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VfGH vom 19.09.2011, B674/11

VfGH vom 19.09.2011, B674/11

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Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als Gewerbeinhaber eines Handelsgewerbes zu verantworten, dass in der Zeit vom 14. bis am näher bezeichneten Standort in 6060 Hall in Tirol durch ihn insgesamt fünf Warenautomaten so betriebsbereit aufgestellt und betrieben worden seien, dass Interessenten durch entsprechende Bedienung der Automaten die durch diese angebotenen Leistungen auch erwerben konnten und diese Automaten erfahrungsgemäß hauptsächlich für die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet seien. Die Automaten hätten sich direkt bei einer Schulbushaltestelle befunden, welche vorwiegend von Schülern der unmittelbar angrenzenden Volks- und Hauptschule frequentiert würde. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 368 iVm § 52 Abs 1 GewO 1994 und nach § 367 Z 15 iVm § 52 Abs 4 GewO 1994 iVm § 1 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde von Hall in Tirol vom über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten begangen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u.a. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde von Hall in Tirol vom über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, kundgemacht in der Stadtzeitung von Hall in Tirol, Nr. 36/2004 vom sowie durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtamtes Hall in Tirol im Zeitraum vom 8. bis , behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

II.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , V34/10, die Wortfolge "Zone I: In unmittelbarer Nähe der im gesamten Stadtgebiet vorhandenen öffentlichen Haltestellen (Schulbushaltestellen und Annahmestellen - IVB, ÖBB, Post und Regiobus)" in § 1 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, kundgemacht in der Stadtzeitung von Hall in Tirol, Nr. 36/2004 vom sowie durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtamtes Hall in Tirol im Zeitraum vom 8. bis , als gesetzwidrig aufgehoben.

1.2. Gemäß Art 139 Abs 6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art 139 Abs 6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 2.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg. 17.687/2005).

1.3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (auch) die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnungsbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Der Beschwerdeführer wurde wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.