zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 23.05.2005, 10ObS43/05d

OGH vom 23.05.2005, 10ObS43/05d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Dr. Christoph Kainz (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Judith F*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Thomas Fried, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 12/05v-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 2 Cgs 150/02s-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss :

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am geborene Klägerin führte nach dem Tod ihres Gatten Imre F***** am den Betrieb ihres Ehegatten fort und erwarb somit in der Zeit vom bis 52 Beitragsmonate in der österreichischen Pensionsversicherung. Seit bezieht die Klägerin eine Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehemann.

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom den Antrag der Klägerin vom auf Gewährung einer Alterspension gemäß § 130 GSVG ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung der abgelehnten Leistung. Die Klägerin erfülle nicht die Wartezeit, weil die beklagte Partei die Versicherungszeiten ihres verstorbenen Ehegatten nicht berücksichtigt habe. Sie habe nach dessen Tod den Betrieb über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren fortgeführt. Eine Berücksichtigung der Versicherungszeiten ihres verstorbenen Ehegatten für die Erfüllung der Wartezeit sei von der beklagten Partei abgelehnt worden, weil die Klägerin seinerzeit die Witwenpension in Anspruch genommen habe. Sie habe aber zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung auf Witwenpension noch nicht wissen können, ob sie in der Lage sein werde, den Betrieb ihres verstorbenen Ehegatten noch mindestens drei Jahre fortzuführen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, eine Hinzurechnung der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten sei gemäß § 134 Abs 1 letzter Satz GSVG ausgeschlossen, da die Klägerin die Witwenpension in Anspruch genommen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin erfülle mit ihren - näher festgestellten - eigenen Versicherungszeiten nicht die Wartezeit für einen Anspruch auf Alterspension. Die von der Klägerin angebotene Vorgangsweise des rückwirkenden Verzichts auf die Witwenpension im Austausch gegen die Berücksichtigung der Versicherungszeiten ihres verstorbenen Ehegatten sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte insbesondere nicht die von der Klägerin gegen die Bestimmung des § 134 Abs 1 letzter Satz GSVG vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) unzulässig.

Die Klägerin wiederholt in ihrem Rechtsmittel ausschließlich die auch in der Berufung behauptete Verfassungswidrigkeit des § 134 Abs 1 letzter Satz GSVG.

Gemäß § 134 GSVG sind bei Witwen (Witwern), die den Betrieb des versicherten Ehegatten (der versicherten Ehegattin) fortgeführt haben, für einen Anspruch auf eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters oder aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit die Versicherungszeiten im Sinn des § 114, die von diesem (dieser) während des Bestandes der Ehe erworben worden sind, den aus der eigenen Pensionsversicherung der Witwe (des Witwers) erworbenen Versicherungszeiten hinzuzurechnen, wenn die Witwe (der Witwer) den Betrieb mindestens drei Jahre fortgeführt hat. Wird die Witwen(Witwer)pension in Anspruch genommen, so ist eine Hinzurechnung der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten ausgeschlossen.

Diese nach der geltenden Rechtslage in den §§ 134 GSVG und 125 BSVG geregelte Hinzurechnung von Versicherungszeiten für Witwen (Witwer), die den Betrieb des versicherten Ehegatten nach dessen Tod fortgeführt haben, stellt eine Besonderheit der Pensionsversicherung der Selbständigen dar. Dieser Regelung liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass der Ehepartner des versicherten Unternehmers oder Betriebsinhabers infolge der familienrechtlichen Bindung in den überwiegenden Fällen seine Arbeitskraft diesem Betrieb zur Verfügung stellen muss. Er wird meistens das gleiche Risiko zu tragen haben wie der Unternehmer selbst. Seine Arbeitsleistung wird auch in vielen Fällen mit der Leistung und dem Einsatz eines Dienstnehmers zu vergleichen sein, ohne dass der Ehepartner aus dieser Stellung versicherungsrechtliche Ansprüche ableiten kann. Diese Mitarbeit soll nach den Willen des Gesetzgebers durch die Regelung des § 134 GSVG bzw § 125 BSVG teilweise honoriert werden. Das Bestreben des Gesetzgebers geht dahin, den überlebenden Ehegatten, der keine eigenen Versicherungszeiten erworben hat, durch Hinzurechnung der Versicherungszeiten des Verstorbenen, während der eine mittätige Arbeitsleistung entfaltet wurde, besser zu stellen. Diesen Personen sollen daher höhere Leistungsansprüche gewährt werden, weil sie durch ihre Tätigkeit den Umfang der Berufstätigkeit des versicherten Ehegatten mitbestimmt und so auch zu einer Erhöhung seiner Beitragsgrundlagen beigetragen haben (SSV-NF 9/30 mwN). Voraussetzung für die Hinzurechnung von Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten nach § 134 GSVG ist, dass der Betrieb des verstorbenen Ehegatten mindestens drei Jahre fortgeführt wurde.

Nimmt die Witwe (der Witwer) die Fortführungspension nach § 134 GSVG bzw § 125 BSVG in Anspruch, so steht ihm (ihr), da die Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten bereits bei der Fortführungspension berücksichtigt wurden, ein Anspruch auf Witwen-(Witwer-)pension nicht zu (§ 136 Abs 1 GSVG,§ 127 Abs 1 BSVG). Umgekehrt ist für den hier vorliegenden Fall entsprechend der Bestimmung des § 134 Abs 1 letzter Satz GSVG bzw § 125 Abs 1 letzter Satz BSVG eine Hinzurechnung der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten ausgeschlossen, wenn die Witwen-(Witwer-)pension in Anspruch genommen wird. Auch diese Regelung soll damit eine eventuelle „doppelte Verwertung" der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten ausschließen (vgl bereits Adametz, Die „Witwenfortbetriebspension" nach dem GSPVG, VersRdSch 1965, 127 ff [128]).

Der überlebende Ehegatte hat somit folgende Wahlmöglichkeiten (vgl dazu Radner, BSVG3 § 127 Anm 2):

Er kann eine Witwen-(Witwer-)pension ohne Betriebsfortführung beziehen. Er kann aber auch bei Fortführung des Betriebes des verstorbenen Ehegatten eine Witwen-(Witwer-)pension in Anspruch nehmen, wobei jedoch eine Berücksichtigung der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten für den Erwerb eines Anspruches auf Alters-(Erwerbsunfähigkeits-)pension ausgeschlossen ist, da diese bereits bei der Witwen-(Witwer-)pension berücksichtigt worden sind (§ 134 Abs 1 letzter Satz GSVG). Der überlebende Ehegatte hat gegebenenfalls auch Anspruch sowohl auf Witwen-(Witwer-)pension nach dem verstorbenen Ehegatten als auch auf eine Direktpension aufgrund selbst erworbener Versicherungszeiten. Schließlich kann der überlebende Ehegatte unter Hinzurechnung der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten eine Fortführungspension (§ 134 GSVG) in Anspruch nehmen, wobei daneben aber keine Witwen-(Witwer-)pension gebührt, da die Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten bereits bei der Fortführungspension berücksichtigt worden sind (§ 136 Abs 1 letzter Satz GSVG). Zur Feststellung, welche Variante im konkreten Fall für den überlebenden Ehegatten am günstigsten ist, wird empfohlen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

Im vorliegenden Fall hat sich die damals bereits rechtsfreundlich vertretene Klägerin nach dem Tod ihres Ehegatten im Jahr 1994 für die Inanspruchnahme der Witwenpension entschieden. Damit ist aber gemäß § 134 Abs 1 letzter Satz GSVG eine nochmalige Berücksichtigung der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten im Rahmen einer Fortführungspension (zur Erfüllung der Wartezeit) ausgeschlossen. Gegen diese Ergebnis bestehen, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da dadurch lediglich eine sachlich nicht gerechtfertigte „doppelte Verwertung" der Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten ausgeschlossen wird. Für die Klägerin waren bereits vor ihrer Wahl die Konsequenzen ihrer Wahl erkennbar. Da sich die der Disposition der Klägerin zugrundeliegende Rechtslage nicht geändert hat, kommt auch eine Verletzung des Vertrauensschutzes, dass die Betroffenen in einem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden, auf die sie sich berechtigterweise berufen konnten, nicht in Betracht (vgl VfSlg 12.241, 12.322 ua). Der Umstand allein, dass sich die etwaige Erwartung der Klägerin, sie werde aufgrund selbst erworbener Versicherungszeiten die Wartezeit (§ 120 GSVG) für eine Direktpension erfüllen und werde dann neben der Witwenpension auch eine Direktpension aufgrund eigener Versicherungszeiten beziehen können, aufgrund persönlicher Umstände als unzutreffend herausstellt, macht aber die Regelung nicht verfassungswidrig. Eine solche Erwartung genießt nämlich keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der erkennende Senat sieht sich daher zu der von der Revisionswerberin angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.

Da eine die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigende Rechtsfrage nicht vorliegt, wenn das Revisionsgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers nicht teilt (RIS-Justiz RS0116943), war die Revision zurückzuweisen.