenen Beweisinterpretationen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung den Tötungsvorsatz und die Ausführungsnähe des Raubversuches bestreitet, verfehlt sie mangels strikter Beachtung des in den Wahrsprüchen zu den Hauptfragen 1 und 3 (konträr) festgestellten Tatsachensubstrates die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Die Einwände, wonach die Strafbarkeit wegen der an den Beduinen H*****, S***** und S***** begangenen (leichten) Körperverletzungen nach den Gesetzen des Tatortstaates zufolge "Versöhnung" erloschen und damit gemäß § 65 Abs 4 Z 1 StGB die inländische Strafbarkeit entfallen sei, bzw dass der zu ihrem Nachteil intendierte Raub "auf Grundlage des Artikel 45 des ägyptischen Strafgesetzbuches mangels ausführungsnaher Tathandlungen straflos wäre", betreffen Gründe des materiellen, nicht des Prozessrechts und sind daher aus Z 11 lit b unbeachtlich (Ratz WK-StPO § 281 Rz 621, Schindler WK-StPO § 311 Rz 2 f).

In weiteren Beschwerdevorbringen (sachlich Z 6) wird mit selektiver Bezugnahme auf eine Verantwortungspassage die Nichtstellung einer auf freiwilligen Rücktritt vom Mordversuch (an den Beduinen) gerichteten Zusatzfrage moniert, dabei allerdings prozessordnungswidrig außer Acht gelassen, dass die Angeklagte (nach den vorausgegangenen drei misslungenen und schon deshalb nicht rücktrittsfähigen Tötungsversuchen - vgl Hager/Massauer WK2 §§ 15, 16 Rz 157 ff; Leukauf/Steininger Komm3 § 16 RN 10a; Triffterer AT2 372) beim vierten Angriff den über dem Kopf eines Beduinen positionierten Stein laut ihrer eigenen Einlassung infolge des Erwachens des H***** "vor lauter Schreck fallen ließ" (S 291, 309/IV), somit von vornherein nicht aus autonomen Rücktrittsmotiven handelte.

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Daniel S*****, Irene R***** und Patrick M*****:

Soweit die Angeklagten Daniel S*****, Irene R***** und Patrick M***** in ihren Fragenrügen (Z 6) mit (im Ergebnis) gleicher Argumentation wie Nicole R***** die Nichtaufspaltung der jeweiligen Haupt- und Eventualfragen in die Personenkreise "begleitende Beduinen" und "österreichische Betreuer" sowie im Umfang der bei H*****, S***** und S***** tatkausal entstandenen Verletzung zu Folge versöhnungsbedingtem Erlöschen der Strafbarkeit im Tatortstaat wegen Versöhnung die Ablehnung einer auf den Strafaufhebungsgrund des Entfalles der inländischen Strafbarkeit gemäß § 65 Abs 4 Z 1 StGB gerichteten Zusatzfrage monieren, wird auf die dortige Erledigung verwiesen.

Daniel S***** stellt mit dem Hinweis auf die Niederschrift der Geschworenen zur Hauptfrage 17 (waffenqualifizierter Raubversuch) "Ausführungsnähe vorhanden" den Nichtigkeitsgrund der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO nicht prozessordnungsgemäß dar, weil der Mangel den Wahrspruch selbst betreffen muss und den Laienrichtern keine Begründungspflicht im Sinn des § 270 Abs 2 Z 5 StPO auferlegt ist (Ratz WK-StPO § 345 Rz 66, 71).

Schließlich ist auch die eine Zusatzfrage nach Rücktritt vom Mordversuch (§ 16 StGB) reklamierende Fragenrüge (Z 6) des Angeklagten Patrick M***** verfehlt.

Bei der hier aktuellen Mitwirkung an der Realisierung eines von mehreren Personen gemeinsam geplanten Mordvorhabens in vier zeitlich eng aufeinanderfolgenden Angriffen kann dem einzelnen Mittäter strafbefreiender Rücktritt vom (letzten unbeendeten) Mordversuch nur dann zustatten kommen, wenn er die (weitere) Ausführung der Tat (dh die Vollendung) durch die (anderen) Beteiligten verhindert bzw sich in Unkenntnis vom Unterbleiben der (weiteren) Tatausführung um deren Verhinderung freiwillig und ernstlich bemüht (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 165, 177). Indem der Beschwerdeführer kein eine solche aktive Rücktrittsinitiative indizierendes Beweisergebnis aufzeigt, sondern das anfänglich intendierte Tötungsvorhaben bloß autonom in Richtung Körperverletzung modifiziert haben will, weil er nach eigenem Beschwerdevorbringen "den Stein nach dem vierten Angriff ohne Tötungsvorsatz aus geringer Höhe auf den Kopf des H***** fallen ließ", bringt er die Fragenrüge nicht gesetzmäßig zur Darstellung. Im Übrigen war bei den vorausgegangenen drei misslungenen Tötungsversuchen strafaufhebender Rücktritt ausgeschlossen (Hager/Massauer aaO §§ 15, 16 Rz 157 ff).

Die teils offenbar unbegründeten, teils nicht gesetzmäßig ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nicole R*****, Irene R*****, Daniel S***** und Patrick M***** waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.