VfGH vom 25.09.1995, B673/94

VfGH vom 25.09.1995, B673/94

Sammlungsnummer

14208

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz für Wildschäden; keine Auswechslung der Parteien im Laufe des Verfahrens; Zurückweisung der Beschwerde des nicht im angefochtenen Bescheid zum Schadenersatz verpflichteten ehemaligen Jagdleiters der beschwerdeführenden Jagdgesellschaft

Spruch

1. Die (ehemalige) Jagdgesellschaft Frauenkirchen ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die von J K erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die von beiden beschwerdeführenden Parteien gestellten Eventualanträge, die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, werden abgewiesen.

4. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit zwei jeweils im Instanzenzug ergangenen, mit datierten Bescheiden der Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der Burgenländischen Landesregierung (im folgenden kurz: Landeskommission) wurde die Jagdgesellschaft Frauenkirchen (als seinerzeit - nämlich bis - jagdausübungsberechtigte Pächterin des Genossenschaftsjagdgebietes Frauenkirchen/Bez. Neusiedl am See/Bgld.) verpflichtet, für Schäden, die in den Jahren 1986 und 1990 auf den Grundstücken Dritter durch Wildverbiß entstanden waren, Ersatz in bestimmter Höhe zu leisten.

2. Gegen diese Bescheide wenden sich die beiden vorliegenden, im wesentlichen gleichlautenden, auf "Art147 B-VG" (richtig: Art 144 Abs 1 B-VG) gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, hilfsweise die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichshof beantragt wird.

3. Die Landeskommission als jene Behörde, die die angefochtenen Bescheide erlassen hat, erstattete Gegenschriften, in denen sie begehrt, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Beide Beschwerden wurden von der (ehemaligen) Jagdgesellschaft Frauenkirchen und von J K (dem ehemaligen Jagdleiter) - jeweils in einem gemeinsamen Schriftsatz - erhoben.

a) Die von der (ehemaligen) Jagdgesellschaft eingebrachte Beschwerde ist zulässig. Zwar ist das Jagdpachtverhältnis mit abgelaufen. Die Jagdgesellschaft hat aber damit die gemäß § 36 Bgld. Jagdgesetz 1988, LGBl. 11/1989, erlangte Rechtspersönlichkeit nicht verloren; sie existiert vielmehr so lange weiter, als eine Haftung für die in der Jagdperiode entstandenen Jagd- und Wildschäden besteht.

b) Hingegen ist die von J K eingebrachte Beschwerde unzulässig:

Der bekämpfte Bescheid ist ausschließlich an die beschwerdeführende Gesellschaft adressiert, nicht an J K. Nur der Gesellschaft, nicht dem Genannten werden durch den Bescheid Pflichten auferlegt. Daran ändert der Umstand nichts, daß er im Schiedsspruch der örtlichen Schiedskommission genannt wird (s. Pkt. II.3.c.aa).

Die von ihm erhobene Beschwerde ist daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

2. Das subjektive Recht auf den Ersatz von Jagd- und Wildschäden beruht auf Zivilrecht iS des österreichischen Rechtssystems; derartige Ansprüche und Verpflichtungen sind folglich auch solche iS des Art 6 EMRK; die letztlich maßgebende Behörde muß also ein "Tribunal" sein, d.h. sie hat den organisatorischen Anforderungen dieser Konventionsnorm zu genügen und muß aufgrund selbständiger Feststellung und Würdigung der Tat- und Rechtsfragen die Sachentscheidung fällen (vgl. zB VfSlg. 11646/1988 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

Mit dem eben genannten Erkenntnis (dieses schloß im übrigen ein Gesetzesprüfungsverfahren ab, dessen Anlaß der erste Rechtsgang jenes Verfahrens war, das nunmehr im zweiten Rechtsgang mit dem zu B673/94 bekämpften Bescheid beendet wurde) hob der Verfassungsgerichtshof den dritten und vierten Satz des § 123 Abs 2 des Bgld. JagdG 1970 als verfassungswidrig auf, weil die durch diese Bestimmungen eingerichtete (letztinstanzliche) Bezirksschiedskommission nicht den Anforderungen des Art 6 Abs 1 EMRK entsprach. Die nunmehr durch § 130 Bgld. JagdG 1988 konstituierte Landeskommission erfüllt hingegen alle von Art 6 Abs 1 EMRK geforderten Voraussetzungen. Sie ist ein "Tribunal" iS dieser Konventionsnorm und außerdem eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iS des Art 133 Z 4 B-VG.

Die einschlägige Bestimmung des Bgld. JagdG 1988 lautet:

"§130

Landeskommission für Jagd- und Wildschäden

(1) Die Landeskommission für Jagd- und Wildschäden, im folgenden Landeskommission genannt, ist beim Amte der Landesregierung zu bilden. Sie besteht aus einem vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien über Vorschlag der Landesregierung zu bestellenden Richter als Vorsitzenden sowie aus folgenden von der Landesregierung zu bestellenden Mitgliedern:

a) einem rechtskundigen Beamten des Amtes der Landesregierung als Berichterstatter;

b) zwei auf dem Gebiete der Land- und Forstwirtschaft sachkundigen Personen, auf Vorschlag der Burgenländischen Landwirtschaftskammer,

c) zwei auf dem Gebiete des Jagdwesens sachkundigen Personen, auf Vorschlag des Burgenländischen Landesjagdverbandes.

Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen.

(2) Sämtliche Mitglieder (Ersatzmitglieder) werden auf die Dauer von fünf Jahren bestellt. Scheidet ein Mitglied (Ersatzmitglied) während der Amtsperiode aus, so ist für den Rest der Periode ein neues Mitglied (Ersatzmitglied) zu bestellen.

(3) Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) haben bei Antritt ihres Amtes dem Vorsitzenden mit Handschlag die gewissenhafte und unparteiische Ausübung ihres Amtes zu geloben. Sie bleiben bis zur Neubestellung der Landeskommission im Amt.

(4) (Verfassungsbestimmung) Die Mitglieder der Landeskommission sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisung gebunden.

(5) .....

(6) Eine Berufung gegen die Entscheidung der Landeskommission ist nicht zulässig. Die Entscheidung unterliegt nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege."

3.a) Mit den angefochtenen Bescheiden wird die bf. Gesellschaft zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet. Die Bescheide greifen sohin in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte - ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

b) Der Verfassungsgerichshof hegt unter dem Gesichtspunkt dieser Beschwerdefälle keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften.

Die in diese Richtung zielenden, wenig substantiierten Beschwerdeausführungen enthalten lediglich eine gegen die bestehende Jagd- und Wildschadensregelung im allgemeinen gerichtete appelatorische Kritik. Sie sind nicht geeignet, den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

Daher könnte die beschwerdeführende Gesellschaft in den erwähnten Grundrechten nur durch eine denkunmögliche oder willkürliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein.

c) Derartiges macht sie geltend:

aa) Sie bringt einerseits vor, die Behörde habe die Parteien im Laufe des Verfahrens ausgewechselt; die örtliche Schiedskommission habe nämlich nur J K (den ehemaligen Jagdleiter der Jagdgesellschaft Frauenkirchen) zum Schadenersatz verpflichtet, die Bezirksschiedskommission und die Landeskommission hingegen die Jagdgesellschaft.

Die örtliche Schiedskommission hat sich offenkundig lediglich im Ausdruck vergriffen und tatsächlich J K als Verantwortlichen der Jagdgesellschaft angesprochen.

bb) Weiters wird in den beiden Beschwerden beanstandet, daß in den Verfahren erster und zweiter Instanz als Sachverständiger ein Bediensteter der Landwirtschaftskammer mitgewirkt habe. Dieser sei daher befangen gewesen.

Selbst wenn der Sachverständige befangen gewesen sein sollte (der von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgebrachte Grund indiziert noch keine Befangenheit), wäre auch dies noch kein vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifender Fehler (vgl. zB VfSlg. 10206/1984, 11214/1987; ).

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die von der Jagdgesellschaft erhobenen Beschwerden waren daher abzuweisen.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

5.a) Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Eventualanträge auf Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof waren abzuweisen, weil die Landeskommission eine nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichtete Behörde ist, gegen deren Entscheidungen eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen ist, sofern dessen Anrufung nicht ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Das Bgld. JagdG 1988 sieht die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor.

b) Das vom Zweitbeschwerdeführer vorgebrachte, gleichartige Eventualbegehren war abzuweisen, weil eine Abtretung (wäre sie überhaupt zulässig) nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

6. Der obsiegenden Partei waren die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil der Behörde keine nach § 88 VerfGG ersatzfähigen Kosten erwachsen sind.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.