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OGH vom 30.04.2003, 13Os25/03

OGH vom 30.04.2003, 13Os25/03

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Philipp, Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richalja A***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 064 Hv 56/02a-112, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

In teilweiser Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen, der Angeklagte habe die ihm angelastete Tat gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande begangen, und in der rechtlichen Unterstellung unter § 28 Abs 3 erster und zweiter Fall SMG sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richalja A***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider „gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG um mehr als das 25-fache übersteigenden großen Menge aus- und eingeführt sowie zu dessen Aus- und Einfuhr beigetragen hat", indem er am in Augsburg (Deutschland) auf Doublierbrettchen gewickelte Vorhangstoffe, in denen rund 53 kg Ecstasy-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 11.660 Gramm MDMA-Base verborgen waren, einer Spedition zum Weitertransport nach Kanada übergab, wo diese am eintrafen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 10, nominell auch Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt aus dem Grund der Z 10 teilweise Berechtigung zu.

Die übrigen Einwände sind nicht zielführend.

Sofern der Antrag auf Zeugenvernehmung des Jürgen M***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte A***** lediglich als Dolmetscher aufgetreten ist und er dem Kanadier mehrmals Fragen stellte und Antworten von diesem erhielt" (S 445/V), überhaupt auf den Nachweis zielte, dass der Angeklagte bei den Unternehmen, von denen Doublierbrettchen und Gardinen bezogen wurden (B***** und A*****), bloß als Übersetzer fungierte, ließ er die Angabe von Gründen vermissen, aus denen das Gelingen des Beweises erwartet werden konnte. Denn nach der Aktenlage zur Zeit des Antrags gehört der Genannte einem anderen Unternehmen an. Durch die Ablehnung wurden daher Verteidigungsrechte nicht geschmälert (Z 4).

Die Kritik an der Urteilsbegründung, wonach eine Zuladung des Suchtgiftes während des Transportes nach Kanada nicht erfolgt sein kann, „da die Container in Deutschland nach der Beladung mit einer Zollplombe verschlossen wurden" (US 4), als unvollständig (Z 5 zweiter Fall) versagt mangels Anführung angeblich vom Erstgericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen übergangener erheblicher Verfahrensergebnisse. Die Bemängelung als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) hätte die Darlegung erfordert, dass die Begründung den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht. Davon kann jedoch keine Rede sein.

Die Feststellung, dass dem Angeklagten 40 bis 50 Doublierbrettchen überlassen und diese „extra erhaltenen" Brettchen mit rund 53 kg Ecstasy-Tabletten befüllt wurden (US 5 f), steht zur Aussage der Zeugin Anneliese W*****, wonach die vom Angeklagten bei der Firma A***** gekauften weißen Gardinen bereits auf Doublierbrettchen aufgewickelt waren, schon angesichts der gerade unter Berücksichtigung dieser Aussage getroffenen Konstatierung nicht in einem (gemeint: offen gebliebenen – Z 5 zweiter Fall) Widerspruch, dass die weißen Gardinen auf die mit Ecstasy-Tabletten präparierten Doublierbrettchen händisch umgewickelt wurden (US 6 bis 8). Aus welchen Erwägungen der Beschwerdeführer eine Erörterung des Verbleibs der Doublierbrettchen vermisst, auf denen die Gardinen ursprünglich aufgewickelt waren, lässt sein Vorbringen offen. Ein für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache allenfalls bedeutsamer Umstand wird damit nicht angesprochen.

Wozu sich der Angeklagte die in Rede stehenden weiteren Doublierbrettchen ausfolgen ließ, kommt entgegen der Beschwerde im Urteil deutlich zum Ausdruck (abermals US 5 bis 8, 10 unten). Die Behauptung, zur inneren Tatseite wäre statt des vom Erstgericht gezogenen, nach Lage des Falles – wie vom Beschwerdeführer eingeräumt wird – vertretbaren Schlusses, dass der Angeklagte von Art und Menge des von ihm aus- und eingeführten Suchtgiftes wusste (US 13), auch ein anderer, ihm günstigerer möglich gewesen, macht keinen Begründungsmangel geltend.

Mit den Einwänden gegen die Begründung einer "Feststellung gewerbsmäßigen Handelns" ist der Angeklagte auf das Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO zu verweisen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit dem gegen die Feststellung, dass die von der Firma B***** erlangten 40 bis 50 Doublierbrettchen mit den 53 kg Ecstasy-Tabletten befüllt wurden, gerichteten neuerlichen Vorbringen, nach der Aussage der Zeugin W***** seien die bei der Firma A***** gekauften Gardinen schon auf solche Brettchen aufgewickelt gewesen, sodass sich die genannten weiteren als überzählig erwiesen, nicht dem Gebot gerecht, mit voller Bestimmtheit klar zu machen, weshalb ein deutlich und bestimmt bezeichnetes Beweismittel die Feststellung einer gleichermaßen deutlich und bestimmt zu bezeichnenden entscheidenden Tatsache im geforderten Ausmaß bedenklich erscheinen lasse.

Prozessordnungswidrig ist ohne Bezugnahme auf konkrete Beweismittel auch der Einwand, die erwähnte Feststellung sei mangels Angaben zum Fassungsvermögen der Doublierbrettchen und zum Volumen der Ecstasy-Tabletten „wegen Unüberprüfbarkeit erheblich bedenklich". Ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus Erwägungen der Tatrichter Bedenken abzuleiten, ermöglicht die Tatsachenrüge nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).

Zutreffend wird dagegen (nominell aus Z 9 lit a, der Sache nach aus Z 10) die Subsumtion des konstatierten Verhaltens unter § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG kritisiert. Die Feststellungen, wonach der Angeklagte teils mit einem, teils mit zwei Begleitern bei den Firma B***** und A***** war (US 5 bis 8), vermögen die rechtliche Beurteilung, „dass es sich bei den hier tätigen Personen um eine Bande handelt" (US 11), auch unter Berücksichtigung der vom Erstgericht betrachteten „Gesamtsituation", die mit den Urteilsannahmen beschrieben wurde, „dass das Suchtmittel erzeugt und vom Angeklagten übernommen und verpackt werden musste" und „auch die weitere Übernahme in Kanada ... zweifellos nur durch eine größere Zahl von Menschen möglich (ist), welche auch den Vertrieb durchziehen" (US 12), nicht zu tragen.

Der im § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG bis zur Änderung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I Nr 134/2002, mit verwendete Begriff der Bande war an dem des § 278 Abs 1 StGB orientiert. Demnach war darunter eine Verbindung von mindestens drei Personen zur fortgesetzten Begehung gleichartiger, im Einzelnen noch nicht näher bestimmter Delikte der in § 278 Abs 1 StGB angeführten Art zu verstehen. Die Verbindung erforderte eine ernsthafte Einigung der Täter, für eine gewisse Dauer zwecks künftiger verbrecherischer Betätigung zusammenzubleiben, wobei sich der Einzelne diesbezüglich dem Willen der Gesamtheit unterwirft und alle durch ihre Zugehörigkeit zu der Vereinigung einen entsprechenden Rückhalt bei der Ausführung der ins Auge gefassten Straftaten finden (11 Os 44/00, Steininger in WK² § 278 Rz 1 und 3 f mwN). Diese eine Bande kennzeichnenden Merkmale sind den getroffenen Feststellungen zufolge nicht erfüllt.

In subjektiver Hinsicht setzt die Qualifikation die Konstatierung voraus, dass der Täter beim Erzeugen, Ein- oder Ausführen oder Inverkehrsetzen einer großen Menge Suchtgift zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, als Mitglied einer solchen Verbindung zu fungieren und deren Ziele mit seiner Tat unterstützen (vgl Mayerhofer, Nebenstrafrecht4 § 28 SMG E 92, 94; jüngst 15 Os 28/98). Auch derartige Feststellungen hat das Erstgericht, wie der Beschwerdeführer mit Recht geltend macht, nicht getroffen. Diese Mängel erforderten die Urteilsaufhebung in Hinsicht auf die Qualifikation bandenmäßiger Begehung des Suchtgiftschmuggels. Die übrige Subsumtionsrüge (Z 10) lässt die gebotene Angabe von Gründen vermissen, aus denen die rechtsirrige – nicht als erschwerend gewertete – Annahme verschiedener Täterschaftsformen (§ 12 erster, zweiter und dritter Fall StGB), die in Hinsicht auf ein und die selbe Tat eines Täters bloß scheinbar in Konkurrenz stehen (Fabrizy in WK² § 12 Rz 112), einen sachlichen Nachteil für den Angeklagten bedeuten soll (Mayerhofer StPO4 § 281 E 52, vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 648). Aus Anlass der Beschwerde war gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO von Amts wegen wahrzunehmen, dass die Feststellungen keine ausreichende Grundlage für die rechtliche Beurteilung als gewerbsmäßige Begehung der Tat bieten (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).

Insoweit konstatierte das Erstgericht lediglich die Absicht des Angeklagten, „bei Gelingen des Transportes die Tat zu wiederholen", und an anderer Stelle, „das Tatbild lukrativ zu wiederholen" (US 11 f). Damit brachte es jedoch die zur Anwendung der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG erforderliche Absicht des Angeklagten, sich durch wiederkehrendes Erzeugen, Einführen, Ausführen oder Inverkehrsetzen einer jeweils großen Suchtgiftmenge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht zum Ausdruck. Daher war das Urteil in Ansehung der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation aufzuheben und auch in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Im zweiten Rechtsgang wird bei Prüfung des Vorliegens der Qualifikationsmerkmale nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG auf die Änderung der Bestimmung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 Bedacht zu nehmen sein. Der gemäß §§ 1 und 61 StGB gebotene, fallbezogen vorzunehmende Günstigkeitsvergleich hat nicht nur die angedrohte Strafe, sondern (schon vor Betrachtung der Unrechtsfolgen) alle maßgeblichen Bestimmungen über Entfall, Einschränkung oder Erweiterung der Strafbarkeit in Fällen wie dem vorliegenden zu umfassen (Höpfel in WK² § 61 Rz 13 f).

Demnach wird zu berücksichtigen sein, dass in Ansehung eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung nur ein einziges Verbrechen ausgeführt wird (zu dieser Konstellation 1166 BlgNR 21. GP 35), die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 durch die Neufassung des § 278 StGB („kriminelle Vereinigung") und die korrespondierende Änderung des § 28 Abs 3 und Abs 4 Z 1 SMG mit geschaffene Rechtslage (BGBl I Nr 134/2002 Art I Z 23, Art IV und Art IX) für Täter eines Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG ungünstiger ist als die frühere, weil für das Vorliegen einer „Bande" nach der alten Rechtslage eine auf die Begehung von mehr als einer Straftat ausgerichtete Verbindung erforderlich war.

Sollte im Fall der Feststellung einer Verbindung von mehr als zwei Personen nur die Ausrichtung des Zusammenschlusses auf ein einziges Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG erweislich sein, wäre dem Angeklagten die Qualifikation nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG demnach nicht anzulasten (§§ 1 und 61 StGB).