VfGH vom 27.09.1990, B669/89

VfGH vom 27.09.1990, B669/89

Sammlungsnummer

12463

Leitsatz

Keine denkunmögliche oder gleichheitswidrige Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs aufgrund der Annahme mangelnder Grundstücksgröße zur Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes iS des § 4 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 litc Tir GVG 1983

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom bzw. 14./ erwarb A E von den Geschwistern E, J, A, H und R G die Gp. 1020/1 zugehörig zur Liegenschaft EZ 562 KG Lienz im Ausmaß von 6.269m2 um einen Kaufpreis von S 313.450,--.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Lienz bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom wurde diesem Rechtserwerb die Zustimmung erteilt.

2.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-520/3-88, Folge gegeben und dem beabsichtigten Rechtserwerb gemäß § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69/1983 idF der Kundmachung LGBl. Nr. 44/1984 (Druckfehlerberichtigung) - im folgenden: GVG 1983 - die Zustimmung versagt.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Unbestritten ist, daß sich das in Frage stehende Rechtsgeschäft auf ein land- bzw. forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des § 1 Abs 1 Zif. 1 GVG 1983 bezieht und der darin von den Vertragsteilen vereinbarte Eigentumserwerb zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung durch die Grundverkehrsbehörde bedarf (vgl. § 16 Abs 1 GVG 1983).

Diese Zustimmung darf nach § 4 Abs 1 GVG nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht.

... Als spezieller Versagungstatbestand ist im § 6 Abs 1 litc genannt, daß einem Grunderwerb insbesondere dann nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird.

...

Wenn auch letzterer Begriff im Tiroler Grundverkehrsgesetz nicht näher umschrieben ist, so kann darunter wohl nur ein bäuerlicher Voll- oder Nebenerwerbsbetrieb verstanden werden ...

Die Größenstrukturen, die hiebei erforderlich sind, können nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles (insbesondere auch unter Berücksichtigung der Produktionsbedingungen) unterschiedlich sein; dem Ausmaß der (Eigen-)Grundausstattung kommt bei der Beantwortung dieser Frage allerdings grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. hiezu insbesondere d. Erk. d. VfGH. vom , Zl. B827/87-12). Die erkennende Behörde geht daher davon aus, daß es nach dem Grundverkehrsrecht nicht so sehr auf allenfalls vorhandene Pachtflächen ankommt, sondern vor allem auf das Ausmaß des dem Rechtserwerber zur Verfügung stehenden Eigengrundes, weil das Grundverkehrsgesetz - wie sich aus § 4 Abs 1 GVG ergibt - der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes dient. Nach dem Ausweis der Verwaltungsakten verfügt der Genehmigungswerber aber lediglich über land- bzw. forstwirtschaftlichen Eigengrund in der Größenordnung von 2.700 m2, sodaß selbst unter Hinzurechnung der vom strittigen Rechtsgeschäft umfaßten Grundfläche (6.269 m2) von einem flächenmäßigen Substrat eines lebensfähigen landwirtschaftlichen Betriebes nicht gesprochen werden kann. Wenn man bedenkt, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem zum Vorarlberger Grundverkehrsgesetz 1977 ergangenen Erkenntnis vom , B570/85 (= VfSlg. 10764/1986), ausgeführt hat, daß dafür landwirtschaftliche (Nutz-)Flächen von 1,7 ha und etwa 9 ha Alpweidefläche zu gering sind, so muß dies wohl auch für Grundbesitz gelten, der lediglich 8.971 m2 beträgt (siehe hiezu auch die zum Tiroler Grundverkehrsgesetz ergangenen Erkenntnisse des VfGH. vom , B570/85 und vom , B827/87-12, in denen der Gerichtshof das Vorliegen des in Rede stehenden Untersagungstatbestandes bei Grundbesitz im Ausmaß von 1,1 ha bzw. 1,5 ha für denkmöglich erachtet hat). Nicht außer Betracht gelassen darf auch werden, daß die durchschnittliche Betriebsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe im Land Tirol - ohne Alm- bzw. Weiderecht - 4,86 ha beträgt ... und sohin der dem Genehmigungswerber zur Verfügung stehende Grundbesitz weit unter dem Landesdurchschnitt zu liegen kommen würde. ...

Von diesen Erwägungen ausgehend vertritt die erkennende Behörde ... die Auffassung, daß die hier beabsichtigte Eigentumsübertragung den öffentlichen Interessen des § 4 Abs 1 GVG an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- bzw. forstwirtschaftlichen Grundbesitzes zuwiderläuft."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Käufer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und (der Sache nach) auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Der Beschwerdeführer behauptet in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gestz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, weil der angefochtene Bescheid dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle oder wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch stehe. Der Beschwerdeführer habe im Administrativverfahren stets betont, daß er die in Rede stehende Liegenschaft ebenso wie bisher die gepachteten Flächen selbst bewirtschaften werde. Er stamme von einem Landwirt ab und betreibe Landwirtschaft bereits seit 20 Jahren; er sei Mitglied der Landwirtschaftskammer, leiste Beiträge zum Bauernbund, bezahle Einkommensteuer aus land- und forstwirtschaftlichen Einkommen und werde beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft als Landwirt geführt. Von der belangten Behörde werde auch nicht in Abrede gestellt, daß er über die nötigen Kenntnisse zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes verfüge, sodaß die Selbstbewirtschaftung der Kauffläche sichergestellt sei. Die belangte Behörde vertrete jedoch offensichtlich denkunmöglich die Ansicht, daß nur Rechtserwerber mit ausreichend vorhandenem Eigengrund landwirtschaftlichen Grund erwerben dürften. Dies führe in weiterer Konsequenz jedoch dazu, daß nur finanzkräftigen Erwerbern, die es sich leisten können, einen ganzen Hof mit mehreren Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zu kaufen, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt werden könnte, nicht jedoch solchen Rechtserwerbern, "die beabsichtigen, ihre Pachtflächen sukzessiv durch Flächen im Eigentum zu vermehren". Die belangte Behörde bestreite nicht seine Absicht, ein leistungsfähiges landwirtschaftliches Unternehmen zu betreiben; daß es ihm günstiger erscheine, kleinere Flächen nacheinander zu erwerben und zu den Pachtflächen hinzuzulegen, als große Flächen mit erheblichen Fremdmitteln und damit erheblicher Verschuldung des Hofes anzukaufen, könne die Ansicht der belangten Behörde nicht rechtfertigen. Tatsächlich besitze er Pachtflächen im Ausmaß von ca. 50 ha Alm, 15 ha Weiden und Wiesen sowie Äcker im Ausmaß von 29 ha. Diese landwirtschaftlichen Flächen würden ausschließlich von ihm und seinen Söhnen bewirtschaftet. Der Beschwerdeführer halte derzeit 60 Stück Rinder und 40 Schafe und sei damit wahrscheinlich der größte Viehhalter im Talboden von Lienz. Er habe mittlerweile auch die Baugenehmigung zur Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes erlangt, und zwar auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück. An landwirtschaftlichen Maschinen besitze er Traktor, Erntewagen, Mähwerk, Kreisler, Kipper, Holzwagen, Unkrautspritze, Heugebläse und Belüftung, Getreidemühle, Weidewasserbehälter sowie Pflug und Egge im Gesamtwert von ca. S 1,000.000,--. Die Auslagen für die Entwässerung und Einzäunung der Wiesen sowie Erneuerung der Ställe auf den Wiesen und Errichtung einer Maschinenhalle würden ca. S 300.000,-- betragen, sodaß an der Ernsthaftigkeit seiner Absicht einer Selbstbewirtschaftung nicht zu zweifeln sei. Die gegenteilige Ansicht der belangten Behörde beruhe auf unsachlichen und somit gleichheitswidrigen Erwägungen.

4.2. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen, nämlich des § 4 Abs 1 und des § 6 Abs 1 litc GVG 1983 (vgl. VfSlg. 6991/1973, 7538/1975, 8011/1977, 8245/1978, 9009/1981, 11413/1987) käme eine Gleichheitsverletzung nur in Frage, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte oder wenn Willkür vorläge. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985).

Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Der Beschwerdeführer wäre im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß der belangten Behörde derartiges zum Vorwurf gemacht werden kann. Der angefochtene Bescheid versagt die Zustimmung zu dem beabsichtigten Rechtserwerb nicht deshalb, weil die belangte Behörde eine Selbstbewirtschaftung durch den Beschwerdeführer bezweifelt, sondern - wie im Bescheid eingehend ausgeführt - weil das Ausmaß des Eigengrundes des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Rechtserwerbes nicht als Basis für einen selbständig lebensfähigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb hinreiche. Dies wird in der Beschwerde auch gar nicht in Abrede gestellt; dem angefochtenen Bescheid wird jedoch entgegengehalten, daß der Beschwerdeführer Pachtgrundstücke in einem für die Führung eines selbständigen lebensfähigen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes ausreichenden Ausmaß "besitze". Die Beschwerde meint also im Ergebnis, daß die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle und § 6 Abs 1 litc GVG 1983 willkürlich (denkunmöglich) auslege, weil die Pachtflächen bei der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für den in Rede stehenden Rechtserwerb von der belangten Behörde außer Betracht gelassen worden seien, sodaß dies zu dem gleichheitswidrigen Ergebnis führe, daß landwirtschaftliche Grundstücke nur von Rechtserwerbern erstanden werden könnten, die entweder bereits eine Landwirtschaft besäßen oder einen gesamten Hof kauften. Die belangte Behörde geht demgegenüber im angefochtenen Bescheid davon aus, "daß es nach dem Grundverkehrsrecht nicht so sehr auf allenfalls vorhandene Pachtflächen ankommt, sondern vor allem auf das Ausmaß des dem Rechtserwerber zur Verfügung stehenden Eigengrundes, weil das Grundverkehrsgesetz - wie sich aus § 4 Abs 1 GVG ergibt - der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes dient". Zur Vertretbarkeit dieser Auffassung verweist die belangte Behörde auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 7604/1975, 10764/1986 und .

Der Verfassungsgerichtshof kann auch aus dem Blickpunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht finden, daß die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet oder dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, zumal der Eigengrund des Beschwerdeführers im Ausmaß von 2.700 m2 selbst unter Hinzurechnung der Grundfläche des strittigen Rechtsgeschäftes im Ausmaß von 6.269 m2 letztlich nur knappe 9.000 m2 ausmachen würde; unter diesen Umständen vermag der Verfassungsgerichtshof auch unter Berücksichtigung, daß der Beschwerdeführer landwirtschaftliche Grundstücke beträchtlichen Ausmaßes gepachtet hat, keine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit oder auf Unversehrtheit des Eigentums zu erkennen.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.