Suchen Hilfe
OGH 21.12.1994, 9ObA234/94

OGH 21.12.1994, 9ObA234/94

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Zörner und Friedrich Wienerroither als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Heinz M*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*****bank *****, vertreten durch Dr.Franz Drahos, Rechtsanwalt in Wien, wegen S

4.670 brutto sA und Feststellung (Streitwert S 51.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Ra 9/93-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 4 Cga 505/91-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit bei der beklagten Partei als Sachbearbeiter angestellt. Seit dem Jahre 1979 ist er auch Vorsitzender des Betriebsrats. Obwohl die beklagte Partei Mitglied des Bankenverbandes ist, findet auf die Dienstverhältnisse ihrer Dienstnehmer der Kollektivvertrag für die Angestellten der gewerblichen Kreditgenossenschaften (kurz Kollektivvertrag) Anwendung. § 3 Abs 6 dieses Kollektivvertrages enthielt eine Bestimmung über eine Gehaltserhöhung nach jeweils drei Jahren im Ausmaß der Differenz zwischen der vorletzten und letzten Stufe der Verwendungsgruppe für jene Angestellten, die wegen Erreichens der letzten Stufe der Verwendungsgruppe (Plafond) keine Vorrückungsmöglichkeit mehr haben (sogenannte Triennalstufe). Aufgrund einer Vereinbarung der Kollektivvertragsparteien vom wurde diese in § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags enthaltene Regelung rückwirkend zum ersatzlos aufgehoben.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 4.670 brutto sA und die Feststellung, daß die beklagte Partei ihm bei Vorliegen der in § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags normierten Voraussetzungen auch in Zukunft den Triennalsprung zu gewähren hat. Obwohl die Triennalstufe des anzuwendenden Kollektivvertrags mit Wirkung vom weggefallen sei, habe die beklagte Partei die Weitergewährung des Triennalsprungs zugesagt und die entsprechenden Beträge auch nach dem ausgezahlt. Er habe seinen ersten Triennalsprung mit erhalten; die zweite Erhöhung sei mit erfolgt. Mit Schreiben vom habe sich die beklagte Partei erstmals auf einen Irrtum bei der Gehaltsverrechnung berufen, weil für die weitere Gewährung des Triennalsprungs die Rechtsgrundlage fehle, und ab April 1990 eine Rückstufung verfügt. Dieses einseitige Vorgehen sei aufgrund der ausdrücklichen Zusicherung der Weiterzahlung des Triennalsprungs für die "Plafondisten" und der vorbehaltlosen tatsächlichen mehrmaligen Weitergewährung nach dem rechtswidrig, zumal die betroffenen Dienstnehmer dadurch bereits einen unwiderruflichen Rechtsanspruch auf die jeweiligen Erhöhungen erworben hätten. Für die Zeit von April 1990 bis Jänner 1991 stehe dem Kläger daher der begehrte Betrag (S 467 x 10) zu. Das Feststellungsbegehren sei im Interesse an der zukünftigen Zahlungsverpflichtung begründet.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei nicht Mitglied des Genossenschaftsverbandes und erhalte daher keine direkten Informationen über Änderungen des Kollektivvertrags. Aufgrund einer langjährigen Übung habe der Kläger als Vorsitzender des Betriebsrats diese Informationen jeweils den mit der Gehaltsverrechnung betrauten Mitarbeitern weitergegeben. Aus unerklärlichen Gründen habe der Kläger die Gehaltsverrechnung jedoch nicht auf den Entfall des § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags aufmerksam gemacht. Die Lohnverrechnung habe den ersten Triennalsprung des Klägers zum automatisch berücksichtigt. Zusagen oder Erklärungen seien dazu nicht abgegeben worden. In Fortführung dieser irrtümlichen Praxis der Gehaltsverrechnung sei dem Kläger mit noch ein weiterer Triennalsprung ausgezahlt worden. Da seit lediglich drei Dienstnehmer der beklagten Partei vom Triennalsprung des alten Kollektivvertrags betroffen gewesen seien, sei die nicht beträchtliche Erhöhung im Hinblick auf die ohnehin jährlich stattfindenden Erhöhungen des kollektivvertraglichen Gehalts nicht aufgefallen.

Anläßlich eines Geschäftsführerwechsels am sei die Geschäftsführung erstmals auf den Wegfall der Triennalstufe aufmerksam geworden. Bereits mit Schreiben vom seien der Kläger und ein weiterer betroffener Dienstnehmer davon verständigt worden, daß es an jeglicher Grundlage für die neuerliche Gewährung eines Triennalsprungs fehle. Der Kläger, der vom Wegfall der Triennalstufe ab gewußt habe, wäre verpflichtet gewesen, die beklagte Partei auf ihren Irrtum aufmerksam zu machen. Mangels jeglicher Erörterung der Triennalsprungfrage könne der Kläger nicht davon ausgehen, daß ihm die beklagte Partei einen über die zwingenden Bestimmungen des Kollektivvertrags hinausgehenden Vorteil, der ihm einmal titellos gewährt worden sei, auch in Zukunft zuwenden werde.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Der mit der Gehaltsverrechnung betrauten Buchhalterin der beklagten Partei fiel es nicht auf, daß § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags, betreffend den Triennalsprung, mit Wirkung vom ersatzlos gestrichen worden war. Da ihr weder von der Geschäftsleitung noch vom Betriebsrat darüber irgendeine Information zugekommen war, berücksichtigte sie weiterhin die im Kollektivvertrag vorgesehenen Triennalsprünge. Auch der für die Personalangelegenheiten zuständige Geschäftsführer kannte die Änderung des Kollektivvertrags nicht. Soweit daher die Voraussetzungen eines Triennalsprungs nach dem Kollektivvertrag erfüllt waren, wurde die Erhöhung rein rechnerisch durchgeführt. Eine schriftliche Zuerkennung (mit firmenmäßiger Zeichnung), die für außerordentliche finanzielle Zuwendungen an die Dienstnehmer ansonsten vorgesehen und üblich war, erfolgte diesfalls nicht. Nach der "Geschäftsordnung" der beklagten Partei wäre für eine freiwillige Zuerkennung eines Triennalsprunges ein Beschluß aller drei Geschäftsführer und die Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich gewesen. Ein solcher Beschluß kam schon mangels Aktualisierung des Problems nicht zustande. Bei den viermal im Jahr stattgefundenen Gesprächen zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat war vom Wegfall der Triennalsprünge keine Rede. Die Zahlung der sich aufgrund der kollektivvertraglichen Triennalstufe ergebenden Erhöhung erfolgte "ungewollt" und irrtümlich.

Der Kläger erhielt seinen ersten Triennalsprung im Jänner 1987 mit dem im voraus gezahlten Jännergehalt. Mit kam er in den Genuß des zweiten Triennalsprunges. Anfang des Jahres 1990 fragte der Nachfolger des für Personalangelegenheiten zuständigen Geschäftsführers die Buchhalterin, woher sie die Triennalsprünge habe. Diese sah im Kollektivvertrag nach und bemerkte dabei, daß der Absatz 6 im § 3 nicht mehr vorgesehen war. Daraufhin teilte die beklagte Partei dem Kläger und einem anderen Dienstnehmer mit Schreiben vom mit, daß festgestellt worden sei, daß ihnen aufgrund eines Irrtums der Gehaltsverrechnung zu Unrecht eine sogenannte Triennalstufe zugerechnet worden sei, für deren Gewährung die Rechtsgrundlage fehle. Um unbillige Härten zu vermeiden, verzichte die Geschäftsführung auf die Rückforderung der zuviel gezahlten Beträge. Ab April 1990 berechne sich das Gehalt aber wieder auf der Basis Dezember 1989.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger seinen ersten Triennalsprung bereits erhalten habe, als § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags noch gegolten habe. Die Erhöhung sei demnach durch den Kollektivvertrag geboten gewesen. Erst durch die am erfolgte rückwirkende Änderung des Kollektivvertrags sei die Rechtsgrundlage für diese Erhöhung weggefallen. Die beklagte Partei habe aber von der Änderung des Kollektivvertrags bis März 1990 keine Kenntnis erlangt. Sie habe daher die rechtsgrundlos gezahlten Erhöhungen ab April 1990 zu Recht eingestellt, wobei sie ohnehin die schon aufgrund des ersten Triennalsprunges bewirkte Erhöhung des Gehalts aufrechterhalten habe. Da die beklagte Partei alle drei betroffenen Dienstnehmer gleich behandelt habe, liege auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 50.000 übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die zuständigen Sachbearbeiter der beklagten Partei in einem wesentlichen Irrtum über die Verbindlichkeit der kollektivvertraglichen Regelung über den Triennalsprung verfangen gewesen seien. Dieser Irrtum sei vom Betriebsrat durch die unterlassene Aufklärung über den Wegfall der kollektivvertraglichen Triennalstufe veranlaßt und hinsichtlich der zweiten Erhöhung durch das Schreiben vom noch rechtzeitig aufgeklärt worden. Der erste Triennalsprung sei ohnehin als Bezugserhöhung belassen worden. Die Aufklärung des Irrtums stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewährung des zweiten Triennalsprunges am Beginn des Jahres 1990, zumal eine wirtschaftliche Verfügung hinsichtlich eines monatlichen Bruttobetrages von S 467 noch nicht bindend anzunehmen gewesen und auch nicht behauptet worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Weitergewährung des kollektivvertraglichen Triennalsprungs (§ 3 Abs 6) im wesentlichen darauf, daß ihm die Erhöhung zugesagt und überdies auch nach Wegfall der Triennalstufe vorbehaltlos weitergezahlt worden sei. Eine einzelvertragliche Zusage der Weitergewährung des Triennalsprungs wurde nicht festgestellt. Entgegen seiner Ansicht kann er seinen Anspruch auch nicht auf eine betriebliche Übung stützen (Arb 9427, 10.971 uva), die Eingang in seinen Dienstvertrag gefunden habe. Es liegt auch keine einseitige Entgeltbestimmung durch den Dienstgeber vor, die sittenwidrig sein könnte (Arb 9854) oder eine unzulässige Betriebsvereinbarung, die bereits Vertragsinhalt geworden wäre und die von der beklagten Partei nicht hätte aufgekündigt werden können (infas 1992 A 138, 1994 A 53 ua). Auszugehen ist vielmehr davon, daß die Gewährung der Triennalsprünge aufgrund des von beiden Teilen als verbindlich angesehenen Kollektivvertrags erfolgte, dessen einschlägige Regelung aber bereits weggefallen ist, als der Kläger erstmals einen solchen Anspruch gehabt hätte.

Unabhängig davon, ob der angewendete Kollektivvertrag als unmittelbar rechtsverbindliche Norm im Sinne des § 11 Abs 1 ArbVG oder lediglich als lex contractus zu gelten hat, kann sich der Kläger somit nicht auf das "Vorliegen der in § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags normierten Voraussetzungen" berufen. Durch die Gewährung des Triennalsprunges zum und erfüllte die beklagte Partei lediglich eine vermeintlich bestehende Pflicht, so daß ihr Verhalten nur als Wissenserklärung, mit der Gehaltserhöhung eine ohnehin bestehende Schuld zu erfüllen, gedeutet werden kann (DRdA 1980/16 [Kerschner insbesondere S 325] = ZAS 1980/12 [Tomandl] ua). Dem Kläger war dies nach den Feststellungen auch bewußt. Er kannte als Vorsitzender des Betriebsrats den Wegfall des § 3 Abs 6 des Kollektivvertrags, brachte diesen Umstand nie zur Sprache und erhielt andererseits keine schriftliche Zuerkennung der Erhöhung, die bei der beklagten Partei für eine "freiwillige" entgeltwerte Leistung vorgesehen und üblich war. Es mußte ihm demnach klar sein, daß die Gewährung des Triennalsprunges keine freiwillige Gehaltserhöhung sein sollte, sondern von der beklagten Partei nur in der irrigen Annahme gezahlt wurde, dazu aufgrund des Kollektivvertrags verpflichtet zu sein. Seine Vertrauensposition erweist sich damit nicht als so schützenswert, daß sich aus dem Irrtum in der Gehaltsverrechnung ein Anspruch auf die Triennalsprünge pro futuro ableiten ließe (vgl Kerschner aaO 325 f; Tomandl aaO 103). Da der Kläger bei sorgfältiger Prüfung somit erkennen konnte, daß die beklagte Partei (insbesondere die für die Gehaltsverrechnung zuständige Sachbearbeiterin) nur eine vermeintliche Pflicht erfüllte, ohne daß ihr rechtsgeschäftlicher Wille erkennbar war, freiwillig eine zusätzliche Leistung zu gewähren, war er nicht berechtigt, aus der tatsächlichen - wenn auch vorbehaltlosen - Gewährung auf eine Rechtsbindung dieser Erhöhung auch für die Zukunft zu schließen (9 ObA 601/93 = infas 1994 A 19).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1994:009OBA00234.94.1221.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAE-06785